Landgericht Verden
Beschl. v. 12.02.2020, Az.: 6 T 185/19

Bibliographie

Gericht
LG Verden
Datum
12.02.2020
Aktenzeichen
6 T 185/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 71556
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG - 13.12.2019 - AZ: 9 a XIV 1198 B

Tenor:

1. Die Beschwerde der Betroffenen vom 13.12.2019 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Verden vom 13.12.2019 (Az.: 9a XIV 1198 B) wird zurückgewiesen.

2. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Beteiligten werden der Betroffenen auferlegt.

3. Der Beschwerdewert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Betroffene begehrt die Feststellung, dass sie durch die Anordnung der Sicherungshaft in ihren Rechten verletzt worden sei.

I.

Die Betroffene ist irakische Staatsbürgerin, ledig und kinderlos.

Die Betroffene reiste am 10.06.2017 nach Deutschland ein und stellte am 20.06.2017 einen Asylantrag.

Am 11.08.2017 erging ein Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), mit welchem der Asylantrag der Betroffenen als unzulässig abgelehnt wurde. Des Weiteren hat das BAMF festgestellt, dass Abschiebungsverbote nicht vorliegen. Gleichzeitig wurde die Abschiebung nach Rumänien – von wo aus die Betroffene in die Bundesrepublik eingereist ist – angeordnet. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot hat das BAMF auf 6 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Wegen der Einzelheiten des Bescheides wird auf Bl. 27 ff. Bd. I d. Ausländerakte Bezug genommen.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes gegen diesen Bescheid wurde durch das Verwaltungsgericht Braunschweig mit Beschluss vom 01.09.2017 abgelehnt. Die Abschiebungsanordnung ist daher seit dem 01.09.2017 vollziehbar. Gleichzeitig mit dem vorgenannten Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wurde eine Klage vom 22.08.2017 gegen diesen Bescheid erhoben.

Mit Schreiben vom 26.09.2017 wies der Beteiligte die Betroffene auf ihre Ausreisepflicht hin und kündigte die Einleitung eines Überstellungsverfahrens an, sofern die Betroffene nicht bis zum 15.10.2017 freiwillig ausgereist wäre. Eine freiwillige Ausreise der Betroffenen erfolgte nicht.

Mit Beschluss vom 27.09.2017 lehnte das Verwaltungsgericht Braunschweig einen weiteren Antrag der Betroffenen auf Anordnung einstweiligen Rechtschutzes und insoweit Abänderung des Beschlusses vom 01.09.2017 ab.

Nachdem die Betroffene mit Schreiben vom 03.01.2018 auf ihre Verpflichtung zur Wohnsitznahme unter der Anschrift L.-Straße, V. und zur Mitteilung einer mehr als dreitägigen Abwesenheit hingewiesen wurde – und sich ihr Bruder M.A. dessen Inhalt am 09.01.2018 nochmals persönlich in der Behörde erklären ließ – hielt sie sich seit dem 11.01.2018 nicht mehr in ihrer Unterkunft auf. Deswegen konnte die für den 22.01.2018, 09:50 Uhr geplante Abschiebung nicht vollzogen werden. Sie tauchte vielmehr gemeinsam mit ihrem Bruder, mit dem sie zeitgleich abgeschoben werden sollte, bei einem weiteren Bruder in V. unter. Nach einer polizeilichen Kontrolle bei diesem Bruder vom 21.01.2018 ließen die Geschwister am 22.01.2018 um 14:43 Uhr, mithin nach der geplanten Abschiebung, mitteilen, dass sie sich nunmehr wieder in ihrer Unterkunft aufhalten würden.

Auf Antrag des Beteiligten vom 25.01.2018 ordnete das Amtsgericht Verden durch Beschluss vom 25.01.2018 zu Az.: 9a XIV 1049 B die einstweilige Freiheitsentziehung zum Zwecke der Abschiebung an. Daraufhin hielt sich die Betroffene mit ihrem Bruder zunächst im Kirchenasyl auf.

Mit Beschluss vom 19.01.2018, dem Beteiligten zugegangen am 26.01.2018, änderte das Verwaltungsgericht Braunschweig seine vorhergehenden Beschlüsse dahingehend ab, dass die aufschiebende Wirkung der Klage der Betroffenen gegen die Abschiebung nach Rumänien angeordnet wurde. Daraufhin stellte der Beteiligte der Betroffenen eine Aufenthaltsgenehmigung aus.

Mit Urteil des Verwaltungsgerichtes Braunschweig vom 25.06.2019, rechtskräftig seit dem 30.07.2019, wurde der Klageantrag der Betroffenen vom 11.08.2017 auf Aufhebung des Bescheides des BAMF abgelehnt. Die Abschiebungsanordnung nach Rumänien ist aufgrund dieses Urteils in Verbindung mit der Entscheidung des BAMF vom 11.08.2017 seit dem 30.07.2019 vollziehbar.

Der Beteiligte leitete ein erneutes Abschiebungsverfahren ein. Ein Flug zur Durchführung der Abschiebung wurde nach Abstimmung mit dem LKA für den 16.12.2019, 11:05 Uhr gebucht. Gültige Passersatzpapiere lagen vor.

Mit Schreiben vom 07.11.2019 wurde die Betroffene auf ihre Verpflichtung zur Wohnsitznahme unter der Anschrift N., V. und zur Mitteilung einer mehr als dreitägigen Abwesenheit hingewiesen.

Am 28.11.2019 ordnete das Amtsgericht Verden auf Antrag des Beteiligten vom 27.11.2019 die einstweilige Freiheitsentziehung gemäß § 427 Abs. 1 FamFG an.

Auf Grundlage dieses Beschlusses wurde die Betroffene am 12.12.2019 im Rahmen einer Vorsprache der Betroffenen in den Räumlichkeiten des Landkreises Verden festgenommen.

Mit Haftantrag vom 27.11.2019 beantragte der Beteiligte die Anordnung der Sicherungshaft vom Tage der Festnahme bis einschließlich zum 17.12.2019. Der Beteiligte meint, es bestehe erhebliche Fluchtgefahr gem. § 62 Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. Abs. 3a Nr. 5 AufenthG. Die Betroffene habe sich bereits Anfang 2018 einer Abschiebung entzogen, was vermuten lasse, dass sie es nunmehr wieder tun würde zumal ihr bekannt sei, dass das Abschiebungsverfahren erneut eingeleitet worden sei. Rumänien habe sich zur Aufnahme im Rahmen der Dublin II Verordnung bereiterklärt. Die Anordnung einer Meldepflicht oder andere mildere Mittel seien nicht geeignet um den Vollzug der Abschiebung sicherzustellen. Angaben zur Frage der erforderlichen Dauer der Abschiebehaft wurden im Haftantrag nicht gemacht. Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Haftantrag (Bl. 3 - 5 d.A.) verwiesen.

In ihrer Anhörung vor dem Amtsgericht Verden vom 13.12.2019 belehrte das Amtsgericht die Betroffene u.a. darüber, dass sie jederzeit einen von ihr zu wählenden Rechtsanwalt hinzuziehen könne. Die Betroffene erklärte, dass sie es nicht für zumutbar halte, dass sie aus dem Familienverband gerissen werden und nach Rumänien abgeschoben werden solle. In Rumänien sei sie nur auf der Durchreise gewesen. Ihre Familie sei hier anerkannt. Im Übrigen wird auf das Anhörungsprotokoll des Amtsgerichts Verden Bezug genommen (Bl. 19 - 20 d.A.).

Das Amtsgericht Verden hat durch Beschluss vom 13.12.2019 – 9a XIV 1198 B – antragsgemäß entschieden und die sofortige Wirksamkeit seiner Entscheidung angeordnet. Das Amtsgericht begründete die Fluchtgefahr einerseits mit den Erklärungen der Betroffenen im Anhörungstermin und mit der gescheiterten Rückführung vom 22.01.2018. Die Betroffene habe erklärt, dass sie es nicht für zumutbar halte in Rumänien ein Asylverfahren durchzuführen. Sie befürchte, dass dann traumatische Erlebnisse aus dem Irak wiederaufleben würden. Sie werde auf keinen Fall freiwillig nach Rumänien reisen. Sie wolle hierbleiben. Zur Verhältnismäßigkeit der Dauer der Abschiebehaft und der Vollziehbarkeit der Abschiebung führte das Amtsgericht aus:

„Die rumänischen Behörden sind zur Aufnahme der Betroffenen bereit. Ein Flug nach Bukarest ist für den 16.12.2019 vorgesehen. Die relativ kurze Haftdauer ist verhältnismäßig. Abschiebungshindernisse liegen nicht vor.“

Im Übrigen wird auf dem Beschluss des Amtsgerichts Verden Bezug genommen (Bl. 21 - 23 d. A.).

Unter dem 13.12.2019 legte die Betroffene Beschwerde, beim Amtsgericht eingegangen am selben Tag, gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 13.12.2019 ein. Sie beantragt,

1. den Beschluss des Amtsgerichts Verden (Aller) vom 13.12.2019, Aktenzeichen: 9a XIV 1198 B, aufzuheben;

hilfsweise festzustellen, dass die Anordnung der Sicherungshaft durch den Beschluss des Amtsgerichts Verden (Aller) vom 13.12.2019, Aktenzeichen: 9a XIV 1198B, rechtswidrig war und die Betroffene in ihrem Freiheitsrecht verletzt hat;

2. die Vollziehung der mit Beschluss des Amtsgerichts Verden (Aller) vom 13.12.2019, Aktenzeichen: 9a XIV 1198 B, angeordneten Sicherungshaft auszusetzen;

3. die Kosten des Verfahrens, einschließlich außergerichtlicher Kosten des Betroffenen, der beteiligten Ausländerbehörde aufzuerlegen.

Die Betroffene vertritt in ihrer Beschwerde die Auffassung, dass der Beschluss offensichtlich rechtswidrig sei, nachdem der Verfahrensbevollmächtigte der Betroffenen, Herr Rechtsanwalt S.A., über die Anhörung der Betroffenen nicht durch das Amtsgericht informiert worden sei. Dies sei mit dem Gebot des fairen Verfahrens nicht vereinbar.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 16.12.2019 nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht Verden zur Entscheidung vorgelegt.

Die noch vor Eingang der Akten beim Landgericht begonnene Abschiebung der Betroffenen scheiterte an deren randalierendem Verhalten im Flugzeug.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

1. Die Beschwerde ist als Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde im Sinne des § 62 Abs.1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Nach Misslingen des Abschiebeversuchs ist hinsichtlich des Haftbefehls vom 13.12.2019 Erledigung eingetreten. Das Feststellungsinteresse folgt aus dem mit der Freiheitsentziehung verbundenen Grundrechtseingriff.

2. Die Beschwerde hat in der Sache aber keinen Erfolg, da die Anordnung der Sicherungshaft durch Beschluss vom 13.12.2019 rechtmäßig war.

a) Rechtsgrundlage der Sicherungshaft ist § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Nach dieser Vorschrift ist ein Ausländer zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn im Einzelfall Gründe vorliegen, die auf den in § 62 Abs. 3a oder 3b AufenthG festgelegten Anhaltspunkten beruhen und deshalb der begründete Verdacht besteht, dass er sich der Abschiebung durch Flucht entziehen will.

b) Die formellen Voraussetzungen liegen vor, da die zuständige Behörde einen im Wesentlichen ausreichend begründeten und damit zulässigen Antrag auf Anordnung der Sicherungshaft gem. § 417 Abs. 1 FamFG beim zuständigen Gericht gestellt hat, der auch den Begründungsanforderungen des § 417 Abs. 2 Satz 1 und 2 FamFG im Wesentlichen genügt. Die fehlende Begründung zur erforderlichen Dauer der Freiheitsentziehung gem. § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 FamFG ist durch das Amtsgericht mit heilender Wirkung in ausreichendem Maße nachgeholt worden.

aa) Die Ausländerbehörde des Landkreises Verden ist sachlich und örtlich für den Haftantrag zuständig. Die Betroffene war dem Landkreis Verden im Asylverfahren zugewiesen. Die Zuständigkeit des Beteiligten für die Beantragung von Abschiebungshaft ergibt sich auch aus § 12 Abs. 3 S. 3 der Verordnung über Zuständigkeiten im Ausländerwesen, da die Betroffene ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bezirk des Beteiligten hatte. Das Amtsgericht Verden war auch gem. § 416 FamFG für die Anordnung der Freiheitsentziehung zuständig. Die erforderliche Anhörung der Betroffenen hat vor Beschlussfassung stattgefunden.

bb) Der Haftantrag vom 27.11.2019 wurde in der erforderlichen Schriftform gestellt.

cc) Der Beteiligte hat im Rahmen der schriftlichen Antragstellung hinreichend zu den Fragen der zweifelsfreien Ausreisepflicht und zu der Erforderlichkeit der Haft und deren Vollziehbarkeit vorgetragen. Die in der Antragsbegründung gem. § 417 Abs. 2 FamFG bisher fehlenden Angaben zur erforderlichen Dauer der Freiheitsentziehung der Abschiebung wurden mit heilender Wirkung durch das Amtsgericht ergänzt.

aaa) Mängel in der Antragsbegründung wegen fehlender Angaben zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 FamFG) führen grundsätzlich zur Rechtswidrigkeit der auf Grund eines solchen Antrages erlassenen Haftanordnung (BGH, Beschluss vom 16. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 18 ff.). Mängel des Haftantrages können aber behoben werden, indem die Behörde von sich aus oder auf richterlichen Hinweis ihre Darlegungen ergänzt und dadurch die Lücken in ihrem Haftantrag schließt oder indem der Haftrichter selbst die Voraussetzungen zur Durchführbarkeit der Ab- oder Zurückschiebung des Ausländers und zu der dafür erforderlichen Haftdauer in seiner Entscheidung feststellt (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384Rn. 21 ff.).

Die Anforderungen an die Begründung eines Freiheitsentziehungsantrages ergeben sich insofern aus § 417 Abs. 2 FamFG, dessen Satz 1 das Begründungserfordernis abstrakt normiert, wobei die Anforderungen sodann von Satz 2 konkretisiert werden. Die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags dürfen dabei knapp gehalten sein, müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falls wesentlichen Umstände ansprechen (BGH BeckRS 2014, 3312, Rn. 8; BGH BeckRS 2014, 16031, Rn. 15; BGH BeckRS 2019, 7431, Rn. 4). Bei der Auslegung des § 417 Abs. 2 FamFG ist neben den Art. 2 Abs. 2 S. 2, 104 Abs. 1 S. 1 GG der Sinn und Zweck der Vorschrift zu berücksichtigen, woraus sich die Begründungsdichte ergibt. Das Begründungserfordernis will dem Betroffenen eine bessere Verteidigung im Verfahren ermöglichen. Des Weiteren soll dem Amtsgericht eine hinreichende Tatsachengrundlage für seine Entscheidung, aber auch für die Frage zur Verfügung gestellt werden, ob weitere Ermittlungen zu führen sind (BGH BeckRS 2014, 16031, Rn. 19). Aus diesem Grund ist das Begründungserfordernis im Lichte des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Sinne des § 62 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 3 AufenthG sowie Art. 15 Abs. 1 S. 2 Rückführungsrichtlinie (Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, ABl. Nr. L 348, S. 98) zu sehen, dessen Einhaltung einer Überprüfung zugänglich sein soll (BGH BeckRS 2014, 16031, Rn. 20). Aus diesem Grund darf sich die behördliche Begründung nicht lediglich in bloßen Leerformeln erschöpfen, sondern muss vielmehr auf den konkreten Fall zugeschnitten sein und diesbezüglich Angaben über die Durchführung der Abschiebung enthalten (BGH BeckRS 2019, BeckRS 2019, 7431, Rn. 5).

bbb) Diesen Anforderungen genügt der Haftantrag zwar nicht. Der behördliche Haftantrag vom 27.11.2019 verhält sich vielmehr überhaupt nicht zur Dauer der beantragten Haft. Dies dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass der Antrag bereits vorab für den Fall der Festnahme der Betroffenen gestellt worden war und deswegen zum Zeitpunkt der Antragstellung die konkrete Haftdauer noch nicht absehbar war. Andererseits begründete aber das Amtsgericht die Erforderlichkeit der Dauer der Haft noch in ausreichendem Maße. Es stellte in seinem Beschluss fest, dass die Rahmenbedingungen für die Abschiebung vorliegen und hat die Haftdauer im Hinblick darauf unter Berücksichtigung der besonders kurzen Dauer der Haft auf Verhältnismäßigkeit geprüft.

Zwar enthalten weder der Antrag noch der Beschluss Angaben dazu, ob und innerhalb welcher Frist Abschiebungen in das betreffende Land üblicherweise möglich sind (vgl. BGH BeckRS 2013, 20199 Rn. 8). Die Haftdauer in konkreten Fall ist vorliegend aber mit nur 4 Tagen – inklusive zweier Wochenendtage – bemessen und vor diesem Hintergrund so kurz, dass sich ihre Notwendigkeit von selbst versteht. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass der Pass der Betroffenen vorlag und die Flugabschiebung in ein europäisches Land erfolgen sollte. Das ein Charterflug und entsprechende Sicherungsmaßnahmen nicht binnen Tagesfrist organisiert werden können, leuchtet ohne Weiteres ein. Angesichts der – im Haftantrag und im Haftbefehl geschilderten – vorherigen mehrfachen Entziehungen der Betroffenen vor dem behördlichen Zugriff war auch die Erforderlichkeit der Einhaltung eines geringen Zeitpuffers vor dem gebuchten Flug für den Fall des Nichtantreffens der Betroffenen ohne Weiteres nachvollziehbar.

c) Rechtsgrundlage für die Abschiebungshaft ist § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 3a AufenthG. Nach dieser Vorschrift ist ein Ausländer zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn im Einzelfall Gründe vorliegen, die auf den in § 62 Abs. 3a oder 3b AufenthG festgelegten Anhaltspunkten beruhen und deshalb der begründete Verdacht besteht, dass er sich der Abschiebung durch Flucht entziehen will, wobei die in § 62 Abs. 3a AufenthG aufgeführten Umstände eine widerlegbare Vermutung für das Vorliegen einer Fluchtgefahr begründen.

aa) Die Betroffene war vollziehbar ausreisepflichtig, §§ 58 Abs. 2 S. 2, 50 AufenthG i.V.m. § 67 AsylG, da sie keinen Aufenthaltstitel besitzt. Der von ihr gestellte Asylantrag wurde mit Bescheid des BAMF vom 11.08.2017 als unzulässig abgelehnt. Die Betroffene hat gegen diesen Bescheid geklagt und einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Der Bescheid ist ihr also auch zugegangen. Dem Antrag auf vorläufigen Rechtschutz wurde letztlich durch Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 19.01.2018 stattgegeben. Im Hauptsacheverfahren gegen o.g. Bescheid wurde hingegen der Klagantrag auf Aufhebung des Bescheides des BAMF vom 11.08.2017 durch Urteil des Verwaltungsgerichtes Braunschweig vom 25.06.2019, rechtskräftig seit dem 30.07.2019, abgelehnt. Der Bescheid des BAMF vom 11.08.2017 ist mithin bestandskräftig. Er enthält auch eine Rückkehrentscheidung in Gestalt der Abschiebungsandrohung mit Befristung der Abschiebungswirkungen.

Mit Schreiben vom 26.09.2017 wies der Beteiligte die Betroffene auf ihre Ausreisepflicht hin und kündigte die Einleitung eines Überstellungsverfahrens an, sofern die Betroffene nicht bis zum 15.10.2017 freiwillig ausgereist wäre. Eine freiwillige Ausreise der Betroffenen erfolgte jedoch nicht.

bb) Zudem liegen Gründe vor, die auf den in § 62 Abs. 3a AufenthG festgelegten Anhaltspunkten beruhen, weshalb der begründete Verdacht besteht, dass sich die Betroffene der Abschiebung durch Flucht entziehen will, § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AufenthG.

aaa) Gemäß § 62 Abs. 3a Nr. 3 AufenthG wird Fluchtgefahr widerleglich vermutet, wenn die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist. Die Betroffene war seit dem 11.01.2018 bis zum 22.01.2018 unabgemeldet nicht an ihrer Unterkunft anwesend, obwohl sie noch mit Schreiben vom 03.01.2018 auf ihre Anzeigepflicht hingewiesen wurde. Soweit der Bruder der Betroffenen noch bei seiner persönlichen Vorsprache vom 09.01.2018 pauschal mitteilte, dass sich seine Geschwister gelegentlich zu Besuch bei ihm aufhalten würden, ansonsten jedoch im „Containerdorf“ wohnen würden, kann diese Angabe nicht als eine Anzeige der konkreten Abwesenheit der Betroffenen ausgelegt werden. Einerseits erfolgte die Erklärung nicht durch die Betroffene selbst oder jedenfalls in ihrer Anwesenheit und andererseits wurde schon kein konkreter Abwesenheitszeitraum benannt. Eine pauschale Mitteilung gelegentlicher – unbestimmter – Abwesenheiten kann der Mitteilungspflicht für jede Abwesenheit für die Dauer von über 3 Tagen schon begrifflich nicht genügen. Dies würde die Mitteilungspflicht faktisch ins Leere laufen lassen. Der Beteiligte belehrte die Betroffene mit Anordnung der Meldeauflage auch darüber, dass ein Verstoß gegen diese Pflicht einen Haftgrund darstellen könnte. Die Ausreisefrist war bereits mit dem 15.10.2017 abgelaufen.

bbb) Gemäß § 62 Abs. 3a Nr. 5 AufenthG wird Fluchtgefahr ebenfalls widerleglich vermutet, wenn ein Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat. Die Betroffene hat sich der für den 22.01.2018 geplanten Abschiebung entzogen, indem sie sich, wie unter aaa) geschildert, dem behördlichen Zugriff durch Untertauchen entzog. Nur zwei Tage nachdem der Bruder der Betroffenen ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass die Abschiebung der Betroffenen eingeleitet wurde, hielt sich die Betroffenen unabgemeldet nicht mehr an ihrer Unterkunft auf, sondern – jedenfalls zeitweise – bei dem vorgenannten Bruder. Die Annahme, dass dieses Verhalten der Entziehung vor dem Zugriff des Beteiligten diente, wird gestützt von der Tatsache, dass die Betroffene sich anschließend in ein sog. Kirchenasyl flüchtete und diesen Schritt ausdrücklich mit dem Ziel der Verhinderung der Abschiebung begründen ließ.

Die eingeleitete Abschiebung konnte daher nicht durchgeführt werden. Das gilt unabhängig von der Tatsache, dass zwischenzeitlich die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des BAMF angeordnet wurde. Dieser Umstand war dem Beteiligten zum Zeitpunkt des Abschiebeversuchs nicht bekannt. Die eingeleitete Abschiebung wurde allein aufgrund der Entziehung der Betroffenen abgebrochen.

Die mithin zu vermutende Fluchtgefahr wurde weder durch etwaigen Vortrag der Betroffenen noch durch anderweitig ersichtliche Tatsachen widerlegt.

ccc) Gemäß § 62 Abs. 3a Nr. 6 AufenthG wird Fluchtgefahr auch widerleglich vermutet, wenn ein Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will. Im Anhörungstermin vor dem Amtsgericht erklärte die Betroffene, dass sie auf keinen Fall freiwillig nach Rumänien reisen werde. Zugunsten der Betroffenen ausgelegt, ist dieser Äußerung nicht zwingend zu entnehmen, dass sie sich auch der Abschiebung entziehen werde.

Folglich bestand aufgrund des früheren Sich-Entziehens Fluchtgefahr gem. § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AufenthG i. V. m. § 62 Abs. 3a Nr. 3 und Nr. 5 AufenthG.

cc) Es war auch davon auszugehen, dass die Abschiebung innerhalb der gem. § 62 Abs. 3 S. 3 AufenthG vorgeschriebenen 3 Monaten ab der ersten Haftanordnung gelungen sein wird. Angesichts der erfolgten umfangreichen und abschließenden Vorbereitungen war davon auszugehen, dass die Abschiebung bereits am 16.12.2019 erfolgreich durchgeführt werden kann. Umstände, die nicht im Herrschaftsbereich der Betroffenen lagen und die der Abschiebung ernsthaft entgegenstünden oder sie hätten verzögern können, lagen im konkreten Fall nicht vor.

dd) Auch Anhaltspunkte für mangelnde Haftfähigkeit lagen nicht vor. Die Frage der Reisefähigkeit haben der Beteiligte und ggfs. die Verwaltungsgerichte zu prüfen. Auch insoweit liegen aber keine Anhaltspunkte für mangelnde Reisefähigkeit vor.

d) Auf Rechtsfolgenseite sieht § 62 Abs. 3 S. 1 AufenthG eine gebundene Entscheidung vor. Der dennoch zu berücksichtigende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BeckOK AusländerR/ Kluth, Stand: 01.11.2018, § 62 AufenthG Rn. 13) ist gewahrt. Die Haftanordnung bis einschließlich zum 17.12.2019 ist verhältnismäßig.

aa) Zum einen sind angesichts des Verhaltens der Betroffenen, welches die Haftgründe ausfüllt, keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass mildere Mittel zur Vermeidung der Haft in Betracht kämen. Solche sind konkret weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

bb) Auch die Dauer der Haft ist verhältnismäßig. Das Beschleunigungsgebot verlangt, dass die Abschiebungshaft als Freiheitsentziehung auf das unbedingt erforderliche Maß beschränkt wird. Die Ausländerbehörde muss die Abschiebung mit der größtmöglichen zumutbaren Beschleunigung, also ohne unnötige Verzögerung, betreiben. Das Beschleunigungsgebot schließt jedoch einen organisatorischen Spielraum der Behörde bei der Umsetzung der Abschiebung nicht aus. Dabei gibt der 3-Monats-Zeitraum gem. § 62 Abs. 3 S. 3 AufenthG eine abstrakte Grenze für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit vor (OLG München, Beschluss vom 08.10.2009, 34 Wx 064/09, Rn. 24, zitiert nach juris; zustimmend zitiert von BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2010, V ZB 56/10, zitiert nach juris). Zwischen der ersten Haftanordnung und der geplanten Abschiebung lag im konkreten Fall ein Zeitraum von weniger als einer Woche. Die Abschiebung ist umfassend bereits vor Antragstellung vorbereitet worden. Es gibt weder Anhaltspunkte für ein zögerliches Betreiben der sicherheitsbegleiteten Abschiebungen noch für sachfremde Erwägungen bei der Terminplanung. Die Abschiebung war hier innerhalb der ursprünglich angeordneten Haftzeit bis zum 16.12.2019 möglich. Eine frühere Abschiebung oder eine spätere Festnahme waren aus den bereits dargelegten nachvollziehbaren Gründen nicht möglich. Die Haftdauer war somit bis zum 17.12.2019 einschließlich festzusetzen.

cc) Die Haftanordnung verstößt auch nicht gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens aus Art. 20 Abs. 3 GG.

Aus diesem Grundsatz folgt, dass einem Verfahrensbevollmächtigten die Möglichkeit eingeräumt werden muss, an dem Termin zur Anhörung des Betroffenen teilzunehmen (BGH FGPRax 2014, 228; BGH BeckRS 2012, 4656 Rn. 4). Der Grundsatz des fairen Verfahrens garantiert einem Betroffenen, sich zur Wahrung seiner Rechte in einem Freiheitsentziehungsverfahren von einem Bevollmächtigten seiner Wahl vertreten zu lassen und diesen zu der Anhörung hinzuzuziehen (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2014 - V ZB 32/14; Beschluss vom 20. Mai 2016 - V ZB 140/15, InfAuslR 2016, 381Rn. 6 und 20 mwN). Vereitelt das Gericht durch seine Verfahrensgestaltung eine Teilnahme des Bevollmächtigten an der Anhörung, führt dies ohne Weiteres zu der Rechtswidrigkeit der Haft (BGH, Beschluss vom 13. Juli 2017 – V ZB 89/16 –).

Hier lässt sich jedoch nicht feststellen, dass das Amtsgericht das Recht der Betroffenen auf ein faires Verfahren verletzt hat. Zwar war der Verfahrensbevollmächtigte nicht zum Anhörungstermin geladen. Dieser war daraufhin auch nicht im Rahmen der Anhörung anwesend. Dies führt jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit der Haftanordnung. Das Amtsgericht hat die Betroffene im Rahmen der Anhörung explizit darüber belehrt, dass es ihr freistehe, jederzeit einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen. Danach hat die ordnungsgemäß belehrte Betroffene nicht verlangt. Es ist aber gerade die Obliegenheit der Betroffenen, ihre Rechte, über die sie zu belehren ist, geltend zu machen. Aus diesem Grund folgt die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung auch nicht daraus, dass das Amtsgericht nicht von sich aus an den Verfahrensbevollmächtigten herangetreten ist.

Die Beschwerde der Betroffenen war daher zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 81 Abs. 1 Satz 1, 430 FamFG.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf § 36 Abs. 3 GNotKG.