Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.05.1989, Az.: 17 OVG B 18/88
Rechtmäßigkeit einer personalvertretungsrechtlichen Verselbstständigung einer Außenstelle ; Wirksamkeit eines Verselbstständigungsbeschlusses; Ungültigerklärung einer Personalratsvertretung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 17.05.1989
- Aktenzeichen
- 17 OVG B 18/88
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1989, 20354
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1989:0517.17OVG.B18.88.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Oldenburg - 25.04.1988 - AZ: PB 9/88
Rechtsgrundlagen
- § 6 Abs. 3 BPersVG
- § 66 BPersVG
- § 82 Abs. 2 BPersVG
- § 82 Abs. 3 BPersVG
Verfahrensgegenstand
Beschluss über die personalvertretungsrechtliche Verselbständigung einer Außenstelle
In der Personalvertretungssache
hat der 17. Senat - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Bundes - des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein
auf die mündliche Verhandlung von 17. Mai 1989
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski und
die ehrenamtlichen Richter Technischer Bundesbahnamtsrat Gosch,
Abteilungsleiter Haase,
Abteilungspräsident Hiller und
Leitender Regierungsdirektor Julich
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Oldenburg - Fachkammer für Bundespersonalvertretungssachen - vom 25. April 1988 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Antragsteller erstrebt die Feststellung, daß die personalvertretungsrechtliche Verselbständigung seiner Außenstelle ... rechtswidrig ist.
Die Standortverwaltung Fürstenau hat etwa 430 Beschäftigte. Sie wird von dem Antragsteller, einem Regierungsoberamtsrat, geleitet und unterhält eine Außenstelle ... Die Außenstelle, der im Februar 1988 etwa 250 Bedienstete angehörten, besteht aus Teilen der Sachgebiete I bis IV der Standortverwaltung. Sie liegt von der Standortverwaltung in ... etwa 40 Straßenkilometer entfernt. Mit dem Pkw dauert die Fahrt etwa 35 bis 40 Minuten. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln sind Fahrten zwischen ... nur sehr schwer und mit großem Zeitaufwand durchzuführen. Die Beschäftigten der Außenstelle ... haben ihre Arbeitsplätze u.a. in ... in Orten, deren Entfernung von ... zwischen 11 und 52 km liegt.
Nachdem bei der Außenstelle ... seit mehreren Wahlperioden eine Personalvertretung gewählt worden war, beschlossen die Beschäftigten der Außenstelle am 17. Dezember 1987 wiederum, die Außenstelle für die Wahl im Mai 1988 und die folgende Amtszeit im Sinne des § 6 Abs. 3 BPersVG personalvertretungsrechtlich zu verselbständigen.
Der Antragsteller hat daraufhin am 16. Februar 1988 das Beschlußverfahren eingeleitet und unter Bezug auf den Beschluß des OVG Niedersachsen vom 3. September 1986 - 17 OVG B 2/86 - geltend gemacht: Der Verselbständigungsbeschluß sei unwirksam, weil der Beteiligte zu 3) als Leiter der Außenstelle keine personalvertretungsrechtlich relevanten Befugnisse habe.
Er hat beantragt,
festzustellen, daß der Verselbständigungsbeschluß der Beschäftigten bei der Außenstelle ... der Standortverwaltung ... vom 17. Dezember 1987 rechtswidrig ist.
Die Beteiligten zu 1) und 2) haben beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Mit Beschluß vom 25. April 1988 hat das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt, im wesentlichen aus folgenden Gründen:
Der Antrag sei zwar zulässig, aber unbegründet. Denn der Verselbständigungsbeschluß sei rechtmäßig. Die Außenstelle ... liege im Sinne des § 6 Abs. 3 BPersVG räumlich weit von der Dienststelle in ... entfernt. Ob die Rechtmäßigkeit des Verselbständigungsbeschlusses im Zeitpunkt seines Erlasses personalvertretungsrechtlich erhebliche Befugnisse des Leiters des auswärtigen Dienststellenteils voraussetze, könne offenbleiben. Denn im Zeitpunkt der Beschlußfassung hätten dem Beteiligten zu 3) solche Befugnisse zugestanden, und zwar die Einteilung der Arbeitszeit und die Verteilung der Urlaubszeit. Diese Befugnisse ergäben sich aus Ziff. 1.3 der Dienstanordnung für die Außenstellen der Standortverwaltungen vom 10. Mai 1985 i.V.m. den Nrn. 33 und 47 des Abgrenzungserlasses des Bundesministers der Verteidigung vom 3. März 1972 (VMBl 1972, 123). Auch wenn für die Rechtmäßigkeit des Verselbständigungsbeschlusses die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Wahl maßgeblich seien, sei der Antrag indessen unbegründet. Zwar werde der Beteiligte zu 3) am Wahltag keine personalvertretungsrechtlich erheblichen Befugnisse mehr haben. Denn die Wehrbereichs Verwaltung II habe mit Verfügung vom 18. Februar 1988 die Ziffn. 1.3 sowie 2.2 und 3.2 der Dienstanordnung für die Außenstellen mit sofortiger Wirkung außer Kraft gesetzt und diesen dadurch ihre personalrechtlichen Befugnisse auf dem Gebiet der Arbeits- und Urlaubszeiteinteilung entzogen. Die Entziehung dieser Befugnisse ändere an der Rechtmäßigkeit des Verselbständigungsbeschlusses aber deshalb nichts, weil dessen Wirksamkeit nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 6 Abs. 3 BPersVG nicht davon abhänge, daß der Leiter des Dienststellenteils personalvertretungsrechtlich erhebliche Befugnisse habe. Der entgegengesetzten Auffassung des OVG Lüneburg schließe sich die Kammer nicht an, weil der Personalrat auch dann nicht ohne Funktion sei, wenn der Leiter der Nebenstelle keine personalvertretungsrechtlich relevanten Befugnisse habe. Gemäß § 82 Abs. 2 BPersVGi.V.m. Abs. 3 BPersVG sei der Personalrat vor jedem Beschluß des Gesamtpersonalrats, der einen Beschäftigten der Nebenstelle betreffe, vom Gesamtpersonalrat zu hören. Ein Beschäftigter der Nebenstelle habe also immer Gelegenheit, sich am Ort an ein Personalratsmitglied (oder den Personalobmann) zu wenden und sein Anliegen zu erläutern. Der Leiter der Nebenstelle und die Personalvertretung sollten ferner zu Besprechungen zusammentreten und auch die Gestaltung des Dienstbetriebes behandeln (§ 66 BPersVG). Der Personalrat könne eine Personalversammlung einberufen (§ 48 BPersVG). Er könne gemäß § 43 BPersVG Sprechstunden einrichten und Initiativen des Gesamtpersonalrats anregen. § 6 Abs. 3 BPersVG sei gerade eine Ausnahme von der Regel, daß die Personalverfassung der Dienstverfassung nachfolgt; im Falle des § 6 Abs. 3 BPersVG solle unabhängig von der Regelung durch den Dienstherrn das Mehrheitsvotum der Beschäftigten maßgeblich sein.
Gegen den ihm am 5. Oktober 1988 zugestellten Beschluß richtet sich die am 2. November 1988 eingelegte und nach entsprechender Fristverlängerung am 2. Januar 1989 begründete Beschwerde des Antragstellers, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen vertieft und insbesondere geltend macht:
Es könne nur auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Wahl ankommen. Denn wenn schon vor der Personalratswahl feststehe, daß die Teildienststelle keine personalvertretungsrechtlich relevanten Befugnisse, der Personalrat infolgedessen keine Beteiligungsrechte habe, wäre es sinnlos, einen von Anfang an kompetenzlosen Personalrat zu bilden. Ohne derartige Befugnisse des Leiters eines verselbständigten Dienststellenteils fehle schon der Ansatz für eine Partnerschaft und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Personalvertretungen, deren einzige Befugnis die Gelegenheit zur Äußerung gemäß § 82 Abs. 2 und 3 BPersVG sei, wolle das Gesetz nicht.
Der Antragsteller beantragt,
den angefochtenen Beschluß zu ändern und nach seinem erstinstanzlichen Antrag zu entscheiden.
Der Antragsteller hat außerdem nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses rechtzeitig die Wahl bei der Außenstelle wegen der nach seiner Ansicht unzulässigen Verselbständigung angefochten; das Verfahren ist beim Verwaltungsgericht anhängig.
Die Beteiligten zu 1) und 2) beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigen den angefochtenen Beschluß und treten den Rechtsausführungen des Antragstellers entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die mit ihr weiterhin erstrebte Feststellung, daß der Verselbständigungsbeschluß bei der Außenstelle Meppen vor der Personalratswahl 1988 rechtswidrig ist, kann nicht mehr erreicht werden, nachdem diese Wahl stattgefunden hat und gerade wegen der vom Antragsteller für unzulässig gehaltenen Verselbständigung in dem dafür vorgesehenen Verfahren angefochten wird.
Die Selbständigkeit einer Neben- oder Teildienststelle erlangt regelmäßig nur im Zusammenhang mit der Wahl des Personalrats praktische Bedeutung, so daß der Streit darüber im allgemeinen nur als Wahl Streitigkeit auszutragen ist. Zwar kann die Frage der Verselbständigung aus besonderem Anlaß auch einmal außerhalb einer Wahlanfechtung der richterlichen Nachprüfung zugeführt werden (BVerwGE 6, 60 [BVerwG 17.12.1957 - VII P 3/57]; OVG Lüneburg, Beschl. v. 3.4.1959, PersV 1960, 262 f; Grabendorf/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, BPersVG, 6. Aufl., § 6 RdNr. 35; Lorenzen/Haas/Schmitt, BPersVG, 4. Aufl. § 6 RdNr. 23). Eine solche Ausnahme kommt aber nur in Betracht, wenn eine Wahlanfechtung noch nicht oder nicht mehr durchgeführt werden kann. So betraf auch die zitierte Entscheidung des OVG Lüneburg einen Fall, in dem aus Rechtsunkenntnis eine Wahlanfechtung versäumt worden war. Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Fall, in dem ein Verselbständigungsbeschluß bei der Wahl unberücksichtigt geblieben war, die Anfechtung dieser Wahl sogar als den einzigen Weg bezeichnet, den geltend gemachten Fehler zu beseitigen und zu einer ordnungsgemäßen Wahl zu kommen (BVerwGE 6, 60 f [BVerwG 17.12.1957 - VII P 3/57]). Nicht anders liegt es aber im vorliegenden Fall, in dem der Antragsteller die Verselbständigung der Außenstelle für unzulässig hält und die dortige Wahl für ungültig erklärt wissen möchte. Dafür mochte vor der Wahl ein gesonderter, auf den Verselbständigungsbeschluß bezogener Feststellungsantrag zulässig sein. Nachdem die Wahl aber in Mai 1988 stattgefunden hat und in einem eigenständigen Wahlanfechtungsverfahren gemäß § 25 BPersVG vor dem Verwaltungsgericht angefochten wird, ist das gesonderte Verfahren um den Verselbständigungsbeschluß gegenstandslos und unzulässig geworden. Denn der Verselbständigungsbeschluß hat mit der Wahl, in die er als eine notwendige Voraussetzung eingegangen ist, seine selbständige Bedeutung verloren. Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 BPersVG ist er ohnehin nur für diese Wahl und die Amtszeit der aus ihr hervorgehenden Personalvertretung wirksam. Die Gültigkeit der Wahl und die Existenz der Personalvertretung an der Außenstelle blieben aber davon unberührt, ob der zugrunde liegende Verselbständigungsbeschluß nachträglich für rechtswidrig erklärt wird oder nicht. Gerade dies zeigt, daß der Antragsteller seine erklärtes Rechtsschutzziel nur auf dem Weg des von ihm auch eingeleiteten Wahlanfechtungsverfahrens erreichen kann. Es entspricht auch dem Grundsatz, daß Mängel, die die Gültigkeit der Wahl betreffen, nach Ablauf der Anfechtungsfrist nicht mehr mit einem Feststellungsantrag geltend gemacht oder weiterverfolgt werden können; dafür würde es an einem Rechtsschutzbedürfnis fehlen, weil die Feststellung zu nichts dienlich sein kann, da die Wahl nach Ablauf der Anfechtungsfrist bestandskräftig ist (Fischer/Goeres, GKÖD, Bd. V, § 25 RdNr. 5). Schließlich spricht für eine Beschränkung des Rechtsschutzes auf ein zulässiges Wahlanfechtungsverfahren auch bei einem Streit um die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 BPersVG, daß in diesem auf eine gestaltende gerichtliche Entscheidung zielenden Verfahren die jeweilige Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Wahl maßgebend ist. Demgegenüber wären bei einer isolierten Nachprüfung eines Verselbständigungsbeschlusses zunächst einmal die Verhältnisse im Zeitpunkt dieses Beschlusses relevant; ob darüber hinaus etwaige Änderungen organisatorischer Art in der Zeit zwischen dem Beschluß und dem Wahltag zu berücksichtigen wären, erscheint zweifelhaft. Wie gerade dieses Verfahren zeigt, wäre aber dem Antragsteller mit einer allein auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Vorabstimmung gemäß § 6 Abs. 3 BPersVG abstellenden gerichtlichen Entscheidung gar nicht gedient, weil sein Begehren jetzt auch in diesem Verfahren auf die Beseitigung der nach seiner Auffassung fehlerhaften Wahl und die Beendigung des Amtes des aus ihr hervorgegangenen Personalrats gerichtet ist. Dafür ist aber allein der vom Antragsteller auch beschrittenem Weg der Wahlanfechtung eröffnet.
Die Beschwerde war danach zurückzuweisen.
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind.
Gosch
Haase
Hiller
Julich