Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.05.1989, Az.: 17 OVG B 21/88

Feststellung der Rechtmäßigkeit eines Verselbstständigungsbeschlusses; Personalvertretungsrechtliche Verselbstständigung einer Außenstelle; Die Gültigkeit der Personalratswahl betreffenden Mängel und deren Geltendmachung durch Feststellungsantrag nach Ablauf der Anfechtungsfrist

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
17.05.1989
Aktenzeichen
17 OVG B 21/88
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1989, 16915
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1989:0517.17OVG.B21.88.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Oldenburg - 25.04.1988 - AZ: PB 11/88

Verfahrensgegenstand

Beschluß über die personalvertretungsrechtliche Verselbständigung einer Außenstelle

Der 17. Senat - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Bundes -
des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein
hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. Mai 1989
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski und
die ehrenamtlichen Richter Technischer Bundesbahnamtsrat Gosch,
Abteilungsleiter Haase,
Abteilungspräsident Hiller und
Leitender Regierungsdirektor Julich
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Oldenburg - Fachkammer für Bundespersonalvertretungssachen - vom 25. April 1988 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller erstrebt die Feststellung, daß die personalvertretungsrechtliche Verselbständigung seiner Außenstelle ... rechtswidrig ist.

2

Das Wehrbereichsbekleidungsamt II in Haren/Ems, eine der Wehrbereichsverwaltung II nachgeordnete Behörde, hat etwa 100 Beschäftigte. Es wird von dem Antragsteller, einem Regierungsamtsrat, geleitet. Das Amt unterhält vier Außenstellen, und zwar in ....

3

Die vom Beteiligten zu 3), einem Regierungshauptsekretär, geleitete Außenstelle Osnabrück, der im März 1988 elf Bedienstete angehörten, besteht aus den beiden - von insgesamt sechs - Arbeitseinheiten "Lagerbereich 1" und "Lagerbereich 2" des Sachgebiets II des Wehrbereichsbekleidungsamts. Sie liegt von dem Amt ... etwa 110 Bahnkilometer und etwa 100 Straßenkilometer entfernt. Bei Benutzung der Bundesbahn betragen die Fahrzeit 2 1/2 Stunden und die Zeit für den zusätzlichen Fußweg 15 Minuten; mit dem Pkw dauert die Fahrt etwa eine Stunde und 40 Minuten und mit dem Dienst-Lkw etwa zwei Stunden.

4

Nachdem bei der Außenstelle ... seit mehreren Wahlperioden eine Personal Vertretung gewählt worden war, beschlossen die Beschäftigten der Außenstelle am 19. Februar 1988 wiederum, die Außenstelle für die Wahl im Mai 1988 und die folgende Amtszeit im Sinne des § 6 Abs. 3 BPersVG personalvertretungsrechtlich zu verselbständigen.

5

Der Antragsteller hat daraufhin am 2. März 1988 das Beschlußverfahren eingeleitet und unter Bezug auf den Beschluß des OVG Lüneburg vom 3. September 1986 - 17 OVG B 2/86 - geltend gemacht: Der Verselbständigungsbeschluß sei unwirksam, weil der Beteiligte zu 3) als Leiter der Teileinheit keine personalvertretungsrechtlich relevanten Befugnisse habe.

6

Er hat beantragt,

festzustellen, daß der Verselbständigungsbeschluß der Beschäftigten bei der Außenstelle des Wehrbereichsbekleidungsamtes II ... vom 18. Februar 1988 rechtswidrig ist.

7

Die Beteiligten zu 1) und 2) haben beantragt,

den Antrag abzulehnen.

8

Mit Beschluß vom 25. April 1988 hat das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt, im wesentlichen aus folgenden Gründen:

9

Der Antrag sei zwar zulässig, aber unbegründet. Denn der Verselbständigungsbeschluß sei rechtmäßig. Die Außenstelle ... liege im Sinne des § 6 Abs. 3 BPersVG räumlich weit von der Dienststelle ... entfernt. Ob die Rechtmäßigkeit des Verselbständigungsbeschlusses im Zeitpunkt seines Erlasses personalvertretungsrechtlich erhebliche Befugnisse des Leiters des auswärtigen Dienststellenteils voraussetze, könne offenbleiben. Denn im Zeitpunkt der Beschlußfassung hätten dem Beteiligten zu 3) solche Befugnisse zugestanden, und zwar jedenfalls die Gewährung von Urlaub und Arbeitsbefreiung für Arbeitnehmer sowie - ohne daß es darauf noch entscheidend ankomme - die Einteilung der Arbeitszeit. Auch wenn für die Rechtmäßigkeit des Verselbständigungsbeschlusses die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Wahl maßgeblich seien, sei der Antrag indessen unbegründet. Zwar werde der Beteiligte zu 3) am Wahltag keine personalvertretungsrechtlich erheblichen Befugnisse mehr haben. Denn aufgrund der Verfügung des Antragstellers vom 1. Februar 1988 würden ihm am 1. Mai 1988 die Befugnisse hinsichtlich Arbeitszeitregelung und Urlaubsgewährung nicht mehr zustehen. Die Entziehung dieser Befugnisse ändere an der Rechtmäßigkeit des Verselbständigungsbeschlusses aber deshalb nichts, weil die Wirksamkeit von Verselbständigungsbeschlüssen nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 6 Abs. 3 BPersVG nicht davon abhänge, daß der Leiter des Dienststellenteils personalvertretungsrechtlich erhebliche Befugnisse habe. Der entgegengesetzten Auffassung des OVG Lüneburg schließe sich die Kammer nicht an, weil der Personalrat auch dann nicht ohne Funktion sei, wenn der Leiter der Nebenstelle keine personalvertretungsrechtlich relevanten Befugnisse habe. Gemäß § 82 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 BPersVG sei der Personalrat vor jedem Beschluß des Gesamtpersonalrats, der einen Beschäftigten der Nebenstelle betreffe, vom Gesamtpersonalrat zu hören. Ein Beschäftigter der Nebenstelle habe also immer Gelegenheit, sich am Ort an ein Personalratsmitglied (oder den Personalobmann) zu wenden und sein Anliegen zu erläutern. Der Leiter der Nebenstelle und die Personalvertretung sollten ferner zu Besprechungen zusammentreten und auch die Gestaltung des Dienstbetriebes behandeln (§ 66 BPersVG). Der Personalrat könne eine Personalversammlung einberufen (§ 48 BPersVG). Er könne gemäß § 43 BPersVG Sprechstunden einrichten und Initiativen des Gesamtpersonalrats anregen. § 6 Abs. 3 BPersVG sei gerade eine Ausnahme von der Regel, daß die Personal Verfassung der Dienstverfassung nachfolgt; im Falle des § 6 Abs. 3 BPersVG solle unabhängig von der Regelung durch den Dienstherrn das Mehrheitsvotum der Beschäftigten maßgeblich sein.

10

Gegen den ihm am 5. Oktober 1988 zugestellten Beschluß richtet sich die am 2. November 1988 eingelegte und nach entsprechender Fristverlängerung am 2. Januar 1989 begründete Beschwerde des Antragstellers, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen vertieft und insbesondere geltend macht:

11

Es könne nur auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Wahl ankommen. Denn wenn schon vor der Personalratswahl feststehe, daß die Teildienststelle keine personalvertretungsrechtlich relevanten Befugnisse, der Personalrat infolgessen keine Beteiligungsrechte habe, wäre es sinnlos, einen von Anfang an kompetenzlosen Personalrat zu bilden. Ohne derartige Befugnisse des Leiters eines verselbständigten Dienststellenteils fehle schon der Ansatz für eine Partnerschaft und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Personal Vertretungen, deren einzige Befugnis die Gelegenheit zur Äußerung gemäß § 82 Abs. 2 und 3 BPersVG sei, wolle das Gesetz nicht.

12

Der Antragsteller beantragt,

den angefochtenen Beschluß zu ändern und nach seinem erstinstanzlichen Antrag zu entscheiden.

13

Der Antragsteller hat außerdem nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses rechtzeitig die Wahl bei der Außenstelle wegen der nach seiner Ansicht unzulässigen Verselbständigung angefochten; das Verfahren ist beim Verwaltungsgericht anhängig.

14

Die Beteiligten zu 1) und 2) beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

15

Sie verteidigen den angefochtenen Beschluß und treten den Rechtsausführungen des Antragstellers entgegen.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

17

II.

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die mit ihr weiterhin erstrebte Feststellung, daß der Verselbständigungsbeschluß bei der Außenstelle ... vor der Personalratswahl 1988 rechtswidrig ist, kann nicht mehr erreicht werden, nachdem diese Wahl stattgefunden hat und gerade wegen der vom Antragsteller für unzulässig gehaltenen Verselbständigung in dem dafür vorgesehenen Verfahren angefochten wird.

18

Die Selbständigkeit einer Neben- oder Teildienststelle erlangt regelmäßig nur im Zusammenhang mit der Wahl des Personalrats praktische Bedeutung, so daß der Streit darüber im allgemeinen nur als Wahlstreitigkeit auszutragen ist. Zwar kann die Frage der Verselbständigung aus besonderem Anlaß auch einmal außerhalb einer Wahlanfechtung der richterlichen Nachprüfung zugeführt werden (BVerwGE 6, 60 [BVerwG 17.12.1957 - VII P 3/57]; OVG Lüneburg, Beschl. v. 03.04.1959, PersV 1960, 262 f; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, BPersVG, 6. Aufl., § 6 RdNr. 35; Lorenzen/Haas/Schmitt, BPersVG, 4. Aufl. § 6 RdNr. 23). Eine solche Ausnahme kommt aber nur in Betracht, wenn eine Wahlanfechtung noch nicht oder nicht mehr durchgeführt werden kann. So betraf auch die zitierte Entscheidung des OVG Lüneburg einen Fall, in dem aus Rechtsunkenntnis eine Wahlanfechtung versäumt worden war. Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Fall, in dem ein Verselbständigungsbeschluß bei der Wahl unberücksichtigt geblieben war, die Anfechtung dieser Wahl sogar als den einzigen Weg bezeichnet, den geltend gemachten Fehler zu beseitigen und zu einer ordnungsgemäßen Wahl zu kommen (BVerwGE 6, 60 f [BVerwG 17.12.1957 - VII P 3/57]). Nicht anders liegt es aber im vorliegenden Fall, in dem der Antragsteller die Verselbständigung der Außenstelle für unzulässig hält und die dortige Wahl für ungültig erklärt wissen möchte. Dafür mochte vor der Wahl ein gesonderter, auf den Verselbständigungsbeschluß bezogener Feststellungsantrag zulässig sein. Nachdem die Wahl aber im Mai 1988 stattgefunden hat und in einem eigenständigen Wahlanfechtungsverfahren gemäß § 25 BPersVG vor dem Verwaltungsgericht angefochten wird, ist das gesonderte Verfahren um den Verselbständigungsbeschluß gegenstandslos und unzulässig geworden. Denn der Verselbständigungsbeschluß hat mit der Wahl, in die er als eine notwendige Voraussetzung eingegangen ist, seine selbständige Bedeutung verloren. Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 BPersVG ist er ohnehin nur für diese Wahl und die Amtszeit der aus ihr hervorgehenden Personalvertretung wirksam. Die Gültigkeit der Wahl und die Existenz der Personal Vertretung an der Außenstelle blieben aber davon unberührt, ob der zugrunde liegende Verselbständigungsbeschluß nachträglich für rechtswidrig erklärt wird oder nicht. Gerade dies zeigt, daß der Antragsteller sein erklärtes Rechtsschutzziel nur auf dem Weg des von ihm auch eingeleiteten Wahlanfechtungsverfahrens erreichen kann. Es entspricht auch dem Grundsatz, daß Mängel, die die Gültigkeit der Wahl betreffen, nach Ablauf der Anfechtungsfrist nicht mehr mit einem Feststellungsantrag geltend gemacht oder weiterverfolgt werden können; dafür würde es an einem Rechtsschutzbedürfnis fehlen, weil die Feststellung zu nichts dienlich sein kann, da die Wahl nach Ablauf der Anfechtungsfrist bestandskräftig ist (Fischer/Goeres, GKÖD, Bd. V, § 25 RdNr. 5). Schließlich spricht für eine Beschränkung des Rechtsschutzes auf ein zulässiges Wahlanfechtungsverfahren auch bei einem Streit um die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 BPersVG, daß in diesem auf eine gestaltende gerichtliche Entscheidung zielenden Verfahren die jeweilige Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Wahl maßgebend ist. Demgegenüber wären bei einer isolierten Nachprüfung eines Verselbständigungsbeschlusses zunächst einmal die Verhältnisse im Zeitpunkt dieses Beschlusses relevant; ob darüber hinaus etwaige Änderungen organisatorischer Art in der Zeit zwischen dem Beschluß und dem Wahltag zu berücksichtigen wären, erscheint zweifelhaft. Wie gerade dieses Verfahren zeigt, wäre aber dem Antragsteller mit einer allein auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Vorabstimmung gemäß § 6 Abs. 3 BPersVG abstellenden gerichtlichen Entscheidung gar nicht gedient, weil sein Begehren jetzt auch in diesem Verfahren auf die Beseitigung der nach seiner Auffassung fehlerhaften Wahl und die Beendigung des Amtes des aus ihr hervorgegangenen Personalrats gerichtet ist. Dafür ist aber allein der vom Antragsteller auch beschrittene Weg der Wahlanfechtung eröffnet.

19

Die Beschwerde war danach zurückzuweisen.

20

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind.

Dr. Dembowski
Gosch
Haase
Hiller
Julich