Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 24.10.1996, Az.: 8 U 68/96
Besonderheiten bei der Wahl der Rechtsform bei der Unternehmensgründung; Bewertung der Trägerschaft von Unternehmen; Besondere Haftungsvoraussetzungen bei Vorliegen eines Konzerns
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 24.10.1996
- Aktenzeichen
- 8 U 68/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1996, 21455
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1996:1024.8U68.96.0A
Rechtsgrundlagen
- § 823 BGB
- § 64 Abs. 1 GmbHG
- § 84 GmbHG
Fundstellen
- GmbHR 1998, 286-287 (Volltext mit red. LS)
- KTS 1998, 410
Amtlicher Leitsatz
Betreibt ein Gesellschafter nicht zwei Unternehmen, sondern ein Unternehmen in zwei Gesellschaften, kommt keine Haftung nach den Grundsätzen des qualifizierten faktischen Konzerns in Betracht.
Tatbestand
Mit Auftragsbestätigung vom 16. September 1991 übernahm die Klägerin von der Fa. B.H. GmbH, die Stahlhallenkonstruktion für das Bauvorhaben "Firma G. in O.", wofür sie am 15. April 1992 nach Durchführung der Arbeiten 202.638,66 DM berechnete. Unter Berücksichtigung zweier Abschlagszahlungen und einer Gutschrift über 6.840,00 DM stehen 72.658,09 DM aus, die Gegenstand der Klage sind.
Die Fa. B.H. GmbH war von Herrn G. beauftragt worden. Sie führte dessen Bauvorhaben jedoch nicht zu Ende und erteilte Herrn G. auch keine Schlussrechnung. Der Bauherr G. hatte der Fa. B.H. GmbH zwischen dem 26.September 1991 und dem 07. April 1992 an Abschlagszahlungen insgesamt660.815,05 DM geleistet, von denen die Fa. B.H. GmbH 360.670,54 DM an ihre Subunternehmer - darunter die Klägerin - weiterleitete.
Der Beklagte war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Fa. B.H. GmbH. Er stellte am 25. Juni 1992 Vergleichsantrag. Am 27. Juli1992 eröffnete das Amtsgericht O. über deren Vermögen das Anschlusskonkursverfahren (Az. 28 N 291/92).
Durch Gesellschaftsvertrag vom 04. Mai 1992 gründete der Beklagte gemeinsam mit P. die "I. GmbH" mit Sitz in O. Von dem Stammkapital hielten der Beklagte ursprünglich 30.000,00 DM und P. 20.000,00 DM. Die I. GmbH wurde am 28. Juli 1992 in das Handelsregister eingetragen. Ihr Geschäftsführer war zunächst der Beklagte und ist seit dem 23. April 1993dessen Sohn M. Die GmbH hat ihren Sitz nach B. verlegt und ihre Firma in "O. GmbH" geändert.
Die Klägerin hat behauptet:
Der Beklagte habe der B.H. GmbH seit Anfang 1992 systematisch Liquidität entzogen, - insbesondere durch Überleitung von Aufträgen auf die spätere "O. GmbH". Ziel sei es gewesen, die gesamte Liquidität bei der O. GmbH zu konzentrieren.
Mit dem am 25. März 1996 verkündeten Urteil hat das Landgericht O. nach Beweiserhebung der Klage in entsprechender Anwendung der §§ 302, 303AktG stattgegeben.
Aus den Entscheidungsgründen
Die zulässige Berufung des Beklagten führt in der Sache zum Erfolg.
Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Verhaltenshaftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern entsprechend den §§302, 303 AktG haftet der Beklagte nicht. Zwar kommt auch der mehrfachunternehmerisch tätige Privatgesellschafter als herrschendes Unternehmen in Betracht, weil er in sich den konzernrechtlichen Interessenkonfliktverkörpern kann, der zum Schutz der abhängigen Gesellschaft und ihrer Gläubiger besondere Regeln erforderlich macht (BGHZ 95, 330, 337 [BGH 16.09.1985 - II ZR 275/84]; BGHZ115, 183, 189). Eine solche Konstellation liegt hier aber nicht vor.
Der Beklagte betrieb vor der Liquidation der B.H. GmbH nicht zeitweise zwei Unternehmen, sondern ein Unternehmen in zwei Gesellschaften. Einkonzernrechtlicher Interessenkonflikt bestand insoweit nicht. In einem solchen Fall kann nur eine Haftungseinheit zwischen den Gesellschaften, nicht aber zwischen Gesellschaft und Gesellschafter hergestellt werden (ebenso Drygala, Verhaltenshaftung im faktischen GmbH-Konzern, GmbHR1993, 316, 318).
Ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten gemäß § 823 BGB in Verb. mit den §§ 64 Abs. 1, 84 GmbHG scheidet aus, weil nichts dafür vorgetragen ist, dass der Beklagte als Geschäftsführer der Fa. B.H. GmbH unter Verstoß gegen § 64 Abs. 1 GmbHG schuldhaft den Antrag auf Eröffnung des Konkurs- oder gerichtlichen Vergleichsverfahrens verzögert hat. Denn unstreitig hatte er am 25. Juni 1992 Vergleichsantrag gestellt.
Einen Schadensersatzanspruch der Klägerin aus Verschulden bei Vertragsschluss wegen unterlassener Aufklärung über finanzielle Probleme der Fa. B.H. GmbH und aus § 826 BGB hat die Klägerin nicht hinreichend dargetan. Hinsichtlich einer etwaigen Haftung des Beklagten aus Verschulden bei Vertragsschluss ergibt sich nicht, dass der Beklagte seinerzeit im September 1991 die Aussichtslosigkeit einer Sanierung der Bejo Bau GmbH erkannt hätte. Hinsichtlich eines Schadensersatzanspruches nach § 826BGB wird nicht deutlich, dass dem Beklagten bewusst war, die Klägerin werde gerade durch seine Tätigkeit in der Fa. O. GmbH den Forderungsausfall erleiden. In Anbetracht der schon vor Gründung der Vor-GmbH geleisteten Zahlungen gibt es hierfür keine Anhaltspunkte.
Schließlich fehlt es auch an den tatsächlichen Grundlagen für einen Schadensersatzanspruch der Klägerin nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Sicherung der Bauforderungen (GSB) vom 1. Juni 1909 (RGBl. 1909, S.449) in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB (s. dazu auch Hagenloch, Hdb. z.GSB, Rndnr. 279). Es liegen keine Hinweise dafür vor, dass es sich beiden Abschlagszahlungen über insgesamt 660.815,05 DM, die der Bauherr G. der Fa. B.H. GmbH zwischen dem 26. September 1991 und dem 07. April 1992gezahlt hatte und von denen die Fa. B.H. GmbH durch den Beklagten lediglich 360.670,54 DM an ihre Subunternehmer weitergeleitet hatte, um Baugeld im Sinne des § 1 Abs. 3 GSB handelte. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Beträge zum Zwecke der Bestreitung der Baukosten in der Weise gewährt worden wären, dass zur Sicherung der Ansprüche des Geldgebers eine Hypothek oder Grundschuld an dem zu bebauenden Grundstück dient. Allein die ratierliche Zahlung des Bauherrn an den Auftragnehmer nach Maßgabe des Baufortschritts begründet keine Vermutung dafür, dass es sich um Baugeld handelt (BGH, NJW-RR 1996, 976/977). Die nach Erörterung im ersten Termin zur mündlichen Verhandlung am 29. August 1996 der Klägerin eingeräumte Gelegenheit, diesbezüglich ergänzend vorzutragen, ist ungenutzt geblieben.