Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 10.10.2002, Az.: 10 K 390/96

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
10.10.2002
Aktenzeichen
10 K 390/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 36217
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2002:1010.10K390.96.0A

Fundstelle

  • EFG 2003, 454

Tatbestand

1

Streitig ist noch, ob laufende Grundstückskosten (Grundbesitzabgaben, Gebäudeversicherungen, Heizung/Wasser) als Aufwendungen nach § 10e Abs. 6 Einkommensteuergesetz (EStG) abzugsfähig sind.

2

Die Kläger erwarben im September 1981 ein Einfamilienhaus. Das Haus war bis zum Verkauf bewohnt, jedoch in einem renovierungsbedürftigen Zustand. In den Folgejahren begannen die Kläger mit der Renovierung und Sanierung des Einfamilienhauses. Aufgrund verschiedener Unterbrechungen, u.a. weil ein Vorbau im Anschluss an ein verlorenes Klageverfahren wieder abgerissen werden musste, wurde das Haus erst im Jahr 1995 von den Klägern bezogen. Die Kläger machten die Aufwendungen für die Bau- und Renovierungsmaßnahmen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Nachdem das Finanzamt, veranlasst auch durch die Erklärungen der Kläger in den Einkommensteuererklärungen, zu der Auffassung gelangt war, dass für das Haus keine Vermietungsabsicht bestand, setzte es die Steuern unter Berücksichtigung der Aufwendungen, die gem. § 82a Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) abzugsfähig waren, fest. Die Schuldzinsen und laufenden Grundstückskosten berücksichtigte es jedoch nicht.

3

Die Kläger begehren weiterhin die Berücksichtigung der in den Streitjahren entstandenen Schuldzinsen und laufenden Grundstückskosten als Vorkosten gem. § 10e Abs. 6 EStG. Zur Begründung führen sie an, dass der Abzug der Aufwendungen nach § 10e Abs. 6 EStG unabhängig von der Grundförderung nach § 10e Abs. 1 EStG möglich sei. Sie meinen, dass die Voraussetzungen erfüllt seien, denn Zinsen und Grundstückskosten seien mit der Anschaffung der Wohnung zusammenhängend. Dass ein Bezug der Wohnung erst Jahre später möglich gewesen sei, sei ihrer Ansicht nach für die Abzugsfähigkeit dieser Beträge nicht erheblich. Grundstückskosten seien im Regelfall als Vorkosten abzugsfähig, dieses müsse auch im Streitfall, unabhängig vom Zeitablauf, beachtet werden. Wenn man schon bei der Beurteilung des unmittelbaren Zusammenhangs auf den Zeitpunkt des Einzugs abstellen wolle, müsse dann aber auch berücksichtigt werden, dass sie an diesem späten Bezug kein Verschulden treffe. Wegen des Verwaltungsrechtsstreits sei ein früherer Bezug nicht möglich gewesen, da das Haus während der Bauphase nicht bewohnbar gewesen sei.

4

Das Finanzamt hat im Klageverfahren die Schuldzinsen als Vorkosten gem. § 10e Abs. 6 EStG anerkannt und die angefochtenen Bescheide jeweils entsprechend geändert. Die geänderten Bescheide, in denen als Aufwendungen für die eigengenutzte Wohnung die Abzugsbeträge nach § 82a EStDV sowie die geltend gemachten Schuldzinsen berücksichtigt sind, sind antragsgemäß gem. § 68 Finanzgerichtsordnung (i.d.F. bis 31.12.2000) zum Gegenstand des Verfahrens geworden.

5

Die Kläger beantragen,

Der Beklagte beantragt,

Hinsichtlich der laufenden Grundstückskosten ist das Finanzamt der Ansicht, dass diese nicht als Vorkosten im Sinne des § 10e Abs. 6 EStG abzugsfähig seien, da zwischen diesen und der Anschaffung des Hauses kein unmittelbarer Zusammenhang bestehe. Für die Annahme eines unmittelbaren Zusammenhang im Sinne der Vorschrift sei nämlich erforderlich, dass die Kosten in einem unmittelbaren, d.h. engen zeitlichen Zusammenhang mit der Anschaffung stehen. Dieser enge zeitliche Zusammenhang könne bei einem Abstand von 8 Jahren und mehr zwischen Anschaffung und Entstehung der Kosten jedoch nicht mehr angenommen werden.

Entscheidungsgründe

6

Die Klage ist im verbliebenen Umfang unbegründet. Das Finanzamt hat die Aufwendungen für die laufenden Grundstückskosten zu Recht nicht als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG berücksichtigt.

7

Voraussetzung für den Vorkostenabzug nach § 10e Abs. 6 EStG ist u.a. ein unmittelbarer Zusammenhang der Aufwendungen mit der Herstellung oder Anschaffung der Wohnung. Das Tatbestandsmerkmal des unmittelbaren Zusammenhangs mit der Herstellung oder Anschaffung dient dazu, Aufwendungen, die sich nicht unmittelbar auf den Herstellungs- oder Anschaffungsvorgang der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung beziehen, auszugrenzen (BFH-Urteil vom 03.11.1992, X R 113/89, BStBl II 1992, 886). Ein unmittelbarer Zusammenhang ist deshalb anzunehmen, wenn ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang mit der Herstellung oder Anschaffung des Objekts besteht (Schmidt-Drenseck EStG § 10e Rdzif. 130).

8

Zwar können - wie geschehen - abweichend hiervon Darlehenszinsen - wenn das Darlehen zur Finanzierung der Anschaffungskosten bzw. der Herstellungskosten aufgenommen worden ist - ohne zeitliche Begrenzung bis zum Bezug der Wohnung wie Sonderausgaben abgezogen werden, da ein einmal bestehender unmittelbarer Zusammenhang dieser Aufwendungen mit der Anschaffung des Objekts nicht durch bloßen Zeitablauf verloren geht (BFH-Urteil vom 27.06.1995 Az.: IX R 48/93, BStBl II 1996, 151); für andere nicht unmittelbar mit der Anschaffung zusammenhänge Aufwendungen, wie z.B. Erhaltungsaufwendungen und laufende Grundstückskosten, gilt diese Erweiterung jedoch nicht (BFH-Urteil vom 27.06.1995 a.a.O.; Schmidt-Drenseck EStG § 10e Rdzif. 132). Für diese Kosten, ist das Kriterium des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Vorkosten und Herstellung bzw. Anschaffung des Wohnobjekts von entscheidungserheblicher Bedeutung (vgl. BFH-Urteil vom 17.05.2000 X R 13/97, BStBl II 2000, 665). Da es bei diesen Aufwendungen neben den anderen Voraussetzungen eben maßgeblich auf diese zeitliche Komponente ankommt, ist es auch ohne Bedeutung, welche Gründe für die Dauer des Zeitraums zwischen Bezug und Eigentumserwerb bestimmend waren (vgl. BFH-Beschluss vom 27.05.1998, X B 131/97, BFH/NV 1998, 1476). Daher kommt es auch nicht auf die Gründe an, die die Kläger an einem früheren Bezug des Hauses gehindert haben.

9

Die Rechtsprechung hat für den Zeitraum, für den ein "enger zeitlicher Zusammenhang" angenommen werden kann, keine feste Zeitgrenze entwickelt, so wurde zum Beispiel im Falle von Aufwendungen vor Eigentumserwerb ein Zeitraum von eineinhalb Jahren bereits als zu lang erachtet (BFH-Urteile vom 21.05.1992 X R 61/91, BStBl II 1992, 944; vom 01.04.1998 X R 125/94, BFH/NV 1998, 1347); jedenfalls ist nach der Rechtsprechung des BFH, der der Senat folgt, bei einem Abstand von 4 Jahren ein enger zeitlicher Zusammenhang zu verneinen (BFH-Urteil vom 27.06.1995 IX R 48/93, BStBl II 1996, 151). Es mag offen bleiben, ob zur Bestimmung des Zeitraums die Grundsätze zu den vorab entstandenen Werbungskosten bei Erwerb von Bauerwartungsland oder den zeitlichen Kriterien bei der Ermittlung der sogenannten anschaffungsnahen Herstellungskosten herangezogen werden können (vgl. Schmidt-Drenseck EStG § 10e Rdzif. 132). Denn bei Anwendung dieser Grundsätze kann im Regelfall auch nur bei einem Zeitraum von bis zu drei Jahren ein zeitlicher Zusammenhang begründet werden.

10

Die Aufwendungen der Kläger sind mehr als 8 Jahre nach Erwerb des Objekts angefallen. Daher ist ein enger zeitlicher Zusammenhang mit der Anschaffung nicht mehr gegeben, mit der Folge, dass die laufenden Kosten nicht als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG abgezogen werden können.

11

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 136 Abs. 1 FGO; hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Kläger nach Erlass der Änderungsbescheide hinsichtlich des verbliebenen Streitpunkts in vollem Umfang unterlegen sind.

12

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).