Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.10.2002, Az.: 5 K 271/99
Umsatzsteuer-Ermäßigung für Pensionsviehhaltung bei einheitlicher Leistung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 08.10.2002
- Aktenzeichen
- 5 K 271/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 14679
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2002:1008.5K271.99.0A
Rechtsgrundlage
- § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG
Fundstelle
- DStRE 2003, 941-942 (Volltext mit amtl. LS)
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG für das Halten von Vieh umfasst die Unterbringung (Unterstellung) sowie die Fütterung und Pflege der Tiere für Dritte (sog. Pensionsviehhaltung).
- 2.
Die Steuerermäßigung ist nur anwendbar, wenn eine einheitliche Leistung vorliegt, die alle drei vorbezeichneten Leistungselemente umfasst.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Pferdeeinstellung auf dem Reithof des Klägers als Pensionsviehhaltung dem ermäßigten Steuersatz unterliegt.
Auf dem Reithof des Klägers besteht die Möglichkeit, Pferde einzustellen und dieselben durch den Kläger versorgen zu lassen.
Im Rahmen einer Außenprüfung überreichte der Kläger ein Muster des für die Streitjahre maßgebenden Pferdepensionsvertrages. Nach § 2 Abs. 1 des genannten Vertrages"garantiert der Auftragnehmer (Kläger) eine dem Pferd des Auftraggebers (Einsteller) angemessene Fütterung sowie die Zurverfügungstellung einer pferdegerechten Box."
Daraufhin änderte der Beklagte die Steuerbescheide für die Streitjahre nach § 164 Abs. 2 AO, indem er die Pensionsumsätze der Regelbesteuerung unterwarf. Er begründete dieÄnderung damit, dass eine begünstigte Pensionsviehhaltung nach§ 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG nur in Betracht komme, wenn neben der Unterbringung und Fütterung auch die Pflege der Pferde (z.B. Reinigung, Bewegung, tierärztliche Versorgung) vertraglich vereinbart sei. Hieran fehle es vorliegend.
Der Kläger wendet sich gegen die Änderungsbescheide. Er ist der Auffassung, dass er die Voraussetzungen der begünstigten Pensionsviehhaltung erfülle.
Er trägt vor, dass das "Halten von Vieh" i.S.d. § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG in seiner ursprünglichen Bedeutung vor allem die Fälle der Sommerweidegräsung und das Inpflegenehmen von Vieh für einen Dritten während der Wintermonate gemeint habe. Hieran werde der ursprüngliche landwirtschaftliche Sinn der Bestimmung deutlich, der vorrangig in der Betreuung und der artgerechten Haltung und weniger in dem umfassenden Umsorgen einschließlich der Körperpflege zu sehen sei.
Unabhängig davon, ob dem Merkmal der Pflege überhaupt eine eigenständige besondere Bedeutung bei der Beurteilung der Pensionsviehhaltung zukomme, sei festzuhalten, dass er (der Kläger) die für die artgerechte Haltung der Pferde erforderliche Pflege auch ohne besondere vertragliche Pflicht tatsächlich gewährleistet habe. Im Pferdeeinstellungsvertrag seien nur die wesentlichen Pflichten schriftlich fixiert worden. Dies schließe nicht aus, dass darüber hinausgehende Pflichten - wie Pflegeleistungen - mündlich vereinbart und auch tatsächlich erbracht werden.
Der Kläger verweist darauf, dass er die von der Verwaltung genannten Anforderungen erfülle. Er nimmt insoweit Bezug auf eine Verfügung der OFD Hannover vom 26. Januar 2000, UR 2000, 397 mit folgendem Wortlaut: "Es ist unschädlich, wenn einzelne Pflegeleistungen zeitweise durch den Tierbesitzer ausgeführt werden und der Pensionsbetrieb dann nicht selbst tätig wird. Es muss jedoch die ständige Leistungsbereitschaft des Unternehmers gegeben sein, die vereinbarten Leistungen jederzeit ohne Aufforderung durch den Tierbesitzer zu erfüllen. Der Unternehmer muss hierzu über die erforderliche Organisationsstruktur und geeignetes Personal in hinreichendem Umfang verfügen."
Der Kläger trägt diesbezüglich vor, dass er die geforderte Organisationsstruktur in Bezug auf das Bewegen der Pferde ständig selbst vorhalte. Neben der Reithalle stünden sowohl ein Auslauf als auch eine Weidefläche von 1,3 ha zur Verfügung.
Schließlich nimmt er Bezug auf eine Verfügung der OFD Münster vom 12.05.2000, ausweislich derer auch eine - vertraglich nicht fixierte - tatsächliche Übung (hier: Pflege der Pferde) im Betrieb im Rahmen einer gewichtenden Gesamtschau zu berücksichtigen sei.
Der Kläger beantragt,
die Umsatzsteuer 1995 um 3.127,00 DM und
die Umsatzsteuer 1996 um 11.090,00 DM zu mindern.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, dass gerade keine vertragliche Verpflichtung des Klägers hinsichtlich der notwendigen Bewegung der Pferde bestehe. Insoweit fehle es an den Voraussetzungen für die begünstigte Pensionsviehhaltung, welche neben der Gewährung von Unterkunft und Verpflegung auch die Pflicht zur Übernahme von Pflegeleistungen erfordere. An diesem Grundsatz werde auch durch die vom Kläger zitierten OFD-Verfügungen nicht gerüttelt.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhalts alle Pferdeeinsteller (betr. die Streitjahre) angeschrieben und um Beantwortung eines Fragenkatalogs gebeten. In dem Fragenkatalog war u.a. anzukreuzen, wer (Kläger/oder der Pferdeeinsteller) das Bewegen der Pferde und das anschließende Putzen vornimmt. Wegen des genauen Wortlauts des Anschreibens und des Fragekatalogs wird auf die richterliche Verfügung vom 23.10.2001 und den anliegenden Fragebogen Bezug genommen, welcher den Beteiligten zur Kenntnis gebracht worden ist.
Wegen der Beantwortung der Fragebögen, die den Beteiligten wiederum zur Kenntnis- und Stellungnahme übersandt worden sind, verweist der Senat auf Bl. 78 ff der Gerichtsakte. Kläger und Beklagter haben daraufhin übereinstimmend erklärt, dass sie auf die Vernehmung der Pferdeeinsteller als Zeugen verzichten.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Voraussetzungen für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG liegen nicht vor.
Nach dieser Norm ist das Halten von Vieh begünstigt. Das Halten von Vieh umfasst die Unterbringung (Unterstellung), Fütterung und Pflege der Tiere für Dritte (sog. Pensionsviehhaltung). Die Steuerermäßigung ist nur anwendbar, wenn eine einheitliche Leistung vorliegt, die alle drei vorbezeichneten Leistungselemente umfasst; die Übernahme nur einzelner Leistungselemente fällt nicht unter§ 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG (vgl. Schlienkamp, in: Plückebaum / Malitzky, UStG, § 12 Abs. 2 Nr. 3 Anm. 551 ff.).
Zur Pflege des Pferdes gehört u.a. (s. Verfügung der OFD Hannover vom 26.01.2000, UR 2000, 397):
- das der Gesunderhaltung des Tieres dienende Bewegen
- das Reinigen des Tieres (Striegeln, Hufpflege, etc.)
- das eigenverantwortliche Veranlassen tierärztlicher Maßnahmen.
Der Kläger hat nicht nachgewiesen, dass die Pflegeleistungen an den eingestellten Pferden regelmäßig von ihm erbracht worden sind.
Ausweislich des für die Streitjahre maßgebenden Mustervertrages bestand keine vertragliche Pflicht des Klägers zurÜbernahme der genannten Pflegeleistungen. Zu gewährleisten sind nach dem Vertrag nur die Unterstellung und die Fütterung der Tiere.
Die - zum Teil vom Vertragstext abweichende - tatsächlicheÜbung im Betrieb des Klägers führt insofern zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Denn die weit überwiegende Mehrheit der Pferdeeinsteller hat in dem Fragebogen angegeben, dass er (sie) das regelmäßige Bewegen und anschließende Putzen und Striegeln der Pferde vorgenommen habe und der Kläger nur ausnahmsweise (z.B. infolge Urlaub oder Krankheit) eingesprungen sei.
Demnach hatte der Kläger gerade nicht für die tägliche Pflege der Pferde einzustehen; er stellte seine diesbezügliche Leistungsbereitschaft vielmehr nur für den Ausnahmefall der persönlichen Verhinderung des Einstellers zur Verfügung. Der Betrieb des Klägers verfügt auch nicht über die personellen Mittel, um das tägliche Bewegen der Pferde und die anschließende Pflege derselben organisatorisch sicherzustellen.
Den vom Kläger zitierten Verfügungen der OFD Hannover und der OFD Münster lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Denn beide Verfügungen stellen zunächst darauf ab, wer (Pensionswirt oder Einsteller) nach dem Gesamtbild der Verhältnisse für die Pflege der Tiere einzustehen hat, d.h. wer die Pflege der Tiere regelmäßig eigenverantwortlich vorzunehmen hat. Nur für den - hier nicht einschlägigen - Fall, dass dies der Pensionswirt sein sollte, wäre es im Einzelfall "unschädlich, wenn einzelne Pflegeleistungen zeitweise durch den Tierbesitzer ausgeführt werden und der Pensionsbetrieb dann nicht selbst tätig wird".
Der Vorhalt des Klägers, dass der Aspekt der Bewegung der Pensionspferde dem ursprünglichen landwirtschaftlichen Verständnisses der Vorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG im Sinne einer Weidetierhaltung nicht gerecht werde, überzeugt nicht. Würde diese Ansicht gefolgt, wäre die Pferdepensionshaltung generell nicht nach§ 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG begünstigt, da es sich dabei eben nicht um eine reine Weidetierhaltung handelt. Die Leistungsmerkmale Unterbringung, Fütterung und Pflege müssen sich daher nach Art und Umfang an dem Bedarf orientieren, der von einem Pensionspferd üblicherweise beansprucht wird. Dass zur Pflege insbesondere auch das Bewegen des Pferdes zählt, ist selbstverständlich und bedarf keiner weiteren Erläuterung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.