Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 25.05.2010, Az.: 13 Verg 7/10

Ablehnung eines Sachverständigen im Vergabeverfahren wegen Besorgnis der Befangenheit

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
25.05.2010
Aktenzeichen
13 Verg 7/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 17383
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2010:0525.13VERG7.10.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VK Niedersachsen - VgK48/2009 - 27.4.2010

Fundstellen

  • IBR 2010, 527
  • VS 2010, 47
  • Vergabe-Navigator 2010, 20-21

Amtlicher Leitsatz

Zur Ablehnung eines Sachverständigen im Vergabeverfahren.

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsstellerin wird die unter Ziffer 1 des Tenors des Beschlusses der Vergabekammer Niedersachsen vom 27. April 2010 (VgK48/2009) getroffene Entscheidung abgeändert.

Die Ablehnung des Sachverständigen Dr. M. wegen der Besorgnis der Befangenheit wird für begründet erklärt.

Gründe

1

I. Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 21. August 2009 ein Nachprüfungsverfahren gegen den Antragsgegner beantragt. Mit Beschluss vom 4. Februar 2010 hat die Vergabekammer beschlossen, Beweis zu erheben über die Frage, ob die Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen in bestimmten Punkten von den Vorgaben der Ausschreibung abweichen. Zum Sachverständigen hat die Vergabekammer Herrn Dr. J. M. bestimmt. Unter dem 18. März 2010 hat der Sachverständige sein Gutachten erstellt. Mit Schriftsatz vom 1. April 2010 hat die Antragstellerin den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Die Vergabekammer hat den Befangenheitsantrag dem Sachverständigen zur Stellungnahme zugeleitet. Mit Schreiben vom 13. April 2010 hat der Sachverständige zu dem Ablehnungsantrag der Antragstellerin Stellung genommen. Mit Schriftsatz vom 21. April 2010 hat die Antragstellerin ihren Ablehnungsantrag ergänzend auf eine Erklärung des Sachverständigen in dieser Stellungnahme gestützt. Mit Beschluss vom 27. April 2010 hat die Vergabekammer den Ablehnungsantrag als unbegründet zurückgewiesen.

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Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin. Sie meint, die Vergabekammer sei von einem unzutreffenden Verständnis des Rechts zur Ablehnung eines Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ausgegangen.

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Die Antragstellerin beantragt,

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den Beschluss der Vergabekammer vom 27. April 2010 aufzuheben und dem Ablehnungsantrag der Antragstellerin vom 1. April 2010 stattzugeben.

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Der Antragsgegner beantragt,

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die sofortige Beschwerde zu verwerfen.

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II. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig und begründet.

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1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig.

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Das ergibt sich allerdings nicht aus § 116 Abs. 1 GWB. Denn mit "Entscheidungen der Vergabekammer" i. S. v. § 116 Abs. 1 GWB ist grundsätzlich nur die Hauptsacheentscheidung, also der die "Instanz" abschließende Beschluss über den Nachprüfungsantrag gemeint. Zwischenentscheidungen sind regelmäßig nur in den wenigen gesetzlich geregelten Fällen mit der sofortigen Beschwerde angreifbar. Diese restriktive Behandlung einer isolierten Beschwerde gegen Zwischenentscheidungen ist dem in Vergabenachprüfungsverfahren durch § 113 GWB mit besonderer Geltungskraft ausgestatteten Beschleunigungsgebot geschuldet (vgl. Weyand, ibronlineKommentar Vergaberecht 2009, Stand: 18. März 2010, § 116 GWB Rdnr. 3800/1 ff.. Hunger in Kulartz/Kus/Portz, GWBVergaberecht, 2. Aufl., § 116 Rdnr. 8. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. Juni 2009 - VIIVerg 17/09, zitiert nach juris, Tz. 8. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. Dezember 2007 - VIIVerg 40/07, zitiert nach juris, Tz. 14 ff.).

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Die Beschwerde ist aber gem. §§ 110 Abs. 2 S. 5, 57 Abs. 2 GWB, § 406 Abs. 5 ZPO zulässig. Bei der Entscheidung der Vergabekammer, mit der die Ablehnung eines Sachverständigen für unbegründet erklärt worden ist, handelt es sich um einen gesetzlich geregelten Fall einer Zwischenentscheidung im o. g. Sinn, die ausnahmsweise isoliert mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden kann. Nach § 57 Abs. 2 Satz 2 GWB ist für die Entscheidung über die Beschwerde das Oberlandesgericht zuständig.

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2. Die sofortige Beschwerde ist begründet. Die Ablehnung des Sachverständigen Dr. M. wegen der Besorgnis der Befangenheit war für begründet zu erklären.

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a) Die Ablehnung eines Sachverständigen findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen, §§ 406 Abs. 1, 42 Abs. 2 ZPO. Es muss sich dabei um Tatsachen oder Umstände handeln, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber. Eine solche Befürchtung fehlender Unparteilichkeit kann berechtigt sein, wenn der Sachverständige seine gutachterlichen Äußerungen in einer Weise gestaltet, dass sie als Ausdruck einer unsachlichen Grundhaltung gegenüber einer Partei gedeutet werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 15. März 2005 - VI ZB 74/04, zitiert nach juris, Tz 12). Hiervon ist regelmäßig auszugehen, wenn der Sachverständige bei der Gutachtenerstellung eigenmächtigüber die ihm durch den Beweisbeschluss und den Gutachtenauftrag gezogenen Grenzen hinaus geht und den Prozessbeteiligten in unzulässiger Weise den von ihm für richtig gehaltenen Weg zur Entscheidung des Rechtsstreits weist. Dabei rechtfertigt nicht jede Überschreitung des Gutachtenauftrags bereits die Besorgnis der Befangenheit. Vielmehr ist insoweit eine Entscheidung nach Lage des Einzelfalls zu treffen (vgl. Senat, Beschluss vom 4. Juni 2009 - 13 U 175/08, nicht veröffentlicht. OLG Schleswig, Beschluss vom 22. Mai 2009 - 13 W 57/09, zitiert nach ibronline. OLG Oldenburg, Beschluss vom 13. November 2007 - 5 W 133/07, zitiert nach juris, Tz 10. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 17. Oktober 2007 - 5 W 255/07, zitiert nach juris, Tz 22. OLG Celle, Beschluss vom 18. Januar 2002 - 14 W 45/01, NJWRR 2003, 135).

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b) Nach dieser Maßgabe ist der Antrag der Antragstellerin auf Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit begründet.

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aa) Auf S. 12 seines Gutachtens schreibt der Sachverständige

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"In 2.4.1.4.2 der Angebotsauswertung wird dies auch vom Bewerter so gesehen und der Ausschluss des Angebots (Anmerkung des Senats: das der Antragstellerin) aus diesem Grund empfohlen. Diese Argumentation ist gerechtfertigt."

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Als solches zu Recht macht die Antragstellerin geltend, dass der Sachverständige damit erklärt, dass er den Ausschluss des Angebots der Antragstellerin für gerechtfertigt ansieht. Es obliegt dem Sachverständigen allerdings nicht, sich dazu zu äußern, ob der Ausschluss des Angebots der Antragstellerin berechtigt ist. Er soll der Vergabekammer lediglich die notwendige Fachkenntnis für die Beurteilung strittiger technischer Fragen vermitteln. Über diese Grenzen seines Auftrags ist der Sachverständige hinausgegangen.

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Allerdings wäre nach Auffassung des Senats dieser Punkt allein für sich betrachtet noch nicht ausreichend, um hierauf erfolgreich ein Ablehnungsgesuch stützen zu können. Für welche Entscheidung (Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin von der Wertung) die Feststellungen des Sachverständigen letztendlich dienen sollten, war für alle Verfahrensbeteiligten, also auch den Sachverständigen, offensichtlich. Dass der Sachverständige im Hinblick darauf mittels einer ungeschickten Formulierung die allein von der Vergabekammer auf Grundlage seiner Begutachtung zu treffende Entscheidung vorweggenommen hat, würde der Senat daher, allein für sich betrachtet, noch für unschädlich erachten.

18

bb) Auf S. 17 des Gutachtens schreibt der Sachverständige:

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"Letztlich ist zu prüfen, ob die Vergabestelle bei der Bewertung dieses Angebots (Anmerkung des Senats: das der Beigeladenen) wesentliche und offensichtliche Abweichungen von den Verdingungsunterlagen nicht oder nicht in angemessener Art und Weise berücksichtigt hat, bzw. inwiefern das Ergebnis dieser Prüfung gegebenenfalls zum Ausschluss des Angebots der Beigeladenen hätte führen müssen.'"

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(1) Als solches zu Recht weist die Beschwerde darauf hin, dass der Sachverständige hier wiederum insofern von seinem Auftrag abweicht, als er nicht prüft, ob das Angebot der Beigeladenen den Anforderungen der Ausschreibung entspricht, sondern ob die Vergabestelle Abweichungen des Angebots von diesen Anforderung unberücksichtigt gelassen hat und ob solche Abweichungen zum Ausschluss des Angebots der Beigeladenen hätten führen müssen. Insoweit gelten die oben zu aa) gemachten Ausführungen.

21

(2) Für erheblich schwerwiegender erachtet es der Senat, dass der Sachverständige offenbar nur solche Abweichungen prüfen und berücksichtigen will, die "wesentlich und offensichtlich" sind. Nicht wesentliche Abweichungen sowie solche, die nicht offensichtlich sind, will er offenbar - entgegen der diesbezüglichen Rechtsprechung - unberücksichtigt lassen. Damit zeigt der Sachverständige ein Verständnis von seinem Gutachtenauftrag, das sich diesem objektiv nicht entnehmen lässt und das für die Antragstellerin nachteilig ist. Dieser Umstand ist geeignet, bei der Antragstellerin Zweifel bezüglich der Unparteilichkeit des Sachverständigen entstehen zu lassen.

22

cc) Auf S. 5 des Gutachtens führt der Sachverständige aus:

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"Im Bereich der Einsatzleitsoftware wird eine Testgestellung gefordert, in der die Ausschlusskriterien und Angaben der Bieterüberprüft werden.

24

Diese Tests können im Rahmen des Gutachtens nicht wiederholt werden. In Zweifelsfällen werden die Ergebnisse der Tests deshalb ungeprüft und unverändert übernommen."

25

Die Antragstellerin hat die Richtigkeit der vom Antragsgegner in diesem Zusammenhang getroffenen Feststellungen (mindestens zum Teil) bestritten. Entgegen der Ausführungen der Vergabekammer auf Seite 9, 3. Absatz des angefochtenen Beschlusses findet sich in dem Beweisbeschluss vom 4. Februar 2010 auch keine Anweisung dahingehend, dass der Sachverständige sich auf die Aktenlage beschränken und die von dem Auftraggeber im Rahmen der Angebotswertung durchgeführten Prüfungen und Feststellungen nicht wiederholen soll. Im Hinblick darauf ist der Beweisbeschluss der Vergabekammer mindestens nicht eindeutig. Dies hätte den Sachverständigen zumindest zur Rückfrage bei der Vergabekammer veranlassen müssen, wie er vorzugehen hat. Dies hat der Sachverständige jedoch nicht getan sondern stattdessen eigenmächtig alle (für die Antragstellerin im Ergebnis ungünstigen) Feststellungen des Antragsgegners ungeprüftübernommen. Auch diese Vorgehensweise ist geeignet, bei der Antragstellerin Zweifel hinsichtlich der Unvoreingenommenheit des Sachverständigen hervorzurufen.

26

dd) In Anknüpfung an seine oben dargestellten Ausführungen auf S. 5 des Gutachtens führt der Sachverständige auf S. 17 f. seines Gutachtens in Bezug auf das Angebot der Beigeladenen aus:

27

"Grundlagen sind auch hier wieder die Angebotsunterlagen und Testergebnisse, wie sie der Vergabestelle für die eigene Entscheidungsfindung vorlagen, sowie die Dokumentation der vorgenommenen Prüfungen und deren Ergebnisse.

28

Dabei ist es ein übliches Vorgehen und kann erwartet werden, dass festgestellte Abweichungen eines Angebots von den Vorgaben, die zur Vergabe einer geringeren Bewertung führen, in der Vergabeakte protokolliert werden.

29

Werden keine Abweichungen festgestellt, so ist es gängiges Verfahren, die Übereinstimmung nicht zusätzlich zu kommentieren."

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Zum Prüfungspunkt 3.1 führt der Sachverständige demgemäß aus:

31

"Bei Durchsicht der Vergabeakte konnte an Hand des Ergebnisprotokolls der Testgestellung festgestellt werde, dass eineÜberprüfung der Anforderungen B.2.6.1.12 im Rahmen der Testgestellung durchgeführt wurde. Eine Abweichung (Anmerkung des Senats: des Angebots der Beigeladenen) in Bezug auf das vom Antragsteller genannte Kriterium wurde von den Prüfern nicht festgestellt."

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Mit diesen Ausführungen gibt der Sachverständige zu erkennen, dass der Umstand, dass in den seitens des Antragsgegners erstellten Testprotokollen in Bezug auf das Produkt der Beigeladenen nicht vermerkt worden ist, dass das Angebot der Beigeladenen von den Verdingungsunterlagen in den überprüften Punkten abweicht, für ihn ausreichend ist, dies auch tatsächlich als richtig und gegeben anzunehmen. Dass die Antragstellerin aus ihrer Sicht bei dieser Vorgehensweise des Sachverständigen Zweifel an dessen Unabhängigkeit haben muss, erscheint dem Senat als kaum zweifelhaft.

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ee) Zu den Prüfungspunkten 3.3. und 3.4 führt der Sachverständige auf den Seiten 19 f. aus, dass die Erfüllung der jeweiligen Anforderungen von der Beigeladenen in deren Angebotsunterlagen "zugesichert" werde.

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Dies versteht der Senat so, dass der Sachverständige insoweit offenbar auf eine eigene Überprüfung allein deshalb verzichtet, weil die Beigeladene die Erfüllung der jeweiligen Anforderungen in ihren Angebotsunterlagen zugesichert hat. Auch dieser Umstand muss aus Sicht der Antragstellerin Zweifel an der Objektivität des Sachverständigen aufkommen lassen.

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ff) Auf S. 21 seines Gutachtens kommt der Sachverständige zu dem Fazit:

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"Ein Ausschluss des Angebots der Beigeladenen lässt sich nicht rechtfertigen."

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Insoweit gelten wiederum die oben unter Gliederungspunkt aa) gemachten Ausführungen.

38

gg) Auf S. 20 seines Gutachtens führt der Sachverständige zu Position 3.4 aus:

39

"Die Erfüllung der oben genannten Forderung (Anmerkung des Senats: bezogen auf das Angebot der Beigeladenen) konnte anhand der Angebotsunterlagen der Beigeladenen und weiterer Informationen nachvollzogen werden".

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Die Antragstellerin hatte im Hinblick darauf in ihrem Ablehnungsantrag vom 1. April 2010 geltend gemacht, dass der Sachverständige nicht mitgeteilt habe, was dies für "weitere Informationen" seien und wie er diese erlangt habe. In seiner Stellungnahme vom 13. April 2010 hat der Sachverständige dazu auf Seite 2 ausgeführt:

41

"Die Antragstellerin hinterfragt hier, welche "weiteren Informationen" benutzt wurden, um die Bewertung des Angebots der Beigeladenen durch die Vergabestelle zu überprüfen. Ich bitte darum, die drei Worte zu streichen. Die vorliegenden Angebotsunterlagen erlauben es, diesen Punkt vollständig zu verifizieren. Weitere Informationen sind nicht notwendig."

42

Auch dieses Verhalten des Sachverständigen ist geeignet, aus Sicht der Antragstellerin Zweifel an dessen Unparteilichkeit aufkommen zu lassen: Der Sachverständige hatte zunächst die Beweisfrage, ob das Angebot der Beigeladenen in einem bestimmten Punkt von den Verdingungsunterlagen abweicht, mit der kumulativen Begründung verneint, dass die Erfüllung der Forderung an Hand der Angebotsunterlagen sowie "weiterer Informationen" nachvollzogen werden könne. Nachdem die Antragstellerin berechtigterweise nachgefragt hatte, um welche Informationen es sich insoweit handelt, hat der Sachverständige die Antwort hierauf verweigert und nunmehr ausgeführt, dass anstelle der zunächst getroffenen Feststellung, dass die kumulativ genannten Umstände es rechtfertigen, eine Abweichung von den Verdingungsunterlagen zu verneinen, nunmehr bereits einer dieser beiden Umständen hierfür ausreiche. Dies muss bei der Antragstellerin den Eindruck erwecken, der Sachverständige weiche nachträglich zu ihrem Nachteil von seinen zunächst gemachten Ausführungen ab, um seine Informationsquelle nicht offenlegen zu müssen.

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hh) Wie bereits oben ausgeführt, mögen einzelne der oben genannten Umstände jeweils für sich gesehen nicht ausreichen, um einen Ablehnungsantrag zu rechtfertigen. Indes hat die Antragstellerin, wie oben dargelegt, eine Vielzahl von Aussagen des Sachverständigen in seinem Gutachten sowie in seiner Stellungnahme zum Ablehnungsgesuch aufgezeigt, die jeweils für die Antragstellerin nachteilig sind. Jedenfalls in der Gesamtschau, aber auch schon unter Berücksichtigung einiger dieser Aussagen für sich allein ist es gerechtfertigt, aus Sicht der Antragstellerin den Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Ob der Sachverständige tatsächlich befangen ist, worauf offenbar die Vergabekammer abgestellt hat (Beschluss im Umdruck S. 9, 2. Abs.), ist insoweit ohne Belang. Entscheidend ist allein, ob die genannten Umstände vom Standpunkt der Antragstellerin aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber. Das ist, wie ausgeführt, zu bejahen.

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3. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

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a) Die Vergabekammer wird zu bedenken haben, dass im Falle einer dem Sachverständigen anzulastenden groben Fahrlässigkeit dessen Vergütungsanspruch im Regelfall entfällt (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 413 Rdn. 7).

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b) Der neu zu bestellende Sachverständige wird die im Beweisbeschluss gestellten Fragen aufgrund eigener Überprüfung so beantworten müssen, dass die Vergabekammer das Ergebnis im Einzelnen nachvollziehen kann. Zu berücksichtigen sind nur die Unterlagen, die innerhalb der Angebotsfrist eingegangen sind, ggf. auch nach § 24 Nr. 1 VOL/A in zulässiger Weise nachträglich eingeholte Auskünfte. Der Sachverständige wird sich insbesondere nicht darauf beschränken können, vom Antragsgegner durchgeführte Tests zu referieren, ohne nähere nachvollziehbare Begründung auf´Marktgängigkeit´ zu verweisen oder Zusicherungen von Bietern als ausreichend anzusehen. Er wird erforderlichenfalls eigene Tests durchführen müssen, im Einzelnen ableiten müssen, welche konkreten Eigenschaften infolge ´Marktgängigkeit´ festzustellen sind, und auch Zusicherungen der Beteiligten selbst zuüberprüfen haben.

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c) Vorsorglich ist darauf hinzuweisen, dass sich aus den hier vorliegenden Unterlagen nicht ergibt, dass der Antragsgegner die vom Senat am Ende seines Beschlusses vom 3. Dezember 2009 angesprochene Eignungsprüfung zwischenzeitlich durchgeführt hat.

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III. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Für sonstige Beschwerden (auch nach § 406 Abs. 5 ZPO) fallen Gerichtskosten nur gem. Nr. 1812 KV an, dessen Voraussetzungen nicht vorliegen. Für die Anwälte gehört das Beschwerdeverfahren zur Instanz (§ 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 RVG).