Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 10.05.2010, Az.: 10 WF 147/10

Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung bei gleichzeitiger Anbringung eines Hauptsacheantrags und eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Gewaltschutzverfahren

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
10.05.2010
Aktenzeichen
10 WF 147/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 17377
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2010:0510.10WF147.10.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - 09.03.2010 - AZ: 619 F 1256/10

Fundstellen

  • AGS 2010, 334-335
  • FPR 2011, 238
  • FamFR 2010, 305
  • FamRZ 2010, 1586-1587
  • MDR 2010, 1212
  • NJW-RR 2011, 82
  • RVGreport 2010, 437

Amtlicher Leitsatz

Ein Hauptsacheantrag im Gewaltschutzverfahren ist in der Regel mutwillig im Sinne von § 114 ZPO, wenn er zeit und inhaltsgleich mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt wird.

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

1

Die anwaltlich vertretene Antragstellerin hat am 4. März 2010 mit zwei gleichlautenden Schriftsätzen einen Antrag nach demGewaltschutzgesetz gestellt sowie den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz beantragt, jeweils unter Bezugnahme auf die eidesstattliche Versicherung der Antragstellerin und in Verbindung mit einem Antrag auf Verfahrenskostenhilfe. Das Amtsgericht - Familiengericht - Hannover erließ unter dem Aktenzeichen 619 F 1257/10 mit Beschluss vom 5. März 2010 ohne Anhörung des Antragsgegners eine auf sechs Monate befristete einstweilige Anordnung. Mit Beschluss vom 9. März 2010 versagte es der Antragstellerin Verfahrenskostenhilfe für das Hauptsacheverfahren und führte zur Begründung aus, dass die Rechtsverfolgung mutwillig sei, da eine nicht arme Partei abwarten würde, ob der angestrebte Erfolg nicht bereits durch das einstweilige Anordnungsverfahren dauerhaft erreicht werden kann.

2

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Zu deren Begründung führt die Antragstellerin aus, dass sie ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Hauptsacheantrag habe, da die einstweilige Anordnung nur einen vorläufigen Schutz nach summarischer Entscheidung biete und entsprechend zu befristen sei. Ihr müsse daher für den Fall, dass das Gericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht für geboten halte, die Möglichkeit offenstehen, ein Hauptsacheverfahren zu betreiben.

3

Die nach §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat mit zutreffenden Gründen die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe versagt.

4

Denn die Rechtsverfolgung der Antragstellerin ist zumindest zur Zeit mutwillig, da ein nicht prozesskostenbedürftiger Beteiligter abwarten würde, ob das Verfahrensziel nicht schon durch die kostengünstigere einstweilige Anordnung erreicht werden kann.

5

Mit Inkrafttreten des FamFG ist das Verfahren der einstweiligen Anordnung nach § 51 Abs. 3 FamFG im Gegensatz zur früheren Rechtslage als selbständiges Verfahren ausgestaltet und nicht wie zuvor von der Durchführung eines Hauptsacheverfahrens abhängig. Ein Verfahrenskostenhilfe begehrender Beteiligter braucht nun nicht mehr zwei Verfahren nebeneinander zu betreiben, sondern hat im Gegenteil abzuwägen, welche Verfahrensart er wählt, um sein Rechtsschutzziel möglichst kostengünstig zu erreichen. Aufgrund des von der Antragstellerin dargelegten dringenden Bedürfnisses für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist diese antragsgemäß ergangen und ihr insoweit Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden. Es ist angesichts der in § 1 Abs. 1 S. 2 GewSchG auch für die Hauptsache vorgesehenen Befristung und der grundsätzlich in beiden Verfahren möglichen Verlängerung nicht erkennbar, dass die Antragstellerin mit dem auf den gleichen materiellen Rechtsschutz ausgerichteten und hier sogar wortgleich formulierten und begründeten Hauptsacheantrag einen weitergehenden Rechtsschutz erreichen könnte. Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht daraus, dass das einstweilige Anordnungsverfahren anders als das Hauptsacheverfahren lediglich als summarisches Verfahren ausgestaltet ist, da derzeit nicht erkennbar ist, dass die Antragstellerin auf die weitergehenden Erkenntnismöglichkeiten des Hauptsacheverfahrens angewiesen wäre, um ihr Rechtsschutzziel zu erreichen. Es ist zwar durchaus denkbar, dass das Verhalten des Antragsgegners noch Anlass bietet, ein Hauptsacheverfahren durchzuführen. Diese Entwicklungsmöglichkeit bleibt jedoch abzuwarten und ändert nicht die Bewertung, dass jedenfalls bei zeit und inhaltsgleicher Antragstellung im einstweiligen Anordnungs und im Hauptsacheverfahren letztere zunächst als mutwillig im Sinne von § 114 ZPO anzusehen ist.

Wick
Heck
Grabowski