Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 01.06.2010, Az.: 13 K 126/09

Kürzung der Betriebsausgaben durch Ansatz eines Korrekturbetrages für Schuldzinsen aufgrund einer Überentnahme; Abzug von Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungskosten oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens; Verbösernde Änderung der Steuerfestsetzung bzw. gesonderten Feststellung infolge Verletzung der amtlichen Ermittlungspflicht trotz ordnungsgemäßer Mitwirkung des Steuerpflichtigen

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
01.06.2010
Aktenzeichen
13 K 126/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 36424
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2010:0601.13K126.09.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 09.04.2014 - AZ: X R 1/11

Einkommensteuer 2003 bis 2005

ges. Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den 31.12.2003 und 31.12.2005

Bei der Höhe der Zinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens (Investitionszinsen) handelt es sich um eine Tatsache i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO im Rahmen des § 4 Abs. 4a EStG.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Hinzurechnung gemäß § 4 Abs. 4a EStG zulässig ist und die Änderungsvoraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO vorliegen.

2

Die Klägerin betreibt einen Einzelhandel mit Kunstgegenständen, Bildern, kunstgewerblichen Erzeugnissen, Briefmarken, Münzen und Geschenkartikeln. In ihren Einkommensteuererklärungen für 2003 bis 2005 erklärte sie jeweils die aus dem Einzelhandel erzielten Einkünfte aus Gewerbebetrieb. In der Anlage GSE waren Angaben zum Saldo aus Entnahmen und Einlagen i.S.d. § 4 Abs. 4 a EStG im Wirtschaftsjahr und zu den Schuldzinsen aus der Finanzierung von Anschaffungs-/Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens nicht enthalten. Aus den eingereichten Jahresabschlüssen sind die Summe der langfristigen und kurzfristigen Zinsaufwendungen, die Privatentnahmen und -einlagen und die Höhe der Investitionen ersichtlich. Eine Kürzung der Zinsaufwendungen nach § 4 Abs. 4a EStG wurde nicht erklärt. Der Beklagte veranlagte die Klägerin antragsgemäß und erließ Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre sowie Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2003 und 2005.

3

In der Zeit vom 21.04.2008 bis zum 24.11.2008 führte der Beklagte bei der Klägerin eine Außenprüfung (Ap.) durch. Während der Ap. stellte der Beklagte fest, dass die Klägerin im Jahr 2000 ein EFH mit Herstellungskosten in Höhe von 600.000 DM errichtet hatte. Die darauf entfallenden Schuldzinsen hatte die Klägerin im Wege eines Zwei-Konten-Modells als Betriebsausgaben gebucht. Die Klägerin berücksichtigte insgesamt Schuldzinsen in Höhe von 23.963 EUR (2003), 22.143 EUR (2004), 22.299 EUR (2005) als Betriebsausgaben.

4

Eine Korrektur der Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG war nicht erfolgt. Der Prüfer errechnete daher Korrekturbeträge in Höhe von 20.972 EUR (2003), 19.972 EUR (2004), 20.249 EUR (2005) und erhöhte die Gewinne in den Streitjahren entsprechend.

5

Der Beklagte änderte die Einkommensteuerbescheide 2003 bis 2005 mit Bescheiden vom 16.02.2009 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Am gleichen Tag erteilte er auch geänderte Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2003 und auf den 31.12.2005.

6

Gegen die geänderten Bescheide legte die Klägerin Einspruch ein. Zur Begründung führte sie an, dass alle wesentlichen Tatsachen für die Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG bereits bei der erstmaligen Veranlagung bekannt gewesen seien. Denn aus dem Anlageverzeichnis könne ersehen werden, ob Schuldzinsen zur Finanzierung von Anlagevermögen angefallen seien. Der Beklagte wies den Einspruch mit Entscheidung vom 15.04.2009 als unbegründet zurück.

7

Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Aufhebung der angefochtenen Bescheide. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, für sämtliche Streitjahre lägen die Änderungsvoraussetzungen des § 173 AO nicht vor. Den Einkommensteuererklärungen der Streitjahre sei jeweils als Anlage ein Jahresabschluss beigefügt gewesen. Aus diesen Jahresabschlüssen sei ersichtlich gewesen, welche Gewinne die Klägerin erwirtschaftet habe, welche Entnahmen und Einlagen sie getätigt habe, welche Anschaffungen erfolgt seien und in welcher Höhe Darlehen aufgenommen und Schuldzinsen angefallen seien. Mit diesen bei der erstmaligen Veranlagung bekannt gewesenen Tatsachen hätte der Veranlagungsbeamte § 4 Abs. 4a EStG anwenden können.

8

Selbst wenn man mit dem Beklagten davon ausgehe, dass die Höhe der konkreten Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens nachträglich bekannt geworden sei, könne hieraus keine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO abgeleitet werden, weil es sich bei den Schuldzinsen um eine steuermindernde Tatsache handele. Es liege folglich keine steuererhöhende Tatsache vor.

9

Für das Jahr 2004 seien zudem die materiellen Voraussetzungen des § 4 Abs. 4a EStG nicht erfüllt. Der Außenprüfer habe Überentnahmen in Höhe von 2.570 EUR für 2003 und 5.832 EUR für 2005 festgestellt. 2004 habe es keine Überentnahmen gegeben, sondern es sei eine Unterentnahme in Höhe von 17.445 EUR erfolgt. Demzufolge könne auch keine Korrektur für Überentnahmen erfolgen.

10

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 08.05.2009 (Bl. 23 ff. FGA) Bezug genommen.

11

Die Klägerin beantragt,

die Einkommensteuerbescheid für 2003 bis 2005 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 16.02.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.04.2009 und vom 21.05.2010 sowie die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer 2003 und 2005 vom 16.02.2009 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.04.2009 aufzuheben.

12

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

13

Der Beklagte verweist auf seine Ausführungen im Einspruchsbescheid. Ergänzend führt er aus, dass § 4 Abs. 4a EStG auch anzuwenden sei, wenn sich Überentnahmen aus vorangegangenen Wirtschaftsjahren ergäben. Die Änderungsvoraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO seien erfüllt, da im Streitfall aus den Steuerakten nicht bekannt gewesen sei, wie sich die Schuldzinsen zusammengesetzt hätten.

14

Aufgrund der erkennbaren Tatsachen wäre zwar eine weitere Ermittlung angezeigt gewesen. Die Pflichtverletzung der Mitwirkungs- und Erklärungspflicht der Klägerin überwiege jedoch die Pflichtverletzung des Beklagten.

15

Der Beklagte erließ am 21.05.2010 Einkommensteueränderungsbescheide 2003 bis 2005 zur Aktualisierung der Vorläufigkeitsvermerke.

Entscheidungsgründe

16

I.

Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte durfte die angefochtenen Änderungsbescheide erlassen.

17

1.

Entgegen der Ansicht der Klägerin hat auch für das Streitjahr 2004 eine Kürzung der Betriebsausgaben durch Ansatz eines Korrekturbetrages nach § 4 Abs. 4 a EStG zu erfolgen.

18

Gemäß § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG sind bei der Gewinnermittlung Schuldzinsen im Betriebsvermögen nach Maßgabe der Sätze 2 bis 4 des § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind. Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden typisiert mit sechs vom Hundert der Überentnahmen des Wirtschaftsjahres zuzüglich der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (= Unterentnahmen), ermittelt (§ 4 Abs. 4a Satz 3 EStG). Der sich dabei ergebende Betrag, höchstens jedoch der um 4.000,- DM/2050,- Euro verminderte Betrag der im Wirtschaftsjahr angefallenen Schuldzinsen, ist dem Gewinn hinzuzurechnen. Gemäß § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG bleibt der Abzug von Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens allerdings unberührt. Hier geht die betriebliche Veranlassung vor.

19

Zwar geht die gesetzliche Regelung in § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG davon aus, das eine Hinzurechnung nur zu erfolgen hat, wenn Überentnahmen getätigt worden sind. Diese Regelung ist - wie der Verweis auf die Sätze 2 bis 4 verdeutlicht - nicht isoliert zu betrachten, sondern im Kontext der nachfolgenden Bestimmungen. Danach kommt es für die Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen nicht allein auf die Überentnahmen des jeweiligen Veranlagungszeitraums an, sondern es hat eine Fortentwicklung zu erfolgen, in welche sowohl die Überentnahmen und Unterentnahmen von Jahr zu Jahr fortgeschrieben werden. Nur so können die Zinsanteile, die einmal auf Überentnahmen beruhen, sich aber in den Folgejahren weiterhin auswirken, dauerhaft korrigiert werden. Demzufolge ist die gesetzliche Regelung so zu verstehen, dass eine Korrektur immer dann zu erfolgen hat, wenn im Veranlagungszeitraum oder aus fortgeschriebenen Vorveranlagungszeiträumen Überentnahmen getätigt wurden und noch im Veranlagungszeitraum fortbestehen. Dies ist im zu entscheidenden Fall unstreitig gegeben, da die Unterentnahmen des Jahres 2004 nicht zu einem vollständigen Ausgleich der Überentnahmen der Vorjahre geführt haben.

20

2.

Der Beklagte hat die Änderung der Einkommensteuerbescheide in den Bescheiden vom 16.02.2009 zu Recht auf § 173 Abs. 1 AO gestützt.

21

a)

Gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Tatsache ist alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Tatbestandes sein kann; es kann sich um Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art handeln. Gegenbegriff zur Tatsache ist die Schlussfolgerung (Subsumtion). Eine irrtümlich falsche rechtliche Beurteilung eines Sachverhalts ist keine nachträglich bekannt gewordene Tatsache (BFH-Urteil vom 7. Juli 2004 XI R 10/03, BStBl II 2004, 911 m.w.N.).

22

Nachträglich bekannt werden Tatsachen oder Beweismittel, wenn sie nach dem Zeitpunkt, in dem die Willensbildung über die Steuerfestsetzung abgeschlossen ist, bekannt werden. Hierbei kommt es nicht auf die Kenntnis des Steuerpflichtigen, sondern allein auf die der Finanzbehörde an. Jeder Stelle innerhalb der Finanzverwaltung ist grundsätzlich das bekannt, was sich aus dem Inhalt der von ihr geführten Akten ergibt, ohne dass es auf die individuelle Kenntnis des Sachbearbeiters ankommt (BFH-Beschluss vom 28. April 2006 VI B 131/05, BFH/NV 2006, 1445 m.w.N.).

23

b)

Eine verbösernde Änderung der Steuerfestsetzung bzw. gesonderten Feststellung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO scheidet jedoch aus, wenn sie auf Tatsachen gründet, die der Finanzbehörde infolge Verletzung der amtlichen Ermittlungspflicht (§ 88 AO) trotz ordnungsgemäßer Mitwirkung des Steuerpflichtigen zunächst unbekannt geblieben sind. Die Finanzbehörde verletzt ihre Amtsermittlungspflicht nur, wenn sie offenkundigen Zweifelsfragen, Unklarheiten oder Zweifeln, die sich nach der Sachlage ohne weiteres aufdrängen, nicht nachgeht und Ermittlungsmöglichkeiten nicht nutzt, deren Ergiebigkeit sich ihr hätten aufdrängen müssen (BFH-Urteil vom 12. Juli 2001 VII R 68/00, BStBl II 2002, 44). Ob derartige Zweifel anzunehmen sind, muss das Gericht unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalls entscheiden (BFH-Beschluss vom 28. April 2006 VI B 131/05, BFH/NV 2006, 1445).

24

Ist eine Steuererklärung abgegeben worden, kann die Finanzbehörde grundsätzlich davon ausgehen, dass der steuerlich relevante Sachverhalt richtig, vollständig und deutlich angegeben ist. Die Finanzbehörde braucht den Angaben des Steuerpflichtigen nicht mit Misstrauen zu begegnen. Die Erklärung muss vielmehr konkrete Anhaltspunkte für weitere Nachforschungen geben, etwa weil sie erkennbar unvollständig oder in sich widersprüchlich ist oder sich der Finanzbehörde aus anderweitig bekannten Umständen Zweifel an ihrer Richtigkeit hätten aufdrängen müssen.

25

c)

Diese Einschränkung der Änderungsbefugnis greift aber andererseits nur ein, wenn der Steuerpflichtige seinerseits die ihm obliegende Mitwirkungspflicht (§ 90 AO) in zumutbarer Weise erfüllt hat (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Beschluss vom 28. April 2006 VI B 131/05, BFH/NV 2006, 1445 m.w.N.). Liegen hingegen sowohl eine Verletzung der Ermittlungspflicht durch das Finanzamt als auch eine Verletzung der Mitwirkungspflicht durch den Steuerpflichtigen vor, sind die beiderseitigen Pflichtverstöße grundsätzlich gegeneinander abzuwägen. In einem solchen Fall trifft nach ständiger Rechtsprechung des BFH in der Regel die Verantwortung den Steuerpflichtigen mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann (BFH-Urteile vom 16. Juni 2004 X R 56/01, BFH/NV 2004, 1502 m.w.N. und vom 7. Juli 2004 XI R 10/03, BStBl II 2004, 911 m.w.N.). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Verstoß des Finanzamtes gegen seine Ermittlungspflicht den Verstoß des Steuerpflichtigen gegen seine Mitwirkungspflicht deutlich überwiegt (BFH-Urteile vom 16. Juni 2004 X R 56/01, BFH/NV 2004, 1502; vom 20. Dezember 1988 VIII R 121/83, BStBl II 1989, 585, unter II. 6., m.w.N.).

26

II.

Dem Beklagten sind nach der abschließenden Zeichnung der ursprünglichen Einkommensteuerbescheide und damit nachträglich steuererhöhende Tatsachen bekannt geworden.

27

1.

Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich bei der Höhe der Zinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens (Investitionszinsen) um eine Tatsache i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO, die zu einer höheren Steuer führt (vgl. auch FG Düsseldorf vom 22. März 2007, [...]). Denn sie wirkt sich unmittelbar auf die Höhe der nach § 4 Abs. 4a Satz 3 EStG nicht abziehbaren Zinsen aus und ist damit ein Umstand, der bei der Erfüllung des gesetzlichen Tatbestands des § 4 Abs. 4a EStG zu berücksichtigen ist. Ob sich Tatsachen erhöhend oder ermäßigend auf die Steuer auswirken, hängt vom Vergleich der nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen mit den Tatsachen ab, die der ursprünglichen Steuerfestsetzung zugrunde gelegt wurden (vgl. BFH-Urteil vom 08.12.1998 IX R 14/97, BFH/NV 1999, 743). Vergleicht man den gesetzlichen Tatbestand unter Berücksichtigung der nachträglich bekannt gewordenen Tatsache (Hinzurechnung nach § 4 Abs. 4a EStG) mit der Sachlage vorher (vollständiger Schuldzinsenabzug ohne Hinzurechnung), zeigt sich die steuererhöhende Wirkung der nachträglichen Erkenntnis.

28

Der Beklagte erlangte erst im Rahmen der Betriebsprüfung im Jahr 2008 und damit nach Bestandskraft der Bescheide Kenntnis darüber, dass nicht alle Zinsaufwendungen auf die Finanzierung von Anlagegütern entfielen. Zu Recht weist die Klägerin zwar darauf hin, dass aus den Bilanzen und den Kapitalkontenentwicklungen, die in dem Jahresabschluss dargestellt waren, die Überentnahmen, ebenso wie die gesamten Zinsaufwendungen hervorgingen. In welcher Höhe jedoch in den Zinsaufwendungen Investitionszinsen enthalten waren, ergibt sich weder aus dem Jahresabschluss noch aus den Feststellungserklärungen. Der Einwand der Klägerin, in den Bilanzen seien allgemeine Schuldzinsen ausgewiesen, die nicht auf Anlagevermögen entfielen, so dass leicht erkennbar gewesen sei, dass es sich um nicht abziehbare Zinsen i.S.d. § 4 Abs. 4a EStG handelte, kann der Senat nicht nachvollziehen. Die Schuldzinsen sind im Jahresabschluss nicht - wie die Klägerin meint - erläutert. Zwar waren in der Gewinn- und Verlustrechnung auch Zinsen für kurzfristige Verbindlichkeiten ausgewiesen. Aber auch diese könnten der Finanzierung von Anlagegütern gedient haben. Dem bilanzierten Anlagevermögen zum 31. Dezember 2003 lagen Anschaffungskosten von 16.424,45 EUR zugrunde. Zudem erfolgte im Streitjahr 2005 ein Zugang in Höhe von 22.275,62 EUR. Es war durchaus möglich, dass ein Teil des Zinsaufwandes seiner Finanzierung diente. Zudem war nicht klar, ob die Zinsen nicht auf Darlehen für vor den Streitjahren getätigte Investitionen beruhten. So betrugen die ursprünglichen Anschaffungskosten des zum 31.12.1999 ausgewiesenen Anlagevermögens 67.923 DM. Demzufolge konnte aus den bisherigen Angaben nicht positiv erkannt werden, in welcher Höhe die geltend gemachten Schuldzinsen auf der Finanzierung von Anlagevermögen beruhten.

29

2.

Die Änderungsmöglichkeit ist nach Abwägung der beiderseitigen Pflichtverletzungen nicht ausgeschlossen.

30

Die Klägerin hat im Rahmen der Feststellungserklärungen 2003 bis 2005 keine Kürzung nach § 4 Abs. 4a EStG vorgenommen. Sie hat damit bei der Erstellung der Feststellungserklärungen in allen Streitjahren gegen die steuerlichen Gewinnermittlungsvorschriften verstoßen und ihre Erklärungspflichten verstoßen, indem sie auch die Feststellungserklärung nicht vollständig ausgefüllt hat.

31

Allerdings hat auch der Beklagte seine Amtsermittlungspflicht verletzt. Denn auch für ihn war auf Grund der im Rahmen der Feststellungserklärung eingereichten Jahresabschlüsse die Höhe der Zinsaufwendungen erkennbar. Er konnte insbesondere aufgrund des ausgewiesenen Eigenkapitalfehlbetrages erkennen, dass das negative Kapital auf Überentnahmen zurückzuführen war. Zu Recht geht der Beklagte davon aus, dass er den Angaben des Steuerpflichtigen in den Steuererklärungen zunächst ohne Misstrauen begegnen und hierauf vertrauen darf, es sei denn, Zweifel drängen sich geradezu auf.

32

Dennoch Bestand durchaus Anlass, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Die geltend gemachten Zinsaufwendungen waren im Verhältnis zum ausgewiesenen Anlagevermögen vergleichsweise hoch. Unter Berücksichtigung des negativen Kapitalbestandes, den ausgewiesenen Entnahmen und Einlagen und der Höhe des Anlagevermögens lag es nahe, dass nicht die gesamten Zinsaufwendungen aus der Finanzierung von Anlagevermögen resultierten. Der Beklagte hätte die Zinsaufwendungen daher näher hinterfragen müssen.

33

Der Beklagte war dennoch nicht gehindert, die Bescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern. Denn der Verstoß des Finanzamts gegen die Amtsermittlungspflicht überwiegt vorliegend nicht den Verstoß der Klägerin gegen die Mitwirkungspflicht.

34

Die sachkundig beratene Klägerin hatte fehlerhafte Feststellungserklärungen und Jahresabschlüsse eingereicht. Bei der Erstellung der Steuererklärungen bzw. Feststellungserklärungen und auch der Jahresabschlüsse hat die Steuerberatungssozietät des Prozessbevollmächtigten mitgewirkt. Umso mehr durfte der Beklagte auf den steuerlichen Sachverstand vertrauen und davon ausgehen, dass der Gewinn entsprechend den geltenden Gewinnermittlungsvorschriften zutreffend ermittelt wurde. Der Beklagte durfte darauf vertrauen, dass die Vorschrift des § 4 Abs. 4a EStG dem bearbeitenden Steuerberater der Sozietät bekannt und von diesem auch angewandt wurde. Von einem Veranlagungssachbearbeiter wird man bei der Vielzahl der von ihm zu bearbeitenden Fälle nicht erwarten können, dass er sich den Verwendungszweck verschiedener Darlehen merkt. Für die Klägerin wäre es hingegen relativ einfach gewesen, den Verwendungszweck der Darlehen in einer Anlage zum Jahresabschluss bzw. zur Steuererklärung anzugeben. Diese Verletzung der Erklärungspflicht wiegt deshalb angesichts der sachkundigen Beratung der Klägerin ebenso schwer wie das offensichtliche Übersehen der nur teilweisen Berücksichtigungsfähigkeit der Schuldzinsen durch den Beklagten.

35

Der Senat folgt auch nicht der von dem Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung dargelegten Ansicht, der Beklagte habe lediglich einen Rechtsfehler begangen. Zwar liegen hinreichende Anhaltspunkte für die Verletzung der Ermittlungspflicht des Beklagten vor. Aus den Akten lässt sich indes nicht entnehmen, dass der Sachbearbeiter sich des Eingreifens des § 4 Abs. 4a EStG bewusst war und die Vorschrift aufgrund der erkannten Tatsachen nur falsch angewendet hat. Denn die Rechtslage war im Zeitpunkt der ursprünglichen Bescheiderteilung aufgrund der damaligen Rechtsprechung des BFH und der die Finanzämter bindenden Verwaltungsanweisungen im Streitfall eindeutig. Danach konnte bei vollständiger Tatsachenkenntnis kein Zweifel bestehen, dass eine Kürzung der berücksichtigungsfähigen Schuldzinsen vorzunehmen war. Einer Änderung der Bescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO stand daher nichts entgegen. Die Verlustfeststellungsbescheide waren infolge des Erlasses der geänderten Einkommensteuerbescheide gemäß § 10d Abs. 4 EStG anzupassen. Die Klage konnte folglich keinen Erfolg haben.

36

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nach Auffassung des Senats nicht vorliegen.