Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 21.06.2010, Az.: 7 K 294/09

Einbeziehung von Bauerrichtungskosten in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer unter dem Gesichtspunkt eines einheitlichen Vertragswerks von Grundstückskaufvertrag und Bauvertrag; Beurteilung der grunderwerbssteuerlichen Gegenleistung unter Berücksichtigung des Zustands des Grundstücks zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses sowie auch des künftigen Zustands; Enger sachlicher Zusammenhang zwischen Grundstückskaufvertrag und Bauvertrag bei Einschränkung der Entscheidungsfreiheit des Grundstückserwerbers aufgrund von vorherigen Absprachen oder faktischen Zwängen

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
21.06.2010
Aktenzeichen
7 K 294/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 25841
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2010:0621.7K294.09.0A

Fundstellen

  • EFG 2011, 72-73
  • UVR 2011, 73

Grunderwerbsteuer, einheitliches Vertragswerk: Vereinbarung eines nachträglich zu zahlenden höheren Grundstückskaufpreises für den Fall, dass der Käufer nicht innerhalb der vereinbarten Frist mit dem Grundstücksverkäufer einen Bauvertrag abschließt.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Bauerrichtungskosten unter dem Gesichtspunkt eines einheitlichen Vertragswerks in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einzubeziehen sind.

2

Die Kläger erwarben mit Vertrag vom ... (Nr. ...der Urkundenrolle für ...des Notars ... in ...) von der X-GmbH den im Grundbuch von ... eingetragenen Bauplatz je zur ideellen Hälfte. Die Übergabe erfolgte laut § 3 des Kaufvertrages mit Wirkung vom ... . Der Kaufpreis betrug nach § 4 des Vertrages EUR 85.000.

3

In § 5 des Vertrages heißt es: "Der Erwerber hat derzeit noch keine konkreten Vorstellungen bezüglich der Gestaltung des auf dem Kaufgrundstück beabsichtigten Bauvorhabens. Andererseits ist die Verkäuferin daran interessiert, die für die Bebauung des Grundstücks notwendigen Bauarbeiten zu erbringen. Der Erwerber seinerseits ist grundsätzlich bereit, der Verkäuferin den Auftrag zur Durchführung dieser Bauarbeiten zu erteilen, und zwar zu ortsüblichen Preisen (derzeit ...EUR je qm Fläche). Um diese Bereitschaft zu dokumentieren, verpflichtet sich der Erwerber bereits heute gegenüber der Verkäuferin, an die Verkäuferin zusätzlich zu dem zu § 4 vereinbarten Kaufpreis einen Betrag in Höhe von 30.000,00 EUR ... für den Fall zu zahlen, dass der Verkäuferin von dem Erwerber nicht spätestens bis zum ... (fünf Jahre) der Auftrag zur Errichtung eines Wohngebäudes mit einer Nutzfläche von mindestens ... qm auf dem Kaufgrundstück erteilt worden sein sollte. Der Ausgleichsbetrag ist fällig am ...."

4

Der Notar ... hat den Klägern hierzu mit Schreiben vom ... mitgeteilt, der in § 5 des Vertrages enthaltene Passus sei nicht standardmäßig in den Kaufverträgen enthalten, die von ihm in dem Bereich des Baugebietes, in dem das Kaufobjekt belegen sei, beurkundet würden, sondern sei individuell - auf Veranlassung der Kläger - in diesen Vertrag aufgenommen worden. Nach seiner Erinnerung hätten sie insoweit telefoniert; die Kläger hätten noch keinerlei Vorstellungen zu dem auf dem Kaufobjekt beabsichtigten Bauvorhaben gehabt, andererseits habe die X-GmbH ein Interesse daran geäußert, für den Fall, dass nicht mit ihr gebaut würde, eine Kaufpreisnachzahlung zu erhalten. Ihm sei nichts darüber bekannt, dass zum Zeitpunkt der Beurkundung bereits konkrete Ideen oder Planungen bezüglich des Bauvorhabens bestanden hätten.

5

Mit Bescheiden vom ... setzte das Finanzamt (FA) unter Zugrundelegung einer Bemessungsgrundlage von jeweils EUR 42.500 (1/2 von EUR 85.000) die Grunderwerbsteuer mit jeweils EUR 1.487 (nach § 165 AO vorläufig) fest.

6

Nach dem dem FA im ... eingereichten Werkvertrag beauftragten die Kläger unter dem ... die X-GmbH mit der Errichtung eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück zum Festpreis von EUR 20...... Diese waren nach § 3 des Vertrages in Abschlägen zu leisten, u.a. a) EUR ...nach Beginn der Erdarbeiten, b) EUR ...nach Fertigstellung der Sohle, c) EUR ...nach Fertigstellung der Erdgeschossdecke und d) EUR ...nach Fertigstellung des Dachstuhles (gesamt zu a bis d EUR 112.500), e) EUR ...nach Fertigstellung der Dacheindeckung, f) EUR ...nach Fertigstellung der Innenputzarbeiten, g) EUR ...nach Fertigstellung der Estricharbeiten. In der Baubeschreibung ist als Architekt A aufgeführt. Für die die X-GmbH betreffende Bebauung schlossen die Kläger mit dem Architekten keinen (gesonderten) Architektenvertrag. Für Architektenleistungen bezüglich an andere Unternehmer vergebener Gewerke erteilte der Architekt den Klägern am ... eine Rechnung über EUR ... .

7

Im Klageverfahren haben die Kläger auf Aufforderung des Gerichts dargelegt und belegt, wann sie welche Zahlungen im Zusammenhang mit dem Erwerb und der Bebauung des Grundstücks geleistet haben. Die X-GmbH teilte den Klägern mit Datum des Werkvertrages ... mit, gemäß Kaufvertrag vom ... seien die Beträge von EUR 112.500 zu zahlen. Mit weiteren Abschlagsrechnungen vom ... und ... stellte die X-GmbH weitere gemäß Kaufvertrag zu zahlende Beträge von jeweils EUR 25.000 in Rechnung. Die Kläger leisteten entsprechend die angeforderten Zahlungen. Den Stromhaus- und den Wasseranschluss bezahlten sie im ... .

8

Die Kläger erläuterten dem FA, wie es zu dem Grundstückskauf und dem späteren Neubau gekommen sei. Sie hätten schon seit ...in dem Baugebiet ... in ... gewohnt und seinerzeit dort das (ebenfalls von der X-GmbH errichtete) Musterhaus ... mit ...qm Wohnfläche gekauft. Die freien Grundstücke in dem Baugebiet seien weniger geworden und sie hätten irgendwann ein größeres Haus bauen wollen. Deshalb hätten sie sie sich bereits Ende ...entschieden, das Eckgrundstück bei dem Eigentümer X-GmbH zu "reservieren". Im ... sei es dann soweit gewesen, der Eigentümer X-GmbH habe andere Interessenten gehabt und das Baugebiet sei zunehmend bebaut worden. Somit hätten sie sich entschieden, das Grundstück zu kaufen unter der Bedingung, es nicht sofort und nicht zwingend mit der X-GmbH bebauen zu müssen. Sie hätten vor dem Kauf verhandelt, dass keine Baubindung mit dem Grundstückskauf vertraglich vereinbart werde, um spätere Unstimmigkeiten bei Preisverhandlungen oder Bindungen auszuschließen. Hierzu hätten sie den entsprechenden Passus vom Notar ausarbeiten lassen (§ 5 des Vertrages). Nach dem Grundstückskauf seien die Bauzinsen weiter gesunken. Im Jahr ...hätten sie begonnen, mit dem Gedanken zu spielen, bei den historisch niedrigen Zinsen den Neubau auf ...vorzuziehen. Im ... hätten sie den Architekten A aus ... beauftragt, sie zu beraten und geeignete Entwürfe und Planungen zu erstellen. Diese seien dann bei der ... als Bauantrag eingereicht worden. Da sie sich direkt um die berufsgenossenschaftlichen Belange gekümmert hätten und eine eigene Bauherrenhaftpflichtversicherung abgeschlossen hätten, werde weiterhin deutlich, dass sie als Bauherren in der Beauftragung unabhängig gewesen seien.

9

Nach Bestätigung der Stadt hätten sie die Anbieterauswahl für ein Bauunternehmen vornehmen können. Am ... hätten sie sich für die X-GmbH entschieden, da viele beauftragte Subunternehmer bereits vor Ort gewesen seien (Nachbarbaustelle) und das Unternehmen ihre Anforderungen als einziges zu diesem Preis-Leistungsverhältnis habe erfüllen können. Die X-GmbH habe jedoch nicht den Auftrag für das komplette Haus erhalten. Einzelne Gewerke hätten sie separat vergeben.

10

Mit den nach § 165 AO geänderten Bescheiden vom ... setzte das FA die Grunderwerbsteuer unter Zugrundelegung einer um EUR 20..... erhöhten Gesamt-Bemessungsgrundlage mit jeweils EUR ... fest. Es erläuterte u.a.: Der Grundstücksverkäufer und Bauunternehmer habe den Erwerber mit der in § 5 des Grundstückskaufvertrages geregelten Nachzahlung zum Abschluss eines entsprechenden Werkvertrages an sich binden wollen. Unerheblich sei, dass zum Zeitpunkt des Kaufvertrages noch keine konkreten Vorstellungen bezüglich der Gestaltung des Bauvorhabens vorgelegen hätten. Entscheidend sei, dass der Werkvertrag mit dem Grundstücksveräußerer als Bauunternehmer geschlossen worden sei. Sei der bisherige Grundstückseigentümer Bauunternehmer, bestehe in aller Regel ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem mit ihm abgeschlossenen Werkvertrag zur Bebauung des Grundstücks. Der Grundstückshandel solle gerade diesem Zweck dienen. Auch der zeitliche Geschehensablauf lasse einen objektiv engen sachlichen Zusammenhang erkennen. Dieser werde nicht dadurch beseitigt, dass bestimmte Bauleistungen in Eigenarbeit zu erbringen seien bzw. anderweitig vergeben werden könnten.

11

Mit ihrem Einspruch hiergegen machten die Kläger geltend, § 5 des Vertrages betone, dass sie zunächst noch keine konkreten Vorstellungen bezüglich der Gestaltung des Bauvorhabens gehabt hätten und ein zu beauftragendes Bauunternehmen frei hätten wählen können. § 5 des Vertrages bringe zwar das Interesse der Grundstücksverkäuferin zum Ausdruck, die für die Bebauung des Grundstücks notwendigen Bauarbeiten selbst zu erbringen. Die Käufer hätten sich dazu aber nicht bereit erklärt, sondern lediglich verpflichtet, EUR 30.000 für den Fall zu zahlen, dass die Veräußerin nicht den Auftrag zur Errichtung eines Wohnhauses erhalte. Diese Verpflichtung habe zwar einen gewissen Druck auf die Erwerber zum Abschluss eines Werkvertrages ausüben sollen. Das allein reiche aber nicht aus, die Kosten der Bebauung des Grundstücks in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen.

12

Der Sachverhalt gleiche im Wesentlichen nicht den Vorgängen, die Gegenstand der Rechtsprechung zum einheitlichen Vertragswerk gewesen seien. Im Kaufvertrag sei keine notarielle Verpflichtung zur Errichtung des Gebäudes durch den Veräußerer enthalten. Der von der Rechtsprechung geforderte objektiv sachliche Zusammenhang zwischen Kaufvertrag und Werkvertrag bestehe nicht. Es fehle an einem einheitlichen Angebot des Veräußerers zur Errichtung des Bauwerks auf dem veräußerten Grundstück. Nähere Einzelheiten der Errichtung des Gebäudes (Größe, Architekt, Zeitpunkt der Errichtung) hätten noch gar nicht festgestanden. Nach Architektenbeauftragung im ... habe die X-GmbH ein Angebot über EUR ... abgegeben. Dies sei ihnen zu teuer gewesen. Deshalb hätten sie sich entschieden, weitere Angebote einzuholen. Das sei dann erfolgt; ein konkretes Angebot über EUR ...habe die Y-GmbH am ... erteilt. Der Architekt habe weitere Verhandlungen mit der X-GmbH empfohlen, weil diese in dem Baugebiet viele Häuser baue und somit die Gewerke untereinander gut eingespielt seien und weil diese besser sei. Daraufhin habe die X-GmbH ein neues Angebot mit aktualisierter Baubeschreibung über EUR 20.....abgegeben. Es habe auch kein faktischer Zwang für die Kläger geherrscht, den Veräußerer mit der Errichtung des Gebäudes zu beauftragen. Letztlich hätten sie aus kalkulatorischen Gründen (niedrigster Preis) dem Veräußerer den Auftrag erteilt.

13

Das FA wies mit Schreiben vom ... darauf hin, dass der Architekt A im internetauftritt der X-GmbH als Partner der Firma bezeichnet werde. Aus dem Ablauf lasse sich schließen, dass die Bebauung von Beginn an mit der X-GmbH geplant gewesen sei. Der Architekt und die Veräußerin des Grundstücks hätten darauf hingewirkt, den Klägern ein bebautes Grundstück zu verkaufen.

14

Dazu haben die Kläger vorgetragen, die X-GmbH arbeite auch mit anderen Architekten zusammen, wie aus deren internet-Seite ersichtlich. Der Architekt A arbeite nicht ausschließlich für die X-GmbH, sondern werbe z.B. als freier Architekt auf einer eigenen homepage für seine Projekte und auf vielen weiteren Seiten. Die Unterstellung des FA, Herr A habe auf die Kläger zum Zeitpunkt des Grundstückskaufs eingewirkt, treffe nicht zu. Die Kläger hätten in ... überhaupt keinen Kontakt zu ihm gehabt. Dieser habe sich erst im Jahr ... - auch nach Gesprächen mit verschiedenen anderen Architekturbüros und Bauunternehmen - ergeben. Konkret sei Herr A aus Unternehmerkreisen heraus als guter Architekt empfohlen worden. Aus diesem Grund könne auch der Architekt im Zeitpunkt des Grundstückskaufs keinerlei Einfluss auf die Kläger gehabt haben.

15

Dass die Veräußerin des Grundstücks bestrebt gewesen sei, einen Bauvertrag abzuschließen, sei ganz natürlich und liege in der Natur der Sache. Schließlich habe die X-GmbH mit dem Bauvertrag Geld verdienen wollen. Gerade deshalb hätten die Kläger eine entsprechende Klausel in den Kaufvertrag aufgenommen.

16

Zusammenfassend sei festzuhalten: die vom BFH entwickelten Rechtsgrundsätze zum einheitlichen Vertragswerk seien nicht erfüllt. Im Grundstückskaufvertrag sei keine Bindung der Bauausführung an die Verkäuferin enthalten. Vielmehr sei diese in § 5 explizit ausgeschlossen. Im Zeitpunkt des Grundstückskaufs im ... habe weder ein Angebot der X-GmbH vorgelegen, noch habe es überhaupt Verhandlungen über die geplante Bebauung gegeben. Auch dies werde in § 5 des Grundstückskaufvertrages nochmals dokumentiert.

17

Die Kläger seien in der Planung und der Durchführung der Errichtung des Gebäudes völlig frei und in keiner Weise an die X-GmbH gebunden gewesen. Das zeige sich auch darin, dass das erste Angebot der X-GmbH erst im ..., also erst vier Monate nach Abschluss des Grundstückskaufvertrages abgegeben worden sei und selbst danach noch in einer Weise geändert worden sei, dass einzelne Gewerke aus dem Angebot genommen und von den Klägern anderweitig vergeben worden seien. Der endgültige Werkvertrag sei schließlich erst am ... mit einem Festpreis von EUR 20..... abgeschlossen worden.

18

Die im Kaufvertrag vorgesehene Zahlung von EUR 30.000 führe nicht zu einem faktischen Zwang, da Angebote vorgelegen hätten, die zusammen mit diesem Betrag niedriger gewesen seien, als das Angebot der X-GmbH.

19

Mit Bescheiden vom ... wies das FA die Einsprüche zurück. Zwischen dem Grundstückskaufvertrag und dem Bauvertrag bestehe ein objektiv enger sachlicher Zusammenhang, weil ein faktischer Zwang zum Abschluss des Bauvertrages bestanden habe. Ein Zwang sei anzunehmen, wenn der Grundstückserwerber bei Nichtabschluss des Gebäudeerrichtungsvertrages (spürbare) wirtschaftliche Nachteile hinnehmen müsste. Das sei bei der in § 5 des Grundstückskaufvertrages vereinbarten Zahlung von EUR 30.000 der Fall. Die Grundstücksverkäuferin, die zugleich auch ein Bauunternehmen betreibe, habe den Erwerber mit dieser "Nachzahlung" zum Abschluss eines entsprechenden Werkvertrages an sich binden wollen. Unerheblich sei, dass zum Zeitpunkt des Kaufvertrages noch keine konkreten Vorstellungen bezüglich der Bebauung vorgelegen hätten. Entscheidend sei im Streitfall, dass der Werkvertrag mit der Grundstücksveräußerin als Bauunternehmerin tatsächlich abgeschlossen worden sei. Aus dem Angebot der Firma Y-GmbH über EUR ...ergäben sich zuzüglich der Kaufpreiserhöhung für das Grundstück EUR 19...... Die Kläger hätten nicht das günstigere Angebot gewählt, sondern den Werkvertrag über EUR 20..... mit der Grundstücksveräußerin abgeschlossen. Hieraus könne gefolgert werden, dass bezüglich der Bebauung des Grundstücks bei Abschluss des Grundstückskaufvertrages bereits konkretere Absprachen bestanden hätten. Der gesamte Geschehensablauf - Kaufvertrag ... November ..., Architektenplanung vom März ..., Angebot der X-GmbH vom ... März ... und der Abschluss des Werkvertrages am ... August ... - lasse einen objektiv engen sachlichen Zusammenhang erkennen.

20

Mit ihrer Klage machen die Kläger ihr bisheriges Vorbringen weiterhin geltend. Auch ein faktischer Zwang zum Abschluss des Werkvertrages mit der X-GmbH habe nicht vorgelegen. Es sei lediglich die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer um insgesamt EUR 30.000 zu erhöhen, da sie diese für den baubindungsfreien Grundstückserwerb hätten anlegen müssen.

21

Die Kläger beantragen,

die Grunderwerbsteuerbescheide vom ... und die Einspruchsentscheidungen vom ... aufzuheben und die Grunderwerbsteuer für die beiden Kläger auf jeweils 2.... EUR festzusetzen.

22

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

23

Er hält an seiner Auffassung fest und verweist auf den Einspruchsbescheid. Ergänzend weist er darauf hin, dass die X-GmbH 29 von 30 Grundstücken in dem Baugebiet bebaut habe. Eine Erhöhung der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer um den Betrag von EUR 30.000 scheide aus, da der Bauerrichtungsvertrag zu besteuern sei. Die Kläger hätten diesen Betrag tatsächlich nicht gezahlt, weil sie rechtzeitig einen Werkvertrag mit der Grundstücksveräußerin geschlossen hätten.

24

Aus dem Umstand, dass die Abschlagsrechnung der X-GmbH bereits am ... August ... die nach § 3 a) bis d) des Werkvertrages fälligen Beträge von gesamt EUR 112.500 anfordere und aus der Zahlung des Stromhaus- und des Wasseranschlusses bereits im Mai ... sei zu schließen, dass tatsächlich bereits vor dem Datum des Werkvertrages vom ... August ... mit dem Bau begonnen worden sei und damit auch schon vorher festgestanden habe, dass die Kläger mit der X-GmbH bauen.

25

Hierzu haben die Kläger erklärt, es sei richtig, dass die X-GmbH die meisten Häuser in dem Baugebiet gebaut habe. Sie baue auch Musterhäuser, die sie dann verkauften, so auch das zuvor von ihnen erworbene Haus im .... Es sei aber auch so, dass in einem Fall eine Familie nicht mit der X-GmbH gebaut habe. Die Anträge für die Wasser- und Stromhausanschlüsse hätten sie bereits vorher gestellt, diese seien vom Bauvertrag unabhängig.

26

Dass sie gleich EUR 112.500 bei Abschluss des Werkvertrages an die X-GmbH gezahlt hätten, folge daraus, dass die X-GmbH gesagt habe, dass sie das Architektenhonorar übernehme. Sie hätten dann besprochen, dass sie gleich zur Abdeckung dieses Honorars die ersten drei oder vier Positionen des Werkvertrages begleichen.

27

Das Gericht hat die Bauakten beigezogen. Hieraus ist ersichtlich, dass die Kläger am ... März ...die nach § 69a NBauO genehmigungsfreie Baumaßnahme unter Beifügung der von dem Architekten A erstellten Planungen, Berechnungen und Baubeschreibung eingereicht haben. Die Bauzeichnungen datieren vom ... Februar .... Die Stadt ... teilte dem Bauamt mit Schreiben vom ... Januar ... mit, dass ihr die Fertigstellung des Bauvorhabens mitgeteilt worden sei.

28

Wegen des weiteren Sachverhalts und Vorbringens wird auf den Inhalt der Steuerakten und der beigezogenen Akten, der gewechselten Schriftsätze und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

29

Die Klage ist unbegründet.

30

Das FA war verpflichtet, nach Kenntniserlangung von dem mit der Grundstücksverkäuferin geschlossenen Bauvertrag die Grunderwerbsteuerfestsetzungen zu ändern, weil die Voraussetzungen eines einheitlichen Vertragswerks vorliegen; die Änderungsbefugnis bzw. -verpflichtung ergibt sich sowohl aus § 165 Abs. 2 Satz 2 als auch aus § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO.

31

Nach § 1 Absatz 1 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) unterliegt ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstücks begründet, der Grunderwerbsteuer. Diese bemisst sich nach § 8 Absatz 1 GrEStG nach dem Wert der Gegenleistung. Als Gegenleistung gelten gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen.

32

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gehören alle Leistungen des Erwerbers zur grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung (Bemessungsgrundlage), die dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen gewährt, um das Grundstück zu erwerben. Dabei kann Gegenstand der auf die Grundstücksübereignung abzielenden Vereinbarungen nicht nur das Grundstück in dem Zustand sein, den es im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses hat, sondern auch der (künftige) Zustand, in den es erst zu versetzen ist (BFH, Urteile vom 27. Oktober 1999 II R 17/99, BStBl II 2000, 34, BFHE 189, 550, vom 15. März 2000, II R 34/98, BFH/NV 2000, 1240, jeweils mit weiteren Nachweisen - m.w.N.-).

33

Ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs das zukünftig zu bebauende Grundstück, liegt nach der Rechtsprechung des BFH ein sogenanntes einheitliches Vertragswerk vor. Dies hat zur Folge, dass die aus dem Werkvertrag für die Errichtung des Hauses geschuldete Vergütung zusätzlich zu der aus dem Kaufvertrag für den Erwerb des Grundstücks geschuldeten Vergütung als Gegenleistung für den Erwerb des (zukünftig bebauten) Grundstücks gesehen und als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuerfestsetzung zugrunde gelegt wird (vgl. Pahlke/Franz, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 4. Aufl. 2010, Rdz. 3, 7 ff. zu § 9 GrEStG, Boruttau/Sack, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 16. Auflage, § 9 Rn 165, jeweils m.w.N.).

34

Ein einheitliches Vertragswerk liegt nach der Rechtsprechung des BFH u.a. vor, wenn der Erwerber sich nach dem Inhalt der zivilrechtlichen Übereignungsverpflichtung bei Abschluss des Grundstückskaufvertrages gegenüber dem Grundstücksverkäufer zivilrechtlich gebunden, d.h. zu einer bestimmten Bebauung des Grundstücks verpflichtet hat (vgl. Pahlke / Franz, a.a.O., Rdz. 15 ff. zu § 9 GrEStG m.w.N.), also über das "ob" und "wie" der Bebauung nicht mehr frei entscheiden kann. Im Streitfall haben sich die Kläger im Grundstückskaufvertrag gegenüber der Grundstücksverkäuferin nicht zivilrechtlich verpflichtet, das Grundstück in einer bestimmten Art und Weise von der Grundstücksverkäuferin bebauen zu lassen.

35

Ob als Gegenstand eines Erwerbsvorgangs das zukünftig bebaute Grundstück anzusehen ist, kann sich nach der Rechtsprechung des BFH auch aus mit dem Grundstückskaufvertrag in rechtlichem oder objektiv engem sachlichem Zusammenhang stehenden Vereinbarungen oder Umständen ergeben, die insgesamt zu dem Erfolg führen, dass der Erwerber das Grundstück in bebautem Zustand erhält (BFH, Urteil vom 27. Oktober 1999, a.a.O., m.w.N.). Kennzeichnend für den objektiv engen sachlichen Zusammenhang ist die Einbindung des den Grundstücksübereignungsanspruch begründenden Vertrags (d.h. des Grundstückskaufvertrags) in ein Vertragsgeflecht, das unter Berücksichtigung aller Umstände darauf gerichtet ist, dem Erwerber als einheitlichen Leistungsgegenstand das Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen (BFH, Urteil vom 27. Oktober 1999, a.a.O., m.w.N.; Boruttau/Sack, a.a.O., Pahlke/Franz, a.a.O., Rdz. 18 f. zu§ 9 GrEStG).

36

Ein enger sachlicher Zusammenhang kann gegeben sein, wenn dem Erwerber auf Grund einer bis annähernd zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis angeboten wird und er dieses Angebot als einheitliches annimmt oder nur annehmen kann (BFH, Urteil vom 23. November 1994 II R 53/94, BStBl II 1995, 331, BFHE 176, 450). Dieser Sachverhalt liegt im Streitfall nicht vor, weil nach den ausdrücklich in § 5 des Grundstückskaufvertrages festgehaltenen Erklärungen der Vertragsbeteiligten im Zeitpunkt des Grundstückskaufvertrages noch nicht feststand, welches Bauvorhaben zu welchem Preis auf dem Grundstück verwirklicht werden sollte. Ein hiervon abweichender Sachverhalt ist nicht feststellbar. Ein einheitliches Angebot für Grundstückskauf und Bebauung zu dem hierfür maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages lag nicht vor.

37

Ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen Grundstückskauf- und Bauvertrag besteht jedoch auch dann, wenn der Grundstückserwerber aufgrund von vorherigen Absprachen oder faktischen Zwängen in seiner Entscheidungsfreiheit eingeschränkt ist (BFH, Urteil vom 21. April 1999, II R 29/98, BFH/NV 1999, 1507; Urteil vom 28. Juli 1993 II R 66/90, BFH/NV 1994, 339).

38

Ein faktischer Zwang lag im Streitfall - entgegen der Auffassung des FA - nicht vor. Ein faktischer Zwang betrifft die tatsächliche - insbesondere die bautechnische - Seite, nicht die wirtschaftlichen Dispositionen, die der Erwerber trifft bzw. treffen kann. Ein faktischer Zwang kann nicht darin gesehen werden, dass sich der Erwerber aus allein wirtschaftlichen Gründen für die Vergabe des Bauauftrags an den Grundstücksveräußerer oder eine ihm verbundene Person entscheidet (vgl. Pahlke/Franz, a.a.O, Rdz. 21, 22 ff. zu§ 9 GrEStG) oder wenn es allein "aus Kostengründen wirtschaftlicher Vernunft entsprechen kann, sich bei der Errichtung eines Gebäudes eines bestimmten Unternehmens zu bedienen" (BFH, Urteil vom 6. März 1991, II R 133/87, BStBl. II 1991, 532, BFHE 164, 117). Ob ein faktischer Zwang vorliegt, ist nach objektiven Kriterien und nicht nach den subjektiven Vorstellungen der Erwerber zu bestimmen (vgl. Pahlke/Franz, a.a.O.).

39

Im Streitfall ergeben sich aus der mit dem Erwerb des Grundstücks in rechtlichem und objektiv engem sachlichem Zusammenhang stehenden Vereinbarung in § 5 des Grundstückskaufvertrages die Umstände, die insgesamt zu dem Erfolg führten, dass die Kläger das Grundstück in bebautem Zustand von der Grundstücksverkäuferin/Baufirma erhielten. Die Kläger waren aufgrund der in § 5 des Grundstückskaufvertrages vereinbarten Zahlung von zusätzlich EUR 30.000 für den Fall, dass sie nicht mit der Grundstücksverkäuferin einen Bauvertrag abschließen würden, in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt. Die dadurch entstehende Bindung geht über die bloße kalkulatorische Abwägung von Preisen verschiedener Bauunternehmer, wie sie dem Urteil des BFH vom 6. März 1991 (II R 133/87, a.a.O.) zugrunde lag, hinaus. Die Vereinbarung steht dem Abschluss eines bindenden Vertrages mit der Verpflichtung, durch die Grundstücksverkäuferin das Gebäude bis zu dem in § 5 des Grundstückskaufvertrages genannten Höchstpreis errichten zu lassen unter Einräumung eines Rücktrittsrechts gegen Zahlung einer Vertragsstrafe für den Fall der Ausübung des Rücktrittsrechts gleich. Hätten die Vertragsbeteiligten eine - in der konkreten Gestaltung noch offene - Bebauung durch die Grundstücksverkäuferin bindend vereinbart, würde zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der darin liegenden zivilrechtlichen Bindung auch dann eine ein einheitliches Vertragswerk begründende Einschränkung der Entscheidungsfreiheit der Kläger vorliegen, wenn ein Rücktrittsrecht gegen Zahlung des nicht unerheblichen Betrages von EUR 30.000 vereinbart worden wäre. Die in § 5 des Grundstückskaufvertrages getroffene Vereinbarung hat denselben Inhalt und ist lediglich in eine andere Form gekleidet. Für die Frage, ob Grundstückskauf- und Bauvertrag zusammenhängen und die Kläger in ihrer Entscheidungsfreiheit nicht völlig frei waren, macht dies für das Gericht keinen Unterschied. Das Gericht sieht die Zahlung als Strafzahlung, die sicherstellen sollte, dass die Kläger bei der Auswahl des Bauunternehmens im Zweifel mit der Grundstücksverkäuferin und nicht mit einer anderen Baufirma einen Bauvertrag für das zu errichtende Gebäude abschließen würden. Dabei ist die erhebliche Höhe des Betrages von EUR 30.000 - bezogen auf den Grundstückspreis von zuvor EUR 85.000 waren dies mehr als ein Drittel und bezogen auf den Bauvertrag über letztlich EUR 20..... entsprachen sie einer Gewinnmarge von knapp 15% - zu berücksichtigen. Dieser geplante Sachverhalt hat sich auch tatsächlich - durch den Abschluss des Bauvertrages mit der Grundstücksverkäuferin - realisiert. Dass die Kläger auch mit einer anderen Baufirma, z.B. der Y-GmbH, den Bauvertrag hätten abschließen können, ist unerheblich. Der Besteuerung unterliegt der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt. Ebenfalls ist unerheblich, inwieweit die Kläger Einfluss auf die Planungen genommen haben und sich um Teile des Bauvorhabens (Berufsgenossenschaft, Haftpflichtversicherung) selbst gekümmert haben.

40

Die Klage war deshalb abzuweisen.

41

Unabhängig von Vorstehendem hat das Gericht erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des Vortrags der Kläger, dass erst am ... August ... eine bindende Vereinbarung zur Errichtung des Gebäudes durch die X-GmbH geschlossen wurde. Hiergegen spricht, dass die Kläger die nach § 3 a) bis d) des Werkvertrages erst nach (im Wesentlichen) Fertigstellung der dort genannten Arbeiten zu leistenden Zahlungen bereits mit Abschluss des Werkvertrages entsprechend der gleichzeitigen Anforderung durch die X-GmbH geleistet haben. Die als Voraussetzung der zu leistenden Abschläge nach § 3 a) bis d) des Vertrages im Wesentlichen fertig zu stellenden Arbeiten setzen nicht nur den bereits erfolgten Baubeginn, sondern auch einen erheblichen Baufortschritt voraus. Dass die Kläger und die X-GmbH wegen der von dem Architekten bereits zuvor erbrachten Planungsleistungen abweichend von dem gleichzeitig schriftlich geschlossenen Werkvertrag mündlich eine - über 50% des vereinbarten Preises hinausgehende - erhebliche Vorauszahlung der Kläger vereinbarten und die Kläger bereit waren, diese ohne entsprechend bereits erfolgte Gegenleistungen der X-GmbH und ohne Absicherung zu leisten, glaubt das Gericht nicht. Auch die weiteren Abschlagsrechnungen der X-GmbH vom September ..., die nach dem Werkvertrag bereits die Fertigstellung (im Wesentlichen) der Innenputz- und der Estricharbeiten voraussetzten, zeigen, dass vermutlich das Bauvorhaben weiter vorangeschritten war, als es bei einem Baubeginn nicht vor dem ... August ...möglich gewesen wäre. Der Umstand, dass der Architekt seine Tätigkeit gegenüber den Klägern nur für die gesondert vergebenen Gewerke berechnet hat, spricht für ein Zusammenwirken des Architekten mit der X-GmbH mit dem Ziel der Bebauung des Grundstücks durch letztere. Das Gericht lässt diese Fragen dahinstehen. Es kommt nicht darauf an, wann tatsächlich der Werkvertrag geschlossen worden ist und wieweit der Architekt und die X-GmbH zusammenwirkten, weil sich bereits aus den Vereinbarungen in § 5 des Grundstückskaufvertrages und dem Umstand, dass die X-GmbH tatsächlich das Gebäude errichtet hat, ein objektiv enger sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und dem Bauvertrag ergibt mit der Folge, dass die Kläger das Grundstück von der X-GmbH in bebautem Zustand erworben haben.

42

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Finanzgerichtsordnung (FGO).

43

Das Gericht hat gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, weil der vorliegende Sachverhalt, soweit ersichtlich, noch nicht entschieden worden ist.