Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 05.06.1991, Az.: 2 L 132/89
Freistellung einer Lehrerin zum Stillen ihres Kindes; Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage; Regelung der Stillzeit bei teilzeitbeschäftigten Beamtinnen; Rücksichtnahme auf die Lebensumstände des einzelnen Beamten bei der Dienstplanung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 05.06.1991
- Aktenzeichen
- 2 L 132/89
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1991, 17192
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1991:0605.2L132.89.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Stade - 06.03.1989 - AZ: 4 VG A 401/88
Rechtsgrundlagen
- § 101 Abs. 2 VwGO
- § 43 VwGO
- § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO
- § 7 MuSchV
- § 88 NBG
- § 192 Abs. 3 NBG
- § 80 Abs. 2 S. 3 NBG
- § 87 Abs. 1 NBG
Fundstelle
- ZBR 1992, 253-254
Verfahrensgegenstand
Anordnung von Mehrarbeit
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Ein Kläger kann, nachdem die Erledigung einer gegen ihn ergangenen Anordnung während des bereits anhängigen Rechtsstreits eingetreten ist, nicht darauf verwiesen werden, dass er auch unmittelbar auf Leistung klagen kann.
- 2.
Besteht eine an feste Zeiten gebundene, sei es auch reduzierte Dienstleistungspflicht, so ist bei damit kollidierenden Stillzeiten der Freistellungsanspruch auf Verlangen ohne Ausgleich durch Nacharbeit zu erfüllen, gleichgültig wie lang die Wochenarbeitszeit auch ist.
- 3.
§ 7 Abs. 1 Satz 1 MuSchV gewährt pauschalierend für zusammenhängende Arbeitszeiten von unter acht Stunden zwei Stillzeiten von je 1/2 Stunde, ersatzweise eine Stillzeit von einer Stunde. Damit wird anerkannt, dass es typischerweise zwischen zwei Stillzeiten Intervallzeiten von vier Stunden und weniger gibt. Stillzeiten können deshalb durchaus auch mit den Dienstpflichten von teilzeitleistenden Lehrerinnen kollidieren, die nur an Vormittagen unterrichten. Das gilt insbesondere bei schwerpunktmäßiger Konzentration des Unterrichts auf einige Wochentage.
- 4.
Das Verbot des Vor- oder Nacharbeitens läuft leer, wenn bei jeder - von der Behörde freiwillig zugestandenen oder von der Beamtin erstrittenen - Freistellung für einen Teil der bisherigen Arbeitsstunden sogleich eine entsprechend lange Zeit an die sonstige Arbeitszeit angehängt oder ihr vorangestellt werden dürfte.
- 5.
Es gehört zu den Befugnissen und Obliegenheiten des Dienstherrn, bei der Dienstplanung vorausschauend durch Rücksichtnahme auf die Lebensumstände des einzelnen Beamten eine optimale Inanspruchnahme der Arbeitskraft zu erreichen. Die Einbeziehung individueller Bedürfnisse in die vorherige Planung des Dienstablaufs ist aber etwas anderes als die nachträgliche Umgehung eines entstandenen Freistellungsanspruches durch eine auf den Anspruchsteller beschränkte Reaktion.
- 6.
Die Gestaltungsfreiheit des Dienstherrn ist nicht uneingeschränkt: Es wäre rechtsmißbräuchlich und daher unzulässig, entgegen den sonst in dem Dienstzweig üblichen Arbeitszeitvariationen einer stillenden Beamtin einen Dienst zu ungünstigen Zeiten aufzuerlegen, etwa Nachmittagsunterricht, wenn dieser sonst an der betreffenden Schule gegen den Willen der Lehrkräfte nicht angeordnet wird.
Der 2. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat
am 5. Juni 1991
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Zeller,
die Richter am Oberverwaltungsgericht Sommer und Dehnbostel sowie
die ehrenamtliche Richterin Achmus und den ehrenamtlichen Richter Aden
ohne mündliche Verhandlung
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 4. Kammer Lüneburg - vom 6. März 1989 geändert. Es wird festgestellt, daß die Anordnung des Beklagten vom 1. September 1981 und der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 19. Oktober 1988 rechtswidrig waren.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin unterrichtete als teilzeitbeschäftigte Lehrerin an der Orientierungsstufe ... 20 Wochenstunden. Durch einstweilige Anordnung vom 26. August 1988 - 4 VG D 82/88 - verpflichtete das Verwaltungsgericht die Bezirksregierung, der Klägerin montags und freitags während der 5. Unterrichtsstunde Dienstbefreiung zum Stillen ihrer am 11. Juni 1987 geborenen Tochter zu gewähren. Der beklagte Schulleiter bestätigte die Freistellung am 1. September 1988 gegenüber der Klägerin und ordnete zugleich mündlich an, daß sie ab 1. September 1988 montags und freitags statt in der 5. nun in der 6. Stunde zu unterrichten habe. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Bezirksregierung mit Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 1988 zurück; zugleich ordnete sie die sofortige Vollziehung der Anordnung des Beklagten vom 1. September 1988 an. Die Klägerin befolgte die Anordnung. Ihren Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluß vom 4. Januar 1989 - 4 VG D 113/88 - ab. Das anschließende Beschwerdeverfahren wurde wegen Erledigung der Hauptsache eingestellt (Beschl. d. Sen. v. 24.2.1989 - 2 M 5/89 -).
Mit ihrer am 18. November 1988 erhobenen Klage hatte die Klägerin vorgetragen:
Durch die angefochtene Anordnung sei ihre regelmäßige Arbeitszeit ohne rechtliche Grundlage verlängert worden. Sie sei aufgrund des Gerichtsbeschlusses vom 26. August 1988 um zwei Stunden zu kürzen gewesen; diese dürften nicht an anderer Stelle wieder angehängt werden. Mitten im Schuljahr sei der Stundenplan mit dem einzigen Ziel umgestellt worden, ihr unter Verletzung des § 7 Abs. 2 der Mutterschutzverordnung - MuSchV - die gewährten Stillstunden wieder zu streichen. Infolge der Erhöhung ihrer Regelstundenzahl auf 27 am 1. Februar 1989 und der ihr seitdem zugestandenen Stillzeit an zwei Tagen wöchentlich, jeweils für die 6. Unterrichtsstunde, sei die angefochtene Anordnung erledigt. Es sei aber beabsichtigt, für die zusätzlich erteilten Stunden zwischen September 1988 und Januar 1989 eine Mehrarbeitsvergütung zu fordern. Die Klägerin hat deshalb beantragt,
festzustellen, daß die mündliche Anordnung des Beklagten vom 1. September 1988 und der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 19. Oktober 1988 rechtswidrig waren.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen
und ausgeführt: Durch den Gerichtsbeschluß vom 26. August 1988 sei die regelmäßige Arbeitszeit der Klägerin nicht um zwei Stunden gekürzt worden. Die Zeit der Freistellung für die 5. Unterrichtsstunde an zwei Wochentagen habe von der Klägerin nicht "nachgearbeitet" werden müssen. Durch die Gestaltungsfreiheit bei der Stundenplanerstellung sei es möglich, daß Lehrerinnen die zum Stillen erforderliche Freistellung erhielten und trotzdem die regelmäßig zu erteilenden Unterrichtsstunden unterrichteten.
Mit Urteil vom 6. März 1989 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und im wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe ein berechtigtes Feststellungsinteresse (§ 43 VwGO), denn sie könnte im Falle der Rechtswidrigkeit der Anordnung unter den Voraussetzungen des § 80 Abs. 2 Satz 3 NBG Vergütung für Mehrarbeit verlangen. Die Klage sei aber unbegründet. Bereits in dem Beschluß vom 26. August 1988 sei bei der Abwägung der öffentlichen und der privaten Interessen besonders berücksichtigt worden, daß eine Unterrichtsverlegung montags und freitags auf die 6. Stunde ohne besondere organisatorische Probleme machbar und auch für die Schüler zumutbar gewesen sei. Nur unter dieser Voraussetzung sei dem Interesse der Schule, den Stundenplan möglichst unverändert beizubehalten, ein geringeres Gewicht beigemessen worden. Auch sei die Tochter der Klägerin im streitigen Zeitraum bereits älter als ein Jahr gewesen. Dem § 7 Abs. 2 MuSchV sei nicht zu entnehmen, daß eine im Beamtenverhältnis stehende Mutter ihr Kind beliebig viele Monate oder gar Jahre während ihrer Dienstzeit ohne Gehaltskürzung stillen könne. In einer besonders wichtigen Lebensphase solle die Mutter Gelegenheit haben, ihrem Kind die beste Ernährung, welche die Muttermilch zumindest in den ersten neun Monaten noch immer darstelle, zu geben. Nach medizinischen Erkenntnissen enthalte die Muttermilch vom 9. Monat an keine für die Ernährung des Kleinkindes ausreichenden Stoffe mehr. Damit sei die Gewährung von Stillzeiten bei älteren Kleinkindern nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Mit dem zunehmenden Alter des Kindes dürften aber die dienstlichen Verpflichtungen der Mutter aus dem Beamtenverhältnis in stärkerem Umfang zur Geltung kommen. Von einer Beamtin, die ihr Kind länger als ein Jahr stillen wolle, könne aufgrund ihrer Treuepflicht nicht nur bei der Inanspruchnahme von Stillzeiten, sondern auch bei der Stundenplanumgestaltung die Beachtung der Interessen der Schule erwartet werden. Bei der streitigen Umgestaltung handele es sich nicht um ein verbotenes "Nacharbeiten" im Sinne des § 7 Abs. 2 MuSchV. Die gesamte Arbeitszeit sei bei Lehrern nicht zeitlich festgelegt; sie werde je nach Stundenplan neu geordnet und umfasse Unterrichtsstunden, möglicherweise dazwischenliegende Freistunden und häusliche Vor- und Nachbereitungszeiten. Schon daraus ergebe sich, daß die Voraussetzungen für eine Nacharbeit zu einer eigentlich arbeitsfreien Zeit nicht vorlägen. Der Beklagte habe auch ein dienstliches Interesse an der Umgestaltung des Stundenplans gehabt. Es sei ihm darum gegangen, Unterrichtsausfall oder Vertretungsfälle zu vermeiden. Demgegenüber habe das Interesse der Klägerin, weniger als 20 Stunden zu unterrichten, zurücktreten müssen.
Gegen dieses am 6. September 1989 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 4. Oktober 1989 Berufung eingelegt. Sie trägt im wesentlichen vor: Wenn unter Berücksichtigung der dienstlichen Verpflichtungen eine Dienstbefreiung einmal gewährt worden sei, könne nicht mit Hinweis auf die Treuepflicht der Beamtin eine Vor- oder Nacharbeit der Stillzeit angeordnet werden. Nach verbindlicher Feststellung der Voraussetzungen des Freistellungsanspruchs - auch unter Berücksichtigung der dienstlichen Verpflichtungen der Klägerin - habe nur noch geprüft werden dürfen, ob durch die angegriffene Anordnung das Verbot des Vor- und Nacharbeitens verletzt gewesen sei oder ob besondere dienstliche Gründe eine Stundenplanänderung gerechtfertigt hätten. Im vorliegenden Fall sei die Stundenplanänderung einzig und allein vorgenommen worden, um der Klägerin die gerade vorher gewährte Stillzeit wieder zu entziehen. Es hätten genau die Unterrichtsstunden nachgearbeitet werden sollen, die durch die Gewährung der Stillzeiten ausgefallen seien. Unannehmlichkeiten für die betroffene Schule könnten für sich genommen kein dienstliches Bedürfnis dafür begründen, die gewährten Stillzeiten wieder zu entziehen, weil dann die Bestimmung des § 7 Abs. 2 MuSchV völlig ins Leere liefe.
Die Klägerin beantragt,
unter Änderung des angefochtenen Urteils festzustellen, daß die mündliche Anordnung des Beklagten vom 1. September 1981 und der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 19. Oktober 1988 rechtswidrig waren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
und vertritt die Ansicht, die Feststellungsklage sei schon unzulässig, weil ein Anspruch auf Vergütung für Mehrarbeit mit einer Leistungsklage verfolgt werden könnte. Unter Würdigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 30.6.1988 - 2 C 60.86 - DVBl 1988, 1064) sei die angegriffene Anordnung als rechtmäßig anzusehen gewesen. Stillzeiten seien danach nur dann zu gewähren, wenn es durch ein unvermeidliches zeitliches Zusammentreffen des Stillens mit dem festgelegten Unterrichtsplan zu einer Kollision komme. Für die Frage der Vermeidbarkeit eines zeitlichen Zusammentreffens sei einerseits der Stillrhythmus der Mutter und deren Teilzeitbeschäftigung zu berücksichtigen. Soweit ein dienstliches Bedürfnis für eine geänderte Unterrichtsgestaltung vorliege, könne eine Stundenplanänderung dahin, daß zu den gewünschten Stillzeiten kein Unterricht zu erteilen sei, nicht zur Rechtswidrigkeit der Anordnung führen. Das Zusammentreffen sei bei teilzeitbeschäftigten Lehrerinnen regelmäßig nicht unvermeidbar. Eine Umgestaltung des Stundenplanes, die Unterrichtsstunden außerhalb der gewünschten Stillzeiten nachträglich ausweise, könne daher nicht automatisch als Nacharbeit angesehen werden.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf die in beiden Rechtszügen sowie in den Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gewechselten Schriftsätze verwiesen. Die Personalakten der Klägerin liegen vor.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II.
Über die rechtzeitig eingelegte Berufung der Klägerin kann mit dem erklärten Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO). Die Berufung ist begründet.
Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, daß der Feststellungsantrag zulässig ist. Es handelt sich allerdings nicht um eine Feststellungsklage nach § 43 VwGO, sondern um eine solche nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO (Fortsetzungsfeststellungsklage). Die angegriffene Anordnung vom 1. September 1988, die sich bei Beginn des nächsten Schulhalbjahres erledigt hat, war nach der übereinstimmenden Einordnung durch die Beteiligten und des Verwaltungsgerichts ein Verwaltungsakt, wie sich insbesondere aus der unmittelbaren Verknüpfung mit der begünstigenden Freistellungsregelung nach § 7 Abs. 1 der Verordnung über den Mutterschutz für Beamtinnen (Fassung vom 22.1.1968, BGBl I S. 106 - MuSchV -) in Verbindung mit § 88 Abs. 1 des Niedersächsischen Beamtengesetzes (Fassung vom 11.12.1985, Nds. GVBl S. 493 - NBG -) ergab. Im übrigen wäre eine entsprechende Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO auch dann in Betracht gekommen, wenn die angegriffene Anordnung kein Verwaltungsakt gewesen wäre, sondern eine Anordnung ohne Außenwirkung innerhalb des Dienstverhältnisses der Klägerin. Denn eine solche Maßnahme hätte, ähnlich wie eine Umsetzung, durch Leistungsantrag im Verfahren nach § 192 Abs. 3 NBG in Verbindung mit dem 8. Abschnitt der VwGO wie ein Verwaltungsakt angegriffen werden können; § 113 VwGO wäre in Ergänzung des 8. Abschnitts heranzuziehen gewesen.
Das Feststellungsinteresse ergibt sich aus der Absicht der Klägerin, eine Mehrarbeitsvergütung zu verlangen. Ob diese unmittelbar auf § 80 Abs. 2 Satz 3 NBG gestützt werden könnte, wie das Verwaltungsgericht meint, oder ob nur eine Entschädigung für die Folgen rechtswidrigen Vollzugs der angegriffenen Maßnahme in Betracht käme, braucht hier nicht entschieden zu werden. Jedenfalls erscheint das Verlangen nicht von vornherein aussichtslos. Auch kann die Klägerin, nachdem die Erledigung der Anordnung während des bereits anhängigen Rechtsstreits eingetreten ist, nicht darauf verwiesen werden, daß sie unmittelbar auf Leistung klagen könnte (vgl. Urt. d. OVG Lüneburg v. 26.2.1991 - 2 OVG A 37/86 -).
Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist begründet. Den Gründen für die Abweisung der Klage durch das Verwaltungsgericht ist nicht zu folgen.
Unter Bezugnahme auf die Gründe seines Beschlusses vom 4. Januar 1989 - 4 VG D 113/88 - meint das Verwaltungsgericht, der Dienstherr sei, wenn - wie insbesondere bei Lehrerinnen mit Teilzeitarbeit - nicht die gesamte Arbeitszeit festgelegt sei, nur zu einer schonenden Gestaltung des grundsätzlich zu leistenden Dienstes verpflichtet, und es mache dabei keinen Unterschied, ob der Stundenplan von vornherein so gestaltet werde, daß die Stillzeiten außerhalb der Unterrichtsstunden lägen, oder ob wegen teilweiser zeitlicher Kollision Unterrichtsstunden verlegt werden müßten. Diese einengende Betrachtung steht nicht in Einklang mit dem durch § 7 MuSchV konkret geregelten Inhalt des Freistellungsanspruchs. Besteht eine an feste Zeiten gebundene, sei es auch reduzierte Dienstleistungspflicht, so ist bei damit kollidierenden Stillzeiten der Freistellungsanspruch auf Verlangen ohne Ausgleich durch Nacharbeit zu erfüllen, gleichgültig wie lang die Wochenarbeitszeit auch ist. § 7 Abs. 1 Satz 1 MuSchV gewährt pauschalierend für zusammenhängende Arbeitszeiten von unter acht Stunden (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 MuSchV) zwei Stillzeiten von je 1/2 Stunde, ersatzweise eine Stillzeit von einer Stunde. Damit wird anerkannt, daß es typischerweise zwischen zwei Stillzeiten Intervallzeiten von vier Stunden und weniger gibt. Stillzeiten können deshalb durchaus auch mit den Dienstpflichten von teilzeitleistenden Lehrerinnen kollidieren, die nur an Vormittagen unterrichten. Das gilt insbesondere bei schwerpunktmäßiger Konzentration des Unterrichts auf einige Wochentage (hier: Montag und Freitag).
Eine solche zeitliche Kollision hat nach dem für die Klägerin bis Ende August 1988 maßgebenden Stundenplan bestanden. Das hat der Beklagte im Anschluß an die einstweilige Anordnung des Verwaltungsgerichts vom 26. August 1988 anerkannt und die Klägerin deshalb montags und freitags jeweils für die 5. Stunde vom Unterricht freigestellt. Die nachträgliche Dienstzeitregelung, wonach die Klägerin statt dessen montags und freitags in der 6. Stunde Unterricht erteilen sollte, hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg mit Beschluß vom 24. Februar 1989 - 2 M 5/89 - als Umgehung der Schutzvorschrift des § 7 Abs. 2 MuSchV und damit als Verstoß gegen die Fürsorgepflicht des Dienstherrn (§ 87 Abs. 1 NBG) gewertet. Die nachträgliche Dienstzeitregelung sei nicht geeignet gewesen, den bereits entstandenen Anspruch auf Dienstbefreiung ohne Vor- oder Nacharbeit wieder entfallen zu lassen. Der Rechtsauffassung dieses den Beteiligten bekannten Beschlusses, auf den verwiesen wird, ist zu folgen. Unter Abwägung der unterschiedlichen Meinungen zur Dienstzeitgestaltung bei stillenden Beamtinnen ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, daß die in dem erwähnten Beschluß vom 24. Februar 1989 vorgenommene Differenzierung zwischen der ursprünglichen und der nachträglichen, auf den Freistellungsanspruch reagierenden Dienstzeitregelung zu einer sachgerechten Lösung des vorliegenden Einzelfalls führt. Eine Meinungsverschiedenheit besteht im wesentlichen darüber, welche Folgerungen daraus zu ziehen sind, daß § 7 Abs. 1 MuSchV nur in den Fällen eines "unvermeidlichen" zeitlichen Zusammentreffens des Stillens mit der "zeitlich festgelegten" Dienstleistungspflicht einen Freistellungsanspruch gewährt (BVerwG, Urt. v. 30.6.1988 - 2 C 60.86 -, DVBl S. 1064). Diese Interpretation der Norm kann nicht dahin verstanden werden, daß die Behörde auch nach Feststellung und Konkretisierung eines Freistellungsanspruchs generell ermächtigt ist, zur "Vermeidung" des Zusammentreffens die Dienstleistungspflicht zeitlich neu festzulegen, so daß der Anspruch durch eine anderweitige Dienstleistungspflicht wieder zugunsten des Dienstherrn ausgeglichen wird. Genau dieses ist es nämlich, was die Verordnung als "Vor- oder Nacharbeiten" bezeichnet (§ 7 Abs. 2 MuSchV), nämlich die bei oder nach dem "Freigeben" (§ 7 Abs. 1 Satz 1 MuSchV) vorgenommene anderweitige Gestaltung der Arbeitszeit so, daß die Beamtin doch eine Arbeitsleistung für die Dauer der freigegebenen Stillzeit erbringt. Das Verbot des Vor- oder Nacharbeitens liefe leer, wenn bei jeder - von der Behörde freiwillig zugestandenen oder von der Beamtin erstrittenen - Freistellung für einen Teil der bisherigen Arbeitsstunden sogleich eine entsprechend lange Zeit an die sonstige Arbeitszeit angehängt oder ihr vorangestellt werden dürfte.
Nicht zu verkennen ist allerdings, daß sich eine entsprechende Auswirkung für die stillende Beamtin ergibt, wenn die individuelle Arbeitszeitregelung für sie von vornherein die von ihr mitgeteilten Stillzeiten dergestalt berücksichtigt, daß diese in die Freizeit oder die von ihr selbst gestaltete häusliche Arbeitszeit fallen. Derartige Dienstzeitregelungen hält das BVerwG (a.a.O.) für zulässig, sieht den Dienstherrn also generell als ermächtigt an, seine Gestaltungsbefugnis zum Zwecke einer Vermeidung der Kollision von Stillzeiten und Unterrichtsstunden und damit eines Anspruchs aus § 7 Abs. 1 MuSchV auszunutzen. Die individuelle Gestaltung unter Vermeidung von Freistellungsansprüchen ist demnach also nicht einer verbotenen Anordnung von Vor- oder Nacharbeit gleichzusetzen. Diese Auffassung widerspricht der dargestellten Bedeutung des Verbots des Vor- und Nacharbeitens nicht, wenn folgendes berücksichtigt wird:
a)
Es gehört zu den Befugnissen und Obliegenheiten des Dienstherrn, bei der Dienstplanung vorausschauend durch Rücksichtnahme auf die Lebensumstände des einzelnen Beamten eine optimale Inanspruchnahme der Arbeitskraft zu erreichen (z.B. bei der Festsetzung von Gleitzeiten zur Anpassung an die Stoßzeiten des öffentlichen Nahverkehrs mit ihren nachteiligen Folgen bei festem Arbeitszeitbeginn). Die Einbeziehung individueller Bedürfnisse in die vorherige Planung des Dienstablaufs ist aber etwas anderes als die nachträgliche Umgehung eines entstandenen Freistellungsanspruches durch eine auf den Anspruchsteller beschränkte Reaktion.
b)
Die Gestaltungsfreiheit des Dienstherrn ist nicht uneingeschränkt: Es wäre rechtsmißbräuchlich und daher unzulässig, entgegen den sonst in dem Dienstzweig üblichen Arbeitszeitvariationen einer stillenden Beamtin einen Dienst zu ungünstigen Zeiten aufzuerlegen, etwa Nachmittagsunterricht, wenn dieser sonst an der betreffenden Schule gegen den Willen der Lehrkräfte nicht angeordnet wird. Der beabsichtigte Zweck, nur die der Klägerin gewährte Freistellung im Ergebnis rückgängig zu machen, war im vorliegenden Fall unverkennbar. Dies wurde besonders deutlich, weil die Klägerin, der der Freistellungsanspruch für eine Randstunde zugesprochen worden war, durch die Neuregelung verpflichtet wurde, an beiden Tagen jeweils ein zweites Mal nach einem beruflich voll ausgefüllten Vormittag und der Stillzeit die Wegstrecke zur Schule zurückzulegen.
Auch das von dem Beklagten verfolgte dienstliche Interesse, Stundenausfall für die Schüler oder Vertretungsunterricht für Kollegen der Klägerin zu vermeiden, hat nicht das Gewicht, daß dadurch der ersichtliche Zweck der Anordnung, die Freistellung zu kompensieren, beiseite geräumt werden könnte. Arbeitszeitausfälle sind die zwangsläufige, von § 7 Abs. 1, 2 MuSchV in Kauf genommene Folge der Freistellung. Es ist Aufgabe des Beklagten, einen durch gesetzliche Vorschriften bedingten Unterrichtsausfall bei der Ermittlung der Differenz zwischen Lehrersollstunden und tatsächlich verfügbarer Stundenzahl zu berücksichtigen und erforderlichenfalls die Schulbehörden um Ersatzlehrkräfte zu bitten. Unberührt bleibt allerdings die bereits in dem Beschluß vom 24. Februar 1989 anerkannte Befugnis, bei einer allgemeinen Umgestaltung des Unterrichtseinsatzes auch die Belange einer Lehrerin, der ein Anspruch auf Stillzeiten zugestanden worden ist, so einzubeziehen, daß ihre Dienstzeiten künftig ohne schwerwiegenden Nachteil für ihre eigene Zeitplanung außerhalb der Stillzeiten festgelegt werden.
Die sofortige Umgestaltung des Stundenplans der Klägerin mit dem Tage des Wirksamwerdens der Freistellung kann im übrigen nicht mit der Begründung der einstweiligen Anordnung des Verwaltungsgerichts vom 26. August 1988 gerechtfertigt werden. Dabei handelte es sich nicht um einen Vorbehalt oder eine sonstige Nebenbestimmung der einstweiligen Anordnung, sondern um ein unverbindliches Begründungselement, und zwar im Rahmen einer Interessenabwägung, nachdem das Verwaltungsgericht das Bestehen eines Anspruchs als offen behandelt hatte. Wäre dagegen das Verwaltungsgericht von einem grundsätzlich bestehenden Anspruch auf Freistellung ausgegangen, so hätte es eine Befugnis zu sofortiger Kompensation der Freistellung durch individuelle Stundenplanänderung wegen des Verbots des § 7 Abs. 2 MuSchV nicht in Betracht ziehen können.
Die vom Verwaltungsgericht außerdem in dem angefochtenen Urteil angestellten Erwägungen zum Freistellungsanspruch bei älteren Kindern führen nicht weiter. Wie wiederholt entschieden worden ist, wird der Anspruch auf Freistellung nicht durch ein bestimmtes Lebensalter des Kindes begrenzt (OVG Lüneburg, Beschl. v. 9.5.1988 - 2 OVG B 336/88 - und v. 27.10.1989 - 2 M 27/89 - m.w.Nachw.). Allerdings verstärkt sich nach dieser Rechtsprechung mit zunehmendem Lebensalter des Kindes die Verpflichtung der Mutter zur Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse des Dienstes, also die Arbeitszeitgestaltung in der Dienststelle und die Belastung der Kollegen. Dies bedeutet aber nicht, daß die betroffene Beamtin gehalten wäre, nach Anerkennung eines begrenzten Freistellungsanspruchs zum Stillen ihres über ein Jahr alten Kindes eine die Freistellung kompensierende individuelle Umgestaltung ihres Dienstplans hinzunehmen.
Dem kann auch nicht die Erwägung entgegengehalten werden, daß der Anspruch auf Dienstbefreiung nach § 7 MuSchV "nicht jeder künftigen, auch durch dienstliche Gründe gerechtfertigten Änderung der zugrundeliegenden Dienstzeitregelung entgegensteht" (Beschl. v. 24.2.1989 - 2 M 5/89 -). Denn entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts begründet nicht schon das allgemeine Interesse des Beklagten, Stundenausfälle zu vermeiden, einen in diesem Zusammenhang ausreichenden dienstlichen Grund. Die Regel des § 7 MuSchV gibt gerade dem Freistellungsanspruch den Vorrang gegenüber dem Bestreben des Dienstherrn, Dienstausfälle möglichst nicht eintreten zu lassen. Ein hinreichender dienstlicher Grund wäre vielleicht anzuerkennen gewesen, wenn eine bestimmte Lehreinheit, z.B. ein Förderkurs an der Orientierungsstufe, aus pädagogischen Gründen den Einsatz der Klägerin erfordert hätte und deshalb dieser Kurs aus der Stillzeit etwa in die 4. Stunde eines Tages verlegt worden wäre, an dem die Klägerin nach dem Stundenplan sonst schon nach der 3. Stunde dienstfrei gehabt hätte.
Der Vergleich dieses Beispiels mit dem hier zu beurteilenden Sachverhalt zeigt, daß die Entscheidung jeweils von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängt. In aller Regel wird es bei teilzeitbeschäftigten Lehrerinnen möglich sein, den Stundenplan von vornherein an die meist feststehenden Stillzeiten anzupassen, ohne daß sich eine ihrer Unterrichtsstunden als unzulässige Vor- oder Nacharbeit darstellt. Nur wenn der Anspruch zunächst nicht anerkannt und erst auf einen Rechtsbehelf hin gewährt wird oder wenn die Stillzeiten, etwa aus gesundheitlichen Rücksichten, nachträglich geändert werden müssen, muß eine Kollision mit dem Stundenplan durch Freistellung behoben werden, die dann durch das Verbot des § 7 Abs. 2 MuSchV davor geschützt ist, durch individuelle Stundenplanänderungen sofort unterlaufen zu werden.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1, die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO, § 193 NBG) liegen nicht vor.
Sommer
Dehnbostel