Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.06.1991, Az.: 4 A 25/86

Pflegesatzvereinbarung; Kostenübernahme; Grundsätze der Wirtschaftlichkeit; Gewerblicher Heimträger; Kalkulatorischer Gewinn; Wirtschaftliche Gestaltungsfreiheit; Personalkosten; Bundesangestelltentarif

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
12.06.1991
Aktenzeichen
4 A 25/86
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1991, 13106
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1991:0612.4A25.86.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover 10.12.1985 - 3 A 264/84
nachfolgend
BVerwG - 20.10.1994 - AZ: BVerwG 5 C 28/91

Fundstellen

  • NDV 1991, 359
  • RsDE Nr 16, 69

Amtlicher Leitsatz

1. Fehlt eine Pflegesatzvereinbarung, so muß die Kostenübernahme, auch wenn die Voraussetzungen des § 93 Abs 2 S 1 Halbs 2 BSHG vorliegen, nach § 93 Abs 2 S 2 BSHG den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit Rechnung tragen.

2. Bei einem gewerblichen Heimträger lassen die Grundsätze des § 93 Abs 2 S 2 BSHG den Ansatz eines kalkulatorischen Gewinns (mit Ausnahme von Zinsen in bestimmter Höhe auf das Eigenkapital) nicht zu.

3. Dem gewerblichen Heimträger ist bei der Anwendung dieser Grundsätze eine gewisse wirtschaftliche Gestaltungsfreiheit zu lassen.

4. Der gewerbliche Heimträger ist nach dem Bundessozialhilfegesetz nicht verpflichtet, sich bei der Vereinbarung des Entgelts für das Personal der Einrichtung jeweils an die Vorschriften des Bundesangestelltentarifs zu halten. Die Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit sind jedenfalls dann gewahrt, wenn die Personalkosten insgesamt bzw die Personalkosten bestimmter Bereiche der Einrichtung (für sich betrachtet) nicht höher sind, als sie bei der Anwendung des Bundesangestelltentarifs wären; etwas anderes gilt allerdings dann, wenn die Vergütung für einzelne Mitarbeiter unvertretbar hoch erscheint.

Tenor:

Soweit das Verwaltungsgericht den Beklagten verpflichtet hat, der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 1981 bis zum 31. Dezember 1983 Sozialhilfe zu gewähren, werden die Berufungen zurückgewiesen.

Im übrigen wird auf die Berufungen der Klägerin und des Beklagten das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 3. Kammer - vom 10. Dezember 1985 - unter Zurückweisung der Berufungen im übrigen - teilweise geändert.

Für die Zeit vom 1. Januar 1984 bis zum 30. April 1985 wird der Beklagte verpflichtet, der Klägerin weitere Sozialhilfe unter Berücksichtigung der vom Senat bestimmten tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu gewähren.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die außergerichtlichen Kosten - mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen - tragen der Beklagte zu neun Zehnteln und die Klägerin zu einem Zehntel.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 12.000,-- DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

1

Die Klägerin lebt seit 1977 in einem psychiatrischen Pflegeheim in Winzenburg. Für diesen Aufenthalt hat der Beklagte Hilfe zur Pflege nach dem Bundessozialhilfegesetz bewilligt (einen Teil der Kosten trägt die Klägerin aus ihrem Renteneinkommen).

2

Mit Wirkung ab 1. Januar 1981 wechselte der Heimträger: Dr. med. Ernst-August Wilkening, der den Betrieb bis dahin als Einzelunternehmer geführt hatte, verpachtete inn an die beigeladene Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Gesellschafter er und sein Sohn Dr. med. Matthias Wilkening waren. Nach dem Pacht- und Betriebsüberlassungsvertrag ist die Beigeladene verpflichtet, alle mit dem Pachtvermögen verbundenen Betriebs- und Instandsetzungskosten, Abgaben sowie Ersatzbeschaffungen für geringwertige Wirtschaftsgüter selbst zu tragen; das jährliche Nutzungsentgelt ist mit 7 v.H. des unbeweglichen Anlagevermögens und 12 v.H. des beweglichen Anlagevermögens (nach dem vermögensteuerlichen Wert) vereinbart.

3

Für die Zeit seit dem 1. Januar 1981 streiten die Beigeladene und der Beklagte über die Höhe der Pflegesätze.

4

In dem zwischen der Klägerin und der Beigeladenen am 1. Januar 1981 abgeschlossenen Heimvertrag hieß es u. a.:

5

"Der tägliche Pflegesatz ... wird bei Bedarf jährlich nach der betriebswirtschaftlichen Abrechnung neu festgesetzt."

6

Im September 1983 wandte sich die Klägerin an den Beklagten mit der Bitte, inzwischen entstandene Zahlungsrückstände zu begleichen, weil ihr die Beigeladene wegen dieser Rückstände gedroht habe, den Heimvertrag zu kündigen. Diesen Antrag beschied der Beklagte nicht.

7

Daraufhin betrieb die Klägerin zunächst ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, in dem sie teilweise obsiegte (Beschwerdebeschluß des Senats v. 10. Okt. 1984 in FEVS 34, 64 = ZfSH/SGB 1985, 131 = NDV 1986, 138).

8

Im Juli 1984 hat die Klägerin vor dem Verwaltungsgericht Verpflichtungsklage erhoben. Im Laufe des Verfahrens (Schriftsätze vom 9. Mai 1985 und 20. Juni 1985) hat sie die Klage dahin erweitert, daß sie nunmehr die Übernahme der vom 1. Januar 1981 bis zum 30. April 1985 aufgelaufenen Rückstände in Höhe von 50.612,30 DM begehrt hat.

9

Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 10. Dezember 1985 teilweise stattgegeben und den Beklagten verpflichtet, der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 1981 bis zum 30. April 1985 weitere Sozialhilfe in Höhe von 47.559,05 DM zu gewähren. Es hat ausgeführt: Für die Zeit vor dem 1. Januar 1984 sei § 3 Abs. 2 BSHG a.F. zu entnehmen, daß der Beklagte die Heimpflegekosten tragen müsse, soweit diese - rechtzeitig - zwischen der Klägerin und der Beigeladenen vereinbart worden seien. Die Unterbringung der Klägerin habe nicht unvertretbare Mehrkosten erfordert, denn keine andere vergleichbare Einrichtung habe einen niedrigeren Pflegesatz verlangt. Allerdings sei es gemäß § 315 BGB unzulässig, eine Erhöhung des Entgelts rückwirkend zu vereinbaren, wie es hier geschehen sei. Deshalb müsse es für die Zeit vor dem 1. Oktober 1983 bei der zwischen der Klägerin und der Beigeladenen ursprünglich vereinbarten Höhe des Entgelts bleiben. Auch für die Zeit nach dem 1. Januar 1984 müsse der Beklagte die vereinbarten Kosten in vollem Umfang tragen. Die ab dem 1. Januar 1984 geltenden Änderungen der §§ 3 und 93 BSHG (Haushaltsbegleitgesetz 1984 vom 22. Dezember 1983, BGBl I S. 1532) seien entgegen der Rechtsprechung des Senates (Beschl. v. 10. Okt. 1984 aaO) nicht so zu verstehen, daß bei dem Begehren eines Hilfesuchenden zu prüfen sei, ob das von einem Heimträger verlangte Entgelt den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit entspreche. Maßgebend sei vielmehr nur, ob die Hilfe im Sinne von § 3 Abs. 2 BSHG n.F. nicht unverhältnismäßige Mehrkosten verursache.

10

Mit ihren Berufungen wenden sich die Klägerin und der Beklagte gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes.

11

Die Klägerin macht geltend: Das Verwaltungsgericht habe ihrem Begehren für die Zeit bis zum 30. September 1983 zu Unrecht nicht in vollem Umfang entsprochen. Das Verwaltungsgericht hätte bei der Anwendung des § 315 BGB bedenken müssen, daß es der Beigeladenen wegen des Verhaltens des Beklagten nicht gelungen sei, die Pflegesätze rechtzeitig anzupassen. Es müsse bedacht werden, daß ein Träger der Sozialhilfe in Fällen dieser Art auf die Gestaltung des Heimvertrages einwirke.

12

Der Beklagte vertritt die Auffassung: Auch für die Zeit vor dem 1. Januar 1984 müsse er nicht die Hilfe in dem von dem Verwaltungsgericht zugesprochenen Umfang gewähren, weil die Beigeladene einen zu hohen Pflegesatz berechne. Für die Zeit nach dem 1. Januar 1984 schließe er sich der Auffassung des Senates, die dieser in dem Beschluß vom 10. Oktober 1984 geäußert habe, an. Danach sei allenfalls der in diesem Beschluß des Senates ermittelte Pflegesatz zugrunde zu legen.

13

Die Klägerin erwidert: Entgegen der Rechtsprechung des Senates meine sie, daß auch für die Zeit nach dem 1. Januar 1984 nur ein "externer" Vergleich zwischen den Entgelten verschiedener Einrichtungen zulässig sei; im Vergleich zu anderen Einrichtungen verlange die Beigeladene nur ein niedriges Entgelt. Wollte man dem nicht folgen, so müßten alle von der Beigeladenen bei der Berechnung des Pflegesatzes angesetzten Aufwendungen berücksichtigt werden, insbesondere auch ein kalkulatorischer Gewinn. Jedenfalls aber sei das eingesetzte Eigenkapital zu verzinsen. Die Aufwendungen für die Pacht müßten in voller Höhe in die Pflegesatzberechnung eingehen.

14

Die Beigeladene schließt sich den Ausführungen der Klägerin an.

15

Die Klägerin beantragt,

16

unter Änderung des angefochtenen Urteils der Klage in vollem Umfang stattzugeben.

17

Der Beklagte beantragt,

18

unter Änderung des angefochtenen Urteils die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

19

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

20

Der Senat hat zu der Frage Beweis erhoben, ob der zwischen Herrn Dr. med. Ernst-August Wilkening und der Beigeladenen vereinbarte Pachtzins marktgerecht sei. Der Sachverständige Dipl.-Ing. Aribert Malott hat ein Gutachten zu dieser Frage erstattet.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Akten des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

22

Die Berufungen haben in dem in der Urteilsformel bezeichneten Umfang Erfolg. Im übrigen sind sie nicht begründet.

23

Für die Zeit vor dem 1. Januar 1984 macht sich der Senat die Erwägungen des Verwaltungsgerichtes zu eigen (§ 130 b VwGO). Im Hinblick auf die Berufung der Klägerin ist zu bemerken:

24

Mit ihren Überlegungen betont die Klägerin nach Auffassung des Senates zu sehr die öffentlich-rechtlichen Einwirkungen auf die Gestaltung eines Heimvertrages; nach Ansicht des Senates hat das Verwaltungsgericht zu Recht die zivilrechtliche Komponente dieses Vertrages betont und deshalb zutreffend herausgearbeitet, daß gemäß § 315 BGB die nachträgliche Erhöhung des Entgeltes unangemessen ist.

25

Für die Zeit nach dem 1. Januar 1984 gelten die folgenden Erwägungen (der Senat hat gemäß § 113 Abs. 2 Satz 2 VwGO davon abgesehen, den festzusetzenden Betrag selbst zu ermitteln):

26

Auch für diesen Zeitraum ist die Klage gemäß § 75 VwGO zulässig. Insoweit handelt es sich nicht um eine "Untätigkeitsklage auf Vorrat" (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 13. Juni 1983 in BVerwGE 66, 342 = FEVS 32, 405). Der Senat meint, daß es nach der besonderen Interessenlage der Beteiligten darauf ankommt, daß der Beklagte sich ohne Rüge zur Sache eingelassen hat und mithin seine schriftlichen Einlassungen als Widerspruchsbescheid zu verstehen sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 15. 01. 1982, BVerwGE 64, 325 m.w.N.). Allerdings sind an diesem "Widerspruchsbescheid" nicht sozialerfahrene Personen im Sinne des § 114 Abs. 2 BSHG beteiligt worden. Das ändert aber nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (Urt. v. 6. Febr. 1986, FEVS 35, 309) nichts daran, daß der Bescheid, wenn auch möglicherweise rechtswidrig, gleichwohl aber existent und damit zu beachten ist, so daß es nicht an dem erforderlichen Vorverfahren fehlt.

27

Der Senat hält zur Auslegung des § 93 Abs. 2 BSHG in der Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 an seinen in dem Beschluß vom 10. Oktober 1984 (aaO) niedergelegten Überlegungen fest, die folgenden Wortlaut haben:

28

"§ 3 Abs. 2 BSHG hat durch Art. 26 des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 (BGBl I 1983 S. 1532) eine neue Fassung erhalten, die am 1. Januar 1984 in Kraft getreten ist. § 3 Abs. 2 BSHG in der neuen Fassung (§ 3 Abs. 2 BSHG n.F.) lautet folgendermaßen:

29

Wünschen des Hilfeempfängers, die sich auf die Gestaltung der Hilfe richten, soll entsprochen werden, soweit sie angemessen sind. ... Der Träger der Sozialhilfe braucht Wünschen nicht zu entsprechen, deren Erfüllung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden wäre.

30

Durch denselben Artikel des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 ist § 93 Abs. 2 BSHG neu gefaßt worden. Die neue Fassung (§ 93 Abs. 2 BSHG n.F.) lautet folgendermaßen:

31

"Der Träger der Sozialhilfe ist zur Übernahme der Kosten der Hilfe in einer Einrichtung eines anderen Trägers nur verpflichtet, wenn mit dem Träger der Einrichtung oder seinem Verband eine Vereinbarung über die Höhe der zu übernehmenden Kosten besteht; in anderen Fällen soll er die Kosten übernehmen, wenn dies nach der Besonderheit des Einzelfalles geboten ist, um angemessenen Wünschen des Hilfeempfängers (§ 3 Abs. 2 und 3) zu entsprechen. Die Vereinbarungen und die Kostenübernahme müssen den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit Rechnung tragen .... § 95 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch und landesrechtliche Vorschriften über die zu übernehmenden Kosten bleiben unberührt."

32

Infolge dieser Gesetzesänderungen bestehen nunmehr für die Erfüllung von angemessenen Wünschen eines Hilfeempfängers auf Übernahme der Kosten für den Aufenthalt in einem Heim zwei Schranken: Ist die Erfüllung des Wunsches mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden, braucht der Träger der Sozialhilfe dem Wunsch nicht zu entsprechen (er kann ihm allerdings entsprechen). Aber auch dann, wenn die Erfüllung des Wunsches keine unverhältnismäßigen Mehrkosten mit sich bringen würde, muß die damit verbundene Kostenübernahme "den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit Rechnung tragen" (§ 93 Abs. 2 Satz 2 BSHG n.F.). Diese zweite Schranke scheint von der juristischen Öffentlichkeit bisher kaum bemerkt worden zu sein; sie ist offensichtlich auch vom Verwaltungsgericht übersehen worden. Nach dem Wortlaut der neuen Fassung des § 93 Abs. 2 BSHG könnte man zwar daran denken, daß Satz 2 nur für die Fälle einer Vereinbarung im Sinne des Satzes 1 dieser Vorschrift Bedeutung haben soll. Er wäre dann dahin zu verstehen, daß es auch, wenn eine Vereinbarung schon vorliegt, im Einzelfall noch erforderlich sei zu prüfen, ob die Kostenübernahme den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit Rechnung trägt. Daß eine solche Auslegung des § 93 Abs. 2 Satz 2 BSHG n.F. nicht dem Willen des Gesetzgebers entspricht, ergibt sich aber aus seiner Entstehungsgeschichte. Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf des Haushaltsbegleitgesetzes vorgeschlagen, dem § 93 Abs. 2 folgende Fassung zu geben (vgl. BT-Drucks. 10/335 S. 102):

33

Der Träger der Sozialhilfe ist zur Übernahme der Kosten der Hilfe in einer Einrichtung eines anderen Trägers nur verpflichtet, wenn mit dem Träger der Einrichtung oder seinem Spitzenverband eine Vereinbarung über die Höhe der zu übernehmenden Kosten besteht. Die Vereinbarungen sollen vorrangig mit den in § 10 genannten Trägern geschlossen werden. Die Vereinbarung muß den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leitungsfähigkeit Rechnung tragen. ...

34

Die dann Gesetz gewordene Fassung, die auf einen Änderungsvorschlag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zurückgeht (vgl. Anl. 5 zum Kurzprotokoll der 9. Sitzung des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit am 9. November 1983 sowie Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses, BT-Drucks. 10/690 S. 86), hat den Satz 1 um dessen Halbsatz 2 erweitert und gleichzeitig den Satz über die Berücksichtigung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit durch die Worte "und die Kostenübernahme" ergänzt. Die Erweiterung um den Satz 1 Halbsatz 2 und die Einfügung der Worte "und die Kostenübernahme" stehen also offenbar in einem auch sachlichen Zusammenhang, d.h. diese Worte sollen sich auf den Tatbestand des Satzes 1 Halbsatz 2 beziehen.

35

Die in § 93 Abs. 2 Satz 2 BSHG n.F. genannten Grundsätze sollen nach dem Willen des Gesetzgebers offenbar gleichgewichtig sein. Die Einrichtung muß also so hohe finanzielle Mittel erhalten, daß sie leistungsfähig ist. Sie soll das leisten können, was sie sich als Aufgabe gesetzt hat. ...

36

Der Senat verkennt nicht, daß diese Auslegung des § 93 Abs. 2 Satz 2 BSHG n.F., soweit er sich auf Satz 1 Halbs. 2 bezieht, wegen des zwingenden Charakters der Vorschrift in der Praxis zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand und vielfach zu erheblichen Beweisschwierigkeiten führen wird, die der Gesetzgeber wohl kaum bedacht hat. Diese Schwierigkeiten werden insbesondere daraus resultieren, daß die Einrichtung am Streit zwischen dem Hilfeempfänger und dem Sozialhilfeträger um die Kostenübernahme nicht beteiligt ist. Unter Umständen könnte es erforderlich werden, wegen eines einzigen Hilfeempfängers die gesamte Einrichtung auf die Einhaltung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit hin zu überprüfen. Diese Auswirkungen können jedoch nicht zu einer anderen Gesetzesauslegung führen. Vielmehr wird ihnen mit der Anwendung von Erfahrungssätzen und einer interessengerechten Beweislastverteilung begegnet werden müssen. Darauf braucht der Senat jedoch nicht näher einzugehen, da derartige praktische Schwierigkeiten hier nicht bestehen."

37

Damit hält der Senat daran fest, daß es nicht auf den sogenannten "externen" Vergleich (also den Vergleich mit den Pflegesätzen anderer Einrichtungen) ankommt, sondern daß eine "interne" Betrachtung maßgebend ist, es also darauf ankommt, ob die Kalkulation der Pflegesätze den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entspricht.

38

Die Überlegungen der Klägerin und der Beigeladenen, mit denen beide die Auffassung des Senates in dem Beschluß vom 10. Oktober 1984 (aaO) angreifen, überzeugen den Senat nicht. Schon der Wortlaut der Vorschrift, an dem nach allgemeiner Auffassung jede Auslegung ihre Grenze finden muß, erzwingt das vom Senat gefundene Ergebnis, weil die Vereinbarung und die Kostenübernahme den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit Rechnung tragen müssen. Es ist ausgeschlossen, diese Wendung anders zu verstehen, als sie der Senat gedeutet hat. Zu den mit dieser Auslegung und mit dieser Vorschrift verbundenen Schwierigkeiten hat sich der Senat bereits geäußert. Praktische Schwierigkeiten bei der Anwendung einer gesetzlichen Vorschrift dürfen nicht dazu führen, sie nicht anzuwenden. Im übrigen läßt sich sagen, daß die gerichtliche Kontrolle nicht mehr zu den von der Klägerin und der Beigeladenen beschriebenen Schwierigkeiten führen wird, sobald die Grundsätze über die Gestaltung von Pflegesätzen in der obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelt worden sind.

39

Nach welchen Maßstäben die Gerichte zu kontrollieren haben, ist in § 93 Abs. 2 Satz 2 BSHG nicht im einzelnen festgelegt. Die dort genannten Maßstäbe sind lediglich tautologische Verstärkungen des Gemeinten, nämlich Einrichtungen zu haben, die ihre Aufgaben zu einem möglichst niedrigen Pflegesatz erfüllen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22. Mai 1980 in BVerwGE 60, 154; Urt. v. 26. März 1981 in BVerwGE 62, 86). Die Einrichtung muß leistungsfähig sein, wenn sie ihre Aufgabe erfüllen soll. Leistungsfähigkeit ist nur gewährleistet, wenn die Einrichtung wirtschaftlich gesichert ist. Sie muß deshalb die Räume, Einrichtungen und Materialien sowie das Personal finanzieren können, das sie benötigt, um die Leistungen erbringen zu können. Es gibt keine abstrakt zu beurteilende Leistungsfähigkeit. Sie ist stets nur durch die Verhältnisse im Einzelfall zu bestimmen. Gleichberechtigt daneben steht das Ziel, die Kosten niedrig zu halten (ebenso wie im Bereich des Krankenhausfinanzierungsrechts, vgl. Brandecker/Dietz/Bofinger, Krankenhausfinanzierungsgesetz, Bundespflegesatzverordnung, Folgerecht, Stand: Februar 1991, Anm. 7 zu § 1 KHG); die Kosten, die sich aus den Pflegesätzen ergeben, sollen sozial tragbar sein.

40

Auf dieser Grundlage ist dem Träger einer Einrichtung ein Spielraum zu lassen. Dieser Spielraum ist nicht zu verwechseln mit einer Beurteilungsermächtigung, einer Einschätzungsprärogative oder ähnlichem. Es geht nicht um eine Entscheidung eines Trägers der öffentlichen Verwaltung, sondern um die des Trägers einer - privaten - Einrichtung. Der Senat versteht die Begriffe der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit - ähnlich werden diese Begriffe im Krankenhausfinanzierungsrecht verwandt - so, daß dem Träger der Einrichtung eine gewisse wirtschaftliche Gestaltungsfreiheit erhalten bleiben soll. Das gilt, soweit und solange dadurch die eben bezeichneten Ziele nicht gefährdet werden.

41

§ 93 BSHG ist ebenso wie das Krankenhausfinanzierungsrecht darauf angelegt, daß die Kosten vorauskalkuliert werden (sogenannte Budgetierung). Das bedeutet, daß die in den Pflegesatz eingehenden Kosten der Einrichtung jeweils für den zu betrachtenden Zeitraum - ein Kalenderjahr - vorher festzusetzen sind. Es wird also ein Budget auf der Grundlage der vorauskalkulierten Selbstkosten festgesetzt oder vereinbart (vgl. dazu auch § 4 Abs. 1 Satz 1 Bundespflegesatzverordnung vom 21. August 1985 - BPflV -). Die Budgetierung ohne Gewinn- und Verlustausgleich entspricht auch den Zielen des § 93 BSHG am besten. Die Budgetierung regt die Einrichtung dazu an, Verluste zu vermeiden und durch Sparsamkeit Gewinne zu erzielen, da sich wirtschaftliches Handeln im Betriebsergebnis niederschlägt (vgl. Brandecker/Dietz/Bofinger, aaO, Anm. I 1 zu § 4 BPflV). Im Gegensatz dazu steht die Pflegesatzbemessung mit Gewinn- und Verlustausgleich (vgl. § 17 Abs. 1 Bundespflegesatzverordnung 1974). Dieser basiert auf dem Betriebsergebnis des abgelaufenen Pflegesatzzeitraumes, also einer Nachkalkulation, und sieht einen Ausgleich vor, wenn die Einnahmen die Ausgaben oder umgekehrt die Ausgaben die Einnahmen überstiegen haben.

42

An dem Prinzip der Vorauskalkulation, das auch der Beklagte anwendet, ist aber nicht festzuhalten, wenn nachträglich geprüft wird und eine Vorauskalkulation fehlt. Das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 19. Dez. 1984, DVBl 1984, 525) meint allerdings zum Krankenhausfinanzierungsrecht, die Methode der vorkalkulatorischen Ermittlung der Kosten sei auch dann anzuwenden, wenn infolge der Dauer der Überprüfung im Zeitpunkt der Festsetzung der Pflegesätze schon die genauen Selbstkosten des laufenden Jahres bekannt seien. Ob diese Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes auch auf § 93 BSHG n.F. zu übertragen ist, kann offenbleiben. Dies setzte nämlich voraus, daß eine Vorauskalkulation vorhanden ist. Fehlt sie - wie hier -, kann es schon denkgesetzlich nicht zu einer Übernahme solcher Werte kommen. Sie könnten dann auch ihren Zweck nicht mehr erfüllen.

43

Entgegen der Auffassung der Klägerin und der Beigeladenen sind für die Kalkulation nicht die Bestimmungen des Preisrechtes maßgebend (vgl. dazu Trott zu Solz, Die Kostenübernahme und Pflegesatzvereinbarung in Heimen, S. 15 ff, und Verordnung Pr.Nr. 30/53über die Preise bei öffentlichen Aufträgen vom 21. November 1953, Bundesanzeiger Nr. 244, in Verbindung mit den Leitsätzen für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten, Anlage zur VO Pr.Nr. 30/53). Die Klägerin und die Beigeladene übersehen nämlich, daß die Verordnung nur Höchstpreise festlegt ("Höchstpreischarakter der Verordnung" - vgl. Ebisch/Gottschalk, Preise und Preisprüfungen, 5. Aufl., Rdnrn. 9 ff zu § 5 VO Pr.Nr. 30/53). Es ist also auch bei der Anwendung dieser Verordnung nicht vorgeschrieben, Selbstkostenpreise in einer Höhe zu ermitteln, die die in der Verordnung bezeichneten Möglichkeiten voll ausschöpfen.

44

Auf die Bemessung der Hilfe, die der Klägerin zusteht, wirken das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und die Verdingungsordnung für Leistungen - Allgemeine Bestimmung für die Vergabe von Leistungen - VOL Teil A - nicht ein. § 93 Abs. 2 BSHG n.F. enthält nach der Auffassung des Senates eine spezialgesetzliche Regelung, die die Bemessung der Leistungen abschließend festlegt. Dem läßt sich nicht mit Erfolg entgegenhalten (so aber: Trott zu Solz aaO), das Verhältnis zwischen dem Träger der Einrichtung und dem Träger der Sozialhilfe sei ein privatrechtliches Beschaffungsverhältnis im Sinne der Rechtsprechung des Gemeinsamen Senates der oberen Bundesgerichte (vgl. Beschl. v. 29. Okt. 1987 in NJW 1988, 2295). Die von dem Gemeinsamen Senat entwickelten Grundsätze zur Beurteilung von Beschaffungsgeschäften des Trägers der Sozialversicherung lassen sich nicht auf § 93 BSHG n.F. übertragen. Wie bereits erwähnt, hat der Senat in ständiger Rechtsprechung die Vereinbarungen über die Höhe des Pflegesatzes nicht als privatrechtliche, sondern als öffentlich-rechtliche Verträge verstanden (Beschl. v. 11. Juni 1985 in FEVS 34, 419). Davon abgesehen geht es hier nicht um derartige Vereinbarungen.

45

Der vom Senat für richtig gehaltenen Auslegung des § 93 BSHG n.F. stehen die Vorschriften des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Bundessozialhilfegesetz nicht entgegen. Allerdings sieht § 6 a Nds. AG BSHG in der hier anzuwendenden Fassung des Niedersächsischen Haushaltsanpassungsgesetzes vom 20. Dezember 1982 (Nds. GVBl S. 526) vor, daß der für die Sozialhilfe zuständige Minister ermächtigt wird, durch Verordnung zu bestimmen, in welchem Umfang Kosten für die Inanspruchnahme von gewerblichen, kommunalen und freigemeinnützigen Einrichtungen von den Trägern der Sozialhilfe als Pflegesätze zu erstatten sind. In § 6 a Abs. 2 aaO ist unter Nr. 4 festgehalten, eine Verzinsung des Eigenkapitals oder ein veranschlagter Gewinn werde nicht berücksichtigt. Wie aus dem Wortlaut dieser Vorschrift folgt und wie der Senat bereits entschieden hat (Beschl. v. 10. Okt. 1984, aaO), ermächtigt § 6 a Nds.AG BSHG in der Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 1982 den zuständigen Minister, eine Verordnung zu erlassen. Um diese Vorschrift anzuwenden, bedarf es also zunächst der Verordnung; sie fehlt bisher.

46

Für die Bemessung der der Klägerin zu gewährenden Hilfe (für das Jahr 1984 und die Zeit vom 1. Januar 1985 bis zum 30. April 1985) sind im einzelnen die folgenden rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse maßgebend. Zugrunde zu legen sind die Angaben in den von der Klägerin und der Beigeladenen eingereichten "Selbstkostenblättern" 1984 und 1985, soweit im folgenden nichts Abweichendes gesagt ist.

47

Zwischen den Beteiligten besteht Einigkeit, daß das Zahlenwerk rechtlich und sachlich zutreffend ist, soweit es die Pflegetage und Platzgeldtage (insoweit für das Jahr 1984 mit in der mündlichen Verhandlung erklärter Modifikation) sowie die Sachkosten (Lebensmittel, Beköstigung, Betreuung, Wasser, Energie, Brennstoffe, Wirtschaftsbedarf, Verwaltungsbedarf, Instandhaltung, Steuern, Abgaben, Versicherungen, Abschreibungen) betrifft. Der Senat ist daher nicht gehalten, hierzu weitere Ausführungen zu machen.

48

Bei den Personalkosten sind nach den dargestellten Grundsätzen die tatsächlich anfallenden Personalkosten zu berücksichtigen (mit der Maßgabe, daß nur der ausgezahlte Teil des Gehaltes des Geschäftsführers anzusetzen ist; daß die Beigeladene entsprechend ihrer Erklärung in der mündlichen Verhandlung verfahren ist, haben die übrigen Verfahrensbeteiligten nicht bestritten). Maßgebend für die Berücksichtigung der Personalkosten in vollem Umfang ist für den Senat der Umstand, daß nach der übereinstimmenden Bekundung der Beteiligten die Personalkosten in ihrer Gesamtheit nicht höher sind, als sie es wären, wenn die Bediensteten der Beigeladenen nach den Grundsätzen des Bundesangestelltentarifes bezahlt worden wären. Da nach dem Gesagten § 93 BSHG n.F. dem Träger der Einrichtung bei der Gestaltung der Einrichtung einen Spielraum läßt, ist er nicht gehalten, die in der Einrichtung Tätigen entsprechend den Vorschriften des Bundesangestelltentarifes auszusuchen und zu entlohnen. Die Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit sind gewahrt, wenn die Personalkosten insgesamt nicht höher sind als bei einer Vergütung nach dem Bundesangestelltentarif. Da dieses hier der Fall ist, ist der Senat nicht gehalten, zu entwickeln, wie zu entscheiden wäre, wenn die Gesamtpersonalkosten diesen Satz überschreiten würden.

49

Die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit erfordern es allerdings, daß bei der Bemessung der Pflegesätze geprüft wird, ob die verschiedenen Dienste (Verwaltung, Pflegedienst, hauswirtschaftlicher Dienst) jeweils für sich angemessen entlohnt sind und ob herausragende Vergütungen noch vertretbar erscheinen. Diese Frage bejaht der Senat in dem zu entscheidenden Fall, so daß er nicht einen allgemeinen Kontrollmaßstab aufstellen muß.

50

Problematisch kann hier nur sein, ob der Geschäftsführer und die "in der Verwaltung" tätigen Kräfte ein zu hohes Gehalt erhalten haben. Dies meint der Beklagte, der in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, die Aufwendungen für die Verwaltung lägen um 50 v.H. höher als die Aufwendungen in anderen - vergleichbaren - Einrichtungen. Nach der zwischen den Beteiligten nicht streitigen Tatsachenbasis aber kann dieses seine Ursache nur darin haben, daß der Geschäftsführer, der Verwaltungsleiter und die Heimleiter eine verhältnismäßig hohe Vergütung erhalten haben. In der "Verwaltung" der Einrichtung sind nämlich nur sechs Personen tätig gewesen. Das ist angesichts der Größe der Einrichtung (1984 und 1985: etwa 260 Plätze, etwa 120 Beschäftigte) nach Auffassung des Senates angemessen. Gegenteiliges behauptet auch der Beklagte nicht.

51

Auch die den eben genannten Bediensteten der Beigeladenen gezahlten Entgelte hält der Senat nach den von ihm bezeichneten Kontrollmaßstäben nicht für überhöht (so daß er nicht ausführen muß, welches eine mögliche Obergrenze für die Entlohnung eines bestimmten einzelnen Bediensteten einer Einrichtung ist).

52

Legt man nämlich die Vergütungsordnung (vgl. Clemens u. a., Kommentar zum Bundesangestelltentarifvertrag, hier: Vergütungsordnung BL, Stand: Januar 1990) zugrunde, so erfüllt der Geschäftsführer die Merkmale der Vergütungsgruppe I (Angestellte mit abgeschlossener wissenschaftlicher Hochschulbildung, deren Tätigkeit deutlich höher zu bewerten ist als eine Tätigkeit nach Vergütungsgruppe I a), und zwar angesichts der mit der Geschäftsführung verbundenen Aufgaben und Verantwortung. In dieser Vergütungsgruppe (Gültigkeitszeitraum: 1. Juli 1983 bis 29. Februar 1984) - 10. Stufe -, ergibt sich eine Grundvergütung von 5.613,28 DM. Der Ortszuschlag (§ 29 BAT) beträgt (Stufe 4 - bei zwei Kindern) 1.013,68 DM. Vergleicht man diesen Betrag (dem bei diesem Vergleich noch der Arbeitgeberanteil für die zusätzliche Altersversorgung hinzuzurechnen ist) mit dem Gehalt des Geschäftsführers der Beigeladenen (9.000,-- DM im Monat bei Zahlung eines 13. Monatsgehaltes), so erscheint diese Bezahlung nicht überhöht, zumal der Geschäftsführer seine Altersversorgung und seine Krankenversicherung vollständig auf eigene Kosten finanzieren muß. Bis auf letzteres gelten entsprechende Überlegungen für die dem Verwaltungsleiter und den Heimleitern gezahlten Entgelte.

53

Vorsorglich bemerkt der Senat, daß er nicht zu entscheiden hat, ob die Angemessenheit eines Geschäftsführergehaltes oder anderer Gehälter an den Regeln des Bundesangestelltentarifes zu messen ist. Der Senat greift auf diese Maßstäbe zurück, weil sich der Beklagte auf sie berufen hat. Selbst auf der Grundlage des vom Beklagten vom Ansatz her für richtig gehaltenen Vergleiches sind mithin die Aufwendungen für das Personal angemessen (der Senat teilt allerdings nicht die Auffassung des Beklagten, die Beigeladene benötige einen Geschäftsführer nicht, sondern könne sich mit einem Heimleiter begnügen).

54

Es ist dem Sozialhilferecht nicht fremd, daß demjenigen, der ein Unternehmen betreibt, ein Spielraum für die Gestaltung der wirtschaftlichen Verhältnisse eingeräumt wird. So hat der Senat (Urt. v. 24. Okt. 1990 - 4 OVG A 10/87 -) angenommen, bei der Ermittlung des Einkommens nach §§ 5, 6 der Verordnung zu § 76 BSHG (Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit) müsse bei der Ermittlung der geleisteten notwendigen Ausgaben (§ 4 Abs. 3 Satz 1 der VO) dem Unternehmer ein angemessener Raum für die Entscheidung gelassen werden, welche Ausgaben er für notwendig erachtet; entsprechendes gelte für die Entscheidung eines Unternehmers, in angemessenem Umfang Privatkapital dem Betrieb zuzuführen.

55

Die Aufwendungen für die Pacht sind in der gezahlten Höhe vollständig zu berücksichtigen. Der Beklagte vertritt nunmehr die - auch vom Senat für richtig gehaltene - Rechtsauffassung, Pachtzinsen dürften dann in vollem Umfang in die Pflegesatzberechnung eingehen, wenn sie marktgerecht seien. Die Marktüblichkeit der hier zu betrachtenden Pachtzinsen ist aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Malott zu bejahen. An der Richtigkeit des Gutachtens zweifeln die Beteiligten nicht. Allerdings ist der richtige Ansatz auch hier, daß nur die dem Verpächter tatsächlich geschuldete Pacht in die Berechnung des Pflegesatzes einzugehen hat; an dieser Stelle ist es nicht angebracht, eine fiktive Pacht einzustellen (das heißt, einen Betrag, der aufzuwenden wäre, wenn ein Einrichtungsträger eine Einrichtung nicht pachtet, sondern erwirbt und infolgedessen Zinsen für das in Anspruch genommene Fremdkapital aufzubringen hat).

56

Das von der Beigeladenen aufgewandte Eigenkapital (das Stammkapital der Gesellschaft mit beschränkter Haftung) ist zu verzinsen, und zwar mit 1 v.H. über dem Zinssatz für Spareinlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist. Zu diesem Ergebnis gelangt der Senat aufgrund folgender Überlegungen:

57

Es ist von jeher umstritten gewesen, ob Zinsen auf das Eigenkapital bei der Bemessung von Pflegesätzen zu berücksichtigen sind. Die Bundespflegesatzverordnung (VO Pr. Nr. 7/54 v. 31. Aug. 1954) sah diesen Ansatz nicht vor. Das Rechtsgutachten über die Verfassungs- und Gesetzmäßigkeit dieser Vorschrift (Bachof, Schriften der Deutschen Krankenhausgesellschaft Nr. 3, 1962) hat die Frage nicht abschließend beantwortet, ob eine solche Festsetzung die Grenze der Eigentumsbindung überschreitet und als Enteignung einzuordnen ist. Der Gutachter hat allerdings die verfassungsrechtlichen Bedenken (Art. 14 GG) gegen diese Regelung dargelegt. Auch der Senat ist nicht gehalten, zu entscheiden, ob die Nichtberücksichtigung von Eigenkapitalverzinsung einen Verstoß gegen Art. 14 GG bedeutet.

58

Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang, daß sich die Träger von Einrichtungen (gewerblichen, kommunalen und freigemeinnützigen) nicht in vollem Umfang auf die Prinzipien freier Preisbildung berufen können; denn ihre Gewinne beruhen überwiegend auf einem von anderen finanzierten Leistungssystem, nämlich der Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz. Deshalb unterliegen die Träger dieser Einrichtungen - auch gewerblicher Einrichtungen - in erhöhtem Maße den Einwirkungen der sozialstaatlichen Gesetzgebung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 31. Okt. 1984 in BVerfGE 68, 193, 220, 221). Ein enteignender Eingriff in einen Gewerbebetrieb liegt nach der ständigen Rechtsprechung aller Gerichte nur dann vor, wenn in die Substanz des Betriebes eingegriffen wird (vgl. BGH, Urt. v. 7. Juni 1990, DÖV 1990, 1065). Die "Substanz" eines Gewerbebetriebes ist nur berührt, wenn in die den Betrieb darstellende Sach- und Rechtsgesamtheit als solche eingegriffen wird, der Eigentümer also gehindert wird, von dem Gewerbebetrieb als der von ihm aufgebauten und aufrechterhaltenen Organisation sachlicher und persönlicher Mittel den bestimmungsgemäßen Gebrauch zu machen. Die Gewährleistung des Eigentums ergänzt den Handlungs- und Gestaltungsbereich des einzelnen. Dagegen sind Chancen und Verdienstmöglichkeiten nicht geschützt. Insoweit greift Art. 12 Abs. 1 GG ein, das den Erwerb, die Betätigung selbst schützt. Greift also ein Akt öffentlicher Gewalt in die Freiheit der individuellen Erwerbstätigkeit ein, so ist der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG berührt; begrenzt er mehr die Innehabung und Verwendung vorhandener Vermögensgüter, so kommt als Schutz der Art. 14 GG in Betracht. Da letzteres hier ferner liegt, ist mithin in erster Linie zu überlegen, ob die Nichtberücksichtigung von Zinsen auf das eingesetzte Eigenkapital die Chance vorenthält, in bestimmter Weise Gewinne zu erzielen.

59

Entscheidend ist aber für den Senat, daß es an einem vernünftigen Grund dafür fehlt, zwar Aufwendungen für Fremdkapital zu berücksichtigen, nicht aber Zinsen für das eingesetzte Eigenkapital. Deshalb weist eine unterschiedliche Behandlung dieser Kapitaleinsätze auf einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG hin. Ein Unternehmer ist gezwungen, das betriebsnotwendige Kapital zu beschaffen und einzusetzen. Betriebswirtschaftlich gesehen handelt nur der Unternehmer vernünftig, der vorhandenes Eigenkapital einsetzt, also das betriebsnotwendige Kapital nicht nur aus Fremdmitteln aufbringt. Einer solchen Handlungsweise würde entgegengesteuert, wenn Eigenkapitalzinsen nicht angesetzt werden dürften. Als vernünftiger Grund für eine solche Handhabung käme nur die Überlegung in Betracht, hierdurch werde es dem Träger der Sozialhilfe ermöglicht, Aufwendungen zu sparen. Diese Überlegung greift aber nicht durch, weil der Betriebsaufwand sinken kann, wenn ein Unternehmer mehr Eigenkapital aufbringt, selbst wenn es in dem oben bezeichneten Umfang zu verzinsen ist. Die hier zu entscheidende Frage ist im Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des Niedersächsischen Gesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes und des Niedersächsischen Gesetzes zur Durchführung der Kriegsopferfürsorge vom 3. Februar 1986 (Nds. GVBl S. 26) wiederholt erörtert worden. Der Senat sieht sich in seiner Auffassung dadurch bekräftigt, daß in den Beratungen des Landtages und des Ausschusses ein Grund nicht bezeichnet worden ist, der dafür sprechen könnte, von einer Verzinsung des Eigenkapitals abzusehen. Jedenfalls gewerblichen Unternehmern ist die Verzinsung von Eigenkapital zuzugestehen. Der Senat muß sich nicht dazu äußern, ob auch das von freigemeinnützigen Trägern und kommunalen Trägern eingesetzte eigene Kapital verzinst werden darf. Insoweit mögen andere Grundsätze gelten, zumal dann, wenn das betriebsnotwendige Vermögen etwa aus Zuschüssen der öffentlichen Hand oder aus Spenden finanziert worden ist (vgl. hierzu das duale System des Krankenhausfinanzierungsgesetzes).

60

Das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 13. Okt. 1983, Buchholz 451.75 KAG Nr. 4 zu § 17 = NJW 1984, 1831 [BVerwG 13.10.1983 - 3 C 85/81]) hat mit gleichen Erwägungen angenommen, zu den Selbstkosten der nicht öffentlich geförderten Krankenhäuser gehörten auch die Eigenkapitalzinsen (vgl. auch § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BPflV). Der Grund für diese Einbeziehung der Eigenkapitalzinsen in die Selbstkosten besteht darin, daß der Träger der Einrichtung einen finanziellen Ausgleich dafür erhalten soll, daß er eigenes Kapital nicht anderweitig anlegt, sondern es vermeidet, Fremdkapital aufzunehmen; dann soll er für seine Kapitalaufwendungen eine angemessene Verzinsung erhalten.

61

Die in dem Krankenhausfinanzierungsrecht geregelten Interessen sind vergleichbar mit denjenigen, die § 93 BSHG n.F. erfaßt. Der Träger einer Einrichtung, der Eigenkapital in das Betriebsvermögen seiner Einrichtung einbringt, verzichtet auf eine anderweitige Anlage dieses Kapitals und die dabei zu erzielenden Zinsgewinne. Dieses kommt zugleich dem Betrieb der Einrichtung zugute, weil infolge des Einsatzes von Eigenkapital die Aufnahme entsprechenden Fremdkapitals und die Belastung des Betriebsvermögens sowie der Pflegesätze mit den Fremdkapitalzinsen vermieden werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 13. Okt. 1983, aaO).

62

Der Senat hält den im Krankenhausfinanzierungsrecht vorgeschlagenen Ansatz für die Zinsen für sachgerecht und bemißt die Zinsen mithin auf 1 v.H. über dem Zinssatz für Spareinlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist. Mit dieser Bemessung werden die widerstreitenden Interessen ausgeglichen. Der Träger der Einrichtung erhält ein Äquivalent für das Einbringen eigenen Kapitals, auf der anderen Seite wird das Ziel berücksichtigt, die Pflegesätze niedrig zu halten, indem der Zinssatz nicht hoch angesetzt wird.

63

Aus dem Gesagten, insbesondere jenen Erwägungen des Bundesverfassungsgerichtes, folgt, daß ein kalkulatorischer Gewinn bei der Berechnung der Pflegesätze nicht zu berücksichtigen ist. Von Verfassungs wegen ist ein solcher Ansatz nicht geboten. Wie bereits erwähnt, unterliegen die Träger von Einrichtungen, deren Ertrag überwiegend auf einem von einem anderen finanzierten Leistungssystem beruht, in erhöhtem Maße den Einwirkungen der sozialstaatlichen Gesetzgebung. Deshalb liegt es - entsprechend dem Krankenhausfinanzierungsrecht - nahe, den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit zu entnehmen, daß es den Einrichtungen nicht zuzubilligen ist, den sogenannten "kalkulatorischen Gewinn" bei der Bemessung der Pflegesätze anzusetzen. Zu bedenken ist auch, daß dem Träger der Einrichtung in gewissem Umfang die Möglichkeit eingeräumt ist, einen Gewinn zu erzielen. Wie oben dargestellt, liegt den Überlegungen des Senats der Grundsatz der sogenannten Budgetierung (vgl. § 4 BPflV) zugrunde. Dem Träger der Einrichtung wird damit ein Selbstkostenfestpreis auf vorkalkulatorischer Grundlage (vgl. dazu § 5 VO Pr. Nr. 30/53) zugestanden. Damit wird dem Träger der Einrichtung ein Anreiz gegeben, sparsam zu wirtschaften; ergibt sich zwischen der Kalkulation und dem tatsächlichen Ergebnis eine Differenz zu seinen Gunsten, bleibt sie ihm als Gewinn erhalten. Auf dieser Grundlage hat auch das Krankenhausfinanzierungsgesetz die Budgetierung geschaffen.

64

Entsprechendes gilt für die Bildung von Rücklagen. Der Grund, weshalb nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BPflV zugelassen wird, Rücklagen (in der Verordnung unzutreffend als Rückstellung bezeichnet) zu bilden, ist nämlich nur der: Es geht um die Anpassung an die diagnostisch-therapeutische Entwicklung. Eine solche Anpassung ist bei einer Einrichtung der Pflege nicht in demselben Umfang erforderlich wie in einem Krankenhaus. Es reicht deshalb aus, wenn einer solchen Einrichtung zugebilligt wird, Aufwendungen für diagnostisch-therapeutische Zwecke kalkulatorisch anzusetzen.

65

Der Senat muß sich nicht dazu äußern, ob bei einer Vorauskalkulation Wagniszuschläge zuzubilligen sind. Er neigt zu der Auffassung, daß allenfalls die Maßstäbe, die § 4 Abs. 2 Satz 3 BPflV setzt, zu übernehmen sein könnten. Ein Ansatz von Wagniszuschlägen kommt aber jedenfalls nicht in Betracht, wenn - wie hier - nicht eine Vorauskalkulation zu überprüfen ist, weil sie fehlt, sondern der Überprüfung nur eine nachträgliche Kalkulation zugrunde liegt.

66

Bei der Position Zinsen hat der Senat nur den Betrag anerkannt, der auf Kontokorrentzinsen entfällt. Nach dem Vortrag der Klägerin und der Beigeladenen sind die Stundungszinsen auf den Rückstand an Pacht in den Jahren 1984 und 1985 nicht entrichtet worden (sie sind erst in den Jahren 1986 und 1987 gezahlt worden). Der Senat ist der Auffassung, daß Zinsen, die verspätet gezahlt worden sind (also nicht in dem Kalenderjahr, in dem sie fällig waren), erst für das Jahr der Zahlung pflegesatzwirksam berücksichtigt werden können. Der Senat hat in diesem Zusammenhang den steuerrechtlichen Ansatz nicht zugrunde gelegt, weil § 93 Abs. 2 Satz 2 BSHG n.F. es gebietet, auf den Abfluß abzustellen. Entsprechendes gilt für die verspätete Zahlung des Geschäftsführergehaltes (hier jedoch deckt sich das vom Senat gefundene Ergebnis mit den steuerrechtlichen Überlegungen).

67

Diese Bewertung steht nicht in Widerspruch zu dem Ansatz der Pachtzinsen (zu unterscheiden von den Stundungszinsen wegen einer Nichtzahlung der Pacht). Die Pachtzinsen müssen nämlich in dem Jahr, in dem sie fällig geworden sind, pflegesatzwirksam sein, weil sie - im Gegensatz zu den Stundungszinsen - bisher nicht gezahlt worden sind und sich bei einer anderen Betrachtung der Aufwand aus dem zu betrachtenden Kalenderjahr in eine ungewisse Zukunft verschöbe.

68

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 162 Abs. 3, 188 Satz 2, 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Es entspricht der Billigkeit, die Beigeladene ihre Kosten selbst tragen zu lassen, da sie einen Antrag nicht gestellt hat.

69

Der Senat läßt die Revision zu, weil es von grundsätzlicher Bedeutung ist, nach welchen Maßstäben Pflegesätze zu bemessen sind (§ 132 Abs. 2 VwGO).

70

Jacobi

71

Zeisler

72

Atzler