Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 05.10.2004, Az.: 1 B 1111/04

Einstellung von Rodungsarbeiten im Randstreifenbereich einer Bundeswasserstraße; Bestehen eines Anordnungsanspruchs eines Naturschutzverbandes; Entfallen des Mitwirkungsrechts wegen Entbehrlichkeit eines Planfeststellungsverfahrens; Gebot substantieller Anhörung; Kompetenzabgrenzung des Bundes für Wasserstraßen; Bestimmungsgemäßer Zustand eines Kanals; Dämme als wesentlicher Teil einer Kanalanlage; Erschwerung der Dammschau durch Bewuchs; Hochwasserschutz durch Deich

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
05.10.2004
Aktenzeichen
1 B 1111/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 24133
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2004:1005.1B1111.04.0A

Verfahrensgegenstand

Waldrodung an Kanalseitendämmen
hier: Antrag nach § 123 VwGO

Prozessgegner

Bundesrepublik Deutschland,
vertreten durch die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Mitte, Am Waterlooplatz 5, 30169 Hannover

Redaktioneller Leitsatz

Unterhaltungsmaßnahmen des Bundes an seinen Wasserstraßen hängen nicht von einer Planfeststellung ab und bedürfen keiner behördlichen Genehmigungen. Damit sind auch keine Beteiligungsrechte der anerkannten Naturschutzverbände, insbesondere auch nicht ergänzend auf landesrechtlicher Grundlage, gegeben.

In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Stade - 1. Kammer -
am 5. Oktober 2004
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller, ein anerkannter Naturschutzverband, verlangt die Einstellung von Rodungsarbeiten im Randstreifenbereich einer Bundeswasserstraße.

2

Der Rechtsstreit bezieht sich auf den Oberlauf des zur Staustufe Langwedel gehörenden Schleusenkanals. Die Anlage ist auf Grund von Planfeststellungsbeschlüssen in den Jahren 1935 und 1954 als Teil der Mittelweserkanalisierung ausgebaut worden. Der zur Begradigung der Fahrrinne angelegte Durchstich reicht von Stromkilometer der Weser 327,055 bis km 339,370, entsprechend einer Kanalstrecke von rund 9 Kilometern. Bis etwa Kanalkilometer 5,4 sind Seitendämme errichtet, weiter stromabwärts ist das Bett in das Gelände eingeschnitten. An den Kanalabschnitten rechts zwischen km 0,88 und km 3,6 sowie links zwischen km 3,170 und km 5,45 will die Antragsgegnerin Busch- und Baumbestände, die seit der Indienststellung des Schleusenkanals angepflanzt worden sind, entfernen lassen, um dadurch die Standsicherheit der Seitendämme zu erhöhen. Der Bewuchs rechts des Gewässers von km 3,6 bis km 5,45 wurde schon im Winter 2003/04 beseitigt. Die Antragsgegnerin befürchtet, ohne die Freilegung der Dammkörper und die Herstellung einer geschlossenen Grasnarbe drohe die Gefahr eines Dammbruches und damit einhergehend der Verlust der Schiffbarkeit auf dem Schleusenkanal sowie Personen- und Sachschäden im überfluteten Hinterland. Sie betrachtet ihre Maßnahmen als Teil der Wasserstraßenunterhaltung und sieht sich deshalb nicht veranlasst, ein Planfeststellungsverfahren unter Beteiligung des Antragstellers einzuleiten.

3

Der Antragsteller wurde von der Antragsgegnerin zu den bis in das Jahr 2007 reichenden Vorhaben angehört, hält aber die Form seiner Beteiligung nicht für gesetzmäßig. Er hat am 30. Juni 2004 den vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Er will erreichen, dass die Antragsgegnerin bis zur abschließenden Klärung der Frage, ob die beabsichtigten Maßnahmen planfeststellungsbedürftig sind, keine Rodungen an den streitigen Dammstrecken vornimmt. Zur Begründung macht der Antragsteller im Wesentlichen geltend, es handele sich bei der vorgesehenen Gehölzbeseitigung auf den Dammflächen nicht um Unterhaltungsarbeiten, sondern in erster Linie um eine wesentliche Umgestaltung des Ufers, der nach § 119 des Niedersächsischen Wassergesetzes - NWG - zwingend ein Planfeststellungsverfahren vorauszugehen habe. Die Unterhaltung einer Bundeswasserstraße beziehe sich ausschließlich auf ihre Funktion als Verkehrsweg. Dies sei hier jedoch nicht der Fall, da die Dämme ausschließlich dem Schutz des Hinterlandes gegen Hochwasser dienten. Für die Erhaltung der Schiffbarkeit fehle den Dämmen jede Bedeutung. Bei einem Dammbruch bleibe die Befahrbarkeit des Schleusenkanals erhalten, weil das Wasser sich nur bei bestimmten Hochwasserständen auf das umliegende Gelände ergießen würde, der erforderliche Wasserstand im Kanalbett hiervon aber nicht berührt wäre. Durch die topographischen Besonderheiten sei auch nicht mit einer Gefährdung von Menschen und Gebäuden zu rechnen, da das auslaufende Wasser von den Niederungen des Überschwemmungsgebietes aufgenommen würde und innerhalb kurzer Zeit ein Ausgleich der Wasserstände einträte. Unter diesen Voraussetzungen richte sich die geplante Maßnahme der Antragsgegnerin nach der landesrechtlichen Vorschrift des § 119 NWG. Großflächige Abholzungen auf Deichen seien als eine wesentliche Umgestaltung des Ufers anzusehen, hingen von einem Planfeststellungsbeschluss ab und setzten damit die Beteiligung des Antragstellers voraus. Selbst wenn man der Auffassung der Antragsgegnerin folgen wollte, würde es sich auch nach Bundeswasserstraßenrecht um einen planfeststellungsbedürftigen Ausbau handeln. Die Antragsgegnerin sei außerdem auf eine Umwandlungsgenehmigung nach § 8 des Niedersächsischen Gesetzes über den Wald und die Landschaftsordnung (NWaldLG) angewiesen, die sie aber nicht beantragt habe und über die ebenfalls nicht ohne Mitwirkung des Antragstellers entschieden werden dürfe. Art und Größe der abzuholzenden Flächen erfüllten den gesetzlichen Waldbegriff. Insgesamt entziehe die Antragsgegnerin dem Antragsgegner durch ihr Verhalten seine Beteiligungsrechte. Dies erfordere die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes.

4

Die Antragsgegnerin setzt sich streitig mit dem Begehren auseinander und widerspricht insbesondere dem Standpunkt des Antragstellers, der Dammbewuchs dürfe ohne Planfeststellungsbeschluss nicht entfernt werden. Sie beruft sich auf ihre von einem Planfeststellungsverfahren unabhängige Befugnis zur Anordnung von Instandhaltungsmaßnahmen und führt dazu im Wesentlichen aus: Die Seitendämme seien mit der Errichtung des Schleusenkanals auf Grund der Planfeststellungsbeschlüsse von 1935 und 1954 hergestellt worden. Die Bauwerke Gewähr leisteten die Funktion des Kanals und dessen Schiffbarkeit. Gleichzeitig dienten sie dem Schutz des Hinterlandes vor Überflutung bei Hochwasser. Es seien keine nach Landesrecht gewidmeten Deiche. Die technischen Regeln erforderten es, die Dämme von Bewuchs freizuhalten. Die Sicherheit der Dämme sei gegenwärtig nur knapp ausreichend. Es bestehe ein erhebliches Risiko durch Wurzeln, Hohlräume und Nager. Ein Dammbruch zöge gravierende Folgen nach sich. Der Kanal wäre für Schiffe wegen des Verlustes der Mindestfahrwassertiefe von 2,50 m unpassierbar und müsste gesperrt werden. Die Staustufe Langwedel wäre nicht mehr regulierbar. Neben die Funktionslosigkeit des Wasserstraßenabschnitts träte die Haftung des Bundes für Hochwasserschäden aus dem Gesichtspunkt einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Die vom Antragsteller beanstandeten Maßnahmen dienten der Funktionserhaltung des Kanals und könnten damit nicht als planfeststellungsbedürftiger Ausbau qualifiziert werden. Die Antragsgegnerin stützt ihren Standpunkt mit eingehenden Rechtsausführungen.

5

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

6

II.

Gemäß § 123 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht auf Antrag auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Gemäß den §§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) hat der Antragsteller sowohl die Eilbedürftigkeit der begehrten gerichtlichen Regelung (Anordnungsgrund) als auch seine materielle Anspruchsberechtigung (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen.

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Der vorliegende Antrag bleibt erfolglos, weil dem Antragsteller der behauptete Anordnungsanspruch nicht zusteht. Er ist in seinen Rechten nicht deshalb verletzt, weil die Antragsgegnerin es rechtswidrig unterlassen hätte, den Antragsteller in einem einzuleitenden Planfeststellungsverfahren vor der Anordnung der streitigen Unterhaltungsmaßnahmen zu beteiligen. Das beabsichtigte Vorhaben ist nicht planfeststellungsbedürftig.

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Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits entschieden, dass die Unterhaltungsmaßnahmen des Bundes an seinen Wasserstraßen nicht von einer Planfeststellung abhängen und damit auch keine Beteiligungsrechte der anerkannten Naturschutzverbände, insbesondere auch nicht ergänzend auf landesrechtlicher Grundlage, gegeben sind (Urt. v. 05.12.2001 - 9 A 13.01 -, BVerwGE 115, 294; Beschl. v. 27.10.2000 - 11 VR 14.00 -, Buchholz 445.5 § 8 WaStrG Nr 10). Dieses Mitwirkungsrecht entfiel bisher selbst dann, wenn die Verwaltung beim Ausbau einer Bundeswasserstraße unter den gesetzlichen Voraussetzungen von einem Planfeststellungsverfahren absieht und stattdessen im Wege der Plangenehmigung entscheidet (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.07.1995 - 11 VR 11.95 -, Buchholz 406.401 § 29 BNatSchG Nr 7; Urt. v. 22.03.1995 - 11 A 1.95 -, BVerwGE 98, 1 [BVerwG 13.02.1995 - 7 C 53/94]). Zu Recht beruft sich die Antragsgegnerin gegenüber dem Verlangen des Antragsgegners auf das bundesverwaltungsgerichtliche Urteil vom 5. Dezember 2001, mit dem die einschlägige Rechtslage eindeutig klargestellt worden ist. Aus der den Beteiligten bekannten und im Verfahren mehrfach angesprochenen Entscheidung ergibt sich im Wesentlichen Folgendes: Als rechtliche Grundlage für das Beteiligungsbegehren eines anerkannten Naturschutzverbandes bei Maßnahmen nach Bundeswasserstraßenrecht kommt allein der nach § 70 des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG) vom 25. März 2002 (BGBl. I S. 1193) noch anzuwendende § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG a. F. in Betracht. Danach steht einem Naturschutzverband in Planfeststellungsverfahren über Vorhaben, die mit Eingriffen in Natur und Landschaft im Sinne des § 8 BNatSchG a. F. verbunden sind, ein Mitwirkungsrecht zu. Dieses beinhaltet das Gebot substanzieller Anhörung. Aus landesrechtlichen Vorschriften kann der Verband gegenüber Planungen nach dem Bundeswasserstraßenrecht keine Erweiterung dieser Rechtsstellung für sich herleiten. So gewährt eine durch Landesrecht eröffnete Verbandsklage nicht das Recht, gegen Verwaltungsakte von Bundesbehörden zu klagen. Ebenso wenig kann folglich aus Landesrecht eine Beteiligung an einem nach Bundesrecht vorgeschriebenen Planfeststellungsverfahren oder sonstigen Maßnahmen verlangt werden. Die Unterhaltung der Wasserstraßen im Sinne von § 8 des Bundeswasserstraßengesetzes - WaStrG - ist kein planfeststellungsbedürftiger Gegenstand nach § 14 Abs. 1 Satz 1 WaStrG. § 8 Abs. 1 Satz 1 WaStrG definiert die Unterhaltung einer Binnenwasserstraße als Erhaltung eines ordnungsgemäßen Zustandes für den Wasserabfluss und die Erhaltung der Schiffbarkeit. Unterhaltung steht damit im Gegensatz zu einem Ausbau der Wasserstraße, den § 12 Abs. 2 Satz 1 WaStrG als Maßnahme zur wesentlichen Umgestaltung einer Bundeswasserstraße, eines oder beider Ufer, die über die Unterhaltung hinausgehen und die Bundeswasserstraße als Verkehrsweg betreffen, beschreibt. Das Bundeswasserstraßengesetz regelt Unterhaltung und Ausbau lediglich im Hinblick auf die Verkehrsfunktion der Bundeswasserstraßen. Die dem Bund in Art. 74 Nr. 21 GG zugewiesene Gesetzgebungskompetenz für die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen rechtfertigen nämlich keine wasserrechtlichen, also die Angelegenheiten der allgemeinen Wasserwirtschaft ordnenden Vorschriften, sondern nur Regelungen, die sich auf die Wasserstraßen als Verkehrswege beziehen. Betreffen die Arbeiten hingegen die Wasserstraße nicht als Verkehrsweg, obliegen sie allein den dann zuständigen Behörden auf der Grundlage der allgemeinen Wassergesetze. Daraus ist abzuleiten, dass bei der Abgrenzung von Unterhaltung und Ausbau nach dem Bundeswasserstraßengesetz in Ergänzung zu § 12 Abs. 2 Satz 1 WaStrG nicht auf Kriterien des allgemeinen Wasserrechts, insbesondere auf den weiteren Ausbaubegriff des § 31 Abs. 1 Satz 1 Wasserhaushaltsgesetz - WHG - zurückzugreifen ist. Eine solche Vorgehensweise widerspräche der verfassungsrechtlich gebotenen Trennung der Entscheidungs- und Verwaltungsebenen des Wasserrechts. Die Beschränkung des Wasserstraßenrechts auf diese "schifffahrtsfunktionale Betrachtungsweise" lässt umwelt- und naturschutzfachliche Aspekte nicht außer Acht. Die Berücksichtigung der entsprechenden Belange ist in § 14 Abs. 1 Satz 1 WaStrG für das Planfeststellungsverfahren und in § 8 Abs. 1 Satz 2 und 3 WaStrG für Unterhaltungsmaßnahmen zwingend vorgesehen. Darüber hinaus bestimmt § 4 WaStrG, dass die Bedürfnisse der Landeskultur und der Wasserwirtschaft bei der Verwaltung - zu der auch die Unterhaltung gehört -, dem Ausbau und dem Neubau von Bundeswasserstraßen im Einvernehmen mit den Ländern zu wahren sind. Der Unterhaltung dienen Maßnahmen, die den bestimmungsmäßigen Zustand der Wasserstraße wiederherstellen. Durch den Ausbau wird im Unterschied dazu dieser Zustand geändert, nämlich wesentlich umgestaltet. Welches der bestimmungsmäßige Zustand einer Wasserstraße ist, wird bei Bundeswasserstraßen regelmäßig durch entsprechende behördliche Zulassungsentscheidungen festgelegt.

9

Der bestimmungsgemäße Zustand des Schleusenkanals Landwedel beruht auf den Planfeststellungsbeschlüssen aus den Jahren 1935 und 1954. Dieser Zustand des ausgebauten Wasserweges umfasst die funktionstüchtigen und belastbaren Kanalseitendämme. Die Errichtung und die Erhaltung dieser Dämme sind integraler Bestandteil des Kanalbauwerks. Sie Gewähr leisten mit den Schleusenanlagen die dem Konzept der Mittelweserkanaliserung zu Grunde liegende Stauhaltung des Flusses und die Aufrechterhaltung des für die Schifffahrt erforderlichen Wasserpegels. Zur Überzeugung der Kammer steht fest, dass die Schiffbarkeit des Schleusenkanals von der Existenz der Kanalseitendämme abhängig ist. Während der Unterlauf des Kanals durch Einschnitt in das höhergelegene Gelände hergestellt worden ist, bedurfte es im Bereich des streitigen Kanaloberlaufes der Aufschüttung von Dämmen, damit auf diese Weise der schiffbare Wasserstand durch künstlichen Stau gegen das niedrige Niveau der Umgebung herbeigeführt werden konnte. Diese Notwendigkeit ergibt sich zweifelsfrei aus den vorgelegten Planunterlagen und den ergänzenden Erläuterungen der Antragsgegnerin. Daraus folgt sich für das vorliegende Eilrechtsschutzverfahren nach summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage mit hinreichender Gewissheit, dass die Kanalseitendämme nicht allein aus der Erwägung, dem Umland Schutz vor Überflutung bei Hochwasser zu bieten, geplant und ausgeführt worden sind, sondern primär zu dem Zweck, im betreffenden Abschnitt des Wasserweges das Kanalprofil mit der vorgesehenen und notwendigen Dimensionierung herzustellen, wie sie nach den topographischen Bedingungen wegen mangelnder Uferhöhe ohne künstliche Aufschüttung nicht zu realisieren wäre. Die Dämme des Schleusenkanals sind deshalb auch keine Hochwasserschutzanlagen, etwa vergleichbar den Deichen. Vielmehr stellen sie einen wesentlichen Bestandteil der Kanalanlage dar, dessen Fehlen zugleich die Funktion der Wasserstraße entfallen ließe. Der gleichzeitig bestehende Hochwasserschutz für die Umgebung durch die Dämme stellt sich als Kehrseite der gewählten Linienführung und der geländebedingten wasserbaulichen Konstruktion dar, er ist nicht eigentliches Ziel und Zweck des ins Werk gesetzten Plans. Die Bestimmung des Dammes besteht darin, das Wasser im Kanalbett zu halten, damit die Stauregulierung der Weser und die Verkehrsfunktion der Anlage auch bei wechselnden Pegeln fortlaufend erhalten bleiben. Die Erfüllung dieser dem Damm bei Errichtung des Kanals zugedachten Funktion Gewähr leistet den Schutz des Hinterlandes vor Überflutung schon auf Grund seiner konstruktiven Eigenschaft als Stauhalter. Der Schutz des Umlandes vor Überspülung ist danach notwendiger Bestandteil der dem Damm zukommenden Hauptfunktion als wesentliches Konstruktionselement des Schleusenkanals. Die Schutzwirkungen des Dammes gegen Vernässung der Uferflächen und Hinterlandbereiche lassen sich daher aus logischen Gründen nicht von der eigentlichen Zweckbestimmung des Bauwerkes abspalten und damit verselbstständigen. Die Aufgabe der Dammerhaltung ist folglich der Verkehrsfunktion des Schleusenkanals zuzuordnen.

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Die Antragsgegnerin nimmt mit der bevorstehenden Gehölzbeseitigung an und auf den Seitendämmen des Schleusenkanals Langwedel die Unterhaltungsaufgabe nach § 8 Abs. 1 Satz 1 WaStrG wahr. Die Maßnahmen dienen der Erhaltung des ordnungsgemäßen Zustandes der Wasserstraße im betreffenden Stromabschnitt für den Wasserabfluss und die Erhaltung der Schiffbarkeit. Die Rodungen erweisen sich auch als erforderlich, weil der Bewuchs nicht nur die Dammschau erschwert oder unmöglich macht, sondern auch durch Abschattung die Ausbildung der für den Schutz des Dammkörpers gegen Erosion und Wasserschlag notwendigen Grasnarbe unterbindet. Wurzelwerk und Hohlkörper entfalten unter dem Einfluss des Stauwasserstroms eine dauerhaft schädliche Wirkung und sind daher von den Dämmen fern zu halten. Diese Wirkungszusammenhänge sind der Kammer aus ständiger Befassung mit deichrechtlichen Streitsachen bekannt und bedürfen keiner zusätzlichen Ermittlungen. Die Unterlassung dieser Dammerhaltungsmaßnahmen stünde mit den Obliegenheiten der Antragsgegnerin im Widerspruch. Die Zweckbestimmung des Schleusenkanals Langwedel als Teil der Bundeswasserstraße Weser würde mit nachlassender Standsicherheit der Dämme ihre Funktion einbüßen, weil der Kanal mit dem Verlust stautüchtiger Uferanlagen für den Schiffsverkehr gesperrt werden müsste. Der auf Grund verbindlicher Planentscheidungen von 1935 und 1954 durch die Schaffung der Staustufe Langwedel regulierte Wasserabfluss wäre bei einem funktionslosen Zustand der Dämme nicht zu erhalten und würde das gesamte System der Mittelweserregulierung in Mitleidenschaft ziehen. Es ist deshalb nicht, wie der Antragsgegner meint, für die Aufrechterhaltung der Schiffbarkeit und des geregelten Wasserabflusses gleichgültig, ob die Dämme bei allen zu erwartenden Wasserständen halten oder ein Teil des Stromes sich bei einem Dammbruch in das Umland ergießt, weil dadurch die Schiffbarkeit nicht beeinträchtigt sei und dieser Fall nur unter dem Gesichtspunkt des von der Verkehrsfunktion zu trennenden Hochwasserschutzes betrachtet werden könne. Soweit die Antragsgegnerin die ihrer Aufgabe als Wasserstraßenbehörde innewohnende Verpflichtung, auch die Belange des Hochwasserschutzes zu beachten, erfüllt, ergibt sich dies auch ihrer allgemeinen Verkehrssicherungspflicht, deren Verletzung im Schadensfall zur Haftung führen würde.

11

Die vom Antragsgegner in das Verfahren eingeführte Entscheidung des OVG Bautzen vom 23. Januar 2003 - 1 BS 1/03 - (NuR 2003, 557) nötigt zu keiner anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Die Feststellung, dass großflächige Abholzungen mit wesentlichen Auswirkungen auf die ökologischen Verhältnisse am Gewässer über die Deichunterhaltung hinausgingen und daher als planfeststellungsbedürftiger Ausbau zu qualifizieren seien, beruht auf einer Auslegung des sächsischen Landesrechts und lässt sich auf das Regime der Bundeswasserstraßen nach Maßgabe des Bundeswasserstraßengesetzes nicht übertragen.

12

Soweit der Antragsgegner geltend macht, die Antragsgegnerin benötige für ihr Handeln eine Umwandlungsgenehmigung der zuständigen Behörde nach § 8 NWaldLG, scheitert dieser Einwand schon daran, dass die Maßnahmen nach § 48 Satz 2 WaStrG keiner behördlichen Genehmigungen, Erlaubnisse und Abnahmen bedürfen. Diese bundesrechtliche Bestimmung ist abschließend und kann daher durch landesrechtliche Genehmigungsvorbehalte nicht verdrängt werden (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 30.05.1983 - 3 OVG A 38/83 -, NuR 1984, 110).

13

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Zur Höhe des festgesetzten Streitwertes wird auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Juli 2004 (a.a.O.) Bezug genommen. Der anzunehmende Hauptsachestreitwert von 20.000,00 EUR ist für das Eilrechtsschutzverfahren zu halbieren.

Schmidt
Lassalle
Klinge