Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 01.08.2022, Az.: 9 W 62/22

Gleichwertigkeit einer in Österreich erfolgten Beglaubigung nach Überprüfung der Unterschriftsleistung im Wege elektronischer Kommunikation gemäß § 79 Abs. 9 österr. NO mit einer Unterschriftsbeglaubigung durch einen deutschen Notar gemäß den aktuell geltenden Vorschriften des Beurkundungsgesetzes

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
01.08.2022
Aktenzeichen
9 W 62/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 63454
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Walsrode - 08.07.2022 - AZ: 8 AR 636/22

Fundstellen

  • AG 2023, 455-456
  • GmbHR 2023, 560-561
  • MittBayNot 2023, 439
  • NZG 2023, 1087-1088
  • ZIP 2023, 1950-1951

In der Handelsregistersache
B... gemeinnützige UG (haftungsbeschränkt), ...,
betroffene Gesellschaft, Antragstellerin und Beschwerdeführerin,
Verfahrensbevollmächtigter:
...
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ... am 1. August 2022 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 15. Juli 2022 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Registergerichts - Walsrode vom 8. Juli 2022 aufgehoben und die Sache zur Fortsetzung des Eintragungsverfahrens unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats an das Amtsgericht - Registergericht - Walsrode zurückverwiesen.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Gründe

I.

Die betroffene Gesellschaft beantragt ihre Eintragung in das Handelsregister.

Mit Zwischenverfügung vom 6. Juli 2022 (Bl. 3 d. A., dort unter Nrn. 1 und 4 bis 7) hat das Registergericht zunächst die Anmeldung hinsichtlich verschiedener Gesichtspunkte beanstandet und zur Nachbesserung/Ergänzung eine Frist von zwei Monaten gesetzt. Am 8. Juli 2022 hat der verfahrensbevollmächtigte Notar hinsichtlich des ersten Beanstandungspunktes ("Hergabe der vorläufigen Anerkennung der Gemeinnützigkeit") eine E-Mail des Finanzamts S. bezüglich der Vorabprüfung des Gesellschaftsvertrages eingereicht (Bl. 34 d. A.). Am selben Tag hat das Registergericht die Anmeldung insgesamt und im Kern mit der Begründung zurückgewiesen (Bl. 6 d. A.), die nach österreichischem Recht von einem österreichischen Notar vorgenommene Unterschriftsbeglaubigung der von der Alleingesellschafterin erteilten Vollmachtsurkunde für die Gründung der Gesellschaft sei einer in Deutschland vorgenommenen Unterschriftsbeglaubigung nicht gleichwertig, weshalb schon die Errichtung der Gesellschaft nicht formgerecht erfolgt sei. Weil dieser Gründungsmangel nicht behebbar sei, sei die Zwischenverfügung gegenstandslos und das Eintragungsbegehren sogleich zurückzuweisen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die betroffene Gesellschaft mit ihrer Beschwerde (Bl. 38 d. A.). Sie meint, entgegen der Auffassung des Registergerichts sei im Streitfall die durch einen österreichischen Notar nach österreichischem Recht erfolgte Beglaubigung nach Überprüfung der Unterschriftsleistung im Wege elektronischer Kommunikation unter Nutzung einer optischen und akustischen Zweiweg-Verbindung (§ 79 Abs. 9 österr. NO) der Unterschriftsbeglaubigung durch einen deutschen Notar gleichwertig. Eine vergleichbare (und auf derselben Richtlinie der EU beruhende) Beglaubigungsmöglichkeit sehe schließlich der am 1. August 2022 in Kraft tretende § 40a BeurkG vor.

Das Registergericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 19. Juli 2022 (Bl. 9 d. A.) nicht abgeholfen und gemeint, es bedürfe einer "Rechtsfortbildung" durch eine Entscheidung des Beschwerdegerichts.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere frist- und formgerecht erhoben.

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Der Senat vermag sich der Auffassung des Registergerichts, bereits die (im Wege eines Vertretungsgeschäfts vorgenommene) Gründung der Gesellschaft sei im Streitfall deswegen nicht formwirksam erfolgt, weil es an einer zureichenden notariellen Unterschriftsbeglaubigung der Vollmachtsurkunde der Alleingesellschafterin fehle, nicht anzuschließen. Die vom Amtsgericht hierfür herangezogene Erwägung, die in Österreich erfolgte Beglaubigung nach Überprüfung der Unterschriftsleistung im Wege elektronischer Kommunikation gemäß § 79 Abs. 9 österr. NO sei einer Unterschriftsbeglaubigung durch einen deutschen Notar gemäß den aktuell geltenden Vorschriften des Beurkundungsgesetzes nicht gleichwertig, teilt der Senat nicht.

Dagegen spricht, dass auch der deutsche Gesetzgeber, und zwar infolge der Umsetzung derselben europäischen Richtlinie, eine vergleichbare Anpassung des Beurkundungsgesetzes bereits vorgenommen hat, deren Inkrafttreten auch unmittelbar (nämlich zum 1. August 2022) bevorsteht. Angesichts dessen erscheint es jedenfalls für den konkreten Streitfall geboten, an die Gleichwertigkeit der Beglaubigung vom 23. Juni 2022 (Bl. 30 d. A.) keine rein formalen an die Geltung der deutschen Bestimmungen anknüpfenden Anforderungen zu stellen (vgl. Wachter m. w. N. zu den üblicherweise nur geringen Anforderungen im Bereich des sog. lateinischen Notariats, GmbHR 2022, 638, 641).

Nicht nur in dieser Hinsicht unterscheidet sich der Streitfall von der vom Registergericht angeführten Entscheidung des Kammergerichts (Beschluss vom 3. März 2022, 22 W 92/21, GmbHR 2022, 636 ff.). Hinzu kommt insoweit, dass die im Streitfall maßgebliche Beglaubigung, anders als in der der zitierten Entscheidung zugrunde liegenden Fallkonstellation, nicht durch bloßen Vergleich von Unterschriftsproben ohne Identitätsfeststellung erfolgt ist, sondern die Bestimmung des § 79 Abs. 9 österr. NO die ununterbrochene Nutzung einer elektronischen Kommunikationsmöglichkeit durch optische und akustische Zweiweg-Verbindung, mithin (wie bei einer Unterschriftsbeglaubigung mit persönlicher Anwesenheit) die lückenlose Mitverfolgung des Unterschriftsvorgangs erfordert.

Der angefochtene Beschluss ist mithin aufzuheben. Das Registergericht hat das Verfahren fortzusetzen. Einer vom Registergericht für erforderlich gehaltenen "Rechtsfortbildung" bedarf es im Übrigen schon deswegen nicht, weil sich die im Mittelpunkt der angefochtenen Entscheidung stehende Frage, ob eine im Wege des § 79 Abs. 9 österr. NO vorgenommene Unterschriftsbeglaubigung durch einen österreichischen Notar einer Beglaubigung nach deutschem Recht gleichwertig ist, nach dem 1. August 2022 ohnehin nicht mehr stellen wird.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, vgl. § 57 GNotKG; Schindler in Münchener Kommentar zum FamFG, 3. Aufl. 2018, Rn. 8 zu § 84.