Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 29.08.2023, Az.: 13 A 3332/23
Sterbegeld; Sterbegeld-Versicherung; Sterbegeld und Sterbegeldversicherung
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 29.08.2023
- Aktenzeichen
- 13 A 3332/23
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2023, 32490
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2023:0829.13A3332.23.00
Rechtsgrundlagen
Tenor:
Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger für die Bestattung des verstorbenen D. A. ein weiteres Sterbegeld in Höhe von 3000 Euro zu gewähren. Der Bescheid vom 1. März 2023 in der Fassung des Bescheides vom 18. April 2022 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Mai 2023 wird aufgehoben, soweit er dieser Verpflichtung trägt.
Der Beklagter trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Gewährung eines weiteren Sterbegeldes in Höhe von 3000 Euro.
Der Kläger (ein Bruder des Verstorbenen und dessen Erbe) hat die Bestattung des verstorbenen D. A. übernommen und nach eigenem Vortrag die Kosten hierfür insgesamt getragen. D. A. war Beamter im Ruhestand und Versorgungsempfänger des Landes Niedersachsen.
Der Verstorbene hatte bei der E. Lebensversicherung a.G. eine "E. SterbeGeld"-Versicherung über eine Versicherungssumme von 4000 Euro abgeschlossen. Versicherungsbeginn war im August 2021. Bezugsberechtigt war an erster Stelle F.. Die Bezugsberechtigte ist die Tochter des Klägers.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Versicherungsschein in den Verwaltungsvorgängen Beiakte Bl. 81 B Bezug genommen. In einem Informationsblatt der Versicherungsgesellschaft wird die abgeschlossene Versicherung als "Sterbegeldversicherung" bezeichnet (Beiakte Bl. 94 B). Allerdings wird die Versicherungssumme danach nicht zweckgebunden gezahlt, muss nach den Vertragsbedingungen nicht für die Beerdigungskosten verwendet werden (Beiakte Bl. 99 B). Ausdrücklich ist die Erstattung der tatsächlich anfallenden Bestattungskosten nicht versichert (Beiakte Bl. 138 B). Nach einem Informationsblatt des Versicherungsunternehmens werden neben der Versicherungssumme zusätzlich Leistungen aus einer Überschussbeteiligung gewährt und es wird die Möglichkeit eines Rückkaufes geboten (GA Bl. 19, 20). Die zu gewährende Versicherungsleistung erhöhte sich im Laufe der Versicherungszeit.
Laut Schreiben der Versicherung vom 2. Dezember 2022 zahlte sie an die Leistungsberechtigte einen Betrag von 3.000 Euro und überwies das Geld aufgrund einer entsprechenden Verfügung der Bezugsberechtigten auf das Konto des Bestattungsinstituts (Beiakte Bl. 82 B).
Die Bestattungskosten des verstorbenen Ruhestandsbeamten wurden seitens des Bestattungsunternehmens dem Kläger in Rechnung gestellt. Der Bestatter setzte allerdings vom Rechnungsbetrag die ihm von der Versicherung direkt überwiesenen 3000 Euro ab (Beiakte Bl. 89 B).
Am 7. Februar 2023 (Eingang beim Beklagten) beantragte der Kläger die Gewährung von Sterbegeld.
Mit Bescheid vom 1. März 2023 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger ein Sterbegeld iHv. 1.438,95 € fest. Er ging dabei von berücksichtigungsfähigen Kosten iHv. 4.438,95 Euro aus, setzte davon allerdings die Versicherungsleistung iHv. 3000 Euro ab.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Es handele sich bei der Versicherung um eine kapitalansparende Versicherung, die Versicherungssumme stehe auch nur der F. zu.
Aufgrund einer nachgereichten Rechnung setzte der Beklagte mit Bescheid vom 18. April 2022 dann insgesamt 4.624,71 Euro als berücksichtigungsfähige Kosten an und erhöhte das bewilligte Sterbegeld um weitere 185,76 Euro. Nach wie vor zog der Beklagte allerdings die Versicherungsleistung iHv. 3000 Euro ab.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 2023, zugestellt nach Angaben des Klägers am 13.05.2023, wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Es bestehe nur ein Anspruch auf Sterbegeld, soweit die Kosten der standesgemäßen Bestattung nicht bereits durch Leistungen aufgrund der von dem Ruhestandsbeamten selbst getroffenen Versorgungsmaßnahmen gedeckt sind. Von den entstandenen Bestattungskosten iHv. seien jedoch bereits 3000 Euro durch die Sterbegeldversicherung gedeckt.
Der Kläger hat am 9. Juni 2023 Klage erhoben.
Er trägt vor, Begünstigte der hier streitgegenständlichen Sterbegeldversicherung der E. -Sterbegeldversicherung sei nicht er, der Kläger, sondern F.. Zu deren Gunsten habe der Verstorbene die Versicherung abgeschlossen. Die Empfängerin könne über die Versicherungssumme frei verfügen und müsse sie nicht für die Bestattungskosten einsetzen.
Die Leistung aus dem Versicherungsvertrag in Höhe von 3000,00 € seien zwar direkt an den beauftragten Bestatter nach einer Abtretungserklärung gezahlt worden. Dies aber nur deshalb, weil die durch die Versicherung Begünstigte den ihr zustehenden Leistungsbetrag aus der Sterbegeldversicherung des Verstorbenen ihm, dem Kläger, als Darlehen zur Absicherung der Bestattungskosten für seinen verstorbenen Bruder zur Verfügung gestellt habe. Als Beweis dafür überreiche er den Darlehnsvertrag. Einen ersten Betrag in Höhe von 500 Euro habe er bereits in bar wieder getilgt (dazu legte er eine Empfangsquittung vor), der Rest solle aus der Erbmasse des verstorbenen Beamten ab Februar 2024 in Raten getilgt werden.
Die streitgegenständliche Sterbegeldversicherung sei tatsächlich eine kapitalbildende Lebensversicherung und vorzeitig kündbar. Da die Sterbegeldversicherung eine kapitalbildende Versicherung sei, bilde sich grundsätzlich auch ein "Rückkaufswert". Darüber hinaus habe die Versicherung zum Inhalt, dass zusätzlich zur vereinbarten Versicherungssumme auch eine Leistung aus Überschussbeteiligung gezahlt werde.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 1. März 2023 und den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 11. Mai 2023 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die von der Beklagten auf seinen den Kostensterbegeldantrag in Abzug gebrachte Versicherungsleistung der IDEAL-Lebensversicherung in Höhe von 3000,00 €, an ihn zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er tritt der Klage entgegen. Seien Anspruchsberechtigte im Sinne des § 22 Abs. 1 NBeamtVG - wie in diesem Fall - nicht vorhanden, so sei zwar gem. § 22 Abs. 2 Nr. 2 NBeamtVG Sterbegeld bis zur Höhe ihrer Aufwendungen, höchstens jedoch in Höhe des Sterbegeldes nach Absatz 1 Satz 2 und 3 (sogenanntes Kostensterbegeld), auf Antrag sonstigen Personen zu gewähren, die die Kosten der letzten Krankheit oder der Bestattung getragen haben. Ein Anspruch auf Sterbegeld sei dann aber gemäß § 22 Abs. 2 NBeamtVG dabei nur insoweit gegeben, als die Kosten der standesgemäßen Bestattung nicht bereits durch Leistungen aufgrund der von dem Ruhestandbeamten selbst getroffenen Versorgungsmaßnahmen gedeckt sind. Dabei könne es sich um Sterbegeldversicherungen oder andere Leistungen handeln.
Bei der hier streitigen Versicherung aus dem Versicherungsschein vom 22. Juni 2021 handele es sich um eine Sterbegeldversicherung, mit der der Verstorbene Bestattungskosten in Höhe von 3.000,00 € durch Vorsorgemaßnahmen selbst gedeckt habe. Insoweit habe nicht der Kläger die Kosten der Bestattung im Sinne des § 22 Abs. 2 Nr.2 NBeamtVG getragen und entsprechend in dieser Höhe auch keinen Anspruch.
Alle Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung und mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle der Kammer einverstanden erklärt.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung gemäß § 87a Abs. 2 und 3 VwGO durch den Berichterstatter und nach § 101 Abs. 2 VwGO weiterhin ohne mündliche Verhandlung.
Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung eines weiteren Sterbegeldes in Höhe von 3000 Euro.
Gem. § 22 Abs. 2 Nr. 2 NBeamtVG ist - sofern Anspruchsberechtigte im Sinne des Absatzes 1 des § 22 NBeamtVG nicht vorhanden sind - Sterbegeld auf Antrag sonstigen Personen, die die Kosten der letzten Krankheit oder der Bestattung getragen haben, bis zur Höhe ihrer Aufwendungen, höchstens jedoch in Höhe des Sterbegeldes nach Absatz 1 Satz 2 und 3 der Vorschrift, zu gewähren.
Der Kläger hat die Bestattungskosten in Höhe von 4.624,71 Euro getragen und den vom Gesetz geforderten Antrag auf Sterbegeld gestellt. Auch sind die gesetzlichen Höchstsätze nicht überschritten.
Zwar hat die IDEAL-Versicherung einen Betrag von 3000 Euro an das Bestattungsunternehmen aufgrund einer Abtretung der Bezugsberechtigten (Nichte des Verstorbenen und Tochter des Klägers) überwiesen und der Kläger musste zunächst tatsächlich erst einmal nur den vom Beklagten anerkannten Betrag von 1.624,71 Euro an Bestattungskosten an den Bestatter bzw. andere Gläubiger zahlen.
Jedoch wurde überzeugend dargelegt, dass es sich bei dem Betrag von 3000 Euro, der direkt von der Versicherung an den Bestatter überwiesen wurde, um ein Darlehen der Tochter des Klägers bzw. der Nichte des verstorbenen Beamten handelt und der Kläger dieses Darlehen tatsächlich auch zurückzahlt. Der Kläger hat den Darlehensvertrag und eine Quittung über die erste Rückzahlungsrate vorgelegt. Das Gericht sieht die Unterlagen als glaubhaft an.
Die Versicherungsleistung kann dem Kläger nicht zugerechnet werden. Er ist nicht Bezugsberechtigter des Sterbegelds der E. -Versicherung. Das Sterbegeld wurde von der Versicherung weiterhin nicht zweckgebunden gezahlt, so dass die bezugsberechtigte Tochter auch keineswegs verpflichtet gewesen ist, ihrerseits sich mit der Versicherungssumme an den Kosten der Bestattung ihres Onkels zu beteiligen und den Kläger als Erben insoweit freizustellen.
Nach alledem hat die Nichte des Verstorbenen und Tochter des Klägers dem Kläger einen Betrag von 3000 Euro dem Kläger lediglich "vorgestreckt".
Weil aber der Kläger sich zur Rückzahlung verpflichtet und zumindest bereits die erste Rate gezahlt hat, hat letztendlich nicht die Nichte des Verstorbenen insoweit die Bestattungskosten iHv. 3000 Euro getragen, sondern ebenfalls der Kläger. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Gesetzes hat er nach deshalb Anspruch auf ein weiteres Sterbegeld in der begehrten Höhe.
Zwar ist Sinn und Zweck des § 22 Abs. 2 Nr. 2 NBeamtVG, dass sichergestellt werden soll, dass im Interesse des Ansehens der Beamtenschaft verhindert wird, dass die öffentliche Fürsorge zur Deckung der Bestattungskosten herangezogen und eine standesgemäße Bestattung des Beamten sichergestellt wird (so VG Hamburg, Urteil vom 12. März 2019 - 20 K 4535/15 -, Rn. 29 - 30, juris zum insoweit vergleichbaren § 18 Abs. 2 BeamtVG des Bundes). Aus der Ratio der Norm folgt damit eine Beschränkung des Sterbegeldanspruchs nach § 22 Abs. 2 NBeamtVG dahingehend, dass ein zusätzliches Sterbegeld dann nicht beansprucht werden kann, wenn der Erblasser bereits zu Lebzeiten Vorsorge für die Bezahlung seiner Bestattungskosten getroffen hat.
Das vom Beklagten zitierte Verwaltungsgericht Hamburg sieht dies dann als gegeben an, wenn die Bestattungskosten durch Leistungen aus einer von dem verstorbenen Beamten selbst vorsorglich abgeschlossenen Sterbegeldversicherung bereits gedeckt sind, weil die standesgemäße Bestattung dann jedenfalls bis zur Höhe dieses Betrages gesichert ist (a.a.O. unter Hinweis auf Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28. November 2008 - 2 A 10909/08). Das Gericht begründet seine Ansicht damit, dass eine Sterbegeldversicherung nur für den Todesfall abgeschlossen werde und zielgerichtet der vollen oder teilweisen Deckung der Bestattungskosten diene und deshalb genauso zu behandeln wäre, als wenn die Verstorbene seine Bestattungskosten bereits unmittelbar bezahlt hätte (VG Hamburg, a.a.O. Rn. 30 juris). Maßgeblich ist danach mithin die Zweckgebundenheit der Versicherungsleistungen.
Im vorliegenden Fall fehlt es aber gerade an einer solchen, vom Verwaltungsgericht Hamburg vorausgesetzten Zweckgebundenheit der Versicherungsleistung. Eine entsprechende Regelung ist in dem Versicherungsvertrag des Verstorbenen nicht enthalten. Gegen eine derartige Zweckbindung spricht im Übrigen auch, dass nicht der oder die Erben (der bzw. die die Kosten der Bestattung grundsätzlich zu tragen hätten) Bezugsberechtigte ist bzw. sind, sondern der verstorbene Beamte als Begünstigte eine Nichte von ihm eingesetzt hatte.
Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz führt aus, in der Rechtsprechung zu § 18 BeamtVG (des Bundes) sei anerkannt, dass ein Sterbegeldanspruch ausgeschlossen ist, soweit dem Anspruchsberechtigten kostendeckende Leistungen aus einer Kranken- oder Sterbegeldversicherung zugeflossen und ihm bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise folglich keine Aufwendungen entstanden sind (Urteil vom 28. November 2008 - 2 A 10909/08 -, Rn. 21, juris). Aber auch auf diese Entscheidung kann der Beklagte seine Ablehnung nicht stützen. Denn dem Kläger sind ja gerade nicht zur Deckung der Bestattungskosten für seinen Bruder Mittel aus einer entsprechenden Versicherung zugeflossen. Ihm wurde lediglich zur Unterstützung seitens seiner Tochter ein Darlehen gewährt.
Gründe für die Zulassung der Berufung gem. §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.