Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 02.06.2008, Az.: 4 AR 39/08
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 02.06.2008
- Aktenzeichen
- 4 AR 39/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 42420
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2008:0602.4AR39.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Lüneburg - AZ: 4 O 113/08
- AG Lüneburg - AZ: 39 C 457/06
Fundstelle
- OLGR Celle 2009, 273-274
In dem Verfahren
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Landgericht ... am 2. Juni 2008 beschlossen:
Tenor:
Das Landgericht Lüneburg ist für die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag der Beklagten zu 2 für die beabsichtigte Widerklage zuständig.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagten aus einem Darlehensvertrag auf Zahlung von 1 362,41 € in Anspruch. Die Beklagte zu 2 beabsichtigt mit der angekündigten Widerklage, die Klägerin zu Schadensersatz und Schmerzensgeld von insgesamt über 5 000 € verurteilen zu lassen.
Die Klägerin hat nach vorangegangenem Mahnverfahren die Abgabe des Verfahrens an das Amtsgericht Lüneburg beantragt. Diesem Antrag wurde entsprochen. Die Beklagte zu 2 hat im Verlauf des Verfahrens einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Widerklage eingereicht und gleichzeitig einen Antrag auf Verweisung an das Landgericht gestellt. Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 25. März 2008 nach Anhörung der Klägerin den Rechtsstreit gemäß § 281 ZPO an das sachlich zuständige Landgericht Lüneburg verwiesen. Dieses hat nach Klärung der Frage, ob eine bedingte oder unbedingte Widerklage erhoben werden sollte, mit Verfügung vom 14. Mai 2008 das Verfahren an das Amtsgericht Lüneburg zurückgesandt. Zur Begründung hat das Landgericht angegeben, dass die Voraussetzungen des § 506 ZPO nicht vorgelegen hätten, da die angekündigte Widerklage nur unter der Bedingung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe erhoben werden sollte und hierüber das Landgericht mangels eigener Zuständigkeit nicht entscheiden könne. Mit Beschluss vom 19. Mai 2008 hat sich das Amtsgericht Lüneburg im PKH-Verfahren betreffend die von der Beklagten zu 2 beabsichtigte Widerklage für sachlich unzuständig erklärt und den Verweisungsbeschluss vom 25. März 2008 aufrecht erhalten. Die Abgabe erfolge zunächst im Rahmen des PKH-Verfahrens; für diesen Prozesskostenhilfeantrag sei das Amtsgericht sachlich unzuständig, weil der Wert der beabsichtigten Widerklage zur Zuständigkeit des Landgerichts gehöre. Mit Beschluss vom 21. Mai 2008 hat sich das Landgericht Lüneburg für sachlich unzuständig erklärt und gemeint, seine Zuständigkeit ergebe sich auch nicht aus der nur bedingt erhobenen Widerklage. Allein durch Stellen eines Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe würden die Voraussetzungen des § 506 ZPO nicht erfüllt, da es an der Rechtshängigkeit der Widerklage fehle.
Das Amtsgericht Lüneburg hat das Verfahren dem Oberlandesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
II.
1. Der Senat ist gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO zur Entscheidung über die Zuständigkeit berufen. Amts- und Landgericht Lüneburg haben sich rechtskräftig für unzuständig erklärt, obwohl eines von ihnen für die Entscheidung zuständig ist.
2. Das Oberlandesgericht hat das Landgericht Lüneburg als das für die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag für die beabsichtigte Widerklage zuständige Gericht bestimmt.
a) Allerdings ist das Landgericht nicht aufgrund des Verweisungsbeschlusses vom 25. März 2008 zuständig. Dieser Beschluss entfaltet keine Bindungswirkung, da ihm die rechtliche Grundlage fehlt (vgl. hierzu BGH NJW-RR 1990, 708; BGH NJW 2004, 3201; Musielak-Foerste, ZPO, 5. Aufl., § 281 Rn. 17; Zöller-Greger, ZPO, 26. Aufl., § 281 Rn. 17). Zutreffend weist das Landgericht darauf hin, dass eine Verweisung nach § 506 ZPO nicht in Betracht kommt. § 506 ZPO setzt die Erhebung der Widerklage voraus, wofür gem. § 253 Abs. 1 ZPO die Zustellung der Klageschrift erforderlich ist. Dies ist bislang nicht erfolgt, da die Erhebung abhängig von der Bewilligung der Prozesskostenhilfe sein soll. Insoweit ist das Landgericht Lüneburg - noch - nicht für die Entscheidung dieses Rechtsstreits zuständig.
b) Allerdings ist das Landgericht nunmehr zuständig aufgrund des Verweisungsbeschlusses des Amtsgerichts vom 19. Mai 2008 für die Prüfung im Prozesskostenhilfeverfahren, ob die beabsichtigte Widerklage gem. § 114 ZPO hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Hiermit ist das Verfahren im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren bindend vom Amtsgericht an das Landgericht verwiesen worden. Eine Verweisung i.S.v. § 506 ZPO liegt nach Ansicht des Senats nicht vor.
Generell findet § 281 ZPO - analog - im Prozesskostenhilfeverfahren Anwendung; hierbei genügt die formlose Mitteilung der Antragsschrift an den Antragsgegner ( BGH NJW-RR 1992, 59 [BGH 18.04.1991 - I ARZ 748/90]; NJW-RR 1994, 706). Eine solche Verweisung entfaltet allerdings nur für das Prozesskostenhilfeverfahren Bindungswirkung, nicht jedoch für das Hauptsacheverfahren ( BGH NJW-RR 2004, 1437 [BGH 13.07.2004 - VI ZB 12/04]). Die Bindungswirkung entfällt nur, wenn dem Verweisungsbeschluss jegliche rechtliche Grundlage fehlt und er objektiv willkürlich zustande gekommen ist. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Vielmehr ist das Amtsgericht mit dem Beschluss vom 19. Mai 2008 zutreffend davon ausgegangen, dass das Landgericht für die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag hinsichtlich der beabsichtigten Widerklage zuständig ist. Hierfür spricht folgendes:
Wird Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage auf Zahlung von über 5 000 € beantragt, so ist das Amtsgericht hierfür nicht zuständig; der Antrag wäre zurückzuweisen, sofern kein Verweisungsantrag an das zuständige Landgericht gestellt würde. Umgekehrt darf das Landgericht als Gericht erster Instanz nicht Prozesskostenhilfe für eine auf Zahlung von 5 000 € oder weniger gerichtete Klage bewilligen, sondern müsste entweder das Verfahren an das Amtsgericht verweisen oder aber den Antrag als unbegründet zurückweisen, weil die Entscheidung über den Betrag, für den eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, in die Zuständigkeit des Amtsgerichts fiele. Nicht anders ist die Situation im Rahmen eines Prozesskostenhilfeantrags für die Erhebung einer Widerklage zu werten, solange das Verfahren wegen der Klage noch beim Amtsgericht rechtshängig ist. Der Verfahrensablauf könnte dieser sein, dass das Landgericht nach Eingang über die Prozesskostenhilfe entscheidet und das Verfahren dann - sofern Prozesskostenhilfe für die Widerklage vor dem Landgericht bewilligt wird - das Verfahren an das Amtsgericht zurück gibt, dieses die Klage zustellt und dann gemäß § 506 ZPO an das Landgericht verweist (so auch Musielak-Fischer, a.a.O., § 114 Rn. 25).
Nach Ansicht des Senats spricht für die Zuständigkeit des Landgerichts auch der Umstand, dass das Amtsgericht sinnvollerweise nicht über einen Prozesskostenhilfeantrag entscheiden soll, bei dessen Gewährung das Landgericht unmittelbar für die Hauptsache zuständig wird. Es erschient nicht praktikabel, dass das Landgericht auf eine Verweisung gemäß § 506 ZPO für ein Verfahren und die Entscheidung hierüber zuständig ist, wenn die Erhebung der Widerklage von der Bewilligung von Prozesskostenhilfe abhängig gemacht wurde, das nunmehr in der Hauptsache zuständige Landgericht nicht zuvor selbst über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe entscheiden konnte und jetzt die Rechtslage möglicherweise anders beurteilt. Wird zunächst der Prozesskostenhilfeantrag beim Landgericht eingereicht, bewilligt das Landgericht nicht Prozesskostenhilfe für das Verfahren beim Amtsgericht, sondern verneint die Begründetheit des Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für einen Rechtsstreit vor dem Landgericht, sofern die Zuständigkeit des Landgerichts nicht - mehr - vom Umfang der Bewilligung umfasst werden würde, oder verweist das Verfahren auf Antrag an das Amtsgericht. In beiden Fällen kann und muss das Amtsgericht daraufhin in eigener Zuständigkeit über den Antrag auf Prozesskostenhilfebewilligung entscheiden, wobei es dann in der Hauptsache ggf. selbst zuständig ist. Warum dieser Ablauf bei einer auf Zahlung von über 5 000 EUR beabsichtigten Widerklage in einem beim Amtsgericht anhängigen Verfahren anders sein sollte, ist nicht ersichtlich.
Aus diesen Gründen ist eine bei der oben skizzierten Verfahrensweise möglicherweise eintretende Verfahrensverzögerung - insbesondere für die Klägerin - nach Auffassung des Senats hinnehmbar.
3. Einer Vorlage an den Bundesgerichtshof im Hinblick auf die vom Landgericht Lüneburg zitierte Entscheidung des Kammergerichts (Beschluss vom 19. Juli 2007, Az: 2 AR 23/07 - nach juris) bedarf es nicht. Der dem Kammergerichtsbeschluss zugrunde liegende Sachverhalt ist anders gelagert. Dort hatte das Amtsgericht bereits über einen Teil der bedingt erhobenen Widerklage entschieden und sodann den Rechtsstreit wegen der "erhobenen" Widerklage an das Landgericht verwiesen. Der vom Kammergericht formulierte Satz, dass über einen bei einem Amtsgericht eingereichten Prozesskostenhilfeantrag, der sich auf eine den Wert von 5 000 € übersteigende Widerklage bezieht, zunächst das angerufene Gericht zu befinden hat, war jedenfalls für die dem Kammergericht unterbreitete Entscheidung nicht maßgebend.