Landgericht Hannover
Urt. v. 25.02.2011, Az.: 13 O 213/10
Bei Vereinbarung einer Vorschussregelung i.R.e. provisionsbasierten Tätigkeit kann sich der Vorschussempfänger bei Kündigung des Finanzmaklervertrages nicht auf Entreicherung berufen; Anforderungen an den Begriff und die Tätigkeit eines Einfirmenvertreters i.S.d. § 5 Abs. 3 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) bzw. § 92a Handelsgesetzbuch (HGB)
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 25.02.2011
- Aktenzeichen
- 13 O 213/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 15771
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2011:0225.13O213.10.0A
Rechtsgrundlagen
- § 5 Abs. 3 ArbGG
- § 84 ff. HGB
- § 92a HGB
- § 812 Abs. 1 BGB
Verfahrensgegenstand
Rückzahlung von Provisionsvorschüssen
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Ein Einfirmenvertreter kraft Weisung gemäß § 92a Abs. 1 Alt. 2 HGB kann nur sein, wem Vorgaben zu Art und Umfang seiner Tätigkeit gemacht werden.
- 2.
Gegenüber einem Rückzahlungsanspruch hinsichtlich unverdienter Vorschüsse auf Provisionen kann sich ein Handelsvertreter nicht auf Entreicherung berufen.
In dem Rechtsstreit
...
hat die 13. Zivilkammer des Landgerichts Hannover
auf die mündliche Verhandlung vom 9. Februar 2011
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. P. als Einzelrichter
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.984,52 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 5.944,01 EUR seit dem 13. Februar 2010 und auf weitere 40,51 EUR seit dem 4. Oktober 2010 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin mit Sitz in Hannover nimmt die in Kassel wohnhafte Beklagte auf Rückzahlung von Provisionsvorschüssen in Anspruch.
Bei der Klägerin handelt es sich um ein Finanzdienstleistungsunternehmen, das als Maklerin gem. § 93 HGB tätig ist. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben bedient sie sich der Hilfe von Handelsvertretern, die bei ihr Finanzberater genannt werden.
Die Parteien waren ab dem 1. April 2008 durch einen Finanzberatervertrag verbunden. Gem. Ziffer 7.5 des Vertrages ist Gerichtsstand Sitz der Klägerin, wenn der Finanzberater Kaufmann ist. Wegen der Einzelheiten des Vertrags wird auf die bei den Akten befindliche Fotokopie Bezug genommen. Zur Versicherungsvermittlung ist eine Gewerbeerlaubnis gem. § 34d GewO erforderlich, über die die Beklagte zunächst nicht verfügte.
Zur Überbrückung bietet die Klägerin ihren Handelsvertretern Provisionsvorschüsse als "Starthilfen" an. Die Beklagte beantragte eine solche Starthilfe bei der Klägerin und erhielt in der Folgezeit 2.000 EUR, nochmals 2.000 EUR und sodann nochmals 1.000 EUR und nochmals 1.000 EUR, insgesamt also 6.000 EUR als Provisionsvorschuss. Die Beklagte brachte hiervon einen Betrag von 72,63 EUR ins Verdienen, so dass sich die Klägerin unverdiente Provisionsvorschüsse von 5.927,37 EUR errechnet. Über die Vorschüsse und die Provisionen erstellte die Klägerin monatliche Vorschüsse. Die Abrechnung 6/2010 wies zu Lasten der Beklagten einen Betrag von 57,15 EUR aus. Dieser Betrag einschließlich der nicht verdienten Vorschüsse macht den Klagebetrag von 5.984,52 EUR aus. Mit Schreiben vom 2. Juli 2009 kündigte die Klägerin das Vertragsverhältnis mit der Beklagten zum 31. Oktober 2009. Die Klägerin forderte mit Schreiben vom 25. Januar 2010 die Beklagte zur Zahlung der Vorschüsse bis zum 12. Februar 2010 auf.
Die Klägerin meint, die Beklagte sei als Handelsvertreterin tätig gewesen, nicht als Arbeitnehmerin. Demzufolge hält sie das angerufene Gericht gem. dem Finanzberatervertrag für zuständig, nicht als Arbeitsgericht Kassel am Wohnsitz der Beklagten. Nach Auffassung der Klägerin ist die Beklagte nicht als Einfirmenvertreterin kraft Vertrages tätig geworden und auch nicht als Einfirmenvertreterin kraft Weisung. Die Klägerin bestreitet, dass die Beklagte in ihren Betrieb eingebunden war und weist darauf hin, dass die Beklagte keiner Präsenzpflicht unterlegen habe.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.984,52 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 5.944,01 EUR seit dem 13. Februar 2010 und auf weitere 40,51 EUR seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
hilfsweise beantragt die Klägerin Verweisung an das Arbeitsgericht Kassel.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, sie sei als Arbeitnehmerin tätig gewesen und hält demzufolge die Zuständigkeit des Landgerichts nicht für gegeben. Sie behauptet, auf Anweisung der Mitarbeiter K. und A. sei sie angewiesen worden, an der Hochschule F. junge Akademiker anzusprechen. Sie sei Einfirmenvertreterin gewesen und habe den Anweisungen der Mitarbeiter der Klägerin Folge leisten müssen. Auch Ort und Zeit ihrer Leistungserbringung hätten dem Weisungsrecht der Klägerin unterlegen. Insgesamt sei sie in die Hierarchie der Klägerin eingebunden gewesen. Da es sich bei den Vorschüssen um Arbeitslohn gehandelt habe, könne dieser nicht zurückgefordert werden, zumal die Beklagte auch zwischenzeitlich entreichert sei.
Die Klage ist der Beklagten am 4. Oktober 2010 zugestellt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Das Landgericht Hannover ist zuständig, nachdem die Parteien im Finanzberatervertrag die Zuständigkeit des Landgerichts Hannover vereinbart haben und die Beklagte als Kaufmann auch diese Prorogationsvereinbarung wirksam treffen konnte. Zunächst ist festzuhalten, dass die Beklagte durch den Finanzberatervertrag mit der Klägerin der äußeren Form nach Handelsvertreterin (§ 84 ff. HGB) geworden ist und als solche auch Kaufmann ist. Als Kaufmann bzw. Kauffrau konnte sie die streitgegenständliche Gerichtsstandsabrede treffen.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte als Einfirmenvertreterin gem. § 5 Abs. 3 ArbGG bzw. § 92a HGB tätig geworden ist. Nach dem Vertrag war die Beklagte nicht gehindert, auch für andere Unternehmen als das der Klägerin tätig zu werden. Die Beklagte war lediglich gem. Ziffer 7 des Finanzberatervertrages gehindert, für Konkurrenztätigkeiten auszuüben, im Übrigen konnte sie auch für andere Unternehmen tätig werden.
Die Beklagte war auch keine Einfirmenvertreterin kraft Weisung gem. § 92a Abs. 1 2. Alt. HGB. Das war ggf. der Fall gewesen, wenn der Beklagten Vorgaben zu Art und Umfang ihrer Tätigkeit gemacht worden wären, ob sie selbst den Tagesablauf regeln konnte oder ob sie einer gewissen Präsenzpflicht unterlag. Hierzu hat die Beklagte zwar vorgetragen, sie sei von den Herren K. und A. angewiesen worden, junge Akademiker anzusprechen und insoweit auch weisungsunterworfen gewesen. Das reicht jedoch nicht aus. Aus der Darstellung der Beklagten wird nicht deutlich, dass sie -wie Arbeitnehmer - in den Betrieb oder die Organisationsstruktur der Klägerin eingebunden war. Insoweit mangelt es dem Vortrag der Beklagten an Tatsachen, aus denen sich eine entsprechende Weisungsunterworfenheit ableiten lässt. Hier hätte die Beklagte näher vortragen müssen, wie die Einbindung und die Weisungsunterworfenheit konkret ausgestaltet war, jedenfalls nachdem die Klägerin diese Einbeziehung ausdrücklich und mit Substanz bestritten hat.
Danach ist die Beklagte verpflichtet, die unverdienten Vorschüsse auf Provisionen zurückzuzahlen, nachdem auch die Höhe der Vorschüsse bzw. der Klageforderung nicht im Streit war. Jedenfalls kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, sie sei um die gezahlten Summen jetzt entreichert, da sie die Beträge zum Lebensunterhalt verwendet habe. Mit diesem Anspruch aus § 812 Abs. 1 BGB kann sich die Beklagte zwar ggf. gegenüber überzahltem Arbeitslohn wehren, nicht jedoch gegenüber der Klägerin, die sich wirksam auf eine Vorschussregelung berufen kann.
Die Entscheidung über die Nebenforderung beruht auf §§ 286, 288 Abs. 2, 291 BGB. Da die Beklagte keine Verbraucherin ist, war der Verzugsschaden antragsgemäß auf acht Prozentpunkte über dem Basiszinssatz ab Verzugseintritt festzusetzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf§ 709 ZPO.