Landgericht Hannover
Urt. v. 09.03.2011, Az.: 11 O 48/10
Verjährung von Gewährleistungsansprüchen wegen nicht rechtzeitiger Mitteilung einer Adressänderung der Klägerin
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 09.03.2011
- Aktenzeichen
- 11 O 48/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 14039
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2011:0309.11O48.10.0A
Rechtsgrundlage
- § 768 Abs. 1 S. 1 BGB
Fundstellen
- BauR 2011, 1214
- IBR 2011, 331
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Im Zusammenhang mit der Sanierung von Flachdächern ist die formularmäßige Vereinbarung einer 10-jährigen Verjährungsfrist rechtlich nicht zu beanstanden.
- 2.
Ein Werkvertrag und die darin enthaltene Sicherungsabrede wirken wegen der Akzessorietät der Bürgenhaftung auf eine im Zusammenhang mit dem Werkvertrag eingegangene Bürgschaftsvereinbarung zurück. Ist im Werkvertrag die Sicherung etwaiger Gewährleistungsansprüche nur für 5 Jahre vereinbart, kann sich hierauf der Bürge auch dann berufen, wenn in der Bürgschaftsurkunde selbst eine solche Begrenzung nicht enthalten ist.
In dem Rechtsstreit
...
hat die 11. Zivilkammer des Landgerichts Hannover
auf die mündliche Verhandlung vom 16.02.2011
durch
xxx
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin ließ von der Fa. xxx aufgrund von Werkverträgen vom 25.08.1999 (Halle 7, Anlage K 1) sowie vom 24.03.2000 (Halle 8, Anlage K 2) für die Produktionshallen 7 und 8 auf ihrem Werksgelände in xxx die Dachflächen sanieren und Dacheindeckungen erneuern. Die Abnahmen erfolgten am 04.11.1999 (Halle 7) und am 11.08.2000 (Halle 8).
Die Beklagte verbürgte sich zur Sicherstellung der vertragsgemäßen Gewährleistung mit Bürgschaftsurkunden vom 08.11.1999 (Anlage K 5) und 16.08.2000 (Anlage K 6).
Als Gewährleistungszeit war in beiden Werkverträgen eine Frist von 10 Jahren vereinbart. Im Abnahmeprotokoll betreffend die Halle 8 wurde abweichend davon die Gewährleistungszeit auf 5 Jahre festgelegt.
Die Klägerin nimmt die Beklagte mit der vorliegenden Klage aus den Gewährleistungsbürgschaften in Anspruch.
Die Klägerin behauptet, die Arbeiten der xxx seien mangelhaft ausgeführt worden. Sie nimmt hierzu Bezug auf das bei dem Landgericht Leipzig durchgeführte selbständige Beweisverfahren (Gz. 11 OH 63/05) und das dort erstattete Gutachten des Sachverständigen xxx. Zudem führt sie zu den behaupteten Mängeln weiter aus (u.a. S. 7ff. der Klagschrift).
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 8.788,82 EUR nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie wendet ein, es handele sich ausgehend von Nr. 7 der Werkverträge um Zeitbürgschaften. Diese seien nicht rechtzeitig in Anspruch genommen worden. Die formularmäßig vereinbarte 10-jährige Gewährleistungsfrist sei unwirksam. Zudem ist sie der Ansicht, die gesicherten Gewährleistungsansprüche seien verjährt, worauf sie sich hilfsweise beruft.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagte sind jedenfalls nicht mehr durchsetzbar.
I.
Hinsichtlich der Halle 8 (Werkvertrag vom 24.03.2000) beruft sich die Beklagte über § 768 Abs. 1 S. 1 BGB zu Recht auf Verjährung der Gewährleistungsansprüche. Die Gewährleistungsfrist wurde von den Parteien des Werkvertrags, der Klägerin und der xxx, in dem Abnahmeprotokoll vom 11.08.2000 in Abänderung von § 10 des Werkvertrags auf 5 Jahre festgesetzt. Die Frist endete somit am 10.08.2005. Verjährungshemmende oder -unterbrechende Maßnahmen sind von der Klägerin nicht rechtzeitig vorgenommen worden. Die Zustellung des Antrags auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens beim Landgericht Leipzig, Gz. 11 OH 63/05, erfolgte nicht in unverjährter Zeit. Eine Rückwirkung der Zustellung (§ 167 ZPO) ist angesichts des erheblichen zeitlichen Verzuges (erste Zustellung an die xxx am 03.04.2006) nicht mehr anzunehmen. Die verspätete Zustellung beruhte auf der Nachlässigkeit der Klägerin. Unstreitig war ihr durch Schriftwechsel in Bezug auf andere Bauvorhaben spätestens seit dem Jahr 2003 die infolge Eingemeindung und Umbenennung der Straße geänderte Anschrift der xxx bekannt. Auch der Schriftsatz der Klägerin vom 15.02.2011 (Bl. 161ff. d.A.) führt zu keiner anderen Bewertung. Soweit die Klägerin hinsichtlich der Halle 8 darauf abstellen will, die in dem selbständigen Beweisverfahren eingetretene Verzögerung sei allein vom Landgericht Leipzig zu vertreten, so kann dem nicht gefolgt werden. Denn zum einen enthält die Antragsschrift in dem selbständigen Beweisverfahren die nicht mehr zutreffende Anschrift der xxx, obgleich, wie ausgeführt, der Klägerin die neue Anschrift bekannt war. Zudem ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin ab Mitte September 2005, nachdem das Landgericht mitgeteilt hatte, dass nach wie vor nicht zugestellt werden könne, irgendwelche Maßnahmen ergriffen hätte, die eine zeitnahe Zustellung in dem selbständigen Beweisverfahren dann jedenfalls noch ermöglicht hätte. Diese Umstände gehen zu Lasten der Klägerin.
II.
Auch in Bezug auf die Halle 7 (Werkvertrag vom 25.08.1999) sind Ansprüche gegen die Beklagte jedenfalls nicht mehr durchsetzbar. Zwar ist die in § 10 des Werkvertrags festgelegte Gewährleistungsfrist von 10 Jahren wirksam vereinbart worden. Im Hinblick auf die besonderen Risiken von Flachdächern hat der BGH die formularmäßige Vereinbarung einer 10-jährigen Verjährungsfrist mit § 9 AGBG für vereinbar gehalten. Der von der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung vermag die Kammer insoweit nicht zu folgen. Allerdings handelt es sich vorliegend um eine Zeitbürgschaft. Dies ergibt sich aus §§ 7 und 10 des Werkvertrags. § 7 statuiert einen Einbehalt in Höhe von 5% des Gesamtbetrages als Kaution für eventuell entstehende Garantieschäden, der 5 Jahre nach Abnahme ausgezahlt wird. Zudem ist dort festgelegt, dass dieser Einbehalt durch Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft abgelöst wird. In § 10 heißt es sodann:
"Die Gewährleistungsfrist endet 10 Jahre, davon 5 Jahre abgesichert durch eine Versicherung, nach Abnahme (...)."
Nach dem eindeutigen Wortlaut, aber auch nach Sinn und Zweck dieser Regelungen war von den Vertragsparteien eine Sicherung etwaiger Gewährleistungsansprüche der Klägerin nur für 5 Jahre gewollt. Der von der Klägerin in dem Schriftsatz vom 15.02.2011 genannten Auslegung vermag sich die Kammer daher nicht anzuschließen. Auf diese Sicherungsabrede kann sich die Beklagte gemäß § 768 Abs. 1 S. 1 BGB berufen. Dies folgt aus Sinn und Zweck des Akzessorietätsgedankens, der sicherstellen soll, dass der Bürge grundsätzlich nicht mehr zu leisten hat als der Hauptschuldner (vgl. BGH, NJW 2003, 1805 [BGH 23.01.2003 - VII ZR 210/01]). Daran ändert auch nichts, dass die Bürgschaftsurkunde selbst eine solche Begrenzung nicht enthält. Der Werkvertrag und die darin enthaltene Sicherungsabrede wirken wegen der Akzessorietät der Bürgenhaftung, wie ausgeführt, auf die Bürgschaftsvereinbarung zurück. Aus der Formulierung in der Bürgschaftsurkunde "nicht auf bestimmte Zeit begrenzt" lässt sich auch nicht herleiten, dass Beklagte auf Einreden aus der Sicherungsabrede verzichten wollte.
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist nach der Rechtsprechung des BGH in solchen Fällen uneingeschränkt § 777 BGB anwendbar (BGH, a.a.O.). Soweit der BGH in jenem Fall ausführt, dass die dortige Beklagte die Bürgschaft solange in Anspruch nehmen durfte, solange sie nicht verpflichtet war, eine Verzichtserklärung abzugeben bzw. die Bürgschaft zurückzugeben, so ist dies nicht in jedem Fall erforderlich. Vielmehr handelt es sich bei Verzicht bzw. Rückgabe der Bürgschaft um eine Konkretisierung einer Vertragspflicht.
Die Anzeige nach § 777 BGB war - sofern man den Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens überhaupt ausreichen lassen wollte, was zweifelhaft erscheint - jedenfalls verspätet. Die Abnahme der Halle 7 erfolgte am 04.11.1999, so dass die 5-Jahres-Frist am 03.11.2004 endete. Der Antrag wurde der Beklagten laut Zustellungsurkunde jedoch erst am 18.08.2005 zugestellt, mithin mehr als 9 Monate nach Ablauf der Frist. Damit ist die Anzeige jedenfalls nicht unverzüglich (§ 777 Abs. 1 BGB) erfolgt.
III.
Nach alledem war die Klage mit den aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO folgenden Nebenentscheidungen abzuweisen.