Landgericht Hannover
Beschl. v. 20.06.2011, Az.: 11 T 5/11

Arbeitseinkommen und Sozialleistungen sind zur Beurteilung des pfändbaren Einkommens grundsätzlich zusammenrechenbar; Zulässigkeit einer Zusammenrechnung von Arbeitseinkommen und Sozialleistungen zur Beurteilung des pfändbaren Einkommens

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
20.06.2011
Aktenzeichen
11 T 5/11
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 22259
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2011:0620.11T5.11.0A

Fundstellen

  • InsbürO 2012, 37
  • VuR 2011, 470
  • ZInsO 2011, 1611-1612

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Arbeitseinkommen und Sozialleistungen sind zur Beurteilung des pfändbaren Einkommens grundsätzlich zusammenrechenbar; ein Beschluss nach § 850e Ziffer 2 a ZPO ist auf Antrag des Treuhänders möglich.

  2. 2.

    Keine Zusammenrechnung ist jedoch mit Sozialleistungen nach dem SGB II (Kosten für Unterkunft und Heizung) möglich, da diese an die Stelle des Wohngeldes getreten sind. Auf das besteht gem. § 7 WGG kein Anspruch mehr. Auf diese Sozialleistung wird die Vorschrift des § 54 Abs. 3 Ziffer 2a SGB I analog angewendet, so dass Zahlungen für Unterkunft und Heizung unpfändbar sind.

  3. 3.

    Eine teilweise Nichtberücksichtigung gem. § 850c Abs. 4 ZPO bei sich nur rechnerisch im Rahmen der für die Bemessung des ALG II maßgeblichen Bedarfsgemeinschaft ergebenden Einkommens ist nicht möglich.

[Gründe]

1

Auf Eigenantrag des Schuldners ist am 12.07.2005 das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet worden. Das Verfahren befindet sich zurzeit in der Wohlverhaltensphase.

2

Der Schuldner ist erwerbstätig. Pfändbare Einkommensteile stehen jedoch nicht zur Verfügung.

3

Ausweislich der Bescheide des Jobcenters Hannover vom 13.09. bzw. 28.09.2010 bezieht der Schuldner für sich, seine Ehefrau und 2 minderjährige Kinder im Rahmen einer Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II (Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt jetzt 301,64 EUR).

4

Am 15. Dezember 2010 ist seitens des Treuhänders die Zusammenrechnung der Einkünfte aus Arbeitseinkommen und Sozialleistungen (§ 850e ZPO) und die teilweise Nichtberücksichtigung der Ehefrau des Schuldners (§ 850c Abs. 4 ZPO) beantragt worden.

5

Dieser Antrag ist durch Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 07.01.2011 abgelehnt worden. Zur Begründung ist ausgeführt worden, dass ansonsten auf Kosten der Staatskasse Masse zu Gunsten der Verfahrenskosten und der Gläubiger gebildet und verwendet werde.

6

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Treuhänders.

7

Gem. § 568 ZPO war die Sache der Kammer zu übertragen.

8

Die sofortige Beschwerde ist zulässig. In der Sache bleibt sie aber im Ergebnis ohne Erfolg.

9

Zwar ist es richtig, dass die Begründung des AG in dieser allgemeinen und generellen Form nicht zutreffend ist und insbesondere auch der gesetzlichen Regelung des § 54 SGB I nicht gerecht wird. In dieser Vorschrift ist im Einzelnen und konkret geregelt, unter welchen Voraussetzungen Sozialleistungen pfändbar bzw. unpfändbar sind.

10

Wie die Kammer aber bereits in der Vfg. v. 15.3.2011 ausgeführt hat, betreffen die hier im Räume stehenden Leistungen nachSGB II die Unterkunfts- und Heizungskosten. Die Leistungen sind deshalb im Ergebnis an die Stelle des Wohngeldes getreten, auf das gem. § 7 WGG kein Anspruch mehr besteht. Bei dieser Situation erscheint es angebracht, auf diese Sozialleistungen die Vorschrift des § 54 Abs. 3 Nr. 2a SGB I zumindest analog anzuwenden. Hieraus ergibt sich, dass die genannten Leistungen unpfändbar sind.

11

Hieraus folgt auch, dass eine Zusammenrechnung nach § 850e Nr. 2a ZPO nicht in Betracht kommt. Auch die beantragte Anordnung nach § 850c Abs. 4 ZPO scheidet im Ergebnis aus. Zweifelhaft könnte schon sein, ob es sich insoweit überhaupt um eigenes Einkommen der Ehefrau handelt. Der im Räume stehende Betrag von 103,45 EUR verhält sich lediglich rechnerisch im Rahmen der für die Bemessung des ALG II maßgeblichen Bedarfsgemeinschaft auf die Ehefrau. Der Antragsteller war der Schuldner selbst. Dahinstehen kann auch, ob die o.g. Unpfändbarkeit des Anspruchs einer Bestimmung nach § 850c Abs. 4 ZPO generell entgegensteht. Auf jeden Fall würde es nicht der Billigkeit entsprechen, wenn man alleine wegen der Art und Weise der Berechnung des ALG II im Rahmen einer Bedarfsgemeinschaft die Vorschrift des § 54 Abs. 3 Nr. 2a SGB I unberücksichtigt ließe. Denn ansonsten würde der Schutzgedanke der genannten Vorschrift im Ergebnis unterlaufen. Hinzu kommt, dass sich aus der genannten Vorschrift ergibt, dass diese Sozialleistungen zweckgebunden sind und deshalb - ausschließlich - für den Inhaber der Mietzinsansprüche pfändbar sind. Auch dieser Zweckbestimmung würde es nicht entsprechen, die "Einkünfte" der Ehefrau im Rahmen des§ 850c Abs. 4 ZPO zu berücksichtigen. Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97, 3 ZPO.