Landgericht Hannover
Urt. v. 13.05.2011, Az.: 16 O 9/11
Erbbauzins kann nach Ablauf der Wartefrist entsprechend dem Verbraucherpreisindex erhöht werden; Erhöhung des Erbbauzinses nach Ablauf der Wartefrist entsprechend dem Verbraucherpreisindex
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 13.05.2011
- Aktenzeichen
- 16 O 9/11
- Entscheidungsform
- Schlussurteil
- Referenz
- WKRS 2011, 28318
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2011:0513.16O9.11.0A
Rechtsgrundlagen
- § 5 ErbbauRG
- § 9a ErbbauRG
- § 14 ErbbauRG
- § 305c BGB
Redaktioneller Leitsatz
Wertsicherungsklauseln in einem Erbbaurechtsvertrag, die eine prozentuale Erhöhung des Erbbauzinses entsprechend der Erhöhung des Lebenshaltungskostenindexes beziehungsweise Verbraucherpreisindexes vorsehen, verstoßen nicht gegen § 305c BGB.
In dem Rechtsstreit ... hat die 16. Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 28.04.2011 durch die Richterin am Landgericht xxx als stellvertretende Vorsitzende, die Richterin am Landgericht xxx und den Richter am Landgericht ... fürRecht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Beklagte zu 1.) wird verurteilt,
a. an den Kläger für das im Erbbaugrundbuch xxx von Blatt xxx eingetragene Erbbaurecht einen weiteren jeweils am 01.04. eines jeden Jahres fälligen jährlichen Erbbauzins in Höhe von 367,44 EUR für den Zeitraum vom 01.04.2010 bis zum 30.09.2079 zu zahlen,
b. die Eintragung eines weiteren jährlichen Erbbauzinses für den Zeitraum vom 01.04.2010 bis zum 30.09.2079 in Höhe von jährlich 367,44 EUR als selbständige Reallast für den jeweiligen Grundstückeigentümer im Erbbaugrundbuch von xxx Blatt..... zu bewilligen, und zwar unter teilweiser Ausnutzung der Vormerkung in gleichem Range mit dem Erbbauzins.
- 2.
Der Beklagte zu 3.) wird verurteilt als Gesamtschuldner mit der Beklagten zu 2.),
a. an den Kläger für das im Erbbaugrundbuch von.........Blatt xxx eingetragene Erbbaurecht einen weiteren jeweils am 01.04. eines jeden Jahres fälligen jährlichen Erbbauzins in Höhe von 177,17 EUR für den Zeitraum vom 01.04.2010 bis zum 30.09.2079 zu zahlen,
b. die Eintragung eines weiteren jährlichen Erbbauzinses für den Zeitraum vom 01.04.2010 bis zum 30.09.2079 in Höhe von jährlich 177,17 EUR als selbständige Reallast für den jeweiligen Grundstückeigentümer im Erbbaugrundbuch xxx von Blatt.... zu bewilligen, und zwar unter teil weiser Ausnutzung der Vormerkung in gleichem Range mit dem Erbbauzins.
- 3.
Die Beklagten zu 4.) und 5.) werden als Gesamtschuldner verurteilt,
a. an den Kläger für das im Erbbaugrundbuch von .......... Blatt .... eingetragene Erbbaurecht einen weiteren jeweils am 01.04. eines jeden Jahres fälligen jährlichen Erbbauzins in Höhe von 452,10 EUR für den Zeitraum vom 01.04.2010 bis zum 30.09.2079 zu zahlen,
b. die Eintragung eines weiteren jährlichen Erbbauzinses für den Zeitraum vom 01.04.2010 bis zum 30.09.2079 in Höhe von jährlich 452,10 EUR als selbständige Reallast für den jeweiligen Grundstückeigentümer im Erbbaugrundbuch von .......... Blatt xxx zu bewilligen, und zwar unter teilweiser Ausnutzung der Vormerkung in gleichem Range mit dem Erbbauzins.
- 4.
Die Beklagten zu 6.) und 7.) werden als Gesamtschuldner verurteilt,
a. an den Kläger für das im Erbbaugrundbuch xxx von Blatt xxx eingetragene Erbbaurecht einen weiteren jeweils am 01.04. eines jeden Jahres fälligen jährlichen Erbbauzins in Höhe von 654,58 EUR für den Zeitraum vom 01.04.2010 bis zum 30.09.2079 zu zahlen,
b. die Eintragung eines weiteren jährlichen Erbbauzinses für den Zeitraum vom 01.04.2010 bis zum 30.09.2079 in Höhe von jährlich 654,58 EUR als selbständige Reallast für den jeweiligen Grundstückeigentümer im Erbbaugrundbuch xxx von Blatt .... zu bewilligen, und zwar unter teilweiser Ausnutzung der Vormerkung in gleichem Range mit dem Erbbauzins.
- 5.
Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 22,25% der Beklagten zu 1., zu 3,58% den Beklagten zu 2. und 3. als Gesamtschuldnern, zu weiteren 7,15% dem Beklagten zu 3., zu 27,38% den Beklagten zu 4. und 5. als Gesamtschuldnern und zu 39,64% den Beklagten zu 6. und 7. als Gesamtschuldnern auferlegt.
- 6.
Das Urteil ist gegen die Beklagte zu 2. vorläufig vollstreckbar. Hinsichtlich der weiteren Beklagten ist das Urteil zu jeweils Mt. b. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000,00 EUR und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger ist Eigentümer der streitbefangenen Grundstücke, die mit den Erbbaurechten der Beklagten belastet sind. Mit der Klage macht er im Wesentlichen eine Erhöhung des Erbbauzinses geltend.
Die Beklagte zu 1.) hatte einen jährlichen Erbbauzins von umgerechnet 2.152,54 EUR, die Beklagten zu 2.) und 3.) von 1.037,92 EUR, die Beklagten zu 4.) und 5.) von 2.648,49 EUR und die Beklagten zu 6.) und 7.) von 3.834,69 EUR zu zahlen. Das Erbbaurecht war jeweils bis zum 30.09.2079 bestellt.
§ 3 der Verträge enthält folgenden Wortlaut:
"(1) Die Vertragsparteien können verlangen, dass der Erbbauzins frühestens nach Ablauf von 10 Jahren seit Vertragsbeginn auf seine Angemessenheit überprüft wird. Später können Änderungen jeweils frühestens alle zehn Jahre nach Beginn der Zahlung des neuen Erbbauzinses erfolgen [...].
(2) Für die Angemessenheit des Erbbauzinses ist der Preisindex für die Lebenshaltung eines 4-Personen-Arbeitnehmerhaushaltes mit mittlerem Einkommen maßgebend, wie er für den Durchschnitt eines Kalenderjahres vom Statistischen Bundesamt für die gesamte Bundesrepublik Deutschland amtlich festgestellt wird (Lebenshaltungskostenindex).
(3) Falls dieser Index für das Kalenderjahr, das zeitlich dem Verlangen auf Überprüfung des Erbbauzinses vorausgeht, von dem Index des Kalenderjahres, in dem der Erbbauvertrag begonnen hat, oder bei erneuter Überprüfung von dem Index, der der letzten Überprüfung zu Grunde gelegen hat, nach oben oder unten abweicht, so ist der Erbbauzins in dem gleichen prozentual im Verhältnis zu ändern. [...]
(5) Das Verlangen auf Überprüfung des Erbbauzinses ist dem Vertragspartner schriftlich mitzuteilen. Der neue Erbbauzins ist mit Beginn des Kalendervierteljahres zu zahlen, das auf die Mitteilung folgt. [...]
(6) Die sich nach diesen Vereinbarungen ergebenden Erbbauzinsänderungen sind im Erbbaugrundbuch einzutragen. In Nachtragsverträgen sind die dazu erforderlichen Erklärungen abzugeben. [...]"
Der Lebenshaltungskostenindex wird vom Statistischen Bundesamt seit Januar 2003 nicht mehr fortgeführt. Mit gleichlautenden Schreiben vom 25.1.2010 (Bl. 6, 70, 132 und 213 d.A.) machte der Kläger gegenüber den Beklagten gestützt auf den Verbraucherpreisindex für Deutschland eine Erhöhung des Erbbauzinses um 17,07% geltend und übersandte entsprechende Änderungsverträge zur Beurkundung. Die Beklagten lehnen eine Erhöhung des Erbbauzinses ab.
Das Erhöhungsverlangen sei - so der Kläger - nicht unbillig im Sinne von § 9a Abs. 1 ErbbauRG. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes errechne sich die Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse aus dem arithmetischen Mittel der Änderung der Lebenshaltungskosten sowie der Änderung der Einkommen. Für die Änderung der Einkommen sei das Mittel zwischen dem Bruttoverdienst der Arbeiter in der Industrie und dem Bruttoverdienst der Angestellten in Industrie und Handel maßgeblich. Die durchschnittlichen Bruttomonatsverdienste vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer hätten sich von 84,6 Indexpunkten (Januar 1999) auf 103,8 Indexpunkte (Januar 2009) erhöht (K3, Bl. 10 d.A.).
Der Rechtsstreit war zunächst beim Amtsgericht Wennigsen rechtshängig. Dort hat die Beklagte zu 2.) die Forderung des Klägers anerkannt und das Amtsgericht sie entsprechend ihrem Anerkenntnis am 14.12.2010 im Wege eines Anerkenntnis-Teilurteils verurteilt (Bl. 103 f. d.A.).
Der Kläger beantragt,
- 1.
die Beklagte zu 1.) zu verurteilen,
a. an den Kläger für das im Erbbaugrundbuch von ........ Blatt .... eingetragene Erbbaurecht einen weiteren jeweils am 01.04. eines jeden Jahres fälligen jährlichen Erbbauzins in Höhe von 367,44 EUR für den Zeitraum vom 01.04.2010 bis zum 30.09.2079 zu zahlen,
b. die Eintragung eines weiteren jährlichen Erbbauzinses für den Zeitraum vom 01.04.2010 bis zum 30.09.2079 in Höhe von jährlich 367,44 EUR als selbständige Reallast für den jeweiligen Grundstückeigentümer im Erbbaugrundbuch von........ Blatt xxx zu bewilligen, und zwar unter teilweiser Ausnutzung der Vormerkung in gleichem Range mit dem Erbbauzins.
- 2.
den Beklagten zu 3.) als Gesamtschuldner mit der Beklagten zu 2.) zu verurteilen,
a. an den Kläger für das im Erbbaugrundbuch von ....... Blatt .... eingetragene Erbbaurecht einen weiteren jeweils am 01.04. eines jeden Jahres fälligen jährlichen Erbbauzins in Höhe von 177,17 EUR für den Zeitraum vom 01.04.2010 bis zum 30.09.2079 zu zahlen,
b. die Eintragung eines weiteren jährlichen Erbbauzinses für den Zeitraum vom 01.04.2010 bis zum 30.09.2079 in Höhe von jährlich 177,17 EUR als selbständige Reallast für den jeweiligen Grundstückeigentümer im Erbbaugrundbuch von xxx Blatt ..... zu bewilligen, und zwar unter teilweiser Ausnutzung der Vormerkung in gleichem Range mit dem Erbbauzins.
- 3.
die Beklagten zu 4.) und 5.) als Gesamtschuldner zu verurteilen,
a. an den Kläger für das im Erbbaugrundbuch von ........ Blatt .... eingetragene Erbbaurecht einen weiteren jeweils am 01.04. eines jeden Jahres fälligen jährlichen Erbbauzins in Höhe von 452,10 EUR für den Zeitraum vom 01.04.2010 bis zum 30.09.2079 zu zahlen,
b. die Eintragung eines weiteren jährlichen Erbbauzinses für den Zeitraum vom 01.04.2010 bis zum 30.09.2079 in Höhe von jährlich 452,10 EUR als selbständige Reallast für den jeweiligen Grundstückeigentümer im Erbbaugrundbuch von ......... Blatt .... zu bewilligen, und zwar unter teilweiser Ausnutzung der Vormerkung in gleichem Range mit dem Erbbauzins.
- 4.
die Beklagten zu 6.) und 7.) als Gesamtschuldner verurteilen,
a. an den Kläger für das im Erbbaugrundbuch von ......... Blatt .... eingetragene Erbbaurecht einen weiteren jeweils am 01.04. eines jeden Jahres fälligen jährlichen Erbbauzins in Höhe von 654,58 EUR für den Zeitraum vom 01.04.2010 bis zum 30.09.2079 zu zahlen,
b. die Eintragung eines weiteren jährlichen Erbbauzinses für den Zeitraum vom 01.04.2010 bis zum 30.09.2079 in Höhe von jährlich 654,58 EUR als selbständige Reallast für den jeweiligen Grundstückeigentümer im Erbbaugrundbuch von .......... Blatt .... zu bewilligen, und zwar unter teilweiser Ausnutzung der Vormerkung in gleichem Range mit dem Erbbauzins.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
§ 9a ErbbauRG solle eine Schwächung der durch die Erbbauzinszahlung erheblich belasteten Personenkreise in Zeiten nur gering steigender oder gar sinkender Realeinkommen verhindern. Entgegen der Ansicht des Klägers müssten die Nettoreal-, nicht die Bruttoeinkommen berücksichtigt werden. Diese seien gesunken. Gleiches gelte generell für Grundstückswerte. Ein Erhöhungsverlangen dürfe jedoch den Wert von 5% auf den Verkehrswert der Immobilie nicht übersteigen. § 9a ErbbauRG sei erlassen worden, um eine ausschließlich an Wertsteigerungen des Grundstücks gekoppelte Erhöhung des Erbbauzinses zu verhindern. Dann müsse insbesondere eine Erhöhung des Erbbauzinses in Zeiten fallender Grundstückswerte ausgeschlossen sein. Die Wertanpassungsklausel unterliege den Regeln der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, weil die Verträge standardmäßig für eine Vielzahl von Verträgen verwendet wurden und sei als überraschend im Sinne dieser Regelungen anzusehen. Unwirksam sei das Erhöhungsverlangen auch, weil es entgegen § 3 Abs. 5 des Vertrages kein Fälligkeitsdatum enthalte. In diversen Gesprächen mit den Beklagten hätten Mitarbeiter des Klägers Erhöhungen im maximal einstelligen Prozentbereich zugesagt. In analoger Anwendung des§ 558b Abs. 2 BGB sei von einer Verfristung des Erhöhungsverlangens auszugehen.
Die Parteien haben nach Rechtshängigkeit eine Gerichtsstandsvereinbarung geschlossen, wonach das Landgericht Hannover erstinstanzlich zuständig ist (Bl. 127 d.A.).
Entscheidungsgründe
Die zulässigen Klagen sind begründet.
1.
Die Klagen sind nicht nach Ablauf der in § 558b Abs. 2 BGB enthaltenen Klagefrist erhoben worden. Diese Vorschrift ist jedoch auf den vorliegenden Rechtsstreit weder direkt noch analog anzuwenden. Eine unmittelbare Anwendung scheidet aus, weil die Beklagten keinen Mietvertrag mit dem Kläger geschlossen haben. Aber auch eine analoge Anwendung ist abzulehnen. Es liegt bereits keine planwidrige Regelungslücke vor. § 9a ErbbauRG enthält eigenständige Regelungen zur Erhöhung des Erbauzinses, die lediglich weniger detailliert als die mietrechtlichen Vorschriften sind. Auch sind die Interessenlagen nicht vergleichbar. Der Erbbaurechtsberechtigte ist nicht mit einem Mieter oder Pächter zu vergleichen. Er ist quasi wie ein Eigentümer gestellt und bedarf nicht des Schutzes des sozialen Mietrechts. So werden z.B. nach § 14 ErbbauRG Erbbaugrundbücher angelegt. Nach § 5 ErbbauRG kann der Erbbauberechtigte das Erbbaurecht unter bestimmten Umständen veräußern oder belasten. Strukturell ist der Erbbauberechtigte mit einem Grundstückseigentümer zu vergleichen, weshalb ein Rückgriff auf mietrechtliche Vorschriften verwehrt ist.
2.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Erhöhung des jährlichen Erbbauzinses zum 01.04.2010 in Höhe von jährlich
- 367,44 EUR gegen die Beklagte zu 1.,
- 177,17 EUR gegen den Beklagten zu 3.,
- 452,10 EUR gegen die Beklagten zu 4. und 5. sowie
- 654,58 EUR gegen die Beklagten zu 6. und 7 aus § 3 Abs. 3 der Erbbaurechtsverträge.
aa.)
Die Wartefrist aus § 3 Abs. 1 des Vertrages (10 Jahre) ist eingehalten. Sämtliche Verträge schlossen die Parteien im Jahr 1999. Das Erhöhungsverlangen machte der Kläger mit Schreiben vom 25.1.2010 und damit nach Ablauf von 10 Jahren geltend.
bb.)
Es besteht dem Grunde nach ein Anspruch auf Erhöhung des Erbbauzinses. Nach § 3 Abs. 2 und 3 des Vertrages ist auf den Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte für Deutschland abzustellen. Dieser Index wird jedoch seit Januar 2003 nicht mehr fortgeführt. Das statistische Bundesamt hat diesen Index ersetzt durch den Verbraucherpreisindex, was in der Rechtsprechung anerkannt ist (vgl. BGH V ZR 71/08).
Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung tritt der Verbraucherpreisindex an die Stelle des Lebenshaltungskostenindex. 1999 wies dieser einen Stand von 91,4 und 2009 einen Stand von 107,0 auf, was eine Steigerung von 17,07% bedeutet. Nach § 3 Abs. 3 S. 1 des Vertrages ist dann der Erbbauzins um diesen Prozentsatz zu erhöhen.
Die Klausel ist auch nicht wegen Verstoßes gegen § 305c BGB unwirksam. Ein überraschendes Moment kann einer Wertsicherungsklausel nicht beigemessen werden, weil sie nicht ungewöhnlich ist. Vielmehr sind solche Klauseln üblich und dienen dem wirtschaftlich berechtigten Interesse des Grundstückseigentümers, einer inflationsbedingten Entwertung des Erbbauzinses entgegenwirken zu können. Aufgrund der langen Vertragslaufzeit muss ein Erbbauberechtigter aufgrund der voranschreitenden Geldentwertung mit Erhöhungen des Erbbauzinses rechnen. Wertsicherungsklauseln dienen dabei auch seinem Schutz, weil sie ein objektives Bemessungskriterium zur Berechnung eines etwaigen Erhöhungsverlangens zur Verfügung stellen.
cc.)
Nach § 3 Abs. 5 des Vertrages ist das Verlangen auf Überprüfung schriftlich mitzuteilen. Der neue Erbbauzins ist dann mit Beginn des folgenden Quartals zu zahlen, es sei denn, dass der dazwischenliegende Zeitraum keine zwei Monate betrug. Das Erhöhungsverlangen wurde am Montag den 25.1.2010 verfasst. Die Rechtsprechung nimmt eine regelmäßige Postlaufzeit von einem Tag (BGH NJW-RR 2008, 930 [BGH 23.01.2008 - XII ZB 155/07]), jedenfalls aber zwei Tagen an. Da unbekannt ist, ob das Schreiben bereits am 25.1.2010 zur Post gegeben wurde, ist gleichwohl von einem Zugang spätestens am Samstag den 30.01.2010 auszugehen. Das nächste Quartal begann am 1.4.2010, was auch dem Klageantrag entspricht.
Ein Fälligkeitsdatum musste im Erhöhungsverlangen nicht genannt werden. Eine solche Voraussetzung enthalten die Verträge nicht. Vielmehr kann anhand des Erhöhungsverlangens sowie des Vertrags auch von einem Laien leicht geprüft werden, ab wann der erhöhte Erbbauzins zu zahlen ist.
dd.)
Das Erhöhungsverlangen ist auch unter Berücksichtigung des § 9a ErbbauRG nicht unbillig. Ein Erhöhungsanspruch ist nach § 9a Abs. 1 S. 2 ErbbauRG regelmäßig als unbillig anzusehen, wenn und soweit die nach der vereinbarten Bemessungsgrundlage zu errechnende Erhöhung über die seit Vertragsabschluß eingetretene Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse hinausgeht. Dafür sind alle Bereiche des Wirtschaftslebens zu berücksichtigen, die von allgemeiner Bedeutung sind, mit Ausnahme der Grundstückswerte (S. 3). Nach gefestigter Rechtsprechung sind dazu mit gleicher Wertigkeit die Entwicklung der Lebenshaltungskosten und der Einkommensverhältnisse heranzuziehen. Auf der Basis der aktuellen Indizes lautet die Formel zur Errechnung des danach maximal zulässigen Erhöhungsprozentsatzes: ein Halb (Änderung des Verbraucherpreisindex + Änderung des Index der durchschnittlichen Bruttomonatsverdienste der Arbeitnehmer in der Wirtschaft in Deutschland); BeckOK BGB/Maaß, § 9a ErbbauRG, Rn. 9; Staudinger/Manfred Rapp, § 9a ErbbauRG, Rn. 7.
Der Verbraucherpreisindex ist in der Zeit von 1999 bis 2009 um 17,07% gestiegen (von 91,4 auf 107,0 Punkte). Die Werte sind auf der Internetseite des Statistischen Bundesamtes (www.destatis.de) abzurufen. Die durchschnittlichen Bruttomonatsverdienste sind von 1998 bis 2009 von 2.518 EUR auf 3227 EUR und damit um 24,74% gestiegen (vgl. hierzu "Entwicklung der Bruttoverdienste", abrufbar unter www.destatis.de). Der maximal zulässige Erhöhungsbetrag errechnet sich demnach aus (17,07 + 24,74) : 2 = 20,905%. Dieser maximal zulässige Erhöhungsprozentsatz von 20,905% liegt also über der vom Kläger begehrten Erhöhung von 17,07%.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist nicht auf die Nettolohnentwicklung abzustellen. Die Rechtsprechung hat - soweit ersichtlich - noch nie hierauf zurückgegriffen. Dies ist auch sachgerecht, weil die Nettolohnentwicklung immer auch von individuellen Vermögensdispositionen abhängt und damit individuell unterschiedlich verläuft. Unabhängig davon haben sich nach der Veröffentlichung "Löhne und Gehälter, Laufende Verdiensterhebungen Nettoverdienste (Modellrechnungen)", Stand 2006 des Statistischen Bundesamtes (ebenfalls abrufbar unter www.destatis.de) die monatlichen Nettoeinkommen von 1999 bis 2006 in Euro wie folgt verändert:
Arbeiter | Angestellte | ||||
---|---|---|---|---|---|
Einzelperson | Ehepaar beide mit jeweiligem Durschnittsverdienst, ohne Kinder | Ehepaar mit Kindern, Mann mit Durschnittsverdienst, Ehefrau nicht arbeitend | Einzelperson | Ehepaar beide mit jeweiligem Durschnittsverdienst, ohne Kinder | Ehepaar mit Kindern, Mann mit Durschnittsverdienst, Ehefrau nicht arbeitend |
1.340,10 | 2.487,41 | 1.961,54 | 1.594,54 | 3.075,59 | 2.367,28 |
1.571,27 | 2.902,08 | 2.271,51 | 1.949,08 | 3.764,85 | 2.884,34 |
14,71% | 16,67% | 15,8% | 18,07% | 22,41% | 21,85% |
Zahlen bis 2009 liegen nach einer Recherche auf der Internetseite des statistischen Bundesamtes nicht vor. Festzustellen ist jedenfalls, dass die Steigerung der Nettoeinkünfte von Angestellten bereits bis ins Jahr 2006 höher ausfiel als die vom Kläger angestrebte Erhöhung. Bei Arbeitern lag sie nur geringfügig darunter. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist auch der Anteil des Netto- vom Bruttoverdienst in den letzten Jahren nicht gesunken. Nach der Tabelle "Entwicklung des Nettoverdienstes, Früheres Bundesgebiet" des Statistischen Bundesamtes (ebenfalls abrufbar unter www.destatis.de) ist in den Jahren von 2007 bis 2009 die Nettoquote fast durchgängig gestiegen. Nur bei Alleinverdienenden Ehefrauen ist die Nettoquote von 70,2% (2007) über 70,0% (2008) auf 70,1% gefallen.
Eine etwaige negative Entwicklung der Grundstückswerte ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht zu berücksichtigen. Diese findet nur im Rahmen des § 9a Abs. 1 S. 4 ErbbauRG Berücksichtigung, kann allerdings nie eine nach S. 2 zulässige Erhöhung ausschließen, weil in der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung anteilig bereits auch die Grundstückswertverhältnisse enthalten sind und diese ansonsten doppelt berücksichtigt würden (Staudinger/Manfred Rapp, § 9a ErbbauRG, Rn. 8).
ee.)
Das Erhöhungsverlangen scheitert auch nicht daran, dass Mitarbeiter des Klägers eine Erhöhung nur im einstelligen Prozentbereich zugesichert oder in Aussicht gestellt haben. Dieser Vortrag ist unerheblich, weil nicht ersichtlich ist, dass Willenserklärungen abgegeben wurde und die entsprechenden Mitarbeiter mit Vertretungsmacht handelten. Unabhängig davon ist der Vortrag unsubstantiiert, weil die jeweiligen Mitarbeiter nicht genannt werden.
ff.)
Danach kann der Kläger eine Erhöhung des Erbbauzinses um 17,07% von den Beklagten verlangen. Die Beklagte zu 1.) hatte ursprünglich einen Erbbauzins von 2.152,54 EUR zu zahlen. Eine Steigerung um 17,07% macht einen Betrag von 367,44 EUR auf 2.519,98 EUR aus. Beim Beklagten zu 3.) führt diese Steigerung von einem bisherigen Erbbauzins von 1.037,92 EUR zu einer Erhöhung von 177,17 EUR auf 1.215,09 EUR. Die Beklagten zu 4.) und 5.) hatten bisher 2.648,49 EUR Erbbauzins zu zahlen. Die Steigerung um 17,07% = 452,10 EUR führt zu einem neuen Erbbauzins von 3.100,59 EUR. Bei den Beklagten zu 6.) und 7.) führt diese Steigerung von bisher 3.834,69 EUR um 654,58 EUR zu einem jährlichen Erbbauzins von 4.489,27 EUR.
3.
Der Anspruch gegen die Beklagten auf Eintragung einer entsprechenden Reallast folgt aus § 3 Abs. 6 des Vertrages.
4.
Die prozessualen Nebenentscheidungen finden ihre Rechtsgrundlage in §§ 91 und 709 ZPO.