Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.04.2018, Az.: 6 K 49/18
Rechtsstreit über die Verpflichtung eines Finanzamtes zur Änderung mehrerer bestandskräftiger Schätzungsbescheide; Konkretisierung eines Antrags auf "schlichte" Änderung in Schätzungsfällen
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 18.04.2018
- Aktenzeichen
- 6 K 49/18
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2018, 50969
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 22.05.2019 - AZ: XI R 17/18
Rechtsgrundlagen
- § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a AO
- § 172 Abs. 1 S. 3 AO
- § 162 AO
- § 164 Abs. 2 S. 2 AO
- § 31 Abs. 1 S. 1 KStG 2002
- § 37 Abs. 3 EStG 2009
- § 102 FGO
Fundstellen
- DStRE 2019, 582-587
- EFG 2018, 1426-1429
- GmbH-Stpr. 2018, 337
- GmbH-Stpr. 2019, 56
- KÖSDI 2018, 21033
- StX 2018, 794-795
Amtlicher Leitsatz
Zu den Anforderungen an die Konkretisierung eines Antrags auf "schlichte" Änderung gem. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a AO i.V.m. § 172 Abs. 1 Satz 3 AO in Schätzungsfällen; Anpassung von Vorauszahlungen
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das beklagte Finanzamt (FA) verpflichtet ist, bestandskräftige Schätzungsbescheide gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 172 Abs. 1 Satz 3 AO zu ändern. Ferner ist streitig, ob Vorauszahlungen zur Körperschaftsteuer und zum Solidaritätszuschlag anzupassen sind und ob ein Gewerbesteuermessbetrag für Zwecke der Vorauszahlung festzusetzen ist.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Gegenstand ihres Unternehmens ist xxx.
Die Klägerin reichte für das Streitjahr trotz Aufforderung beim FA keine Steuererklärungen ein. Das FA setzte gleichwohl gegenüber der Klägerin, jeweils mit Bescheiden vom 8. Dezember 2016, die Körperschaftsteuer 2015 auf 11.250 €, den Solidaritätszuschlag 2015 auf 618,75 €, den Gewerbesteuermessbetrag 2015 auf 2.625 € und die Umsatzsteuer 2015 auf 38.400 € fest. In diesen Bescheiden heißt es jeweils, dass die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 AO geschätzt worden seien, weil die Klägerin trotz Aufforderung keine Steuererklärungen abgegeben habe. Darüber hinaus setzte das FA mit dem Körperschaftsteuerbescheid 2015 vom 8. Dezember 2016 Vorauszahlungen zur Körperschaftsteuer fest und zwar für das Jahr 2016 nachträglich i.H.v. 11.250 € und für die Kalenderjahre ab 2017 jeweils zum 10. März, 10. Juni, 10. September und 10. Dezember in Höhe von jeweils 2.812 €. Ferner setzte das FA mit diesem Bescheid auch Vorauszahlungen zum Solidaritätszuschlag fest und zwar für das Jahr 2016 nachträglich i.H.v. 618,75 € und für die Kalenderjahre ab 2017 jeweils zum 10. März, 10. Juni, 10. September und 10. Dezember in Höhe von jeweils 154,66 €. Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Bescheide wird auf Bl. xxx der Gerichtsakte verwiesen.
Gegen den Körperschaftsteuerbescheid, den Gewerbesteuermessbescheid und den Umsatzsteuerbescheid, jeweils vom 8. Dezember 2016, legte die Klägerin Einspruch ein, ohne diesen jedoch in der Sache zu begründen. Mit Einspruchsbescheid vom 13. September 2017 wies das FA daraufhin den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus, dass die Klägerin trotz Aufforderung und Erinnerung ihre Einsprüche nicht begründet habe. Anhaltspunkte, die zu einer Änderung der angefochtenen Bescheide führen könnten, lägen nicht vor. Diesen Einspruchsbescheid hat das FA ausweislich der Abschlussverfügung des Sachbearbeiters vom 12. September 2017 am 12. September 2017 als einfachen Brief zur Post aufgegeben. Dieser Einspruchsbescheid ging dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausweislich seines Eingangsstempels am 14. September 2017 zu.
Mit Schreiben vom 18. Oktober 2017, eingegangen beim FA am 18. Oktober 2017, beantragte die Klägerin den Körperschaftsteuerbescheid 2015, den Gewerbesteuermessbescheid 2015 und den Umsatzsteuerbescheid 2015, jeweils vom 8. Dezember 2016, gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a AO zu ändern und die Körperschaftsteuer 2015 und den Gewerbesteuermessbetrag 2015 jeweils auf 0 € sowie die Umsatzsteuer 2015 auf 13.536,97 € herabzusetzen. Zur Begründung ihrer Änderungsanträge führte die Klägerin aus, dass die ausstehenden Steuererklärungen mittels DATEV elektronisch an das FA übermittelt werden würden.
Ihrem Änderungsantrag vom 18. Oktober 2017 fügte die Klägerin eine DATEV-Berechnung "Körperschaftsteuer 2015" zur Ermittlung ihres zu versteuernden Einkommens bei. Nach dieser DATEV-Berechnung beträgt ihr vorläufiger Verlust im Streitjahr 42.201 €. Die nichtabziehbaren Aufwendungen laut Anlage A der Körperschaftsteuererklärung betragen insgesamt 9.380 € (Körperschaftsteuer für frühere Wirtschaftsjahre in Höhe von ./. 7.500 €, Körperschaftsteueraufwand laut Gewinn- und Verlustrechnung 11.250 €, Solidaritätszuschlag für frühere Wirtschaftsjahre ./. 412 €, Solidaritätszuschlagsaufwand laut Gewinn- und Verlustrechnung 618 €, nicht abziehbare Gewerbesteuer für frühere Ermittlungszeiträume ./. 3.983 €, Gewerbesteuer-Aufwand laut Gewinn- und Verlustrechnung 9.188 €, Nebenleistungen zu den Steuern 171 €, Bewirtungsaufwendungen 48 €). Die Summe der Einkünfte, der Gesamtbetrag der Einkünfte und das zu versteuernde Einkommen betragen demnach im Streitjahr ./. 32.821 €. Ferner fügte die Klägerin ihrem Änderungsantrag noch eine DATEV-Berechnung zum verbleibenden Verlustvortrag zum 31. Dezember 2015 bei.
Zudem legte die Klägerin dem FA zur Begründung ihres Änderungsantrags am 18. Oktober 2017 eine DATEV-Berechnung zur Umsatzsteuer 2015 vor. Nach dieser DATEV-Berechnung betragen im Streitjahre 2015 die Lieferung und sonstige Leistungen der Klägerin zu 19 % Umsatzsteuer insgesamt 214.399 € sowie die anderen steuerpflichtigen Leistungen insgesamt 66.605 €. Die abziehbaren Vorsteuerbeträge aus Rechnungen von anderen Unternehmern betragen insgesamt 27.198,84 € und aus innergemeinschaftlichen Erwerben von Gegenständen insgesamt 12.654,98 €. Ferner heißt es in dieser DATEV-Berechnung unter der Überschrift "Ergänzende Angaben zu Umsätzen" zu Abschnitt F der Anlage UR der Umsatzsteuererklärung: "Steuerpflichtige Umsätze i.S.d. § 13 b Abs. 2 Nr. 2 bis 4, 5 Buchstabe b, Nr. 6 bis 9 und 11 UStG eines im Inland ansässigen Unternehmers, für die der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer schuldet ./. 6.012 €".
Darüber hinaus fügte die Klägerin ihrem Antrag auf Änderung eine DATEV-Berechnung der Gewerbesteuer 2015 bei. In dieser DATEV-Berechnung heißt es, dass sie im Streitjahr 2015 einen endgültigen Verlust gemäß § 7 Gewerbesteuergesetz (GewStG) i.H.v. 32.821 € erzielt habe. Ferner heißt es in dieser Berechnung unter der Überschrift "Hinzurechnungen/Finanzierungsanteile", dass die Hinzurechnungen für Entgelte für Schulden i.S.d. § 8 Nr. 1 a GewStG 12.000 €, für Miet- und Pachtzinsen für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens 105 € (20 % von 525 €) und für Miet- und Pachtzinsen für unbewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens 2.033 € (50% von 4.066 €) betragen. Die Summe der Finanzierungsanteile i.S.d. § 8 Nr. 1 GewStG beträgt somit 14.138 €. Nach Abzug eines Freibetrages i.H.v. 14.138 € ergibt sich nach dieser DATEV-Berechnung eine Hinzurechnung von insgesamt 0 €. Die Gewerbesteuerrückstellung der Klägerin beträgt nach dieser DATEV-Berechnung ./. 9.188 € (Gewerbesteuerschuld von 0 € abzgl. Gewerbesteuer-Vorauszahlung laut Gewinn- und Verlustrechnung i.H.v. 9.188 €). Weiter heißt es in der Berechnung, dass dieser Betrag zu aktivieren sei. Zudem hat die Klägerin zur Begründung ihres Änderungsantrags am 18. Oktober 2017 noch eine DATEV-Berechnung zum Gewerbeverlust beim FA eingereicht. Der vortragsfähige Gewerbeverlust der Klägerin beträgt nach dieser DATEV-Berechnung 32.821 €.
Am 19. Oktober 2017 übermittelte die Klägerin dem FA elektronisch ihre Körperschaftsteuererklärung 2015, ihre Gewerbesteuererklärung 2015 sowie ihre Umsatzsteuererklärung 2015. Ferner legte sie dem FA ebenfalls am 19. Oktober 2017 ihre Bilanz zum 31. Dezember 2015 (ohne Kontennachweise) in elektronischer Form vor. Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Steuererklärungen und der vorgelegten Bilanz wird auf Bl. xxx der Gerichtsakte verwiesen.
Darüber hinaus beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 19. Oktober 2017, eingegangen beim FA am 20. Oktober 2017, ihre Vorauszahlungen zur Körperschaftsteuer, zum Solidaritätszuschlag und zur Gewerbesteuer, jeweils für die Jahre 2016 und 2017, anzupassen und entsprechend den eingereichten Steuererklärungen auf jeweils 0 € herabzusetzen. Zur Begründung führte die Klägerin aus, zum 31. Dezember 2015 ergäben sich nach den nachgereichten Steuererklärungen Verlustvorträge.
Mit Bescheid vom 4. Dezember 2017 lehnte das FA gegenüber der Klägerin ihre Anträge auf Änderung der Bescheide für 2015 über Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuermessbetrag ab. Zur Begründung führte es aus, eine Änderung von Steuerbescheiden zu Gunsten des Steuerpflichtigen komme nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a AO nur in Betracht, wenn der Antrag vor Ablauf der Einspruchsfrist gestellt worden sei. Diese Frist ende im Streitfall mit Ablauf des 12. Januar 2017. Weiter heißt es in diesem Bescheid, wegen der Ablehnung der Änderungsanträge entfalle auch die Möglichkeit, den Anträgen auf Anpassung der Vorauszahlung zur Körperschaftsteuer sowie zur Anpassung des Gewerbesteuermessbetrages für Zwecke der Vorauszahlungen zu entsprechen.
Gegen diesen Ablehnungsbescheid legte die Klägerin wegen der Ablehnung ihre Anträge auf Änderung der Bescheide für 2015 wegen Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuermessbetrag und wegen der Ablehnung ihrer Anträge auf Anpassung der Vorauszahlungen der Jahre 2016 und 2017 zur Körperschaftsteuer und zum Gewerbesteuermessbetrag Einspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, mit Schreiben vom 18. Oktober 2017 habe sie gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a AO einen ordnungsgemäßen Antrag auf Änderung der Steuerbescheide für 2015 gestellt. Sie habe ihren Änderungsantrag innerhalb der Frist des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a AO durch Vorlage der DATEV-Berechnungen hinreichend konkretisiert. Die Vorlage der Steuererklärungen sei nicht notwendiger Bestandteil eines Änderungsantrages. Die Vorlage der ausstehenden Steuererklärungen könne auch nach Ablauf der Frist des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a AO erfolgen. Aufgrund der von ihr vorgelegten DATEV-Berechnungen hätte das FA die Steuerfestsetzungen für das Jahr 2015 durchaus, wie beantragt, ändern können. Ihre Ansicht werde durch das BFH-Urteil vom 20. Dezember 2006 X R 30/05, BStBl II 2007, 503 gestützt.
Mit Einspruchsbescheid vom 31. Januar 2018 wies das FA den Einspruch der Klägerin wegen Ablehnung ihrer Änderungsanträge vom 18. Oktober 2017 sowie ihre Anträge vom 20. Oktober 2017 auf Anpassung der Vorauszahlungen zur Körperschaftsteuer und zur Anpassung des Gewerbesteuermessbetrages für Zwecke der Vorauszahlung als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus, die Klägerin habe ihre Änderungsanträge vom 18. Oktober 2017 nicht rechtzeitig substantiiert, etwa durch Abgabe von vollständigen Steuererklärungen. Ein Antrag auf schlichte Änderung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a AO i.V.m. § 172 Abs. 1 Satz 3 AO müsse hinreichend konkretisiert sein. Aus den eingereichten DATEV-Berechnungen lasse sich jedoch kein konkreter Lebenssachverhalt entnehmen. Insbesondere durch den fehlenden Jahresabschluss sei es nicht möglich gewesen, die Besteuerungsgrundlagen konkret auf ihre materielle Richtigkeit hin zu überprüfen. Die am 19. Oktober 2017 nachgereichten Steuererklärungen könnten insoweit nicht berücksichtig werden, da sie nicht innerhalb der Klagefrist vorgelegt worden seien. Aus den vorgenannten Gründen könne auch den Anträgen auf Anpassung der Vorauszahlungen nicht entsprochen werden.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, mit der die Klägerin in der Sache ihr bisheriges Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung ihrer Klage verweist die Klägerin auf das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 28. September 2009 13 K 144/09, EFG 2009, 1811[FG Niedersachsen 28.08.2009 - 13 K 144/09] und führt hierzu aus, dass nach diesem Urteil grundsätzlich eine Änderung bestandskräftiger Steuerbescheide gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a AO hinsichtlich jeder einzelnen Besteuerungsgrundlage auch bei Schätzungsbescheiden in Betracht komme und dass die Abgabe einer vollständigen Steuererklärung zur Konkretisierung des Antrags nicht erforderlich sei. Aus den DATEV-Berechnungen, die sie am 18. Oktober 2017 dem FA vorgelegt habe, ergebe sich eindeutig, dass die Schätzungen des FA für das Streitjahr 2015 überhöht seien. Hinsichtlich der Umsatzsteuer ergäben sich aus der am 19. Oktober 2017 nachgereichten Umsatzsteuererklärung zudem auch keine zusätzlichen Informationen, die über die Informationen der DATEV-Berechnung zur Umsatzsteuer 2015 hinausgingen.
Die Klägerin beantragt,
jeweils unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 4. Dezember 2017 und des Einspruchsbescheids vom 31. Januar 2018,
- 1.
wegen Körperschaftsteuer 2015, Umsatzsteuer 2015 und Gewerbesteuermessbetrag 2015 den Beklagten zu verpflichten, den Körperschaftsteuerbescheid 2015, den Umsatzsteuerbescheid 2015 und den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2015, jeweils vom 8. Dezember 2016, dahingehend zu ändern, dass der jeweiligen Steuerfestsetzung die erklärten Besteuerungsgrundlagen zugrunde gelegt werden,
- 2.
wegen Körperschaftsteuer den Beklagten zu verpflichten, die Körperschaftsteuervorauszahlungen ab dem 10. Dezember 2016 um 11.250 € und ab dem 10. März 2017 um 2.812 € auf jeweils 0 € herabzusetzen,
- 3.
wegen Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer den Beklagten zu verpflichten, die Vorauszahlungen zum Solidaritätszuschlag ab dem 10. Dezember 2016 um 618,75 € und ab dem 10. März 2017 um 154,66 € auf jeweils 0 € herabzusetzen,
- 4.
wegen Gewerbesteuermessbetrag den Beklagten zu verpflichten, den Gewerbesteuermessbetrag für Zwecke der Vorauszahlung ab 2016 und ab 2017 jeweils um 2.645 € auf jeweils 0 € herabzusetzen sowie,
- 5.
hilfsweise, für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hält auch im Rahmen des vorliegenden finanzgerichtlichen Verfahrens an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest. Ergänzend führt es aus, § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a AO erlaube nur eine punktuelle Änderung der ursprünglichen Steuerfestsetzung. Das setze den Bezug des Änderungsantrages zu einem konkreten Lebenssachverhalt voraus. Die betragsmäßige steuerliche Auswirkung der Abweichung hingegen bilde diesen Lebenssachverhalt lediglich reflexartig ab, ohne dabei selbst zum Gegenstand des Änderungsantrages zu werden. Mit den DATEV-Berechnungen, die die Klägerin am 18. Oktober 2017 eingereicht habe, werde kein konkreter Lebenssachverhalt benannt, sondern lediglich der Änderungsrahmen bestimmt. Eine Änderung aufgrund der eingereichten DATEV-Berechnungen käme im Übrigen einer Gesamtaufrollung des Steuerfalles gleich. Eine derart umfassende Prüfung des Steuerfalles sei aber nach der Systematik der Änderungsvorschriften dem Einspruchsverfahren vorbehalten. Im Streitfall habe die Klägerin ihre Änderungsanträge innerhalb der Klagefrist nicht konkretisiert. Damit fehle es an einem wirksamen Antrag nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a AO, sodass eine inhaltliche Überprüfung der Steuerbescheide für das Streitjahr 2015 nicht mehr möglich sei.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat zum Teil Erfolg.
Der Ablehnungsbescheid vom 4. Dezember 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31. Januar 2018 ist rechtswidrig, soweit das FA den Antrag der Klägerin auf Änderung des Körperschaftsteuerbescheids 2015, des Bescheids über den Gewerbesteuermessbetrag für 2015 und des Umsatzsteuerbescheids 2015, jeweils vom 8. Dezember 2016, sowie den Antrag der Klägerin auf Anpassung der Vorauszahlungen zur Körperschaftsteuer ab dem Jahr 2016 abgelehnt hat. Insoweit ist die Klägerin in ihren Rechten i.S.d. § 101 Satz 1 FGO verletzt.
A. Der Antrag zu Ziffer 1 ist zum Teil begründet.
Nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a AO darf ein Steuerbescheid, soweit er nicht vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn er andere Steuern als Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben oder Verbrauchsteuern betrifft, soweit der Steuerpflichtige zustimmt oder seinem Antrag der Sache nach entsprochen wird. Dies gilt nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 AO auch dann, wenn der Steuerbescheid durch Einspruchsentscheidung bestätigt oder geändert worden ist. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a AO ist gemäß § 172 Abs. 1 Satz 3 AO ebenfalls anzuwenden, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf der Klagefrist zugestimmt oder den Antrag gestellt hat.
Nach dem Wortlaut des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a AO ("darf") steht die Änderungsbefugnis im Ermessen des Finanzamts (BFH-Urteil vom 11. Oktober 2017 IX R 2/17, BFH/NV 2018, 322).
Das Ermessen ist entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die Grenzen des Ermessens müssen eingehalten werden. Die Ermessenausübung ist jedoch durch den Grundsatz der Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung (§ 85 AO), nach dem die Finanzbehörde die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben haben, vorbestimmt und damit ggf. auf "Null" reduziert. Damit ist eine Aufhebung oder Änderung regelmäßig zwingend, wenn der Tatbestand der Korrekturvorschrift erfüllt ist (BFH-Urteil vom 11. Oktober 2017 IX R 2/17, BFH/NV 2018, 322).
Nach den allgemeinen Regeln trägt das Finanzamt die objektive Beweislast (Feststellungslast) dafür, dass die für die Änderung des Bescheids erforderlichen tatsächlichen Voraussetzungen vorliegen. Begehrt der Steuerpflichtige die Änderung, trifft diesen die Feststellungslast. Im Fall eines insoweit ungeklärten und auch nicht mehr aufklärbaren Sachverhalts ("non-liquet") darf eine Änderung nicht vorgenommen werden (BFH-Urteil vom 11. Oktober 2017 IX R 2/17, BFH/NV 2018, 322).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung einer Ermessensentscheidung des Finanzamts durch das Finanzgericht ist grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (BFH-Urteil vom 11. Oktober 2017 IX R 2/17, BFH/NV 2018, 322 [BFH 11.10.2017 - IX R 2/17]). Die Ermessensentscheidung der Finanzverwaltung kann nach § 102 Satz 1 FGO gerichtlich nur daraufhin überprüft werden, ob die Finanzverwaltung von dem ihr eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht hat, die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder dieses Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise ausgeübt hat.
Bei Verpflichtungsklagen auf Erlass eines gebundenen Verwaltungsakts kommt es hingegen grundsätzlich auf die im Zeitpunkt der Entscheidung in der Tatsacheninstanz bestehende Sach- und Rechtslage an (BFH-Urteil vom 11. Oktober 2017 IX R 2/17, BFH/NV 2018, 322). Dies gilt auch bei Ermessensentscheidungen, wenn eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt (BFH-Urteil vom 11. Oktober 2017 IX R 2/17, BFH/NV 2018, 322). Eine solche Verpflichtung kann nur ausgesprochen werden, wenn zu dem Zeitpunkt, in dem die gerichtliche Entscheidung ergeht, ein Anspruch auf die erstrebte Verpflichtung des Finanzamts besteht (BFH-Urteil vom 11. Oktober 2017 IX R 2/17, BFH/NV 2018, 322).
Nach diesen Grundsätzen hat das FA im Streitfall den Antrag der Klägerin vom 18. Oktober 2017, die Schätzungsbescheide, jeweils vom 8. Dezember 2017, zur Körperschaftsteuer 2015, zum Gewerbesteuermessbetrags 2015 und zur Umsatzsteuer 2015 gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a AO i.V.m. § 172 Abs. 1 Satz 3 AO zu ändern, zu Unrecht mit der Begründung abgelehnt, der Änderungsantrag der Klägerin sei nicht hinreichend konkret.
Der innerhalb der Klagefrist gestellte Antrag der Klägerin auf "schlichte" Änderung gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a AO i.V.m. § 172 Abs. 1 Satz 3 AO war - entgegen der Ansicht des FA - inhaltlich hinreichend bestimmt und damit wirksam.
Ist, wie im Streitfall, eine Änderung zugunsten des Steuerpflichtigen beabsichtigt, so muss der Steuerpflichtige bis zum Ablauf der Einspruchs- bzw. Klagefrist einen bestimmten Antrag auf Änderung stellen. Dieses Erfordernis folgt aus dem Wortlaut der genannten Vorschrift und aus dem Gesetzeszweck (BFH-Urteil vom 20. Dezember 2006 X R 30/05, BStBl II 2007, 503; BFH-Urteil vom 27. Oktober 1993 XI R 17/93, BStBl II 1994, 439). Dagegen genügt es nicht, einen allgemein auf Änderung des Steuerbescheides gerichteten Antrag erst nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist zu konkretisieren und zu begründen. Ein solcher, zunächst nicht entsprechend konkretisierter, Antrag ist unwirksam und eine auf ihn gestützte Änderung des Steuerbescheides daher unzulässig (BFH-Urteil vom 20. Dezember 2006 X R 30/05, BStBl II 2007, 503; BFH-Urteil vom 21. Oktober 1999 I R 25/99, BStBl II 2000, 283).
Nach diesen Maßstäben muss sich das vom Steuerpflichtigen verfolgte Änderungsbegehren seinem sachlichen Gehalt nach zumindest in groben Zügen bereits aus dem fristgerecht gestellten Antrag auf "schlichte" Änderung selbst ergeben. Angaben zur rein betragsmäßigen Auswirkung der Änderung auf die Steuerfestsetzung sind für die Bestimmtheit des Antrags weder erforderlich noch für sich genommen ausreichend (BFH-Urteil vom 20. Dezember 2006 X R 30/05, BStBl II 2007, 503).
Der Gesetzeswortlaut des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a AO und seine systematische Stellung innerhalb des Gesetzes machen deutlich, dass die Norm nur eine punktuelle Änderung der ursprünglichen Steuerfestsetzung ermöglichen soll (BFH-Urteil vom 27. Oktober 1993 XI R 17/93, BStBl II 1994, 439; BFH-Urteil vom 20. Dezember 2006 X R 30/05, BStBl II 2007, 503). Das setzt den Bezug des Änderungsantrags zu einem konkreten Sachverhalt voraus (BFH-Urteil vom 20. Dezember 2006 X R 30/05, BStBl II 2007, 503).
Die Zahl der beantragten punktuellen Änderungen, die Gegenstand eines Antrags auf "schlichte" Änderung sein können, ist durch das Gesetz nicht beschränkt. Ebenso wenig ergibt sich aus der Vorschrift, dass sie auf Steuerbescheide mit geschätzten Besteuerungsgrundlagen nicht anzuwenden ist. Daher kommt bei Vorliegen eines fristgerecht gestellten, hinreichend bestimmten Antrags auch bei Schätzungsbescheiden eine Änderung hinsichtlich jeder einzelnen Besteuerungsgrundlage in Betracht (Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 28. August 2009 13 K 144/09, EFG 2009, 1811). In diesem Fall kann die Konkretisierung jedenfalls auch durch eine nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung und innerhalb der Klagefrist eingereichte Steuererklärung erfolgen (so ausdrücklich BT-Drucksache 14/1514, Seite 47; offen gelassen durch Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 2. Februar 2017 3 K 3197/16, EFG 2017, 608).
Im Streitfall erfüllt der von der Klägerin am 18. Oktober 2017 gestellte Antrag auf "schlichte" Änderung die Voraussetzungen des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a AO i.V.m. § 172 Abs. 1 Satz 3 AO.
I. Der Antrag der Klägerin ist innerhalb der Klagefrist beim FA eingegangen.
Im Streitfall endete die Klagefrist für eine gegen den Einspruchsbescheid vom 13. September 2017 gerichtete Anfechtungsklage mit Ablauf des 18. Oktober 2017.
Gemäß § 47 Abs. 1 FGO ist eine Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung einzulegen. Diese gilt nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO mit dem dritten Tage nach ihrer Aufgabe zur Post als bekanntgegeben, außer wenn sie nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Fällt der dritte Tag des Dreitageszeitraums des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder auf einen Sonnabend, so endet dieser Zeitraum gemäß § 108 Abs. 3 AO mit Ablauf des nächstfolgenden Werktags mit der Folge, dass der Verwaltungsakt an diesem Werktag als bekannt gegeben gilt (BFH-Urteil vom 6. Oktober 2004 IX R 60/03, BFH/NV 2005, 327). Dies gilt nach § 365 Abs. 1 AO auch für die Bekanntgabe einer Einspruchsentscheidung.
Der Senat geht unter Würdigung der Gesamtumstände des Streitfalls davon aus, dass die Einspruchsentscheidung des FA vom 13. September 2017 - abweichend von der Abschlussverfügung des Sachbearbeiters des FA - nicht am 12. September 2017, sondern erst am 13. September 2017 (Mittwoch) das FA verlassen hat. Der Vertreter des FA hat in der mündlichen Verhandlung zur Frage der Aufgabe des Einspruchsbescheides vom 13. September 2017 zur Post ausdrücklich erklärt, dass der zuständige Sachbearbeiter der Rechtsbehelfsstelle des FA noch am 12. September 2017 um 16:00 Uhr den Einspruchsbescheid vom 13. September 2017 bearbeitet habe. Der auf den 13. September 2017 vordatierte Einspruchsentscheidung sei daher erst am 13. September 2017 zur Post gegeben worden.
Im Übrigen wird in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung bei einer Abweichung zwischen dem Datum des Absendevermerks des FA und dem Bescheid-Datum auch die Auffassung vertreten, dass in diesen Fällen das zeitlich jüngere Datum für den Tag der Aufgabe zur Post und damit für den Beginn des Dreitage-Zeitraums und für die danach anschließende Klagefrist zugrunde zu legen ist (vgl. Urteil des FG Hamburg vom 23. März 2017 3 K 287/14, EFG 2017, 1064; Nürnberg Urteil des FG vom 27. April 1978 III 156/76, EFG 1978, 575).
Im Streitfall ist die Bekanntgabe des Einspruchsbescheides vom 13. September 2017 folglich gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO i.V.m. § 108 Abs. 3 AO i.V.m. § 365 Abs. 1 AO auf Montag, den 18. September 2017 zu fingieren, da der 16. September 2017 ein Samstag war. Die Klagefrist endete damit gemäß § 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) am 18. Oktober 2017.
II. Die Klägerin hat ihren Antrag auf "schlichte" Änderung mit den innerhalb der Klagefrist beim FA eingereichten DATEV-Berechnungen zur Körperschaftsteuer 2015, zum Gewerbesteuermessbetrag 2015 und zur Umsatzsteuer 2015 in ausreichendem Maße konkretisiert.
Nach der DATEV-Berechnung "Körperschaftsteuer 2015" zur Ermittlung ihres zu versteuernden Einkommens betragen die Summe der Einkünfte, der Gesamtbetrag der Einkünfte und das zu versteuernde Einkommen der Klägerin im Streitjahr ./. 32.821 €. Der vorläufiger Verlust der Klägerin beträgt im Streitjahr 42.201 €. Die nichtabziehbaren Aufwendungen der Klägerin betragen insgesamt 9.380 €. Diesen Betrag hat die Klägerin in ihrer DATEV-Berechnung wie folgt ermittelt: Körperschaftsteuer für frühere Wirtschaftsjahre in Höhe von ./. 7.500 €, Körperschaftsteueraufwand laut Gewinn- und Verlustrechnung 11.250 €, Solidaritätszuschlag für frühere Wirtschaftsjahre ./. 412 €, Solidaritätszuschlagsaufwand laut Gewinn- und Verlustrechnung 618 €, nicht abziehbare Gewerbesteuer für frühere Ermittlungszeiträume ./. 3.983 €, Gewerbesteuer-Aufwand laut Gewinn- und Verlustrechnung 9.188 €, Nebenleistungen zu den Steuern 171 €, Bewirtungsaufwendungen 48 €.
Zudem hat die Klägerin in ihrer DATEV-Berechnung zur Umsatzsteuer 2015 angegeben, dass die für das Streitjahr festzusetzende Umsatzsteuer 13.536,97 € beträgt und dass ihre Lieferung und sonstige Leistungen zu 19 % Umsatzsteuer insgesamt 214.399 € sowie die anderen steuerpflichtigen Leistungen insgesamt 66.605 € betragen. Nach der DATEV-Berechnung zur Umsatzsteuer 2015 betragen die abziehbaren Vorsteuerbeträge aus Rechnungen von anderen Unternehmern insgesamt 27.198,84 € und aus innergemeinschaftlichen Erwerben von Gegenständen insgesamt 12.654,98 €. Ferner heißt es in dieser DATEV-Berechnung unter der Überschrift "Ergänzende Angaben zu Umsätzen" zu Abschnitt F der Anlage UR der Umsatzsteuererklärung: "Steuerpflichtige Umsätze i.S.d. § 13 b Abs. 2 Nr. 2 bis 4, 5 Buchstabe b, Nr. 6 bis 9 und 11 UStG eines im Inland ansässigen Unternehmers, für die der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer schuldet" ./. 6.012 €.
Darüber hinaus heißt es in der DATEV-Berechnung zur Gewerbesteuer 2015, dass die Klägerin im Streitjahr 2015 einen endgültigen Verlust gemäß § 7 GewStG i.H.v. 32.821 € erzielt hat. Ferner hat die Klägerin in dieser Berechnung unter der Überschrift "Hinzurechnungen/Finanzierungsanteile" die Hinzurechnungen zum Gewerbeertrag gemäß § 8 GewSt konkret wie folgt bezeichnet: Hinzurechnungen für Entgelte für Schulden i.S.d. § 8 Nr. 1 a GewStG 12.000 €, für Miet- und Pachtzinsen für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens 105 € (20 % von 525 €) und für Miet- und Pachtzinsen für unbewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens 2.033 € (50% von 4.066 €). Die Summe der Finanzierungsanteile i.S.d. § 8 Nr. 1 GewStG beträgt somit 14.138 €. Nach Abzug eines Freibetrages i.H.v. 14.138 € ergibt sich nach dieser DATEV-Berechnung eine Hinzurechnung von insgesamt 0 €. Die Gewerbesteuerrückstellung der Klägerin beträgt nach dieser DATEV-Berechnung ./. 9.188 € (Gewerbesteuerschuld von 0 € abzgl. Gewerbesteuer-Vorauszahlung laut Gewinn- und Verlustrechnung i.H.v. 9.188 €). Weiter heißt es in der Berechnung, dass dieser Betrag zu aktivieren sei.
Eine weitere Aufschlüsselung der Angaben in den DATEV-Berechnungen, z.B. durch Angabe welche Betriebseinnahmen und welche Betriebsausgaben die Klägerin bei der Ermittlung ihres Verlustes im Streitjahr in Höhe von 42.201 € im Einzelnen berücksichtigt hat, ist für die Wirksamkeit eines Antrags auf "schlichte" Änderung nicht erforderlich. Für die notwendige Konkretisierung eines Antrages auf schlichte Änderung gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a AO kann nichts Anderes gelten als für die notwendige Konkretisierung einer Klage gemäß § 65 Abs. 1 FGO (Klagebegehren). Jedenfalls bestehen in den Substantiierungsanforderungen keine strukturellen Unterschiede (Weinschütz, Anmerkung zum Beschluss des FG Berlin-Brandenburg vom 2. Februar 2017 3 K 3197/16, EFG 2017, 608[FG Berlin-Brandenburg 02.02.2017 - 3 K 3197/16]). Die Vorlage vollständiger Steuererklärungen ist daher in Schätzungsfällen für einen hinreichend konkreten Änderungsantrag nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a AO nicht erforderlich.
Ohne Bedeutung ist - entgegen der vom Vertreter des FA in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung - für die Konkretisierung des Antrags nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a AO daher auch der Umstand, dass in dem eingereichten DATEV-Berechnungsbogen zur Umsatzsteuer 2015 keine Angaben zu steuerfreien Umsätzen, unentgeltliche Wertabgaben und Minderungen der Bemessungsgrundlage enthalten sind. Für diese Sichtweise spricht, dass auch in den elektronisch übermittelten Steuererklärungen nicht ausgefüllte Zeilen, soweit ersichtlich, ebenfalls unterdrückt werden. Im Übrigen geht auch Ziffer 2 zu § 172 des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) davon aus, dass der Steuerpflichtige nach Ablauf der Frist Argumente und Nachweise zur Begründung eines rechtzeitig gestellten, hinreichend konkreten Änderungsantrags i.S.d. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a AO nachreichen oder ergänzen kann, soweit hierdurch der durch den ursprünglichen Änderungsantrag festgelegten Änderungsrahmen nicht überschritten wird.
Im Streitfall ist zugunsten der Klägerin zudem auch zu berücksichtigen, dass sie zur Begründung und Konkretisierung ihres Antrags auf "schliche" Änderung mit der Vorlage der DATEV-Berechnungen jedenfalls keine willkürlichen Angaben gegenüber dem FA gemacht hat, die "ins Blaue" zielen (vgl. BFH-Urteil vom 20. Dezember 2006 X R 30/05, BStBl II 2007, 503). Vielmehr decken sich die Angaben in den DATEV-Berechnungen mit den Angaben der Klägerin in ihren Steuererklärungen für das Streitjahr, die sie am 19. September 2017 elektronisch dem FA übermittelt hat (vgl. Bl. xxx der Gerichtsakte).
III. Im Streitfall kann der Senat trotz der nunmehr vollständig vorliegenden Steuererklärungen der Klägerin für das Streitjahr 2015 keine Verpflichtung des FA zur antragsgemäßen Veranlagung aussprechen. Dies ist nach § 101 Satz 1 FGO nur möglich, wenn die Sache spruchreif ist. Ist das nicht der Fall, spricht das Gericht nach § 101 Satz 2 FGO die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Änderung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a AO steht, wie oben bereits dargelegt, grundsätzlich im Ermessen des Finanzamts. Bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Herabsetzung der Steuer reduziert sich das Ermessen des Finanzamts auf Null mit der Folge, dass der von dem Änderungsantrag betroffene Steuerbescheid dann zwingend zu ändern ist. Eine Änderung hat daher zwingend zu erfolgen, wenn der Steuerpflichtige alle für eine Änderung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a AO erforderlichen Tatsachen nachweist (BFH-Urteil vom 11. Oktober 2017 IX R 2/17, BFH/NV 2018, 322).
Im Streitfall hat das FA jedoch weder im Verwaltungsverfahren noch im Rahmen des vorliegenden Klageverfahrens sich in irgendeiner Weise damit auseinandergesetzt, ob den Angaben der Klägerin in ihren Steuererklärungen inhaltlich gefolgt werden könnte. Die Klägerin hat hierzu auch nichts weiter vorgetragen. Doch auch wenn sämtliche Angaben der Klägerin in ihren Steuererklärungen durch Belege nachgewiesen worden wären, kann nicht ausgeschlossen werden, dass das FA zumindest einzelne Positionen noch genauer überprüfen will. Diese Entscheidungsmöglichkeit darf das Gericht dem Finanzamt nicht entziehen (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 7. Juli 1976 I R 66/75, BFHE 119, 368, BStBl II 1976, 680).
Das FA wird deshalb im Streitfall lediglich verpflichtet, sein Ermessen neu auszuüben, dabei die nach Ablauf der Klagefrist von den Klägern eingereichte Steuererklärung zu berücksichtigen und auf ihrer Grundlage ggf. Veranlagungen durchzuführen.
B. Der Antrag zu Ziffer 2 ist zum Teil begründet.
Zu Unrecht hat das FA den Antrag der Klägerin abgelehnt, die festgesetzten Körperschaftsteuervorauszahlungen aufgrund der DATEV-Berechnungen zur Körperschaftsteuer 2015 und aufgrund der nachgereichten Körperschaftsteuererklärung 2015 anzupassen und den bisherigen Vorauszahlungsbescheid zur Körperschaftsteuer gemäß § 164 Abs. 2 Satz 2 AO dementsprechend zu ändern.
Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 37 Abs. 3 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) hat eine Kapitalgesellschaft, wie die Klägerin, am 10. März, 10 Juni, 10. September und 10. Dezember Vorauszahlungen zur Körperschaftsteuer zu entrichten. Die Vorauszahlungen bemessen sich grundsätzlich nach der Körperschaftsteuer, die sich nach Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen bei der letzten Veranlagung ergeben haben, § 37 Abs. 3 Satz 2 EStG i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 1 KStG. Die Festsetzung einer Vorauszahlung ist nach § 164 Abs. 1 Satz 2 AO stets eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung. Nach § 164 Abs. 2 Satz 2 AO kann der Steuerpflichtige die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung jederzeit beantragen.
Die Entscheidungen des Finanzamts über die Anpassung von Vorauszahlungen ist eine Ermessensentscheidung, die vom Gericht nur im Rahmen des § 102 FGO überprüft werden kann (BFH-Urteil vom 22. Oktober 1981 IV R 81/79, BStBl II 1982, 446; BFH-Urteil vom 21. Januar 1976 I R 21/74, BStBl 1976, 389; Loschelder in Schmidt, EStG, 37. Auflage 2018, § 37 Rdz 6).
Das FA hat es im Streitfall ermessensfehlerhaft abgelehnt, die Vorauszahlungen zu Körperschaftsteuer 2015 anzupassen. Ermessensfehlerhaft hat das FA im Bescheid vom 4. Dezember 2017 ausgeführt, wegen der Ablehnung des Änderungsantrags wegen Körperschaftsteuer 2015 entfalle auch die Möglichkeit, dem Antrag auf Anpassung der Vorauszahlung zur Körperschaftsteuer zu entsprechen. Wie oben bereits dargelegt, hat das FA den Antrag der Klägerin auf "schlichte" Änderung jedoch ermessensfehlerhaft abgelehnt.
Da auch hinsichtlich der Anpassung der Vorauszahlungen zur Körperschaftsteuer keine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt, wird das FA ebenfalls nur verpflichtet, über den Anpassungsantrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden und dabei auch die nach Ablauf der Klagefrist von der Klägerin eingereichte Körperschaftsteuererklärung zu berücksichtigen und ggf. auf ihrer Grundlage die Vorauszahlungen zur Körperschaftsteuer herabzusetzen.
C. Der Antrag zu Ziffer 3 ist unzulässig.
Durch Klage kann die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden, § 40 Abs. 1 FGO.
In den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, ist die Klage nach § 44 Abs. 1 FGO nur zulässig, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist.
Im Streitfall hat das FA keinen Bescheid erlassen, mit dem es die Anpassung der Vorauszahlungen zum Solidaritätszuschlag abgelehnt hat. In dem Ablehnungsbescheid vom 4. Dezember 2017 heißt es zur Anpassung der Vorauszahlungen nur, wegen der Ablehnung der Änderungsanträge zur Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer 2015 entfalle auch die Möglichkeit, den Anträgen auf Anpassung der Vorauszahlung zur Körperschaftsteuer sowie zur Anpassung des Gewerbesteuermessbetrages für Zwecke der Vorauszahlungen zu entsprechen.
Im Übrigen hat die Klägerin wegen "Anpassung der Vorauszahlungen zum Solidaritätszuschlag auch keinen Einspruch eingelegt. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen. Nach § 347 Abs. 1 Satz 2 AO ist der Einspruch auch dann statthaft, wenn geltend gemacht wird, dass in den in Satz 1 der Vorschrift bezeichneten Abgabenangelegenheiten über einen vom Einspruchsführer gestellten Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes binnen angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. Die Klägerin hat gegen den Bescheid vom 4. Dezember 2017 jedoch lediglich wegen der Ablehnung ihrer Anträge auf Änderung der Bescheide für 2015 über Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuermessbetrag und wegen der Ablehnung ihrer Anträge auf Anpassung der Vorauszahlungen der Jahre 2016 und 2017 zur Körperschaftsteuer und zum Gewerbesteuermessbetrag 2016 und 2017 Einspruch eingelegt. Der Einspruchsbescheid des FA vom 31. Januar 2018 bezieht sich dementsprechend ebenfalls nicht auf die "Anpassung der Vorauszahlungen zum Solidaritätszuschlag".
D. Der Antrag zu Ziffer 4 ist unbegründet.
Im Ergebnis hat das FA zu Recht den Antrag der Klägerin abgelehnt, die Gewerbesteuervorauszahlungen für die Jahre 2016 und 2017 anzupassen oder einen Gewerbesteuermessbetrag für Zwecke der Vorauszahlung festzusetzen.
Nach § 19 Abs. 3 Satz 1 GewStG kann lediglich die Gemeinde, nicht jedoch das FA die Vorauszahlungen zur Gewerbesteuer anpassen. Die Gemeinde wird daher prüfen müssen, wenn das FA gegenüber der Klägerin aufgrund der nachgereichten Gewerbesteuererklärung 2015 einen geänderten Gewerbesteuermessbescheid erlässt, ob und ggf. in welchem Umfang es die bisherigen Vorauszahlungen anpassen will.
Aus § 19 Abs. 3 Satz 3 GewStG ergibt sich für den Streitfall nichts Anderes. Das Finanzamt kann gemäß § 19 Abs. 3 Satz 3 GewStG bis zum Ende des 15. auf den Erhebungszeitraum folgenden Kalendermonats für Zwecke der Gewerbesteuer-Vorauszahlungen den Steuermessbetrag festsetzen, der sich voraussichtlich ergeben wird.
Im Streitfall sind dem FA aufgrund der nachgereichten Gewerbesteuererklärung 2015 jedoch keine Umstände bekannt geworden, nach denen es für die Erhebungszeiträume 2016 und 2017 für Zwecke der Vorauszahlungen einen voraussichtlichen Steuermessbetrag festsetzen könnte. Im Streitfall geht es lediglich darum, ob aufgrund der nachgereichten Gewerbesteuererklärung 2015 der Schätzungsbescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für 2015 vom 8. Dezember 2015 korrigiert werden muss und ob die Gemeine dann ggf. die festgesetzten Vorauszahlungen zur Gewerbesteuer gemäß § 19 Abs. 3 Satz 1 GewStG anpassen muss.
E. Die Revision ist gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts zugelassen worden. Zu der hier entschiedenen Rechtsfrage, ob in Schätzungsfällen ein Antrag auf "schlichte" Änderung nur dann hinreichend konkret ist, wenn innerhalb der Frist des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a AO i.V.m. § 172 Abs. 1 Satz 3 AO eine vollständige Steuererklärung eingereicht wird, liegt, soweit ersichtlich, noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung vor.
D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.