Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 04.02.2002, Az.: 7 A 2073/01

Bevollmächtigter; DGB; Erlaubnis; Gewerkschaft; Gewerkschaftssekretär; Prozessvertretung; Rechtsberatung; Sozialhilfeangelegenheit

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
04.02.2002
Aktenzeichen
7 A 2073/01
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 43895
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Gründe

1

Der Beschluss beruht auf § 173 VwGO iVm. § 157 Abs. 2 Satz 1 ZPO analog.

2

Der bisherige Bevollmächtigte des Klägers ist zurückzuweisen, weil die Vertretung des Klägers durch ihn gegen das Rechtsberatungsgesetz (RBerG) verstößt. Zwar bedarf es nach Art. 1 § 7 RBerG einer Erlaubnis zur Rechtsberatung dann nicht, wenn auf berufsständischer oder ähnlicher Grundlage gebildete Vereinigungen oder Stellen im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ihren Mitgliedern Rat und Hilfe in Rechtsangelegenheiten gewähren. Diese Voraussetzung ist beim Prozessbevollmächtigten des Klägers jedoch nicht erfüllt.

3

Unstreitig handelt es sich bei dem DGB zwar um eine auf berufsständischer Grundlage gebildete Vereinigung. Die Rechtsberatung in reinen Sozialhilfeangelegenheiten gehört jedoch nicht zu dem Aufgabenbereich des Gewerkschaftsbundes. Es kann dahin stehen, ob eine entsprechende Aufgabe in der Satzung des DGB formuliert ist oder nicht. Entgegen dem VG Köln (Urt. v. 06.04.1966 - 6 K 1054/65 -, BB 1966, 34) kommt es darauf nicht an. Denn ein Verband kann es nicht in der Hand haben, durch eine Satzungsbestimmung seine Möglichkeiten zur Rechtsbesorgung beliebig auszuweiten (so schon Renner/Caliete, RBerG 1986, Art. I § 7 Rdnr. 12).

4

Zwar wird zum Teil die Auffassung vertreten, dass nach den historischen Ursprüngen der Gewerkschaft auch die allgemeine Sicherung der Existenz ihrer Mitglieder zu den Aufgaben dieser Vereinigung gehört (OVG Münster, Beschl. v. 22.02.1967 - VII B 564/66 -, DVBl. 1967, 944, 945 [OVG Nordrhein-Westfalen 22.02.1967 - VIII B 564/66]; vgl. dazu auch Brosche, ZfF 1978, 178 unter Referierung eines Beschlusses des VG Hannover vom 18.04.1978 - III A 139/77 -; a.A. demgegenüber noch VG Hannover, Beschl. v. 12.09.1975 - III A 142/74 -). Dieser Ansicht folgt die Kammer jedoch nicht. Denn die Rechtsberatung in reinen Sozialhilfesachen geht über die berufsständischen oder diesen ähnlichen Aufgaben weit hinaus. Selbst bei großzügiger Betrachtung kann diese Voraussetzung nicht bejaht werden. Hilfen nach dem BSHG und insbesondere die in diesem Verfahren zur Entscheidung stehende Frage, ob der Rückkaufwert von Lebensversicherungen Vermögen iSd BSHG darstellt, steht unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten mit einer beruflichen Tätigkeit des Klägers in keinerlei Zusammenhang und kann deshalb weder dem Aufgabenbereich des DGB noch einer seiner Mitgliedsgewerkschaften zugerechnet werden (vgl. hinsichtlich BAföG auch OVG Münster, Beschl. v. 31.01.1996 - 16 E 1070/94 - unter Bezugnahme auf Kommentierung von Altenhoff/Busch/Chemnitz zum RBerG, 10. Aufl. 1993, Art. I § 7 Rdnr. 697).

5

Auch die Vorschrift des § 13 Abs. 5 Satz 2 SGB X führt nicht zur Zulässigkeit einer Prozessvertretung durch den Bevollmächtigten. Zwar sind danach in den Verwaltungsverfahren - ebenso wie in den Verfahren vor den Sozialgerichten gem. § 73 Abs. 6 Satz 2 SGG - Bevollmächtigte, die Mitglieder von Gewerkschaften vertreten, zugelassen, soweit sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Prozessvertretung befugt sind. Diese Regelung für das Verwaltungs- und Sozialgerichtsverfahren hat der Gesetzgeber jedoch nicht in das allgemeine Verwaltungsgerichtsverfahren übernommen. Für den Bereich der Sozialhilfe sieht der Gesetzgeber vielmehr den Aufgabenbereich von Gewerkschaften nur in einem sehr eng begrenzten Rahmen als tangiert an. Dies zeigt Art. 1 Nr. 8 d des Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess vom 20.12.2001. Mit diesem Gesetz wurden erstmals auch Mitgliedern und Angestellten der Gewerkschaften das Recht zur Prozessvertretung vor den Oberverwaltungsgerichten eingeräumt, soweit es um Sozialhilfe geht, jedoch nur, wenn die Hilfe im Zusammenhang mit Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts steht. Zwar ist im Gegensatz zu den Vertretungsregelungen vor den höheren Gerichten nach § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO der Kreis der Bevollmächtigten nicht eingeschränkt. Die Neufassung der VwGO zeigt jedoch, dass der Gesetzgeber zum Aufgabenbereich von Gewerkschaften die Prozessvertretung in Sozialhilfesachen nur in einem sehr begrenzten Bereich zählt.

6

Da die Prozessvertretung durch den Bevollmächtigten unstreitig geschäftsmäßig erfolgt, liegt nach alledem bei einer Vertretung in Streitigkeiten außerhalb des Aufgabenbereichs ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz vor. Zur Abwehr einer Ordnungswidrigkeit nach § 8 RBerG war der Bevollmächtigte deshalb in analoger Anwendung des § 157 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen (vgl. zur Frage der analogen Anwendung auch Meissner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Loseblattwerk Stand 2000, § 67 Rdnr. 48).

Sonstiger Langtext

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Rechtsmittelbelehrung:

8

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht, Uelzener Straße 40, 21335 Lüneburg, statthaft. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe dieses Beschlusses bei dem Verwaltungsgericht Hannover, Eintrachtweg 19, 30173 Hannover, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Oberverwaltungsgericht in Lüneburg eingeht.

9

§ 157 Abs. 2 Satz 2 ZPO, der die Beschwerde ausdrücklich ausschließt, findet nicht über § 173 VwGO Anwendung, weil diese Vorschrift insoweit von § 146 Abs. 1 VwGO verdrängt wird (Meissner, a.a.O., Rdnr. 51).