Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 07.02.2002, Az.: 12 A 3679/98

Ausweisung; Ermessen; Festsetzung; Gebühr; Gebührenermäßigung; Gebührenfreiheit; Rechtsverordnung; Verwaltungskosten; Wasserschutzgebiet; Wohl der Allgemeinheit

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
07.02.2002
Aktenzeichen
12 A 3679/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 43848
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Es bestehen Bedenken, ob § 48 IV NWG zur Erhebung von Gebühren für den Erlass einer Rechtsverordnung ermächtigt, mit der ein Wasserschtzgebiet festgesetzt wird.
2. Jedenfalls ist die Tatsache, dass das Wasserschutzgebiet durch Rechtsverordnung zum Wohl der Allgemeinheit nach § 48 I NWG festgesetzt wird, spätestens bei der Ermessensentscheidung über eine sachliche Gebührenfreiheit oder -ermäßigung nach § 2 II NVWKostG zu berücksichtigen.

Tatbestand:

1

Zum Sachverhalt:

2

Die Kl., eine niedersächsische Gemeinde, die in ihrem Gebiet die Trinkwasserversorgung sicherstellt, bat unter dem 13.4.1989 bei der Bekl., das Verfahren auf Festsetzung eines Wasserschutzgebietes für das Wassergewinnungsgebiet L einzuleiten und legte einen entsprechenden Antrag vor. Die Bekl. erließ daraufhin am 17.4.1997 die Verordnung zur Festsetzung des Wasserschutzgebietes L und gab diese im Amtsblatt bekannt. Mit dem hier angefochtenen Bescheid setzte die Bekl. gegen die Kl. für die Festsetzung des Wasserschutzgebietes Verwaltungskosten in Höhe von 48.740,45 DM (47.420 DM Gebühren + 1.320,45 DM Auslagen) fest. Zur Gebührenfestsetzung führte sie aus: Bei der Festsetzung der Gebühr sei das Maß des Verwaltungsaufwandes sowie der Wert des Gegenstandes der Amtshandlung zu berücksichtigen. Als Berechnungsgrößen zur Ermittlung der Gebühr ziehe sie sowohl die bewilligte Entnahmemenge aus zwei Brunnen als auch die Größe des Wasserschutzgebietes heran. Die hiergegen von der Kl. erhobene Klage hatte ganz überwiegend Erfolg.

Entscheidungsgründe

3

 Der angefochtene Kostenfestsetzungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtswidrig und verletzt die Kl. in ihren Rechten, soweit Verwaltungsgebühren für die Festsetzung des Wasserschutzgebietes L in Höhe von 47.420 DM festgesetzt worden sind. Rechtmäßig ist lediglich die Festsetzung von Auslagen in Höhe von 1.320,45 DM.

4

Rechtsgrundlage für die Erhebung von Kosten für die Festsetzung eines Wasserschutzgebietes ist § 48 IV NWG in der zum Zeitpunkt des Erlasses der hier vorliegenden Wasserschutzgebietsverordnung am 17.4.1997 geltenden Fassung. Nach dieser durch Art. I Nr. 26 d des 7.Gesetzes zur Änderung des NWG vom 7.2.1990 (Nieders. GVBl. S. 53, 55) mit Wirkung ab 1.5.1990 (Art. V Abs. 1 des Änderungsgesetzes) in das NWG eingefügten Vorschrift trägt die Kosten für die Festsetzung eines Wasserschutzgebietes derjenige, welcher durch die Festsetzung unmittelbar begünstigt wird. Ist kein unmittelbar Begünstigter vorhanden, trägt die Kosten das Land. Zur Überzeugung der Kammer enthält diese Bestimmung, die nach ihrem Wortlaut lediglich den Kostenpflichtigen bestimmt, zugleich die Ermächtigung für die Erhebung von Kosten für die Festsetzung eines Wasserschutzgebietes dem Grunde nach. Denn andernfalls würde die Regelung ihren Sinn verfehlen. Zudem entsprach es dem Willen des Gesetzgebers, eine Bestimmung für die Kostentragungspflicht bei der Festsetzung von Wasserschutzgebieten in das NWG aufzunehmen (Schriftlicher Bericht der Abg. Tewes, LT-Drs. 11/5132, S. 5).

5

Fraglich hingegen ist, ob der Kostenbegriff des § 48 IV NWG mit dem Kostenbegriff des § 1 NVwKostG in der für die vorliegende Heranziehung maßgeblichen Fassung vom 13.12.1996 (Nieders. GVBl. S. 494) identisch ist und zur Erhebung auch von Gebühren ermächtigt. Zu berücksichtigen ist nämlich die Besonderheit, dass vorliegend nicht die Kosten einer Amtshandlung abgerechnet werden, sondern die Kosten eines Rechtsetzungsaktes. Denn das Wasserschutzgebiet wird gemäß § 48 II 1 NWG durch Rechtsverordnung und nicht durch Verwaltungsakt festgesetzt, und die Festsetzung selbst darf gemäß § 48 I NWG (= § 19 I WHG) materiell nur erfolgen, soweit es das Wohl der Allgemeinheit erfordert.

6

Die Bekl. verweist darauf, dass nach § 1 III NVwKostG die Vorschriften des NVwKostG entsprechend anzuwenden sind, wenn nach anderen Rechtsvorschriften Kosten erhoben werden und nichts Abweichendes bestimmt wird. Der Gebührenverordnungsgeber hat eine Identität des Kostenbegriffes in § 48 IV NWG und § 1 III NVwKostG angenommen und den Kostentarif zu der aufgrund von §§ 3 I, III S. 1 und 14 NVwKostG erlassenen AllGO erstmals durch Art. I Abs. 2 Nr. 56 der 15. Änderungsverordnung zur AllGO vom 17.7.1990 (Nieders. GVBl. S. 293, 337) mit Wirkung ab 25.7.1990 (Art. II Abs. 1 S. 1 der Änderungsverordnung) um den Gebührentatbestand der Tarifnummer 71.4.1 erweitert, die lautet: [71] Wassergesetz, [71.4] Wasserschutzgebiete, [71.4.1)] Festsetzung (§ 48 NWG), Änderung eines Wasserschutzgebietes:  3.000 bis 100.000 DM.

7

Die Fassung der Kostentarifnummer ist auch zu dem hier für die Heranziehung maßgeblichen Zeitpunkt am 17.4.1997 unverändert geblieben. Sie ist in der hier maßgeblichen Neufassung der AllGO vom 25.10.1995 (Nieders. GVBl. S. 355, 415) in der Fassung vom 18.9.1996 (Nieders. GVBl. S. 422) mit gleichem Wortlaut enthalten.

8

Abweichend von dem Gebührenverordnungsgeber neigt die Kammer dazu, eine Identität des Kostenbegriffs in § 48 IV NWG und § 1 III NVwKostG wegen der Besonderheiten des Festsetzungsverfahrens eines Wasserschutzgebietes mit der Folge zu verneinen, dass der Gebührentarifnummer 71.4.1 AllGO die gesetzliche Grundlage fehlt. Es bestehen Bedenken, für den Erlass einer Rechtsverordnung nach § 48 II 1 NWG, bei der es sich um einen allgemein verbindlichen Rechtssetzungsakt handelt, Gebühren zu erheben, zumal die Verordnung gemäß 48 I NWG (= § 19 I WHG) nur erlassen werden darf, wenn es das Wohl der Allgemeinheit erfordert (vgl. bereits VG Freiburg, VBlBW 1983, 43 und VGH Kassel, NVwZ-RR 1996, 691). Auch im Gesetzgebungsverfahren zum 7. Änderungsgesetz zum NWG war nicht von Gebühren die Rede, sondern im wesentlichen nur von Kosten für notwendige Gutachten durch das Amt für Bodenforschung oder auch private Sachverständige zur Festsetzung des Einzugsgebietes der Trinkwassergewinnungsanlagen und der Zonierung innerhalb des Gesamteinzugsgebietes sowie für die notwendige Zusammenstellung der Flurstücksnummern (Beratungen des Ausschusses für Umweltfragen, 89. Sitzung vom 2.10.1989, Niederschrift S. 21 f.). Auch im Schrifttum wird davon ausgegangen, dass als Verfahrenskosten im Sinne von § 48 IV NWG z. B. Bekanntmachungs- und Reisekosten in Betracht kommen (Haupt/Reffken/Rhode, NWG, § 48 Rdnr. 12). Von Gebühren war weder im Gesetzgebungsverfahren die Rede, noch werden sie im Schrifttum als selbstverständlich angesehen. Mithin spricht zur Überzeugung der Kammer Überwiegendes dafür, dass § 48 IV NWG zwar zur Erhebung von Auslagen, nicht jedoch zum Erlass von Gebühren für die Festsetzung eines Wasserschutzgebietes ermächtigt.

9

Die Kammer kann diese Frage jedoch dahingestellt sein lassen, weil sich die von der Bekl. in ihrem Bescheid gegen die Kl. gerichtete Gebührenfestsetzung in Höhe von 47.420 DM auch dann als rechtswidrig erweist, wenn § 48 IV 1 NWG in Verbindung mit den §§ 1 III und 3 NVwKostG sowie der Kostentarifnummer 71.4.1 AllGO als wirksame Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung unterstellt werden. Denn die Bekl. hat in diesem Fall die Gebühren unter Verstoß gegen den Gebührenbemessungsgrundsatz in dem dann ebenfalls über § 1 III NVwKostG entsprechend anwendbaren § 9 I NVwKostG festgesetzt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Kostentarifnummer 71.4.1 AllGO einen Rahmen zwischen 3.000 und 100.000 DM bestimmt. Ist jedoch für den Ansatz einer Gebühr durch die Gebührenordnung ein Rahmen bestimmt, so hat die Behörde, soweit die Gebührenordnung nichts anderes vorschreibt, bei der Festsetzung der Gebühr das Maß des Verwaltungsaufwandes für die einzelne Amtshandlung (hier: Rechtsetzung) sowie den Wert des Gegenstandes der Amtshandlung zu berücksichtigen. Dies hat die Bekl. in dem Bescheid unter ausdrücklicher Zitierung von § 9 NVwKostG zwar erkannt, sich bei der Gebührenberechnung dann jedoch ausdrücklich und abschließend auf die bewilligte Entnahmemenge und die Größe des Wasserschutzgebietes gestützt. Damit hat sie offenkundig allein auf den Wert der Rechtsetzung für die Kl. abgestellt, nicht jedoch das Maß des Verwaltungsaufwandes in die Gebührenfestsetzung eingestellt. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus den von der Bekl. vorgelegten Verwaltungsvorgängen. Die Gebührenfestsetzung ist mithin fehlerhaft, weil offensichtlich eine Wertrelation zwischen Verwaltungsaufwand und Wert des Rechtsetzungsaktes tatsächlich nicht hergestellt worden ist und eine Angabe zum Maß des Verwaltungsaufwands fehlt. Hinzu kommt, dass aufgrund der Angaben in dem angefochtenen Bescheid auch nicht nachzuvollziehen ist, wie die für die einzelnen Brunnen und die Fläche des Wasserschutzgebietes zugrunde gelegten Beträge zustande gekommen sind. Diese Versäumnisse wurden in dem Widerspruchsbescheid nicht nachgeholt.

10

Soweit die Bekl. danach unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Nds. OVG (GewArch 1976, 93) als berechtigt anzusehen war, allenfalls die Mindestgebühr von 3.000 DM zu erheben, hätte sie prüfen müssen, ob sich die Festsetzung des Wasserschutzgebietes vorliegend als gebührenfreie Amtshandlung (hier: Rechtsetzung) im Sinne von § 2 I Nr. 2 NVwKostG darstellt, weil die Kl. als Behörde im Lande mit ihrem Schreiben vom 13.4.1989 den Anlass für das Tätigwerden der Bekl. gegeben hatte (persönliche Gebührenfreiheit). Soweit zwischen den Beteiligten streitig ist, ob die Kl. mit dem Ziel, durch den Antrag auf Festsetzung eines Wasserschutzgebietes die Trinkwasserversorgung ihrer Einwohner sicherzustellen, in Ausübung öffentlicher Gewalt gehandelt hat, kann die Kammer auch diese Frage dahingestellt sein lassen, weil die Bekl. im Falle des Nichtvorliegens eines Handelns der Kl. in Ausübung öffentlicher Gewalt dann gemäß § 2 II NVwKostG eine Ermessensentscheidung zu der Frage hätte treffen müssen, ob von der Erhebung der Gebühr ganz oder teilweise abgesehen werden kann, weil daran ein öffentliches Interesse besteht (sachliche Gebührenfreiheit oder -ermäßigung). Zwar besteht grundsätzlich ein öffentliches Interesse daran, dass die Behörde die Gebühr zum Ausgleich der von ihr erbrachten Gegenleistung erhält. Vorliegend können jedoch erhebliche Gegeninteressen das Gebühreninteresse überwiegen. Die Bekl. hätte spätestens auf dieser Stufe ihrer Prüfung, ob sie für die Festsetzung des Wasserschutzgebietes eine Gebühr erhebt, abwägen müssen, ob sie zugunsten der Kl. als die Trinkwasserversorgung ihrer Einwohner sicherstellende Gemeinde von der Gebührenerhebung absieht oder die Gebühr ermäßigt, weil die Festsetzung des Wasserschutzgebietes aufgrund gesetzlicher Vorgabe in § 48 I NWG (= § 19 I WHG) zum Wohl der Allgemeinheit, d.h. ausschließlich im öffentlichen Interesse, erfolgt. Der Fall, in dem die Amtshandlung selbst im (nur) überwiegenden öffentlichen Interesse erfolgt, stellt jedoch bereits einen typischen Sachverhalt dar, in dem die Behörde dem Einzelnen gegenüber faktisch keine Gegenleistung erbracht hat (Loeser, NVwKostG, § 2 Anm. 3 e Nr. 2 a). Dies gilt im vorliegenden Fall der Festsetzung eines Wasserschutzgebietes in besonderem Maße, zumal das Festsetzungsverfahren gemäß § 48 II 3 NWG im allgemeinen von Amts wegen eingeleitet wird. Dem nach dieser Vorschrift möglichen Antrag kommt lediglich der Stellenwert einer Anregung zu (VGH Kassel, NVwZ-RR 1996, 692 [OVG Rheinland-Pfalz 10.10.1995 - 6 A 11600/95]; Czychowski, WHG, 7. Aufl., § 19 Rdnr. 94 mwN). Spätestens dann, wenn im Zusammenhang mit der Festsetzung eines Wasserschutzgebietes in Niedersachsen die Ermächtigung zur Gebührenerhebung nach § 48 IV NWG in Verbindung mit § 1 III NVwKostG bejaht und eine persönliche Gebührenfreiheit nach § 2 I Nr. 2 NVwKostG verneint wird, bildet die Ermessensvorschrift des § 2 II NVwKostG das notwendige Korrektiv, um den Besonderheiten des wasserrechtlichen Festsetzungsverfahrens in gebührenrechtlicher Hinsicht Rechnung zu tragen. Der Hinweis der Bekl., dass es keinen verfassungsrechtlichen Grundsatz dergestalt gibt, dass Amtshandlungen, die ausschließlich öffentlichen Interessen dienen, allein schon deswegen gebührenfrei sein müssten, trifft zwar zu und findet seine Bestätigung in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Nachweise bei Loeser, ebd.). Die Bekl. verkennt jedoch, dass es vorliegend nicht um eine Amtshandlung, sondern um einen Rechtsetzungsakt geht, auf deren Erlass die Kl. auch keinen subjektiv-rechtlichen Anspruch hat, und dieser Unterschied Berücksichtigung finden muss. Die danach zu treffende Ermessensentscheidung hinsichtlich der sachlichen Gebührenfreiheit oder -ermäßigung hat die Bekl. sowohl in dem Kostenfestsetzungsbescheid als auch in dem Widerspruchsbescheid unterlassen. Die Gebührenfestsetzung ist deshalb auch nicht in Höhe der Mindestgebühr rechtmäßig. Sie ist vielmehr letztlich wegen Ermessensnichtgebrauchs gemäß § 114 S. 1 VwGO rechtswidrig. Die Kammer kann danach auch vernachlässigen, dass die Kl. den Antrag bzw. die Anregung auf Festsetzung des Wasserschutzgebietes bereits unter dem 13.4.1989 und damit zu einem Zeitpunkt gestellt hatte, als die Vorschrift über die Kostentragungspflicht in das NWG noch nicht aufgenommen und auch noch kein Gebührentatbestand in der AllGO enthalten war. Die Bekl. hätte sich deshalb auch mit der Frage des Vertrauensschutzes der Kl. im Zeitpunkt der Einleitung des wasserrechtlichen Festsetzungsverfahrens auseinandersetzen müssen.

11

Soweit die Bekl. gegen die Kl. insgesamt 1.320,45 DM Auslagen festgesetzt hat, ist der Kostenfestsetzungsbescheid hingegen zur Überzeugung der Kammer nicht zu beanstanden. Er findet seine Rechtsgrundlage insoweit in § 48 IV 1 NWG in Verbindung mit § 1 III und § 13 II 2 lit. c) sowie f) NVwKostG. Die Kammer sieht die Kl. in diesem Zusammenhang als unmittelbar Begünstigte an, die der Bekl. die Auslagen des Rechtsetzungsaktes zu erstatten hat. Ein Vertrauensschutz, von der Erstattungspflicht von Auslagen verschont zu bleiben, besteht nicht. Die Auslagenpositionen und deren Höhe sind von der Kl. auch nicht in Abrede gestellt worden. (...)

12

Die Berufung war gemäß § 124 a I 1 in Verbindung mit § 124 II Nr. 3 VwGO zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Klärungsbedürftig ist im vorliegenden Rechtsstreit die Rechtsfrage, ob § 48 IV NWG auch zur Erhebung von Auslagen ermächtigt.