Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 09.11.2007, Az.: L 3 KA 69/07 ER
Verlängerung einer vertragsärztlichen Zulassung aufgrund einer mangelhaften Versorgungslage ohne entsprechende Feststellung des zuständigen Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen; Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Altersgrenzen als subjektive Zulassungsbeschränkung zur Eindämmung einer von älteren und nicht mehr voll leistungsfähigen Berufstätigen ausgehenden Gefährdung; Gesundheitsschutz als besonders wichtiges Gemeinschaftsgut und als rechtmäßiger Zweck im Sinne der Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG); Aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage bei feststellenden Verwaltungsakten und rechtliche Wirkung der aufschiebenden Wirkung; Zulässigkeit einer Kumulation von Anträgen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bzw. auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 09.11.2007
- Aktenzeichen
- L 3 KA 69/07 ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 46399
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2007:1109.L3KA69.07ER.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - 04.07.2007 - AZ: S 24 KA 249/07 ER
Rechtsgrundlagen
- Art. 12 Abs. 1 GG
- § 8 AGG
- § 10 AGG
- § 95 Abs. 7 S. 3, 4, 8 SGB V
- § 100 Abs. 1 S. 1 SGB V
- § 104 Abs. 1 SGB V
- § 86b Abs. 2 S. 1 SGG
- § 123 SGG
- § 12 Abs. 3 S. 2 Ärzte-ZV
- § 16 Ärzte-ZV
- § 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 HKG NI
Fundstelle
- MedR 2008, 154 (amtl. Leitsatz)
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 04. Juli 2007 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen.
Gründe
I.
Der am 24. März 1939 geborene Antragsteller ist Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe und seit 1974 als Vertragsarzt - mit Praxissitz in C. (Landkreis D.) - tätig gewesen. Im Oktober 2006 beantragte er beim Zulassungsausschuss Hannover eine "Ausnahmegenehmigung von der 68-Jahresgrenze für Kassenärzte" und führte zur Begründung an, mit ihm würde C. den einzigen dort niedergelassenen Gynäkologen verlieren. Sein Sohn sei bereit, die Praxis zu übernehmen, habe aber seine Facharztausbildung noch nicht abgeschlossen. Der Zulassungsausschuss lehnte den Antrag mit Beschluss vom 5. Dezember 2006 (per Einschreiben zur Post gegeben am 22. Februar 2007) ab und stellte fest, dass die Zulassung des Antragstellers am 31. März 2007 ende. Zur Begründung berief er sich auf die gesetzliche Regelung in § 95 Abs. 7 Sätze 3 und 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), die eine Ausnahme im Fall des Antragstellers nicht zuließen; insbesondere habe der zuständige Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Niedersachsen für den Planungsbereich Landkreis D. keine eingetretene oder unmittelbar drohende Unterversorgung für dessen Arztgruppe festgestellt.
Den hiergegen am 27. Februar 2007 eingelegten Widerspruch wies der Antragsgegner mit Beschluss vom 21. März 2007 (zur Post gegeben am 20. April 2007) zurück. Hiergegen hat der Antragsteller am 24. April 2007 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben, die dort unter dem Aktenzeichen S 24 KA 330/07 anhängig ist.
Bereits am 09. März 2007 hat der Antragsteller außerdem den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel beantragt, ihm auch nach dem 31. März 2007 die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zu gestatten. Zur Begründung eines entsprechenden Anordnungsanspruchs hat er die Auffassung vertreten, die Altersgrenze sei mit dem Grundgesetz (GG) nicht zu vereinbaren, nachdem § 95 Abs. 7 SGB V in der Fassung des am 01. Januar 2007 in Kraft getretenen Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes eine Ausnahmeregelung von der Altersgrenze für unterversorgte Gebiete enthalte und damit nicht mehr davon ausgegangen werden könne, dass Ärzte mit Erreichen der Altersgrenze nicht mehr in der Lage seien, ihre ärztliche Tätigkeit auszuüben. Außerdem verstoße § 95 Abs. 7 SGB V gegen europäisches Recht, weil dort nicht die Richtlinie 2000/78/ EG umgesetzt worden sei, die eine Diskriminierung wegen des Alters in Beschäftigung und Beruf verbietet. Schließlich drohe im ländlichen Bereich eine Unterversorgung, weil es im Umkreis von C. keinen weiteren gynäkologischen Facharzt gebe.
Der Antragsgegner ist dem unter Hinweis auf den Beschluss des erkennenden Senats vom 1. Dezember 2006 (L 3 KA 135/06 ER) entgegengetreten. Die zum 01. Januar 2007 eingetretenen Rechtsänderungen führten zu keiner anderen Lage, weil die nunmehr in § 95 Abs. 7 SGB V angeführte Feststellung des Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über eine Unterversorgung nicht vorliege.
Das SG Hannover hat den Antrag mit Beschluss vom 04. Juli 2007 abgelehnt. Die Voraussetzungen einer Ausnahmeregelung nach § 95 Abs. 7 Satz 8 SGB V lägen nicht vor, weil der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen für den Planungsbereich Landkreis D. nicht festgestellt habe, dass dort für Frauenärzte eine ärztliche Unterversorgung eingetreten sei oder unmittelbar drohe. Ein Verstoß der Regelung des § 95 Abs. 7 SGB V gegen höherrangiges Recht liege nicht vor.
Gegen diese ihm am 10. Juli 2007 zugestellte Entscheidung hat der Antragsteller am 10. August 2007 Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat. Entgegen der Auffassung des SG verletze § 95 Abs. 7 SGB V höherrangiges Recht. § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V verstoße gegen Artikel 12 Abs. 1 und Artikel 3 Abs. 1 GG. Die anders lautende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), wonach § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V der Abwehr von Gefahren für das Allgemeinwohl diene, überzeuge nicht, zumal das Gericht die Altersgrenze nicht auch auf die privatärztliche Tätigkeit übertragen habe und der Gesetzgeber selbst in § 95 Abs. 7 Satz 4 und (ab 01. Januar 2007) in Abs. 7 Satz 8 SGB V die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung über das 68. Lebensjahr hinaus in unterversorgten Gebieten akzeptiert habe. Auf die Minderung der Leistungsfähigkeit könne man insbesondere deshalb nicht abstellen, weil ihm nunmehr die Niedersächsische Ärztekammer darum gebeten habe, im Rahmen des Notdienstes Kassenpatienten zu versorgen. Die Altersgrenze sei weiterhin unverhältnismäßig, weil als milderes Mittel im Einzelfall eine individuelle Prüfung der Leistungsfähigkeit ab Vollendung des 68. Lebensjahrs möglich sei. Auch eine Erforderlichkeit zulassungssteuernder Maßnahmen könne die Altersgrenze nicht mehr rechtfertigen, nachdem bei den Zahnärzten Zulassungsbeschränkungen nicht mehr bestünden und § 102 SGB V aufgehoben worden sei. Die Altersgrenze verletze weiterhin auch Artikel 3 Abs. 1 GG, weil die Vertragsärzte gegenüber anderen freien Berufen, bei denen keine Altersbegrenzung bestehe, benachteiligt würden. Die Altersgrenze verstoße darüber hinaus gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und stehe im Widerspruch zur Richtlinie 2000/78/EG, die in ihrem Artikel 6 ausdrücklich das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters enthalte. Die vorliegende Ungleichbehandlung könne auch nicht nach Artikel 6 Abs. 1 der Richtlinie gerechtfertigt sein. Die Auffassung des BVerfG, mit Vollendung des 68. Lebensjahres bestehe eine nicht mehr sicher zu unterstellende körperliche und geistige Leistungsfähigkeit, sei nicht zutreffend und werde zu Recht von Ärzteverbänden kritisiert. Außerdem weist der Antragsteller erneut darauf hin, dass das ländliche Gebiet um Bergen nach dem Ende seiner Zulassung unterversorgt sei und legt hierzu eine Stellungnahme des Landrats des Landkreises D. (vom 10. September 2007) vor. Er habe ohne Erfolg lange Zeit vergeblich versucht, seine Praxis zu veräußern. Ergänzend beruft er sich schließlich darauf, dass die Erhebung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners gemäß § 86a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufschiebende Wirkung habe wie das Bayerische Landessozialgericht (LSG) in seinem Beschluss vom 28. März 2007 (L 12 B 835/06 KA ER) festgestellte habe.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 04. Juli 2007 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, seine Zulassung über den 31. März 2007 hinaus zu verlängern,
hilfsweise:
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, seine Zulassung als Vertragsarzt über den 31. März 2007 hinaus bis zur Entscheidung des Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über das Vorliegen einer Unterversorgung im Planungsbereich D. gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 SGB V zu verlängern,
"ergänzend": unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Hannover vom 04. Juli 2007 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Beschluss des Antragsgegners anzuordnen,
hilfsweise:
das Verfahren auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof gemäß Artikel 234 Abs. 1 EGV zur Vorabentscheidung die Frage vorzulegen, ob die im Hinblick auf Artikel 10 EGV und der Zielvorgabe aus Artikel 249 Abs. 3 EGV bei Anwendung der Richtlinie 2000/78/EG (Verbot der Altersdiskriminierung) vereinbar ist.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf sein erstinstanzliches Vorbringen. Der Auffassung des Bayerischen LSG zur aufschiebenden Wirkung von Klagen gegen die Feststellung der Beendigung der Zulassung sei - mit der entgegenstehenden Rechtsprechung des Hessischen LSG (Beschluss vom 15. Dezember 2004 - L 7 KA 412/03 ER) und des LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 17. Mai 2005 - L 10 B 10/04 KA ER) - nicht zu folgen.
Die Beigeladenen stellen keinen Antrag. Die Beigeladene zu 8. vertritt die Auffassung, ein Fall des § 95 Abs. 7 Satz 8 SGB V liege nicht vor. Der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen habe für den Planungsbereich Landkreis D. keine ärztliche Unterversorgung nach § 100 Abs. 1 Satz 1 SGB V festgestellt. Hierzu bestehe auch kein Anlass, da der Versorgungsgrad für die Gruppe der Frauenärzte im Landkreis D. nach der aktuellen Fortschreibung der Bedarfsplanung Nr. 2/2007 108,1% betrage; für eine Unterversorgungsfeststellung müssten damit ca. die Hälfte der momentan 18 zugelassenen bzw. angestellten Frauenärzte ihre Zulassung verlieren.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Der Beschluss des SG vom 04. Juli 2007 ist zu Recht ergangen.
Gemäß § 123 SGG entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Diese Vorschrift war vorliegend heranzuziehen, weil die ausdrücklich gestellten Anträge des Antragstellers widersprüchlich sind: Im Beschwerdeschriftsatz hat er den Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 86b Abs. 2 SGG) beantragt, "ergänzend" mit Schriftsatz vom 17. August 2007 dagegen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (§ 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG); eine derartige Kumulation ist aber nicht möglich (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG). Das Begehren des Antragstellers ist im Ergebnis auf den Erlass einer Regelungsanordnung (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG) gerichtet, weil es sich nicht in einer bloßen Anfechtung des Beschlusses des Antragsgegners vom 21. März 2007 erschöpft; der Antragsteller erstrebt vielmehr darüber hinaus eine Verpflichtung des Antragsgegners (vgl. Beschwerdeschriftsatz vom 10. August 2007) bzw. eine Feststellung (Klageschriftsatz vom 24. April 2007 im Hauptsacheverfahren S 24 KA 330/07), sodass eine sog. Vornahmesache vorliegt. Für diese ist vorläufiger Rechtsschutz ggf. in Gestalt einer einstweiligen Anordnung zu gewähren.
Der Antrag auf Erlass einer derartigen einstweiligen Anordnung ist auch zulässig, obwohl der Antragsteller selbst die Auffassung vertritt, er dürfe seine vertragsärztliche Tätigkeit ohnehin weiterführen, weil seine Klage gegen den Beschluss vom 21. März 2007 aufschiebende Wirkung habe. Denn diese Annahme trifft nicht zu. Zwar sieht § 86a Abs. 1 Satz 2 SGG ausdrücklich vor, dass Widerspruch und Anfechtungsklage auch bei feststellenden Verwaltungsakten aufschiebende Wirkung haben. Damit ist für den Antragsteller aber nichts gewonnen, weil die aufschiebende Wirkung der Klage vom 24. April 2007 hier im Ergebnis folgenlos bleibt.
Welche rechtlichen Folgen sich aus der aufschiebenden Wirkung ergeben, ist umstritten. Geht man von der überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung (vgl. hierzu die Nachweise bei Schoch in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Februar 2007, § 80 RdNr. 75) aus, hemmt diese die Vollziehbarkeit des angefochtenen Verwaltungsakts. Da ein feststellender Verwaltungsakt (wie die vorliegenden Beschlüsse mit der Feststellung, dass die Zulassung des Antragstellers am 31. März 2007 endet) aber einer Vollziehung weder zugänglich noch bedürftig ist, würde die aufschiebende Wirkung leer laufen (Schoch a.a.O. RdNr. 81; Puttler in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Auflage, § 80 RdNr. 35).
Geht man dagegen von der sog. Wirksamkeitstheorie aus (vgl. z.B. Puttler a.a.O. m.w.N.), beseitigt die aufschiebende Wirkung vorläufig die Wirksamkeit des angefochtenen Verwaltungsakts. Auch wenn man sich dementsprechend vorliegend die angefochtenen Beschlüsse wegdenkt, hat dies aber keine Auswirkung auf die Rechtslage. Denn das Ende der vertragsärztlichen Zulassung tritt bereits Kraft Gesetzes ein, ohne dass es eines behördlichen Entscheidungsakts bedürfte (LSG Nordrhein-Westfalen Breithaupt 2005, 972 f). Die Geltung des § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V im Einzelfall kann jedenfalls nicht davon abhängen, ob die Behörde (zusätzlich) hierüber einen deklaratorischen Verwaltungsakt erlässt oder nicht (zu den fehlenden Folgen der aufschiebenden Wirkung bei deklaratorischen Feststellungen vgl. auch Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage, § 80 RdNr. 30).
Der Senat schließt sich deshalb der anders lautenden Rechtsauffassung des Bayerischen LSG (Breithaupt 2007, 531, 533) nicht an. Dieses hatte ein Andauern der vertragsärztlichen Zulassung über den sich aus § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V ergebenden Zeitpunkt hinaus unter Hinweis auf die aufschiebende Wirkung der Rechtsmittel gegen feststellende Verwaltungsakte angenommen, die Folgen der aufschiebenden Wirkung bei feststellenden Verwaltungsakten aber nicht untersucht.
Der Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung ist jedoch unbegründet, weil es bereits an einem Anordnungsanspruch fehlt.
Gemäß § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V endet die Zulassung am Ende des Kalendervierteljahrs, in dem der Vertragsarzt sein 68. Lebensjahr vollendet. Da der Antragsteller am 24. März 2007 68 Jahre alt geworden ist, ist das Ende seines Status als Vertragsarzt damit am 31. März 2007 eingetreten. Ein Ausnahmefall des § 95 Abs. 7 Satz 8 SGB V liegt nicht vor. Nach dieser durch das Gesetz zur Änderung des Vertragsarztrechts und anderer Gesetze (Vertragsarztrechtsänderungsgesetz - VÄG) vom 22. Dezember 2006 (BGBl. I 3439) eingefügten Vorschrift gilt Satz 3 nicht, wenn der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen nach § 100 Abs. 1 Satz 1 SGB V festgestellt hat, dass in einem bestimmten Gebiet eines Zulassungsbezirks eine ärztliche Unterversorgung eingetreten ist oder unmittelbar droht. Eine derartige Feststellung ist aber unstreitig nicht erfolgt. Auch der Ausnahmefall des § 95 Abs. 7 Satz 4 SGB V (kürzere vertragsärztliche Tätigkeit als zwanzig Jahre) liegt nicht vor.
Weitere Ausnahmefälle sieht das Gesetz nicht vor; insbesondere fehlt es dort an einer allgemeinen Härtefallregelung (Senatsbeschluss vom 06. September 2006 - L 3 KA 112/06 ER). Ohne entsprechende Feststellung des hierfür zuständigen Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen ist es dem Antragsteller deshalb versagt, eine Verlängerung seiner vertragsärztlichen Zulassung als Frauenarzt unter Hinweis auf die diesbezügliche mangelhafte Versorgungslage im Gebiet von Bergen zu erhalten. Dies gilt um so mehr, als § 95 Abs. 7 Satz 8 SGB V nur an die Unterversorgung "in einem bestimmten Gebiet eines Zulassungsbezirks" i.S.d. § 100 Abs. 1 SGB V anknüpft. Hierunter ist der Planungsbereich zu verstehen, wie sich aus § 29 der Bedarfsplanungs-Richtlinien vom 15. Februar 2007 ergibt, die gemäß § 104 Abs. 1 SGB V i.V.m. § 16 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) zur Umsetzung des § 100 Abs. 1 SGB V heranzuziehen sind (vgl. Pawlita in: jurisPK-SGB V, Stand: 01. August 2007, § 100 RdNr. 8). Dies ist hier der gesamte Landkreis D. (vgl. § 12 Abs. 3 Satz 2 Ärzte-ZV). Bei dem geltend gemachten speziellen Bedarf im Raum C. handelt es sich dagegen um einen "lokalen Versorgungsbedarf" im Sinne des § 100 Abs. 3 SGB V. Selbst wenn der Landesausschuss diesen feststellen würde, hätte dies deshalb nicht die Fortsetzung vertragsärztlicher Zulassungen zur Folge, sondern allenfalls die Verpflichtung der Beigeladenen zu 1., finanzielle und sonstige Maßnahmen zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung zu ergreifen (z.B. Sicherstellungszuschläge, vgl. § 105 Abs. 1 SGB V). Erst recht kann es schließlich keine Ausnahme von § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V begründen, wenn der Antragsteller seine Praxis vorübergehend aufrecht erhalten möchte, um sie nahtlos an seinen Sohn weitergeben zu können.
Auch der Umstand, dass der Antragsteller nunmehr von der Ärztekammer zur Teilnahme am Notdienst herangezogen wird und dabei ggf. auch gesetzlich krankenversicherte Patienten behandeln soll, führt zu keinem anderen Ergebnis. Diese Verpflichtung folgt allein daraus, dass er weiterhin privatärztlich tätig ist und deshalb wie alle anderen Privatärzte zur Teilnahme am Notdienst verpflichtet ist (§ 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 des niedersächsischen Kammergesetzes für die Heilberufe (HKG)); dabei ist die gemeinsame Organisation des Notdienstes für Privat- und Kassenpatienten zulässig (BSG SozR 3-2500 § 75 Nr. 2).
Entgegen der Auffassung des Antragstellers begegnet die Regelung des § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Das BVerfG hat bereits mit Beschluss vom 31. März 1998 (SozR 3-2500 § 95 Nr. 17) entschieden, dass die dort geregelte Altersgrenze mit Artikel 12 Abs. 1 GG in Übereinstimmung steht. Die Altersgrenze sei zwar eine subjektive Zulassungsbeschränkung, diene aber einem besonders wichtigen Gemeinschaftsgut; denn sie habe auch den Zweck, Gefährdungen, die von älteren, nicht mehr voll leistungsfähigen Berufstätigen ausgehen, im Interesse der Versicherten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) einzudämmen. Das BVerfG hat auch die Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Regelung bestätigt; insbesondere habe der Gesetzgeber eine generalisierende Regelung treffen können, anstatt eine individuelle Prüfung der Leistungsfähigkeit vorzuschreiben. Schließlich hat das BVerfG auch ausgeführt, dass der Gesetzgeber durch den Gleichheitssatz nicht gehindert werde, die Berufsausübung des Vertragsarztes im Gegensatz zu derjenigen anderer freier Berufe einer Altersbegrenzung zu unterwerfen. Die strengere Behandlung der Vertragsärzte gegenüber Privatärzten ist unter Hinweis auf die besondere Schutzbedürftigkeit der Versicherten der GKV gerechtfertigt worden, die anders als privat versicherte Patienten aufgrund des Sachleistungsprinzips nur Anspruch auf Behandlung durch einen Vertragsarzt hätten (BVerfG a.a.O.).
Dieser Rechtsprechung, der im Ergebnis auch das Bundessozialgericht (BSG) folgt (SozR 3-2500 § 95 Nr. 18), ist der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung beigetreten (vgl. Urteil vom 31. März 2004 - L 3 KA 4/03 - und zuletzt: Beschluss vom 21. Juni 2007 - L 3 KA 27/07 ER).
Anders als vereinzelt vertreten (vgl. z.B. Arnold, MedR 2007, 143), ergibt sich aus zwischenzeitlich eingetretenen Entwicklungen nicht, dass nunmehr § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V verfassungsrechtlich anders zu beurteilen ist. Das BVerfG hat vielmehr mit Beschluss vom 07. August 2007 (1 BvR 1941/07) an seiner ursprünglichen Einschätzung festgehalten und insbesondere ausgeführt, dass keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich seien, die Annahme, nach der allgemeinen Lebenserfahrung werde die Gefahr einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter größer, könne nicht mehr zutreffend sein. Auch aus dem mit dem VÄG eingefügten neuen Satz 8 in § 95 Abs. 7 SGB V folge nichts anderes. Hiermit habe der Gesetzgeber lediglich für Ausnahmefälle der Sicherstellung der medizinischen Versorgung den Vorrang vor dem Schutz der Patienten vor der Gefahr einer geminderten Leistungsfähigkeit älterer Ärzte eingeräumt, ohne diese grundsätzlich in Frage zu stellen. Schließlich habe sich auch durch den Wegfall der Zulassungsbeschränkungen für Vertragszahnärzte zum 01. April 2007 durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der Gesetzlichen Krankenversicherung vom 26. März 2007 (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG; BGBl. I 378) keine Änderung ergeben. Der erkennende Senat, der entsprechende Ausführungen bereits in seinem Beschluss vom 21. Juni 2007 (a.a.O.) gemacht hat, schließt sich dieser überzeugenden Rechtsprechung an.
Der Antragsteller kann auch aus den Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) keinen Anspruch daraus herleiten, über den 31. März 2007 hinaus als Vertragsarzt tätig zu sein. § 1 AGG bezweckt zwar, Benachteiligungen aus Gründen (u.a.) des Alters zu verhindern oder zu beseitigen. Der Senat hat aber schon wiederholt bezweifelt, dass hiermit auch Benachteiligungen im Rahmen des sozialrechtlichen Leistungserbringungsrechts gemeint sind (Beschlüsse vom 01. Dezember 2006 - L 3 KA 135/06 ER; vom 21. Juni 2007 - L 3 KA 27/07 ER; ebenso Rixen, ZESAR 2007, 345, 347 ff). Darüber hinaus ist auch keine Regelung im AGG ersichtlich, die als Rechtsfolge die Unanwendbarkeit des § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V vorsieht (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. Juni 2007 - L 11 B 12/07 KA ER KA ER; Rixen a.a.O. S. 349), weil in den §§ 13ff AGG lediglich Beschwerde- und Leistungsverweigerungsrechte bzw. Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche vorgesehen sind. Jedenfalls ist aber auch nach §§ 8, 10 AGG eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn dieses (§ 8) in der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist bzw. (§ 10) eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Im Vertragsarztsystem basiert die Altersregelung - wie bereits dargelegt - auf dem Ziel, die gesetzlich versicherten Patienten vor nachlassender Leistungsfähigkeit älterer Vertragsärzte zu schützen. Der Gesundheitsschutz stellt ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut und als solches einen rechtmäßigen Zweck im Sinne der genannten Vorschriften des AGG dar.
Auch europarechtliche Vorschriften ändern schließlich nichts an diesem Ergebnis. Insbesondere steht das sich aus § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V ergebende Ende der vertragsärztlichen Zulassung nach Vollendung des 68. Lebensjahrs nicht im Widerspruch zur Richtlinie 2000/78/EG des Rates der Europäischen Union vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (EGRL 78/2000), die die Diskriminierung (u.a. wegen des Alters) untersagt. Der Senat hat bereits zu der vor Inkrafttreten des AGG bestehenden Rechtslage (mit Beschluss vom 06. September 2006 - L 3 KA 112/06 ER) und dabei im Anschluss an das Hessische LSG (Urteil vom 15. März 2006 - L 4 KA 32/05) dargelegt, dass § 97 Abs. 7 Satz 3 SGB V nicht gegen die genannte Richtlinie verstößt. Nichts anderes gilt nach Inkrafttreten des die EGRL 78/2000 ausfüllenden AGG, unabhängig davon, ob man von einem weiter bestehenden Anwendungsvorrang der Richtlinie (vgl. Husmann, ZESAR 2007, 58, 62) oder davon ausgeht, dass das AGG wegen des Gebots richtlinienkonformer Auslegung der Anwendung der 68-Jahre-Grenze entgegensteht (zum Problem vgl. Rixen a.a.O. Seite 349 ff).
Entscheidend dabei ist jeweils, dass die Ungleichbehandlung von Vertragsärzten, die das 68. Lebensjahr erreicht haben, nach Artikel 6 Abs. 1 EGRL 78/2000 gerechtfertigt ist. Nach dieser Vorschrift können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind, im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind; dabei sind die Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung nur beispielhaft ("insbesondere") genannt.
Die Befristung der vertragsärztlichen Zulassung bis zur Erreichung des 68. Lebensjahrs verfolgt ein legitimes - sozialpolitisches - Ziel i.S.d. Reglung, nämlich den Schutz der Versicherten vor Vertragsärzten, deren Leistungsfähigkeit altersbedingt eingeschränkt ist. Dies ist unter Hinweis auf die Beschlüsse des BVerfG vom 31. März 1998 bzw. vom 07. August 2007 (a.a.O.) bereits dargelegt worden. Die Altersgrenze ist zur Erreichung dieses Ziels auch angemessen und erforderlich. Auch insoweit ist auf die Ausführungen des BVerfG zu verweisen, wonach die Altersgrenze zur Sicherung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit der Vertragsärzte geeignet, erforderlich und auch im engeren Sinne verhältnismäßig ist (BVerfG SozR 3-2500 § 95 Nr. 17). In europarechtlicher Hinsicht kann nichts anderes gelten; insbesondere sind keine strengeren Maßstäbe an die Prüfung von Angemessenheit und Erforderlichkeit zu stellen (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. Juni 2007 - L 11 B 12/07 KA ER) , zumal der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seinem Urteil vom 16. Oktober 2007 (Palacios de la Villa, C-411/05) betont hat, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union bei der Festlegung der Maßnahmen zur Erreichung von arbeits- und sozialpolitischen Zielen über einen weiten Ermessensspielraum verfügen.
Entsprechendes gilt auch, wenn man mit dem EuGH (Urteil vom 22. November 2005, Mangold, C-144/04, Slg. 2005, I-09981, RdNr. 75) davon ausgeht, dass das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters als allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts anzusehen ist. Auch dann liegt eine Diskriminierung nicht vor, wenn die altersbedingte Ungleichbehandlung - wie hier - durch angemessene und erforderliche Gründe sachlich gerechtfertigt ist (LSG Nordrhein-Westfalen a.a.O.).
Der Hilfsantrag des Antragstellers, den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, seine Zulassung als Vertragsarzt über den 31. März 2007 hinaus bis zur Entscheidung des Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über das Vorliegen einer Unterversorgung im Planungsbereich D. zu verlängern, ist mangels Anordnungsanspruchs ebenfalls unbegründet. § 95 Abs. 7 SGB V enthält keine Rechtsgrundlage, die ein derartiges Vorgehen der Zulassungsausschüsse ermöglichen könnte. Vielmehr sieht Satz 8 der Vorschrift vor, dass die Zulassung nur dann nicht nach Satz 3 altersbedingt endet, wenn der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen eine entsprechende Feststellung nach § 100 Abs. 1 Satz 1 SGB V bereits getroffen hat.
Auch der Hilfsantrag auf Aussetzung und Vorlage des Verfahrens an den EuGH gemäß Artikel 234 Abs. 3 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) ist schließlich unbegründet. Denn eine Vorlagepflicht besteht in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht, wenn sich ein ordentliches Verfahren anschließen kann, in dem die vorläufige Entscheidung überprüft werden kann (BVerfG NJW 2007, 1521, 1522; Geiger in: EUV/EGV, 4. Auflage, Artikel 234 EGV, RdNr. 19). Dieses ist vorliegend der Fall.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und § 162 Abs. 3 i.V.m. § 154 Abs. 3 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung bleibt einem gesonderten Beschluss vorbehalten.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.