Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 18.10.2006, Az.: 4 LA 42/05
Anspruch eines Kindes bzw. Jugendlichen auf Gewährung von Eingliederungshilfe; Beachtlichkeit eines Wunschrechts und Wahlrechts bezüglich geeigneter Eingliederungsmaßnahmen durch den Jugendhilfeträger; Kriterien für die Annahme ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit eines verwaltungsgerichtlichen Urteils
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 18.10.2006
- Aktenzeichen
- 4 LA 42/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 32078
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2006:1018.4LA42.05.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Osnabrück - 21.12.2004 - AZ: 6 A 84/02
Rechtsgrundlagen
- § 5 Abs. 1 S. 1 SGB VIII
- § 5 Abs. 2 S. 1 SGB VIII
- § 35a Abs. 1 SGB VIII
- § 35a Abs. 2 SGB VIII
- § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO
Fundstellen
- FEVS 2007, 366-369
- JAmt 2007, 101
- Jugendhilfe 2007, 218
- NVwZ-RR 2007, 113 (amtl. Leitsatz)
- NdsVBl 2007, 52-53
- NordÖR 2007, 93 (amtl. Leitsatz)
- ZfF 2008, 21
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Das für alle Leistungen nach § 35 a SGB VIII geltende Wunsch- und Wahlrecht des Leistungsberechtigten nach § 5 SGB VIII ist vom Jugendhilfeträger zwingend zu beachten.
- 2.
Entstehen keine unverhältnismäßigen Mehrkosten und ist die vom Leistungsberechtigten gewählte Einrichtung / Form der Hilfe in gleicher Weise zur Behandlung der festgestellten Beeinträchtigung geeignet, ist der Jugendhilfeträger nach der Soll-Vorschrift des § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII gehalten, der Wahl und den Wünschen des Leistungsberechtigten zu entsprechen, sofern kein atypischer Fall vorliegt, der ein Abweichen von der in einem solchen Fall regelmäßig in der gewünschten Form zu bewilligenden Hilfe rechtfertigt.
Gründe
Der Antrag des Beklagten, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, hat keinen Erfolg. Die vom Beklagten geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 3 VwGO liegen nicht vor.
Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten verpflichtet, dem Kläger Eingliederungshilfe nach § 35 a SGB VIII in Form der Teilnahme an der Lerntherapie im Lehrinstitut für Orthografie und Schreibtechnik - LOS - D. in der Zeit vom 28. August 2001 bis zum 16. November 2004 zu bewilligen, und den Bescheid des Beklagten vom 10. Januar 2002 in der Gestalt seines Widerspruchbescheides vom 21. Mai 2002 aufgehoben. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, bei dem an einer schweren Schriftspracherwerbsstörung (Legasthenie) leidenden Kläger sei ab August 2001 von einer drohenden seelischen Behinderung auszugehen, was auch vom Beklagten nicht in Abrede gestellt werde. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass dem Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum im LOS D. nicht etwa ein reiner Nachhilfeunterricht im Sinne von Lese- und Rechtschreibübungen erteilt, sondern dort eine Lerntherapie im Sinne des § 35 a SGB VIII durchgeführt worden sei. Der Sachverständige habe dazu im Rahmen der ergänzenden Befragung in der mündlichen Verhandlung ausgesagt, erster Teil der Therapie im LOS sei die Vermittlung der lerngegenstandsbezogenen Inhalte gewesen. Ein zweiter Teil sei jedoch das Lernen in der Gruppe als Bestandteil der Therapie entsprechend dem therapeutischen Konzept des LOS gewesen. Es gebe nach den Feststellungen des Sachverständigen derzeit keine Studie, die belege, dass nur die Förderung der sozio-emotionalen Aspekte zu einer Verbesserung des Leistungsstandes bei Lern- und Rechtschreibschwierigkeiten - LRS - führe. Im Zentrum der Förderung müsse stets die Schriftsprachtherapie stehen. Die vom Beklagten vertretene Auffassung, dass eine Gruppentherapie bei dem Vorhandensein einer schweren Ausprägung einer Schriftspracherwerbsstörung grundsätzlich nicht geeignet sei, habe der Sachverständige nicht bestätigt. Es gebe keine verlässlichen empirischen Studien, aus denen der Schluss gezogen werden könne, dass eine Gruppentherapie weniger wirksam sei als eine Einzeltherapie. Im Hinblick auf den Kläger habe der Sachverständige festgestellt, dass es sich auf Grund des Konzeptes des LOS und der dort durchgeführten Programme um eine individuell angepasste und auf die Bedürfnisse des Kindes ausgerichtete Therapie handele, die für den Kläger geeignet und erforderlich gewesen sei, weil bei ihm nur eine moderate sozio-emotionale Belastungsstörung vorliege.
Der Beklagte macht zur Begründung seines Zulassungsantrages ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (1.), eine grundsätzliche Bedeutung (2.) und besondere tatsächliche Schwierigkeiten der Rechtssache (3.) geltend.
1.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nicht vor bzw. sind vom Beklagten nicht dargelegt worden.
Der Beklagte hat zur Begründung dieses Zulassungsgrundes angeführt, das Verwaltungsgericht habe den Bewilligungsbescheid aufgehoben, ohne dass ersichtlich sei, aus welchen Gründen das Verwaltungsgericht diesen für rechtswidrig halte. Das Verwaltungsgericht hätte das Hilfeplanverfahren nachvollziehen und feststellen müssen, inwieweit seine Feststellungen zum Hilfebedarf des Klägers richtig seien. Anschließend hätte ermittelt werden müssen, ob die von ihm bewilligte Leistung geeignet gewesen sei, diesem Hilfebedarf zu genügen. Für die Frage, inwieweit sein Bewilligungsbescheid rechtmäßig sei, müsse auf die Erkenntnismöglichkeiten zum Zeitpunkt seiner Entscheidung abgestellt werden, da die Planung der Jugendhilfemaßnahme auf Grund einer Prognose der weiteren Lebensentwicklung des Kindes oder Jugendlichen erfolge. Das Verwaltungsgericht habe jedoch diese Prüfungsschritte nicht vorgenommen und stattdessen mit Hilfe eines Gutachters lediglich geprüft, ob die tatsächliche durchgeführte Maßnahme eine Eingliederungshilfeleistung darstelle. Dabei habe das Verwaltungsgericht auch völlig unberücksichtigt gelassen, dass zum Zeitpunkt der Bewilligung eine Prognoseentscheidung zu treffen gewesen sei. Er sei verpflichtet, Maßnahmen zu planen und durchzuführen, die der Abwehr einer drohenden seelischen Behinderung dienten. Eine solche Maßnahme bezogen auf die Verhaltensauffälligkeiten des Klägers sei durch das LOS nicht durchgeführt worden. Ferner habe der Kläger keine Fortschritte in seiner Rechtschreibfähigkeit erzielt. Die vorgelegten Rechtschreibtestergebnisse des LOS bewiesen, dass die Rechtschreibstörung im Falle des Klägers in einem hohen Schweregrad weiter bestehe.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nach der ständigen Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (vgl. z.B. Beschluss vom 10.3.2006 - 4 LA 140/04 - und vom 31.7.1998 - 1 L 2696/98 -, NVwZ 1999, 431, NdsVBl. 1999, 93, NdsRpfl. 1999, 87), wenn für das vom Zulassungsantragsteller favorisierte Entscheidungsergebnis "die besseren Gründe sprechen", d.h. wenn ein Obsiegen in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen. Dabei dürfen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (2. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458, 1459) die Anforderungen an die Darlegungslast der Beteiligten nicht überspannt werden. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines verwaltungsgerichtlichen Urteils sind schon dann anzunehmen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (Senatsbeschluss vom 10.3.2006, a. a. O.). Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen aber nicht vor, wenn zwar einzelne Rechtssätze, tatsächliche oder unterlassene Feststellungen zu Zweifeln Anlass geben, das Urteil aber im Ergebnis aus anderen Gründen offensichtlich richtig ist (BVerwG, Beschluss vom 10.3.2004 - 7 AV 4/03 -, DVBl. 2004, 838, NVwZ-RR 2004, 542). Denn der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO soll Richtigkeit im Einzelfall gewährleisten; die maßgebliche Frage geht also dahin, ob die Rechtssache richtig entschieden worden ist. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO will demgemäß den Zugang zu einer inhaltlichen Überprüfung des angefochtenen Urteils in einem Berufungsverfahren in den Fällen eröffnen, in denen ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens wahrscheinlicher als ein Misserfolg ist.
Nach diesen Maßstäben hat der Beklagte ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils nicht dargelegt. Das Verwaltungsgericht hat - im Ergebnis - zu Recht den Beklagten verpflichtet, dem Kläger Eingliederungshilfe in Form der beim LOS D. durchgeführten Legasthenietherapie zu gewähren, und den Bescheid des Beklagten vom 10. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 21. Mai 2002 aufgehoben, mit dem eine Bewilligung dieser Hilfeform abgelehnt worden ist.
Nach § 35 a Abs. 1 SGB VIII haben Kinder oder Jugendliche, die seelisch behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, Anspruch auf Eingliederungshilfe. Ein Beurteilungs-, Prognose- oder Ermessensspielraum steht dem Jugendhilfeträger hinsichtlich der Frage, ob überhaupt Hilfe gewährt wird, nach dem klaren Gesetzeswortlaut nicht zu.
Die konkret zu gewährenden Eingliederungshilfeleistungen werden nach Absatz 2 dieser Vorschrift nach dem Bedarf im Einzelfall geleistet. Ob insoweit ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum besteht, wie ihn das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 24.6.1999 - 5 C 24/98 -, BVerwGE 109, 155) bei der Hilfe zur Erziehung angenommen hat, kann hier offen bleiben. Denn in jedem Falle hat der Jugendhilfeträger bei der Entscheidung über die konkrete Ausgestaltung der Hilfeleistung das Wunsch- und Wahlrecht des Leistungsberechtigten nach § 5 SGB VIII zu beachten. Nach Absatz 1 Satz 1 dieser Vorschrift haben die Leistungsberechtigten das Recht, zwischen Einrichtungen und Diensten verschiedener Träger zu wählen und Wünsche hinsichtlich der Gestaltung der Hilfe zu äußern. Nach Absatz 2 soll der Wahl und den Wünschen entsprochen werden, sofern dies nicht mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist. Dieses für alle Leistungen nach § 35 a SGB VIII geltende Wunsch- und Wahlrecht ist vom Jugendhilfeträger zwingend zu beachten (Schellhorn, SGB VIII, Kommentar, 2000, § 5 Rdnr. 7). Entstehen keine unverhältnismäßigen Mehrkosten und ist die vom Leistungsberechtigten gewählte Einrichtung / Form der Hilfe in gleicher Weise zur Behandlung der festgestellten Beeinträchtigung geeignet, ist der Jugendhilfeträger nach der Soll-Vorschrift in Absatz 2 gehalten, der Wahl und den Wünschen des Leistungsberechtigten zu entsprechen, sofern kein atypischer Fall vorliegt, der ein Abweichen vom Regelfall rechtfertigt (Kunkel, SGB VIII, Kommentar, 3. Aufl. 2006, § 5 Rdnr. 14).
Dieses Wunsch- und Wahlrecht des Leistungsberechtigten nach § 5 SGB VIII hat der Beklagte nicht beachtet. Das Verwaltungsgericht hat daher die angefochtenen Bescheide - im Ergebnis - zu Recht als rechtswidrig aufgehoben. Der Bescheid vom 10. Januar 2002 ist zwar mit "Bewilligung der Eingliederungshilfe" betitelt, stellt sich aber in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 21. Mai 2002 als Ablehnung der von den Eltern des Klägers als dessen gesetzliche Vertreter begehrten Hilfemaßnahme dar. Denn diese haben für den Kläger die Durchführung einer Legasthenietherapie im Lehrinstitut für Orthografie und Schreibtechnik - LOS - in D. als Gruppentherapie gewünscht. Der Beklagte hingegen hat für den Kläger wöchentlich eine schriftsprachbezogene Einzel - Lerntherapieeinheit, monatlich eine Therapieeinheit Eltern-Einzelgespräch und je Schulhalbjahr maximal eine Therapieeinheit Lehrergespräche, also im wesentlichen eine Einzeltherapie, mit dem angefochtenen Bescheid vom 10. Januar 2002 bewilligt und im Widerspruchsbescheid vom 21. Mai 2002 die von den Eltern des Klägers ausgewählte Einrichtung des LOS D. ausdrücklich als nicht geeignet bezeichnet. Nach dem vom Verwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten ist jedoch die im LOS D. durchgeführte Gruppentherapie (mindestens) ebenso geeignet gewesen als Hilfemaßnahme nach § 35 a Abs. 2 SGB VIII für die im Falle des Klägers bereits im Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten über die Hilfegewährung - unstreitig - drohende seelische Behinderung wie die vom Beklagten im Rahmen seiner Hilfeplanung als geeignet angesehene Einzeltherapie.
Der Sachverständige kommt in seinem in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ausführlich erläuterten Gutachten vom 14. August 2004 in einem ersten Schritt auf Grund einer umfassenden Auswertung der hierzu vorliegenden Forschungsergebnisse, sofern diese überhaupt aussagekräftig sind, zu dem Ergebnis, dass eine Gruppentherapie zur Minderung oder Beseitigung von Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten - LRS - jedenfalls nicht schlechter geeignet ist als eine Einzeltherapie und dass die Einzeltherapie wohl deshalb häufiger gewählt wird, weil ihre Abrechnung für den Therapeuten einen höheren ökonomischen Anreiz bietet. In einem zweiten Schritt hat der Sachverständige gut nachvollziehbar festgestellt, dass die im LOS durchgeführte Therapie nach ihrem allgemeinen Konzept nicht nur geeignet, sondern empfehlenswert ist. In einem dritten Schritt hat der Sachverständige schließlich ausgewogen - auch die Nachteile der im LOS durchgeführten Therapie (z. B. nicht hinreichende Dokumentation der Lernfortschritte) berücksichtigend - und im Einzelnen begründet, dass die im LOS D. durchgeführte Therapie ausreichend individuell und für den Kläger (als Eingliederungshilfemaßnahme) konkret geeignet und angemessen gewesen ist, da in seinem Falle keine schwere sozio-emotionale Störung vorgelegen hat, die im Rahmen einer solchen Gruppentherapie nicht ausreichend behandelt werden kann. Der Kläger ist nach den Ausführungen des Sachverständigen lediglich von einer seelischen Störung bedroht gewesen. In einem solchen Falle ist auf Grund der vom Sachverständigen ausgewerteten Studien eine besondere therapeutische Arbeit zur Unterstützung der sozio-emotionalen Aspekte bei der LRS nicht notwendig. Der Gutachter hat ferner festgestellt, dass der Kläger Fortschritte erzielt hat, auch wenn diese sich nicht entsprechend in den Ergebnissen der Rechtschreibtests niederschlagen, und das Störungsbild sich ohne diese Therapie vermutlich weiter ausgeprägt hätte. Konkrete Gründe, die an der Aussagekraft dieser Feststellungen des Sachverständigen im Hinblick auf die hier nach dem oben Gesagten entscheidungserheblichen Fragen zweifeln ließen, hat der Beklagte im Rahmen der Darlegung seiner Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils nicht angeführt. Soweit der Beklagte die Feststellungen des Sachverständigen im Hinblick auf die seiner Ansicht nach zu schlechten Ergebnisse der Rechtschreibtests angreift, hat der Beklagte nicht dargelegt, dass die von ihm als geeignet angesehene und vor allem die sozio-emotionalen Aspekte der drohenden seelischen Störung (im Zusammenhang mit der LRS des Klägers) berücksichtigende Einzeltherapie gerade in Bezug auf die Rechtschreibfähigkeiten des Klägers voraussichtlich zu besseren Ergebnissen geführt hätte. Nach dem Ergebnis der vom Verwaltungsgericht durchgeführten Beweisaufnahme ist mithin die im LOS D. durchgeführte Gruppentherapie angesichts des konkreten Störungsbildes des Klägers als Eingliederungshilfemaßnahme jedenfalls nicht schlechter geeignet als die vom Beklagten bewilligte Einzeltherapie.
Unter Berücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts des (durch seine Eltern gesetzlich vertretenen) Klägers als Leistungsberechtigten nach § 5 i.V.m. § 35 a SGB VIII hätte der Beklagte dem Kläger deshalb die gewünschte Legasthenietherapie bewilligen müssen, da nicht ersichtlich und vom Beklagten auch nicht geltend gemacht worden ist, dass mit dieser Therapie unverhältnismäßige Mehrkosten im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII verbunden sind oder ein atypischer Fall vorliegt, in dem ausnahmsweise ein Absehen von der in einem solchen Falle regelmäßig - in der gewünschten Form - zu bewilligenden Hilfe gerechtfertigt wäre.
Auch der Einwand des Beklagten, zum Zeitpunkt seiner " Prognoseentscheidung" über die Hilfebewilligung sei die von ihm bewilligte Hilfemaßnahme die (allein) geeignete Eingliederungsleistung gewesen, vermag ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts nicht zu begründen. Zwar hat das Verwaltungsgericht erst auf Grund der durchgeführten Beweiserhebung die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide und einen Anspruch des Klägers auf Gewährung der Hilfe in der gewünschten Form feststellen können. Hinsichtlich der Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts des Leistungsberechtigten nach § 5 SGB VIII hat der Jugendhilfeträger aber nach dem oben Gesagten keinen Beurteilungs-, Prognose- oder Ermessensspielraum. Stellt sich im gerichtlichen Verfahren - gegebenenfalls nach einer Beweiserhebung - heraus, dass nach dem ermittelten objektiven Sachverhalt die Entscheidung des Jugendhilfeträgers rechtswidrig gewesen ist, so ist sein Bescheid aufzuheben und er zu verpflichten, die von ihm in der begehrten Form abgelehnte Hilfe zu gewähren, auch wenn der Jugendhilfeträger zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die Geeignetheit der vom Leistungsberechtigten gewünschten Hilfemaßnahme mit seinen Erkenntnismitteln noch nicht hat erkennen können.
Das Verwaltungsgericht hat daher den Beklagten zu Recht verpflichtet, dem Kläger Eingliederungshilfe nach § 35 a SGB VIII in Form der Legasthenietherapie im LOS D. zu gewähren, und die dieser Hilfegewährung entgegenstehenden Bescheide des Beklagten aufgehoben.
2.
Die Berufung ist auch nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Denn zum einen hat der Beklagte diesen Zulassungsgrund nicht gemäß § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO hinreichend bezeichnet. Aus der Formulierung "die Frage nach der Bedeutung und Verbindlichkeit einer auf einer Prognose beruhenden Entscheidung eines Jugendhilfeträgers § 36 SGB VIII hat grundsätzliche Bedeutung" lässt sich nicht entnehmen, welche konkrete und entscheidungserhebliche Frage der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung verleihen soll. Zum anderen liegt dieser Zulassungsgrund auch dann nicht vor, wenn zu Gunsten des Beklagten davon ausgegangen wird, dass er als grundsätzlich bedeutsam die Frage ansieht, ob der Jugendhilfeträger bei der Entscheidung über eine konkrete Hilfemaßnahme nach § 35 a Abs. 2 SGB VIII einen Beurteilungs- und/oder Prognosespielraum hat. Denn nach dem oben Gesagten ist diese Frage hier nicht entscheidungserheblich.
3.
Schließlich hat der Beklagte auch besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht dargelegt. Diese ergeben sich nicht daraus, dass nach Ansicht des Beklagten das vom Verwaltungsgericht eingeholte Gutachten die Beweisfragen nicht beantwortet und das Verwaltungsgericht sich mit seinen Argumenten nicht auseinandergesetzt hat. Im Übrigen können die hier entscheidungserheblichen Fragen - wie aus den obigen Ausführungen ersichtlich - ohne Schwierigkeiten beantwortet werden.