Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 06.10.2006, Az.: 10 PA 4/06
Anspruch auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis wegen Vorliegens einer Aufenthaltsbefugnis seit acht Jahren; Erforderlichkeit der Sicherung des Lebensunterhalt aus eigener Erwerbstätigkeit oder eigenem Vermögen; Einordnung von Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung als eigene Sicherung des Lebensunterhalts oder als Element der Sozialhilfe; Berücksichtigungsfähigkeit der Einkünfte des Ehegatten
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 06.10.2006
- Aktenzeichen
- 10 PA 4/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 32010
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2006:1006.10PA4.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Stade - 19.12.2005 - AZ: 6 A 2292/05
Rechtsgrundlagen
- § 8 Nr. 2 SGB XII
- § 24 Abs. 1 AuslG
- § 35 Abs. 1 S. 1 AuslG
Gründe
Die Beschwerde der Klägerin ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die von der Klägerin begehrte Prozesskostenhilfe versagt, da ihre Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO).
Nach § 104 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist über vor dem 1. Januar 2005 gestellte Anträge auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis oder einer Aufenthaltsberechtigung nach dem bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Recht zu entscheiden. Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 AuslG, der hier in Frage kommenden gesetzlichen Grundlage für den am 30. Dezember 2004 gestellten Antrag der Klägerin auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, kann einem Ausländer, der seit acht Jahren eine Aufenthaltsbefugnis besitzt, eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn die in § 24 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 AuslG bezeichneten Voraussetzungen vorliegen und sein Lebensunterhalt aus eigener Erwerbstätigkeit oder eigenem Vermögen gesichert ist. Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht. Zwar ist die Klägerin seit acht Jahren im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis, ihr Lebensunterhalt ist aus eigener Erwerbstätigkeit oder eigenem Vermögen aber nicht gesichert, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat. Die Klägerin ist weder erwerbstätig noch verfügt sie über eigenes Vermögen.
Hinreichende Aussicht auf Erfolg hat die Klage der Klägerin auch nicht deswegen, weil die Klägerin Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) - vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3022) erhält. Denn die Grundsicherung nach den §§ 41 ff. SGB XII ist keine Leistung, die aufgrund von Leistungen des Betroffenen selbst oder von Leistungen einer Versichertengemeinschaft erbracht wird und deshalb der Sicherung des Lebensunterhalts durch eigene Erwerbstätigkeit oder aus eigenem Vermögen gleichgestellt werden könnte. Sie ist vielmehr eine staatliche Unterstützung, die eine vorherige Leistung des Begünstigten nicht voraussetzt.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Grundsicherung - trotz erheblicher struktureller Unterschiede des jetzt geltenden Rechts zur früheren Rechtslage nach dem Bundessozialhilfegesetz (vgl. Rothkegel, ZfSH/SGB 2005, 391ff.) - auch nicht eine eigenständige und von der Sozialhilfe streng abgegrenzte soziale Leistung, die i.S.d. § 35 Abs. 1 Satz 1 AuslG eine Sicherung des Lebensunterhalts bedeutet. Die Grundsicherung bei Erwerbsminderung ist vielmehr - wie sich aus § 8 Nr. 2 SGB XII ergibt - ein Element der Sozialhilfe, die zwar ursprünglich durch das Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1310, 1335), zuletzt geändert durch Artikel 11 a des Gesetzes vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I. S. 2954), gesondert eingeführt und geregelt worden war, dann aber durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3022) in das Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - eingefügt worden ist. Unter diesen Umständen bestehen keine Anhaltspunkte dafür, den Anspruch der Klägerin auf Grundsicherung als Grundlage eines gesicherten Lebensunterhaltes aus eigener Erwerbstätigkeit oder eigenem Vermögen anzuerkennen.
Dagegen spricht auch, dass § 35 Abs. 1 Satz 1 AuslG lediglich auf § 24 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 AuslG und nicht auf § 24 Abs. 2 AuslG verweist, der es im Falle der Erwerbslosigkeit des Ausländers die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach Maßgabe des Absatzes 1 ermöglicht, wenn der Lebensunterhalt aus eigenem Vermögen oder sonstigen eigenen Mitteln (§ 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG) oder durch einen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder noch für sechs Monate durch einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe (§ 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG) gesichert ist. Eine gesetzliche Möglichkeit, den Lebensunterhalt anders als durch eigene Erwerbstätigkeit oder durch eigenes Vermögen (hier: durch einen Anspruch auf Grundsicherung) zu bestreiten, sieht § 35 Abs. 1 AuslG daher nicht vor (vgl. Kloesel/Christ/Häußer, Komm. zum Ausländerrecht, Stand Juli 2003, § 35 AuslG Rdnr. 13).
Schließlich stellen auch die Einkünfte des Ehemannes der Klägerin keine Sicherung des Lebensunterhalts aus eigener Erwerbstätigkeit im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 AuslG dar, denn bereits der Wortlaut der genannten Bestimmung stellt auf eine "eigene" Erwerbstätigkeit des Ausländers ab; dies schlösse sogar dann einen Anspruch auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis aus, wenn der Ehemann seine Gehaltsansprüche an die Klägerin abträte (vgl. Kloesel/Christ/Häußer, aaO, § 35 AuslG Rdnr. 13 m.w.N.).