Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 29.11.2007, Az.: 6 A 1261/06
Erhöhung von Zahlungsansprüchen im Rahmen einer einheitlichen Betriebsprämienregelung wegen Berücksichtigung einer weiteren Milchreferenzmenge bei Festsetzung des betriebsindividuellen Betrages; Einbeziehung der Milchprämie in die Betriebsprämienregelung; Berücksichtigung der einzelbetrieblichen Referenzmenge am Stichtag
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 29.11.2007
- Aktenzeichen
- 6 A 1261/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 43457
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2007:1129.6A1261.06.0A
Rechtsgrundlagen
- Art. 62 VO Nr. 1782/2003/EG
- Art. 62 S. 1 VO 1782/2003/EG
- Art. 95 VO Nr. 1782/2003/EG
- § 5 Abs. 2 BetriebsPrämDurchfG
Verfahrensgegenstand
Zahlungsansprüche
In der Verwaltungsrechtssache ...
hat das Verwaltungsgericht Stade - 6. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 29. November 2007
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Gärtner,
den Richter am Verwaltungsgericht Fahs,
die Richterin Struhs sowie
die ehrenamtlichen Richter C. und D.
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Festsetzungsbescheid der Beklagten vom 31. August 2006 wird geändert. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger einen zusätzlichen betriebsindividuellen Betrag für das Kalenderjahr 2005 in Höhe von 4.594,28 Euro zu gewähren.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Erhöhung der Zahlungsansprüche im Rahmen der einheitlichen Betriebsprämienregelung wegen Berücksichtigung einer weiteren Milchreferenzmenge bei Festsetzung des betriebsindividuellen Betrages.
Der Kläger ist Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes in E. mit Rindermast und Milchkuhhaltung.
Mit Pachtvertrag vom 31.12.2004 pachtete der Kläger den benachbarten landwirtschaftlichen Betrieb des Landwirts F. G., belegen in der Gemarkung E., zu einer Größe von 62,50 ha. Das auf 10 Jahre abgeschlossene Pachtverhältnis begann am 1. Januar 2005. Gemäß § 1 Abs. 3 des Pachtvertrages ist eine Milchreferenzmenge von 230.159 kg mit verpachtet. In § 1 Abs. 4 des Pachtvertrages heißt es, der Verpächter habe 9,26 ha Acker und Grünland sowie 26.171 kg Milchquote hinzugepachtet. Der Pächter verpflichte sich, in diese Zupachtverträge mit allen Rechten und Pflichten einzutreten und entsprechende Nachträge zu den Pachtverträgen als Folgepächter zu unterzeichenen. Der Kläger war bereits vor Abschluss des Pachtvertrages Milcherzeuger und verfügte über eine Milchreferenzmenge von 392.940 kg.
Die Landwirtschaftskammer Hannover - Kreisstelle im Landkreis H. in I. - bescheinigte dem Kläger mit Bescheid vom 31. Januar 2005, dass die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 Ziffer 1 Milchabgabenverordnung (MAV) vorliegen. Der Kläger habe einen gesamten Betrieb zur Größe von 71,26 ha von dem Abgeber F. G. übernommen. Aufgrund des Pachtvertrages sei er Rechtsnachfolger geworden. Mit Beginn des 01. Januar 2005 sei eine dem Abgeber zugeordnete Milchreferenzmenge von 256.330 kg auf den Kläger übergegangen.
Am 17. Mai 2005 stellte der Kläger den Antrag auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen und den Sammelantrag Agrarförderung 2005 bei der Beklagten. Er gab an, weitere Betriebsstätten zu besitzen, und teilte die Registrier-Nr. des gepachteten Betriebes mit (Ziffer 2.2. des Antragsformulars). Unter Ziffer 4.4 - ergänzende Angaben zur Festsetzung des betriebsindividuellen Betrages in Zusammenhang mit Milchreferenzmengen - gab er an, ihm hätten in der Zeit vom 01.04.2004 bis zum 31.03.2005 einzelbetriebliche Milchreferenzmengen zur Verfügung gestanden. Er habe während des gesamten Milchquotenjahres (01.04.2004 bis 31.03.2005) Milch erzeugt und vermarktet. Er nannte hierzu die Lieferantennummern 3512 und 3509 der Molkerei J.. Angaben unter Ziffer 4.5 des Antragsformulars im Hinblick auf Zusammenschlüsse von Betrieben machte der Kläger nicht.
In einer Referenzmengen- Bescheinigung der Molkerei J. vom 09. Juni 2004 zu Lieferantennummer 3512 wurde dem Kläger bescheinigt, dass ihm am 31. März 2004 für den Zwölfmonatszeitraum (1. April 2003 bis 31. März 2004) eine Anlieferungs- Referenzmenge von 392.940 kg zur Verfügung stehe. In einer Neuberechnung führt die J. mit Schreiben vom 08. Februar 2005 aus, die Anlieferungs- Referenzmenge des Klägers habe sich um 256.330 kg erhöht. Davon seien 195.975 kg vom Abgebenden bereits ausgenutzt. Es ergebe sich eine neue Anlieferungs- Referenzmenge für 2004/2005 von 60.355 kg. Zu Lieferantennummer 3509 bescheinigte die J. am 07. Juni 2005, dass dem Kläger am 31. März 2005 für den Zwölfmonatszeitraum (1. April 2004 bis 31. März 2005) eine Anlieferungs- Referenzmenge von 60.355 kg zur Verfügung stehe.
Aus den Meldungsübersichten zur Milchreferenzmenge für das Jahr 2005 ergibt sich eine Milchreferenzmenge des Klägers zum Stichtag 31. März 2005 von 60.355 kg (Lieferantennummer 3509) und 392.940 kg (Lieferantennummer 3512), insgesamt 453.295 kg. Für den Betrieb des Herrn G. geht aus den Meldungsübersichten zum Stichtag 31. März 2005 eine Milchreferenzmenge von 195.975 kg (Lieferantennummer 3511) hervor. Beide Betriebe zusammen verfügen damit zum Stichtag über eine Milchreferenzmenge in Höhe von 649.270 kg.
Mit Bescheid vom 7. April 2006 setzte die Beklagte die dem Kläger zustehenden Zahlungsansprüche fest. In Anlage 2 - Übersicht zum betriebsindividuellen Betrag - berücksichtigte sie die Milchreferenzmenge zum Stichtag 31. März 2005 von 453.295 kg. Bei einem Satz von 0,02368 Euro/kg legte sie die bei Berechnung des betriebsindividuellen Betrages zu berücksichtigende Milchprämie auf 10.734,03 Euro fest. Den Festsetzungsbescheid vom 7. April 2006 hob die Beklagte mit Bescheid vom 27. Juni 2006 auf und setzte die Zahlungsansprüche neu fest. Der Bescheid vom 27. Juni 2006 wurde wiederum mit Bescheid vom 31. August 2006 aufgehoben und durch diesen Bescheid ersetzt. Auswirkungen auf die Höhe des betriebsindividuellen Betrages ergeben sich nicht.
Der Kläger hat gegen den Bescheid vom 7. April 2006, zugestellt am 21. April 2006, am 15. Mai 2006 Klage erhoben. Die Klage hat er am 2. Oktober 2006 gegen den Bescheid der Beklagten vom 31. August 2006 gerichtet.
Zur Begründung macht er geltend:
Die Beklagte müsse bei Berechnung des betriebsindividuellen Betrages für das Jahr 2005 eine Milchreferenzmenge des Klägers von insgesamt 649.270 kg berücksichtigen. Der Kläger habe neben seiner eigenen Milchreferenzmenge mit Wirkung vom 01.01.2005 die Referenzmenge des Herrn G. von 230.159 kg gepachtet. Zudem sei er in dessen Milchquotenpachtvertrag über 26.171 kg eingetreten. Demzufolge sei ab dem 01.01.2005 eine Menge von 256.330 kg auf den Kläger übergegangen. Entsprechend habe Herr G. in seinem eigenen Antrag keine betriebsindividuellen Beträge in Zusammenhang mit Milchreferenzmengen beantragt.
Unter der Lieferantennummer 3509, die dem Kläger aufgrund des Pachtvertrages neu zugeteilt worden sei, habe die J. am 7. Juni 2005 eine Referenzmenge von 60.355 kg bescheinigt. Hierbei handele es sich aber nur um einen Teil der gepachteten Milchreferenzmenge. Mit seinem Antrag habe der Kläger die ihm insgesamt zur Verfügung stehende Milchreferenzmenge von 649.270 kg geltend machen wollen. Dies entspreche dem geltenden EU- Recht. Gemäß Art. 46 in Verbindung mit Art. 17 VO (EG) Nr. 795/2004 bestehe die Möglichkeit, im Rahmen eines Kaufvertrages zu regeln, dass die betriebsindividuellen Beträge, die auf eine verkaufte Produktionseinheit entfallen, dem Käufer zugerechnet werden. Die Übertragung von betriebsindividuellen Beträgen im Rahmen privatrechtlicher Verträge sei danach möglich. Um einen solchen handele es sich bei dem Pachtvertrag. Dementsprechend habe der Kläger in seinem Antrag beide Lieferantennummern in der Annahme angegeben, es würde die am 31. März 2005 verfügbare Referenzmenge berücksichtigt werden. Es sei zu bedenken, dass der Kläger einen Vertrag über die Pachtung eines Gesamtbetriebes mit einer Laufzeit von 10 Jahren abgeschlossen habe und ihm für diese Dauer die Milchreferenzmenge überlassen worden sei. Es widerspreche den Grundzügen der Betriebsprämienregelung wenn der Pächter betriebsindividuelle Beträge nur auf der Grundlage der von ihm anteilig im vorangegangenen Milchwirtschaftsjahr belieferten Referenzmenge erhalte.
Der Beklagten sei bekannt gewesen, dass der Kläger über eine Referenzmenge von 649.270 kg verfügt habe, weil sie selbst die Übertragung der Milchreferenzmenge nach Abschluss des Pachtvertrages gemäß der Milchabgabenverordnung bescheinigt habe.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 31. August 2006 abzuändern und seine Zahlungsansprüche unter Berücksichtigung einer weiteren Milchreferenzmenge von 195.975 kg und einer Milchprämie in Höhe von 0.02368 Euro/kg = 4.640,69 Euro abzüglich 1% für die nationale Reserve = 4.594,28 Euro für das Kalenderjahr 2005 festzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dem Kläger habe zum Stichtag 31. März 2005 lediglich eine Milchreferenzmenge von 453.295 kg zur Verfügung gestanden.
Für die Berechnung des betriebsindividuellen Betrages sei im Fall der Verpachtung eines Betriebes im laufenden Milchwirtschaftsjahr 2004/2005 nur der Teil einer Milchreferenzmenge zu berücksichtigen, der dem Pächter für dieses Jahr noch zur abgabenfreien Milchanlieferung zur Verfügung stehe. Zwar sei dem Kläger mit Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 2005 der Übergang einer Referenzmenge von 256.330 kg aufgrund der Pacht des Nachbarbetriebes G. zum 01. Januar 2005 bescheinigt worden. Allerdings habe Herr G. diese Milchquote im Milchwirtschaftsjahr 2004/2005 bereits in Höhe von 195.975 kg ausgenutzt, so dass dem Kläger nur noch eine Restquote von 60.355 kg zur abgabenfreien Milchanlieferung verblieben sei.
Auch in der Broschüre des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft "Meilensteine der Agrarpolitik - Umsetzung der europäischen Agrarreform in Deutschland" (S. 19) werde ausgeführt, dass es sich bei der am 31. März 2005 "zur Verfügung stehenden" Milchreferenzmenge im Sinne von Art. 62 Absatz 2 VO (EG) Nr. 1782/2003 um die Referenzmenge handele, die dem Betrieb für die Berechnung der Zusatzabgabe für das Milchquotenjahr 2004/05 zur Verfügung stehe.
Auf Art. 46 i.V.m. Art. 17 VO (EG) Nr. 795/2004 könne der Kläger sich nicht berufen, weil diese Vorschriften nur auf Kaufverträge, nicht aber im Fall der Pacht Anwendung fänden. Im Übrigen habe der Kläger insoweit weder einen gesonderten Antrag gestellt, noch den Pachtvertrag mit Herrn G. bei Antragstellung vorgelegt.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Berücksichtigung einer weiteren Milchreferenzmenge von 195.975 kg und einer Milchprämie in Höhe von 4.594,28 EUR bei der Festsetzung der Zahlungsansprüche für das Kalenderjahr 2005 zu.
Die Rechtsgrundlagen für die Gewährung von Zahlungsansprüchen nach der erstmals für das Antragsjahr 2005 geltenden Betriebsprämienregelung ergeben sich aus der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 2019/93, (EG) Nr. 1452/2001, (EG) Nr. 1453/2001, (EG) Nr. 1454/2001, (EG) Nr. 1868/94, (EG) Nr. 1251/1999, (EG) Nr. 1254/1999, (EG) Nr. 1673/2000, (EWG) Nr. 2358/71 und (EG) Nr. 2529/2001 (Amtsblatt der Europäischen Union - ABl. EU - Nr. 1 270 Seite 1); der Verordnung (EG) Nr. 795/2004 der Kommission vom 21. April 2004 mit Durchführungsbestimmungen zur Betriebsprämienregelung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe (ABl. EU Nr. L 141 Seite 1); der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 der Kommission vom 21. April 2004 mit Durchführungsbestimmungen zur Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen, zur Modulation und zum integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem nach der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe (ABl. EU Nr. L 141, Seite 18); der Verordnung (EG) Nr. 2237/2003 der Kommission vom 23. Dezember 2003 mit Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Stützungsregelungen gemäß Titel IV der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe (ABl. EU Nr. L 339, Seite 52); dem Gesetz zur Durchführung der einheitlichen Betriebsprämie (Betriebsprämiendurchführungsgesetz - BetrPrämDurchfG -) in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. Mai 2006 (BGBl. I Seite 1298); der Verordnung zur Durchführung der einheitlichen Betriebsprämie (Betriebsprämiendurchführungsverordnung -BetrPrämDurchfV-) vom 03.12.2004 (BGBl. I Seite 3204) und der Verordnung über die Durchführung von Stützungsregelungen und gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen nach der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 im Rahmen des integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems (InVeKoSV) vom 03.12.2004 (BGBl. I Seite 3194).
Rechtsgrundlage für die von dem Kläger begehrte Zuweisung zusätzlicher betriebsindividueller Beträge wegen der Berücksichtigung einer in seinem Betrieb zur Verfügung stehenden Milchreferenzmenge von 649.270 kg und einer entsprechend erhöhten Milchprämie sind Art. 62 in Verbindung mit Art. 95 VO (EG) Nr. 1782/2003 vom 29. September 2003 - mit späteren Änderungen -; Art. 5 VO (EG) Nr. 795/2004 vom 21. April 2004 - mit späteren Änderungen - und § 5 Abs. 2 Nr. 2 und 3, Abs. 4 Nr. 1 BetrPrämDurchfG.
Aufgrund dieser Vorschriften ist im Fall des Klägers bei der Ermittlung des betriebsindividuellen Betrages eine Milchreferenzmenge von 649.270 kg zugrunde zu legen, weil dem von ihm geführten Betrieb zum maßgeblichen Stichtag - 31. März 2005 - eine Milchreferenzmenge in dieser Höhe zur Verfügung stand. Die Beklagte hat in ihrem Bescheid vom 07. April 2006 zu Unrecht lediglich eine Menge von 453.295 kg berücksichtigt.
Die Höhe des betriebsindividuellen Betrages errechnet sich grundsätzlich aus bestimmten Direktzahlungen, die ein Betrieb im Bezugszeitraum 2000- 2002 erhalten hat, Art. 33 ff. VO (EG) Nr. 1782/2003. Da für Milch im Zeitraum 2000- 2002 noch keine Direktzahlungen erfolgten, sind in diesem Fall andere Regelungen getroffen worden. Gemäß Art. 95 und 47 Abs. 2 VO (EG) 1782/2003 wird die Milchprämie nach den Regelungen des EU- Rechts grundsätzlich erst im Kalenderjahr 2007 in die Betriebsprämienregelung einbezogen. Bis zu diesem Zeitpunkt wird sie gemäß Art. 95 VO (EG) 1782/2003 als besondere Beihilfe gezahlt. Nach Art. 62 Satz 1 VO (EG) 1782/2003 können die Mitgliedstaaten jedoch abweichend von Art. 47 Abs. 2 beschließen, dass die Milchprämien bereits ganz oder teilweise in die Betriebsprämienregelung einbezogen werden. Der Referenzbetrag für diese Zahlungen entspricht den gemäß den Art. 95 und 96 zu gewährenden Beträgen, die auf der Grundlage der einzelbetrieblichen Referenzmenge für Milch, die dem Betrieb am 31. März des Jahres, in dem diese Zahlungen ganz oder teilweise in die Betriebsprämienregelung einbezogen werden, zur Verfügung steht, berechnet werden (Art. 62 Satz 3 VO (EG) 1782/2003).
Die Einbeziehung der Milchprämie in die Betriebsprämienregelung nach Art. 62 Satz 1 VO (EG) 1782/2003 ist in Deutschland durch § 5 Abs. 2 BetriebsPrämDurchfG erfolgt. Diese Vorschrift regelt die Berechnung der betriebsindividuellen Beträge für das Jahr 2005. Nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 BetriebsPrämDurchfG ist zu dem nach Nr. 1 der Vorschrift errechneten betriebsindividuellen Betrag in Anwendung des Art. 62 der Verordnung (EG) 1782/2003 der Betrag der Milchprämie nach Art. 95 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 (Milchprämie) hinzuzurechnen.
Der Kläger hat nach diesen Vorschriften aufgrund der Einbeziehung der Milchprämie in die Betriebsprämienregelung einen Anspruch auf Festsetzung seiner Zahlungsansprüche unter Berücksichtigung der ihm zustehenden Milchreferenzmenge. Der maßgebliche betriebsindividuelle Betrag wird nach der Vorschrift des Art. 62 Satz 3 VO (EG) Nr. 1782/2003 auf der Grundlage der einzelbetrieblichen Milchreferenzmenge ermittelt, die dem Betrieb am 31. März des Jahres, in dem die Milchprämie in die Betriebsprämienregelung einbezogen wurde, zur Verfügung steht. Dies war gemäß § 5 Abs. 2 BetrPrämDurchfG das Jahr 2005. Maßgeblich für den betriebsindividuellen Betrag ist deshalb die Milchreferenzmenge, die dem Kläger am 31. März 2005 zur Verfügung stand.
Dem Kläger stand zum Stichtag 31. März 2005 eine Milchreferenzmenge von 392.940 kg und 256.330 kg, insgesamt 649.270 kg zur Verfügung.
Der Kläger verfügte bereits am 31. März 2004 über eine Anlieferungs- Referenzmenge von 392.940 kg. Dies ergibt sich aus der Referenzmengen- Bescheinigung der Molkerei J. vom 09. Juni 2004 zu Lieferantennummer 3512. Durch Pacht des landwirtschaftlichen Betriebes G. ist eine zusätzliche Referenzmenge von 256.330 kg am 01. Januar 2005 auf den Kläger übergegangen. Der Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 2005 bescheinigt den Übergang der Milchreferenzmenge in dieser Höhe gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung der Milchabgabenverordnung (MAV). Danach ist ein Übergang der Milchreferenzmenge auf den Kläger am 01. Januar 2005, und damit vor dem Stichtag 31. März 2005, erfolgt. Auch in der Neuberechnung der J. vom 08. Februar 2005 wird die Erhöhung der Anlieferungs- Referenzmenge des Klägers auf 256.330 kg festgestellt.
Für die Auffassung der Beklagten, dem Betriebsinhaber, der im laufenden Milchquotenjahr (01. April 2004 bis 31. März 2005) einen Betrieb gepachtet habe und dem damit eine Milchreferenzmenge übertragen worden sei, stehe am 31. März 2005 nur noch die von dem Verpächter zum Übertragungszeitpunkt noch nicht belieferte Milchreferenzmenge zur Verfügung, fehlt es an rechtlichen Anhaltspunkten.
Nach dem Wortlaut des Art. 62 Satz 3 VO (EG) 1782/2003 ist für den betriebsindividuellen Betrag die einem Betrieb am 31. März 2005 "zur Verfügung stehende" einzelbetriebliche Referenzmenge maßgebend. Diese Formulierung bezeichnet nach Auffassung der Kammer die gesamte prämienfähige Referenzmenge, die einem Betrieb an diesem Stichtag zugewiesen ist. Dies ist die ihm bis zu diesem Zeitpunkt übertragene Milchreferenzmenge unabhängig davon, in welchem Umfang eine Belieferung der Quote durch den Erzeuger selbst oder einen Betriebsvorgänger im Milchwirtschaftsjahr 2004/ 2005 tatsächlich erfolgt ist (vgl. VG Oldenburg, Urt. v. 16.10.2007 - 12 A 2446/06; Urt. v. 20.11.2007 - 12 A 2704/06 - ). Maßgeblich ist allein die verfügbare Milchquote am Stichtag 31. März 2005, also die Menge an Milch, die im Antragsjahr insgesamt geliefert werden durfte, ohne die Zusatzabgabe zahlen zu müssen (vgl. Schmitte, AuR 2005, 80, 81; Gersteuer, AuR 2005, 213).
Zu der verfügbaren Milchreferenzmenge des Klägers zum Stichtag gehörte die bis zum 31. März 2005 auf seinen Betrieb übertragene Referenzmenge. Die Festlegung eines Stichtages impliziert bereits, dass es nicht darauf ankommt, ob die Milchreferenzmenge in der Vergangenheit einem anderen Betrieb zugestanden hat und in welchem Umfang sie von diesem beliefert worden ist. Vielmehr ist allein die bestehende Situation zum 31. März 2005 - unter Berücksichtigung der vor diesem Zeitpunkt erfolgten Veränderungen - maßgeblich. Diese Auslegung wird entscheidend gestützt durch die Legaldefinition in Art. 5 k) VO (EG) Nr. 1788/2003 vom 29. September 2003 über die Erhebung einer Abgabe im Milchsektor (ABl. EU L 270/123):
"Im Sinne dieser Vorschrift bezeichnet die "verfügbare Referenzmenge" die Referenzmenge, die dem Erzeuger am 31. März des Zwölfmonatszeitraums, für den die Abgabe berechnet wird, zur Verfügung steht, wobei alle in dieser Verordnung vorgesehenen Übertragungen, Überlassungen, Umwandlungen und zeitweiligen Neuzuweisungen, die während dieses Zwölfmonatszeitraumes erfolgt sind, berücksichtigt werden."
Art. 5 k) VO (EG) Nr. 1788/2003 regelt auch den Fall der Übertragung einer Milchreferenzmenge bei Verpachtung eines Betriebes. Aus der Verordnung folgt damit, dass die "verfügbare" Referenzmenge am 31. März 2005 auch die bis zu diesem Zeitpunkt aufgrund eines Pachtverhältnisses übertragenen Referenzmengen erfasst.
Die Begriffsbestimmung des Art. 5 k) VO (EG) Nr. 1788/2003 ist zur Auslegung des Begriffes der "zur Verfügung stehenden" Milchreferenzmenge im Sinne des Art. 62 VO (EG) Nr. 1782/2003 heranzuziehen. Denn es sind keine Gründe dafür ersichtlich, dass der Verordnungsgeber die in den zeitgleich erlassenen Verordnungen Nr. 1788/2003 und Nr. 1782/2003 gewählten Begriffe in unterschiedlicher Weise verstanden wissen wollte. Vielmehr hat er in den Erwägungen Nr. 17 der Durchführungsverordnung zu VO (EG) Nr. 1782/2003 (VO (EG) Nr. 2237/2003) ausdrücklich auf die Bestimmungen der VO (EG) Nr. 1788/2003 Bezug genommen.
Gegen die Sichtweise der Beklagten, die zur Verfügung stehende Referenzmenge bezeichne im Fall der Übertragung einer Milchreferenzmenge im laufenden Milchquotenjahr lediglich den Teil, den der abgebenden Erzeuger noch nicht beliefert habe, spricht zum anderen, dass die zugrunde liegenden gesetzlichen Regelungen zwischen der Referenzmenge, die einem Erzeuger insgesamt zur Verfügung steht, und der Belieferung dieser Referenzmenge unterscheiden. Dies ergibt sich aus den Erwägungen Nr. 17 sowie Art. 30 der VO (EG) Nr. 2237/2003, die Durchführungsbestimmungen zu VO (EG) Nr. 1782/2003 enthält. Art. 30 lautet:
"Erfüllt eine natürliche oder juristische Person, die über eine einzelbetriebliche Referenzmenge verfügt, während des am 31. März des betreffenden Jahres endenden Zwölfmonatszeitraums nicht die in Art. 5 Buchstabe c) der Verordnung (EG) Nr. 1788/2003 genannten Bedingungen, so werden für das betreffende Jahr keine Milchprämien und Ergänzungszahlungen gezahlt, es sei denn, diese Person weist der zuständigen Behörde vor Ablauf der Antragsfrist nach, dass die Erzeugung aufgenommen wurde."
In Art. 5 c) VO (EG) Nr. 1788/2003 ist geregelt, dass "Erzeuger" nur ein Landwirt ist, der einen Betrieb im geografischen Gebiet eines Mitgliedstaats bewirtschaftet sowie Milch erzeugt und vermarktet oder Vorbereitungen trifft, um dies in nächster Zukunft zu tun.
In der Begründungserwägung (17) der VO (EG) Nr. 2237/2003 heißt es:
"Gemäß den Artikeln 95 und 96 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 werden den Betriebsinhabern eine Milchprämie und Ergänzungszahlungen gewährt. Die Verordnung (EG) Nr. 1788/2003 des Rates vom 29. September 2003 über die Erhebung einer Abgabe im Milchsektor enthält besondere Bestimmungen für den Fall von Inaktivität. Es ist daher vorzusehen, dass eine über eine einzelbetriebliche Referenzmenge verfügende natürliche oder juristische Person, die während des dem 31. März des betreffenden Jahres vorangegangenen Zwölfmonatszeitraums die in Artikel 5 Buchstabe c) der Verordnung (EG) Nr. 1788/2003 des Rates genannten Bedingungen nicht mehr erfüllt, von der Prämie und der Zahlung ausgeschlossen wird"
Aus diesen Vorschriften folgt, dass sich die verfügbare Milchreferenzmenge begrifflich von der belieferten Referenzmenge unterscheidet. Denn wenn Art. 30 VO (EG) Nr. 2237/2003 die Gewährung einer Milchprämie an eine Person, die über eine einzelbetriebliche Referenzmenge "verfügt", davon abhängig macht, dass diese Person im Antragsjahr Milch geliefert hat, setzt dies voraus, dass die verfügbare Referenzmenge die Gesamtheit der ihr zustehenden Milchquote bezeichnet, während die Belieferung dieser Quote unabhängig hiervon zu beurteilen ist.
Dasselbe ergibt sich aus § 6 der Verordnung über die Durchführung der Milchprämie und der Ergänzungszahlung zur Milchprämie (Milchprämienverordnung - MilchPrämV -). Nach § 6 Abs. 1 MilchPrämV werden die für die Gewährung der Milchprämie und der Ergänzungszahlung maßgeblichen Referenzmengen, die dem Milcherzeuger am 31. März des Antragsjahres zur Verfügung stehen, durch eine Bescheinigung des zuständigen Hauptzollamtes festgestellt (Referenzmengen- Bescheinigung). Gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 1 MilchPrämV sind in der Referenzmengen- Bescheinigung zugleich die Milch- und Milchäquivalenzmengen anzugeben, die in dem 12- Monatszeitraum, der am 31. März des Antragsjahres endet, von dem Milcherzeuger tatsächlich geliefert worden oder vermarktet worden sind. Daraus wird zum einen deutlich, dass die Höhe der zur Verfügung stehenden Milchreferenzmenge nicht vom Umfang einer tatsächlich erfolgten Belieferung abhängt. Zum anderen geht aus der Vorschrift klar hervor, dass der Erhalt der Milchprämie nicht an die Produktion gebunden ist, weil sie nur für die Referenzmenge selbst und nicht für die tatsächliche Lieferung gewährt wird. Deshalb kann es für die Gewährung der Milchprämie - auch nach Einbeziehung derselben in die Betriebsprämienregelung - nicht darauf ankommen, ob der Betriebsinhaber eine ihm übertragene Quote in dem Milchwirtschaftsjahr noch in vollem Umfang beliefern durfte, ohne die Zusatzabgabe zahlen zu müssen. Vielmehr kommt es nur auf die ihm zum Stichtag zustehende Referenzmenge an.
Sind bei der Stichtagsregelung in Art. 62 VO (EG) Nr. 1782/2003 betriebliche Veränderungen der Vorjahre nicht erheblich, so kommt es auch nicht auf die Voraussetzungen des Art. 17 VO (EG) Nr. 795/2004 zur Übertragung betriebsindividueller Beträge bei Verkauf eines Betriebs oder Betriebsteils sowie auf weitere Überleitungsvorschriften (vgl. Art. 13 ff. VO (EG) Nr. 795/2004) nicht an. Die in den Art. 13 ff. VO (EG) 795/2004 geregelte Berücksichtigung betrieblicher Veränderungen, die sich vor dem Antragsjahr 2005 ereignet haben, trägt dem Umstand Rechnung, dass zwischen dem bei sonstigen Direktzahlungen maßgeblichen Bezugszeitraum (2000 bis 2002) und der Antragstellung mehrere Jahre liegen. Dies kann dazu führen, dass bis zur Antragstellung im Jahr 2005 erhebliche betriebliche Veränderungen eingetreten sind. Daher regeln die genannten Vorschriften, dass in bestimmten Fällen die Möglichkeit besteht, betriebsindividuelle Beträge des "alten" Betriebsinhabers hinzuzurechnen. Dies ist jedoch nur dann erforderlich, wenn es für die Berechnung des betriebsindividuellen Betrages auf Direktzahlungen aus früheren Jahren ankommt, so dass spätere betriebliche Änderungen keinen Einfluss auf die zugewiesenen Beträge mehr haben. Wegen der für die Berücksichtigung der Milchreferenzmenge erfolgten Festlegung eines Stichtages, der zeitlich in engem Zusammenhang zur Antragsfrist (17. Mai 2005) steht, liegt jedoch im Gegensatz zu anderen Prämienarten ein Fall der Überlassung nicht vor (vgl. auch VG Oldenburg, Urt. v. 20.11.2007 - 12 A 2704/06 - ). Vielmehr kommt es allein auf die in einem Betrieb verfügbare Milchreferenzmenge am 31. März 2005 an.
Die dem Kläger am 31. März 2005 zustehende Milchreferenzmenge von 649.270 kg war deshalb dem betriebsindividuellen Betrag, dessen nähere Berechnung sich aus Art. 62, 95 VO (EG) 1782/2003 sowie § 5 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BetriebsPrämDurchfG für das Jahr 2005 ergibt, zugrunde zu legen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Beschluss
Der Streitwert wird auf
3.445,71 EUR
festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).
Gründe
Der Streitwert wird in Anlehnung an die Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327) auf einen Wert von 75% der hier streitigen Zahlungsansprüche festgesetzt (vgl. Nds. Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 16. November 2006 - 10 OA 198/06 - ). Der Kläger begehrt die Festsetzung von Zahlungsansprüchen auf der Grundlage eines zusätzlichen betriebsindividuellen Betrages für eine Milchreferenzmenge von 195.975 kg. Bei einem Satz von 0,02368 EUR/ kg ergibt sich ein Betrag von 4.640,69 EUR abzüglich 1% Kürzung für die nationale Reserve = 4.594,28 EUR. Dies entspricht einem Streitwert von 3.445,71 EUR (75%).
Gärtner
Fahs
Struhs
Fahs
Struhs