Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 25.06.2008, Az.: 11 A 3213/06

Zur vorläufigen Besitzeinweisung nach § 65 Flurbereinigungsgesetz als Fall höherer Gewalt i.S.d. Art. 40 Abs. 4 VO (EG) Nr. 1782/2003; Zahlungsansprüche; Besitzeinweisung, vorläufige; Betriebsprämienregelung; Flurbereinigung; Gewalt, höhere; Härtefall; Milchprämie; Milchreferenzmenge; Verwaltungsakt

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
25.06.2008
Aktenzeichen
11 A 3213/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 45515
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2008:0625.11A3213.06.0A

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Zwar kann ein regelwidriges Verwaltungshandeln im Einzelfall ein ungewöhnliches und unvorhersehbares Ereignis darstellen. Liegt jedoch ein Verwaltungsakt (hier: Anordnung der vorläufigen Besitzeinweisung im Flurbereinigungsverfahren vor), fehlt es aufgrund der Rechtschutzmöglichkeit grundsätzlich am Merkmal, dass die Folgen auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht hätten vermieden werden können.

  2. 2.

    Bei der Berechnung des Milch-BIB ist die gesamte dem Betriebsinhaber zum Stichtag 31.03.2005 zur Verfügung stehende Milchreferenzmenge unabhängig von der Belieferung durch den Betriebsinhaber oder einen Dritten im Milchwirtschaftsjahr 2004/2005 zugrunde zu legen (Anschluss an VG Stade und VG Oldenburg)

Tenor:

  1. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger einen weiteren betriebsindividuellen Betrag in Höhe von 947,20 Euro abzüglich 1 % für die nationale Reserve, mithin von 937,73 Euro, auf der Grundlage einer weiteren ihm am Stichtag 31.03.2005 zur Verfügung stehenden Milchmenge von 40 000 kg zu gewähren und den Bescheid vom 07.04.2006 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.

  2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

  3. Der Kläger hat 7/10 und die Beklagte 3/10 der Kosten zu tragen.

  4. Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Zuweisung von weiteren Zahlungsansprüchen für eine Fläche von 7,32 ha Ackerland sowie die Erhöhung des Wertes der ihm zugewiesenen Zahlungsansprüche um einen weiteren betriebsindividuellen Betrag auf Grundlage einer Milchreferenzmenge von 90 000 kg.

2

Der Kläger betreibt einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Ackerbau und Milchwirtschaft in D.. Er nahm im Jahr 1999 an dem Flurbereinigungsverfahren D. -Südost teil und brachte 4,6394 Hektar für den Futtermaisanbau genutztes ackerfähiges Grünland sowie weitere 5,1824 Hektar Grünland in das Verfahren ein. Mit Anordnung der vorläufigen Besitzeinweisung vom 27.09.1999 wurde ihm ein Flurstück zugeteilt, bei dem 1,0869 Hektar Acker und 8,6818 Hektar Grünland ausgewiesen wurden. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er trug vor, sein Betrieb befände sich in der Umstellung, so dass sichere Ackerflächen dringend benötigt würden. Reine Grünlandflächen wie die zugewiesene Fläche könnten bei der Aufgabe der Milchviehhaltung nicht mehr genutzt werden, wodurch erhebliche finanzielle Nachteile durch Pachteinbußen und Verkehrswertminderung zu erwarten seien. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.07.2005 wies die Behörde für Geoinformation, Landentwicklung und Liegenschaften E. den Widerspruch zurück und ordnete gleichzeitig "unabhängig vom Widerspruch" die Rückgabe der 4,6394 Hektar ackerfähigen Grünlands mit Änderung der Besitzeinweisung zum 01.10.2005 an. Die gegen die Anordnung der vorläufigen Besitzeinweisung in Gestalt des Widerspruchsbescheids erhobenen Klagen vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht sind noch anhängig.

3

Im Oktober 1999 verpachtete der Kläger von dem ihm zugewiesenen Flurstück eine Teilfläche von 7,32 Hektar Grünland an einen Dritten mit der Maßgabe, die Fläche zurückzuerhalten, wenn die vorläufige Besitzeinweisung geändert oder rückgängig gemacht wurde. Vereinbarungsgemäß erhielt er die Fläche zum 30.09.2005 von seinem Pächter zurück. Der Kläger verpachtete außerdem Teile seiner Milchreferenzmenge an Dritte: Eine Referenzmenge von 50 000 kg verpachtete er in der Zeit vom 09.11.1999 bis zum 31.12.2007. Er verpachtete weiter Referenzmengen von 60 000 kg und 36 000 kg von Oktober 1999 bis zum 31.12.2007. Die erstgenannte Menge erhielt er zum 30.11.2004 zurück, wobei zu diesem Zeitpunkt 20 000 kg noch nicht beliefert worden waren. Die letztgenannte Menge wurde vor dem 31.03.2004 auf ihn zurück übertragen.

4

Der Kläger stellte unter dem 06.05.2005 den Antrag auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen sowie Sammelantrag 2005, der bei der Beklagten am 17.05.2005 einging. Unter Ziffer II.4.1. beantragte der Kläger die Festsetzung von Zahlungsansprüchen einschließlich der betriebsindividuellen Beträge unter Berücksichtigung aller ihm am 17.05.2005 zur Verfügung stehenden beihilfefähigen Flächen des Gesamtflächen- und Nutzungsnachweises (GFN). Im Gesamtflächen- und Nutzungsnachweis führte der Kläger von ihm am 17.05.2005 bewirtschaftete Flächen zu einer Gesamtgröße von 29,68 ha auf; die verpachtete Fläche von 7,32 ha führte er nicht auf. Unter Ziffer II.4.4 "Ergänzende Angaben zur Festsetzung des betriebsindividuellen Betrages im Zusammenhang mit Milchreferenzmengen" gab er an, ihm hätten in der Zeit vom 01.04.2004 bis zum 31.03.2005 einzelbetriebliche Milchreferenzmengen zur Verfügung gestanden. Unter Ziff. II.4.4.3 "Härtefallregelung" setzte er kein Kreuz. Dort heißt es:

"Ich war/Wir waren im Milchquotenjahr 2004/2005 kein/e Milcherzeuger und werden die Milcherzeugung auch nicht bis zum 17.05.2005 aufnehmen. Ich nehme/Wir nehmen jedoch die Härtefallregelung in Anspruch, d.h. mir/uns war aufgrund

? höhere Gewalt bzw.

? vorübergehende Beeinträchtigung meiner/unserer Erzeugerkapazitäten

eine Milcherzeugung nicht möglich. Eine Darstellung der näheren Gründe einschließlich eventueller Nachweise habe ich/ haben wir beigefügt. Mir/uns ist bekannt, dass ohne eine ausreichende Begründung meiner-/unsererseits kein Anspruch auf die Festsetzung eines betriebsindividuellen Betrages in Zusammenhang mit Milchreferenzmengen besteht."

5

Eine andere Möglichkeit der Geltendmachung eines Härtefalls im Zusammenhang mit dem betriebsindividuellen Betrages für Milcherzeugung sieht das Antragsformular nicht vor. Insbesondere unter Ziffer II.5 "Außergewöhnliche Umstände / Höhere Gewalt" betrifft keiner der Unterpunkte die Reduzierung der Milcherzeugung.

6

Unter Ziff. II.4.6. beantragte der Kläger außerdem die Zuweisung von Zahlungsansprüchen bzw. betriebsindividuellen Beträgen aus der nationalen Reserve "gem. Art. 19 bis 23 der VO (EG) Nr. 795/2004 (Unternehmen in besonderer Lage) wegen Übernahme (kostenlos oder zu einem symbolischen Preis) von Flächen oder Unternehmen bzw. Unternehmensteilen bis zum Zeitpunkt der Antragstellung, die im Bezugszeitraum an einen Dritten verpachtet waren (Art. 20)". Einen ergänzenden Vordruck füllte er nicht aus.

7

In einem gesonderten Schreiben, das ebenfalls am 17.05.2005 bei der Beklagten einging, stellte der Kläger einen Antrag auf (1) Zuweisung von 7,32 Zahlungsansprüchen (Acker) und (2) Zuweisung von betriebsindividuellen Beträgen - Milchprämie für 90 000 kg Milchreferenzmenge aus der nationalen Reserve. Er begründete seinen Antrag mit dem Entzug von Ackerfläche, genauer Anbaufläche für Futtermais, im Flurbereinigungsverfahren und der dadurch erforderlich gewordenen Viehbestandsabstockung, die wiederum zur Verpachtung von Grünlandflächen und Milchreferenzmengen geführt habe. Als Anlage fügte er ein Schreiben der Behörde für Geoinformation, Landentwicklung und Liegenschaften E. vom 08.04.2005 bei, in dem diese erklärte, die vorläufige Besitzeinweisung werde zum 01.10.2005 geändert und im Ergebnis - unter Berücksichtigung der Auswirkungen durch den allgemeinen Landabzug - rückgängig gemacht. Er fügte weiter Bescheinigungen der Beklagten nach § 9 Abs. 1 Milchgarantiemengenverordnung über die Übertragungen der drei Milchreferenz-Teilmengen sowie eine Bestätigung seines Pächters über die Anpachtung einer Fläche von 7,32 ha in der Zeit vom 01.10.1999 bis 30.09.2005 bei.

8

Unter dem 17.05.2006, eingegangen bei der Beklagten am 27.06.2005, füllte der Kläger auch den Vordruck N "Antrag auf Berücksichtigung eines abweichenden Bezugszeitraumes aufgrund von Härtefällen gemäß Art. 40 (1) und/oder (2) VO (EG) Nr. 1782/2003 - BIB-bezogene Härtefälle" aus, in dem er formularmäßig erklärte, seine Produktion sei im Bezugszeitraum 2000 bis 2002 durch einen Fall höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände beeinträchtigt gewesen, und beantragte, die betriebsindividuellen Beträge auf der Basis der hiervon nicht betroffenen Jahre zu berechnen. Im Übrigen verwies er auf das der Beklagten bereits vorliegende formlose Antragsschreiben.

9

Mit Bescheid vom 07.04.2006, dessen Zugang nicht bekannt ist, setzte die Beklagte für den Kläger 26,14 normale Zahlungsansprüche ohne OGS-Genehmigung zum Wert von 372,83 EUR/Hektar, 1,46 normale Zahlungsansprüche zum Wert von 217,46 EUR/Hektar sowie 2,08 Stilllegungs-Zahlungsansprüche ohne OGS-Genehmigung zum Wert von 255,12 EUR/Hektar fest. Den betriebsindividuellen Betrag errechnete sie ausweislich Anlage 2 zum Bescheid auf der Grundlage einer Milchreferenzmenge von 136 229 kg und eines Prämienbetrages von 3 225 EUR sowie 0,8 Rindersonderprämien aus 2002 in Höhe von 168,00 EUR. Bei der Berechnung der Milchreferenzmenge legte die Beklagte neben der vom Kläger einbehaltenen Menge die im Jahr 1999 verpachtete Teilmenge von 36 000 kg insgesamt und die ebenfalls im Jahr 1999 verpachtete Teilmenge von 60 000 kg im Umfang von 20 000 kg zugrunde. Den Härtefall-Antrag lehnte die Beklagte hingehen mit der Begründung ab, eine möglicherweise nicht wertgleiche Abfindung im Flurbereinigungsverfahren sei kein Härtefall, weil es sich nicht um ein nicht vorhersehbares, nicht beeinflussbares Schadensereignis gehandelt habe, sondern der Kläger Handlungsalternativen gehabt habe. So hätte er die mögliche Minderzuteilung von Ackerflächen durch Zupacht oder Futterzukauf ausgleichen können. Dies wäre im Vergleich zur Viehbestandsabstockung die kostengünstigere Alternative gewesen. Außerdem seien für die Viehbestandsabstockung noch andere Gründe maßgeblich gewesen. Die Abstockung sei nach den vorliegenden Unterlagen aufgrund einer eigenen betriebswirtschaftlichen Entscheidung des Klägers erfolgt.

10

Der Kläger hat am 17.05.2006 Klage erhoben.

11

Er macht im Wesentlichen geltend, er habe auf der durch das Flurbereinigungsverfahren entzogenen Fläche Futtermais für seine Kühe angebaut und sei durch den Entzug der Flächen gezwungen worden, seine Milchviehherde abzustocken sowie eine Milchreferenzmenge von 132 000 kg zu verpachten. Die vom AfA E. als Ersatz zugeteilte Grünlandfläche zu einer Größe von etwa 7,32 Hektar habe er verpachtet, weil sie kein geeigneter Ersatz für die entzogene Ackerfläche gewesen sei. Die nicht wertgleiche Abfindung im Flurbereinigungsverfahren sei ein nicht beeinflussbares Schadensereignis. Eine Umverteilung oder einen Flächentausch und die Zuteilung einer geeigneten Ersatzfläche habe er trotz regelmäßiger Nachfrage nicht erreichen können, auch eine entsprechende Anweisung der damaligen Bezirksregierung F. an die GLL E. im Jahr 2001 habe nichts erbracht. Wirtschaftlich sinnvolle und vertretbare Handlungsalternativen zur Abstockung des Milchviehbestandes hätten nicht vorgelegen. Insbesondere wäre es wirtschaftlich unzumutbar gewesen, über Jahre Futter zuzukaufen.

12

Der Kläger beantragt,

  1. die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 07.04.2006 zu verpflichten, ihm weitere 7,32 allgemeine Zahlungsansprüche und weitere betriebsindividuelle Beträge für eine zusätzliche Milchprämie für 90 000 kg Milchreferenzmenge zuzuweisen.

13

Die Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

14

Sie trägt im Wesentlichen vor, es gebe keinen Zusammenhang zwischen der Neuzuteilung von Flächen im Rahmen der Flurbereinigung und der Betriebsabstockung durch Verpachtung. Der Kläger habe im Widerspruchsverfahren über die Zuteilung von Flächen nämlich vorgetragen, reine Grünlandflächen könnten bei der Aufgabe der Milchviehhaltung nicht mehr genutzt werden. Die Milchviehabstockung sei eine selbstbestimmte unternehmerische Entscheidung des Klägers gewesen und kein nicht vorhersehbares und vom Kläger nicht zu beeinflussendes Schadensereignis im Sinne der Härtefallregelung.

15

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Klage hat nur teilweise Erfolg.

17

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuweisung von weiteren Zahlungsansprüchen auf Grundlage der an einen Dritten bis zum 30.09.2005 verpachteten Grünlandfläche zur Größe von 7,32 ha. Der Bescheid der Beklagten vom 07.04.2006 ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO).

18

Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Zahlungsansprüchen nach der erstmals für das Jahr 2005 geltenden Betriebsprämienregelung ist die Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe (ABl. L 270 v. 21.10.2003, S. 1) mit den Durchführungsverordnungen der Kommission zur Betriebsprämienregelung in der Verordnung (EG) Nr. 795/2004 vom 21. April 2004 (ABl. L 141 v. 30.04.2004, S. 1) und zur Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen, zur Modulation und zum Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem in der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 vom 21. April 2004 (ABl. L 141 v. 30.04.2004, S. 18). Die VO (EG) Nr. 1782/2003 wird hinsichtlich der einheitlichen Betriebsprämie durch das Betriebsprämiendurchführungsgesetz (BetrPrämDurchfG) umgesetzt; dieses wird durch die Betriebsprämiendurchführungsverordnung (BetrPrämDurchfV) konkretisiert. Weitere Regelungen zum Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem (InVeKoS) finden sich in der InVeKoS-Verordnung (InVeKoSV).

19

Während sich der Wert eines Zahlungsanspruchs (Referenzbetrag) nach dem in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Kombinationsmodell gemäß § 5 Abs. 1 BetrPrämDurchfG für jeden Betriebsinhaber in Anwendung der Art. 59 Abs. 1, Abs. 3 und 41 VO (EG) Nr. 1782/2003 aus einem flächenbezogenen Betrag und einem betriebsindividuellen Betrag (sog. Top-Up) zusammensetzt, entspricht die Anzahl der Zahlungsansprüche für jeden Betriebsinhaber der Hektarzahl der im ersten Jahr der Anwendung der Betriebsprämienregelung - dem Jahr 2005 - angemeldeten beihilfefähigen Flächen (Art. 43 Abs. 1, Art 59 Abs. 4 VO (EG) Nr. 1782/2003).

20

Da der Kläger die verpachtete Fläche nicht in seinem Gesamtflächen- und Nutzungsnachweis aufgeführt und damit angemeldet hat, stehen ihm für diese Fläche grundsätzlich keine Zahlungsansprüche zu.

21

Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus den Sonderregelungen für Betriebsinhaber in besonderer Lage. Über die nach Art. 59 Abs. 4 VO (EG) Nr. 1782/2003 bestimmte Anzahl von Zahlungsansprüchen hinausgehend können Betriebsinhaber in besonderer Lage i.S.d. Art. 42 Abs. 4 VO (EG) Nr. 1782/2003 unter bestimmten Voraussetzungen Zahlungsansprüche aus der nationalen Reserve erhalten. Einen derartigen Fall beschreibt Art. 20 Abs. 1 VO (EG) Nr. 795/2004, auf den sich der Kläger ausweislich Ziff. II.4.6. seines Antrags auf Zuweisung von Zahlungsansprüchen und Sammelantrag 2005 beruft. Danach erhält ein Betriebsinhaber Zahlungsansprüche, der vor dem Zeitpunkt der Antragstellung auf Teilnahme an der Betriebsprämienregelung im deren erstem Anwendungsjahr - mithin vor dem 17.05.2005 - von einem Betriebsinhaber, der die landwirtschaftliche Tätigkeit eingestellt hat oder verstorben ist, durch kostenlose oder zu einem symbolischen Preis erfolgte Übertragung im Rahmen eines Verkaufs oder einer Pacht für sechs oder mehr Jahre oder durch Vererbung bzw. vorweggenommene Erbfolge einen im Bezugszeitraum an einen Dritten verpachteten Betrieb oder Betriebsteil erhalten hat. Betriebsinhaber i.S.d. Absatzes 1 ist nach Art. 20 Abs. 2 VO (EG) Nr. 795/2004 jede Person, die einen Betrieb oder Betriebsteil durch Vererbung oder vorweggenommene Erbfolge erhalten hat.

22

Die Anspruchsvoraussetzungen liegen nicht vor. Es fehlt zunächst schon an einem vollständigen Antrag auf Zuweisung von Zahlungsansprüchen wegen Verpachtung an einen Dritten nach Art. 20 VO (EG) Nr. 795/2004. Das Antragserfordernis ergibt sich aus § 13 Abs. 2 InVeKoSV, nach dem die Festsetzung von Zahlungsansprüchen in einem Fall der Verpachtung an einen Dritten i.S.d. Art. 20 VO (EG) Nr. 795/2004 i.V.m. § 14 BetrPrämDurchfV nach Ablauf der Pachtverträge bis zum 15. Mai, der auf den Ablauf der Pachtverträge folgt, schriftlich zu beantragen ist. Für diesen Antrag gilt ebenso wie für andere Anträge, dass Vordrucke oder Formularanträge zwingend zu verwenden sind, § 5 Abs. 2 InVeKoSV. Wird ein vorhandener Vordruck nicht verwandt, gilt der Antrag als nicht gestellt. Der Kläger hat zwar unter Ziff. II.4.6. ein Kreuz gesetzt, aber das weitere Antragsformular nicht bei der Beklagten eingereicht. Damit war der Antrag bei Ablauf der Antragsfrist am 17.05.2005 unvollständig. Aus formeller Sicht ist der (unvollständige) Antrag auch deshalb unzulässig, weil die in § 13 Abs. 2 InVeKoSV umschriebene Frist nicht eingehalten, sondern der Antrag zu früh gestellt worden ist. Im Übrigen liegen auch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Art. 20 VO (EG) Nr. 795/2004 nicht vor. Der Kläger hat die fragliche Fläche nicht durch Vererbung oder vorweggenommene Erbfolge gem. Art. 20 Abs. 2 VO (EG) Nr. 795/2004 erhalten, sondern durch die Anordnung der vorläufigen Besitzeinweisung im Rahmen des Flurbereinigungsverfahrens.

23

Der Kläger kann auch aus der Härtefallregelung des Art. 40 VO (EG) Nr. 1782/2003 keinen Anspruch auf Erhöhung der Anzahl der ihm zustehenden Zahlungsansprüche herleiten.

24

Dem Kläger kann zwar nicht entgegengehalten werden, dass er innerhalb der Antragsfrist den Antrag auf Zuweisung von Zahlungsansprüchen aufgrund eines Härtefalls nur formlos gestellt hat. Nach § 5 Abs. 1 und Abs. 2 InVeKoSV sind für Anträge die von der zuständigen Behörde vorgehaltenen Vordrucke und Formulare zu verwenden. Vorliegend sieht das Antragsformular einen entsprechenden Antrag nicht vor. Unter Ziffer II.4.6 finden sich (nur) die Anträge auf Zuweisung von Zahlungsansprüchen oder betriebsindividuellen Beträgen aus der nationalen Reserve als Betriebsinhaber in besonderer Lage nach Art. 19 bis 23 VO (EG) Nr. 795/2004. Die Nennung von Härtefällen in der Überschrift zu Ziffer II.4.6. ist insoweit irreführend. Auch die unter Ziffer II.5. "Außergewöhnliche Umstände / Höhere Gewalt" sind auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Während die ersten beiden Unterpunkte die Fälle des Art. 40 Abs. 1 und Abs. 2 VO (EG) Nr. 1782/2003 und damit die Bestimmung des Referenzvertrages - also des Wertes der Zahlungsansprüche - betreffen und der vierte Unterpunkt sich auf OGS-Genehmigungen bezieht, betrifft allein der dritte Unterpunkt die Anzahl von Zahlungsansprüchen. Aufgeführt ist allerdings nur der Sonderfall, in dem im Rahmen einer öffentlichen Infrastrukturmaßnahme eine Fläche vorübergehend nicht zu landwirtschaftlichen Zwecken genutzt werden konnte. Der Kläger kann mithin nicht darauf verwiesen werden, dass er zur Fristwahrung einen Vordruck hätte verwenden müssen, weil ein solcher Vordruck i.S.d. § 5 Abs. 2 InVeKoSV nicht vorliegt.

25

Allerdings liegen die materiellen Anspruchsvoraussetzungen nicht vor.

26

Nach Art. 59 Abs. 4 VO (EG) Nr. 1782/2003 entspricht die Anzahl der Zahlungsansprüche eines Betriebsinhabers der Hektarzahl der beihilfefähigen Fläche, die er im ersten Anwendungsjahr der Betriebsprämienregelung - hier dem Jahr 2005 - angemeldet hat, es sei denn, es liegt ein Fall der höheren Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände i.S.d. Art. 40 Abs. 4 VO (EG) Nr. 1782/2003 vor. Als höhere Gewalt oder außergewöhnliche Umstände werden von der zuständigen Behörde nach Art. 40 Abs. 4 VO (EG) Nr. 1782/2003 unter anderem der Tod des Betriebsinhabers, die länger dauernde Berufsunfähigkeit des Betriebsinhaber, eine schwere Naturkatastrophe, die die landwirtschaftliche Fläche des Betriebs erheblich in Mitleidenschaft zieht, die unfallbedingte Zerstörung von Stallgebäuden des Betriebs oder Seuchenbefall anerkannt. Da die aufgeführten Fallkonstellationen nur Beispiele darstellen "unter anderem"), ist maßgeblich, ob sich der Kläger auf einen ungeschriebenen Fall der höheren Gewalt oder der außergewöhnlichen Umstände berufen kann.

27

Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sind im Bereich der Agrarverordnungen unter höherer Gewalt ungewöhnliche und unvorhersehbare Ereignisse zu verstehen, auf die derjenige, der sich auf höhere Gewalt beruft, keinen Einfluss hat und deren Folgen auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht hätten vermieden werden können (vgl. statt vieler Urt. v. 05.02.1987, Rs. 145/85 - Denkavit -, Slg. 1987, 565, Randnr. 11; Urt. v. 13.10.1993, Rs. C-124/92 - An Bord Bainne Cooperative und Compagnie Inter-Agra -, Slg. 1993, I-5061, Rn. 11; Urt. v. 09.08.1994, Rs. C-347/93 - Boterlux -, Slg. 1994, I-3933, Randnr. 34; Urt. v. 29.09.1998, Rs. C-263/97 - First City Trading u. a. -, Slg. 1998, I-5537, Randnr. 38). Dabei ist nach dem Ereignis, nicht nach den Folgen der höheren Gewalt zu fragen. In der Entscheidung First City Trading hat der EuGH nämlich darauf hingewiesen, dass der Begriff der höheren Gewalt nicht mit deren Folgen zu verwechseln ist (a.a.O., Randnr. 40). Vor diesem Hintergrund ist es vorliegend nach Auffassung der Kammer unerheblich, ob die Maßnahmen des Klägers zur betriebswirtschaftlichen Bewältigung der Besitzeinweisung aus betriebswirtschaftlicher Sicht Sinn machen oder ihm ebenso wirtschaftliche oder wirtschaftlichere Handlungsalternativen zur Verfügung gestanden hätten, um die fragliche bis zum Ablauf der Antragsfrist am 17.05.2005 Fläche in seinem Besitz zu halten.

28

Anders als zivilrechtlichen Beziehungen, in denen der Gerichtshof sämtliche Risiken bis hin zum betrügerischen Verhalten des Geschäftspartners als übliche Geschäftsrisiken der Rechtssphäre des Betroffenen zuschreibt und sie damit als nicht ungewöhnlich und unvorhersehbar wertet (vgl. EuGH, Urt. v. 27.10.1987, Rs. 109/86 - Theodorakis -, Slg. 1987, 4319, Randnr. 8; Urt. v. 09.08.1994, Rs. C-347/93 - Boterlux -, Slg. 1994, I-3933, Randnr. 35 f.), kann ein rechtswidriges oder sorgfaltspflichtwidriges Behördenhandeln im Einzelfall einen Fall höherer Gewalt i.S.d. Art. 40 Abs. 4 VO (EG) Nr. 1782/2003 darstellen (vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 18. 03. 1993 - Rs. C-50/92 - Molkerei-Zentrale Süd, Slg. 1993, I-1053, Randnr. 13; BVerwG, Urt. v. 29.04.2004 - 3 C 27.03 -, BVerwGE 121, 10, 14 [BVerwG 29.04.2004 - 3 C 27/03]; VG Hannover, Urt. v. 04.04.2008 - 11 A 3360/06 -).

29

Der Gerichtshof hatte in der Entscheidung Molkerei-Zentrale Süd über die Vorlagefrage des Verwaltungsgerichts Frankfurt a.M. zu entscheiden, ob ein Fall höherer Gewalt vorliege, wenn die Versäumung einer in einer Agrarverordnung vorgeschrieben Nachweisfrist auf einer zögerlichen Bearbeitung einer Verwaltungsbehörde beruhe (EuGH, Urt. v. 18.03.1993 - Rs. C-50/92 - Molkerei-Zentrale Süd, Slg. 1993, I-1053, Randnr. 8 f.). Der Gerichtshof stellte fest, dass die verzögerte Überprüfung durch eine Verwaltungsbehörde ein Ereignis darstelle, auf das der Wirtschaftsteilnehmer keinen Einfluss habe, da er keine Möglichkeit habe, auf die Vornahme dieser Handlungen einzuwirken. Grund hierfür ist ersichtlich der Gedanke, dass die Verwaltung verpflichtet ist, gesetzmäßig zu handeln (vgl. die Schlussanträge des Generalanwalts, Slg. 1993, I-1044, Randnr. Rn. 24, 26).

30

Zur Frage der Abwendbarkeit der Folgen führte der Gerichtshof aus (Randnr. 13 ff.):

"Die Ungewöhnlichkeit und Unvorhersehbarkeit der unzulänglichen Arbeitsweise dieser Verwaltung kann nicht mit der Begründung verneint werden, dass eine Gemeinschaftsregelung wie die Verordnung Nr. 1687/76 im Ausgangsrechtsstreit dem Wirtschaftsteilnehmer das Recht gibt, im Fall von Verzögerungen, die die Verwaltung zu vertreten hat, die Anerkennung anderer gleichwertiger Unterlagen zu beantragen; dieses Recht ist aber für die Feststellung bedeutsam, ob der betreffende Wirtschaftsteilnehmer die nachteiligen Folgen der mangelhaften Tätigkeit der Verwaltung hätte abwenden können.

Was diese letztgenannte Voraussetzung der höheren Gewalt betrifft, so ist es Sache des nationalen Gerichts, zu ermitteln, ob der betreffende Wirtschaftsteilnehmer tatsächlich die gebotene Sorgfalt aufgewandt hat.

Dazu ist jedoch festzustellen, dass diese Voraussetzung erfüllt ist, wenn der Wirtschaftsteilnehmer persönlich oder durch einen Vertreter regelmäßig bei der zuständigen Verwaltung vorstellig geworden ist, um sie zu den erforderlichen Handlungen zu veranlassen.

Das Versäumnis, die Anerkennung gleichwertiger Unterlagen zu beantragen, kann dem Wirtschaftsteilnehmer nur entgegengehalten werden, wenn er nicht durch das Verhalten der betreffenden Verwaltung daran gehindert war, seine Rechte durch dieses Verfahren zu wahren.

Dazu ist aber festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Anwendung des Artikels 14 der Verordnung Nr. 1687/ 76 nicht erfüllt waren. Nach dieser Vorschrift ist nämlich eine Bestätigung der Zollstelle des Staates der Verarbeitung vorzulegen, dass der vorgesehenen Verwendung und/ oder Bestimmung entsprochen worden ist; eine solche Bestätigung konnte der Wirtschaftsteilnehmer aber gerade wegen des Verhaltens dieser Behörde nicht bekommen.

Somit ist auf die erste Frage zu antworten, dass ein Fall höherer Gewalt im Sinne des Artikels 22 Absatz 4 der Verordnung Nr. 262/ 79 angenommen werden kann, wenn die Versäumung der Frist für die Vorlage der Nachweise für die Verarbeitung der Butter in einem anderen Mitgliedstaat darauf beruht, dass die Verwaltungsbehörden dieses Staates die Überprüfung der Verarbeitung und die Rücksendung des Kontrollexemplars an die Behörden des Ursprungsstaats mit Verzögerung vorgenommen haben und der betreffende Wirtschaftsteilnehmer die Verwaltungsbehörden des Staates der Verarbeitung mit dem gebotenen Nachdruck zur Vornahme dieser Handlungen angehalten hat oder hat anhalten lassen. Hat der Wirtschaftsteilnehmer kein Antragsverfahren wegen Anerkennung anderer gleichwertiger Unterlagen gemäß Artikel 14 der Verordnung Nr. 1687/ 76 eingeleitet, so kann ihm dies nur entgegengehalten werden, wenn er nicht durch das Verhalten der betreffenden Verwaltung daran gehindert war, seine Rechte durch dieses Verfahren zu wahren."

31

Gemessen hieran kann sich der Kläger im vorliegenden Einzelfall nach Auffassung der Kammer nicht auf einen Fall der höheren Gewalt oder der außergewöhnlichen Umstände i.S.d. Art. 40 Abs. 4 VO (EG) Nr. 1782/2003 berufen.

32

Die Anordnung der vorläufigen Besitzeinweisung gem. § 65 FlurbG stellt keinen Fall der höheren Gewalt dar. Von einem Fall höherer Gewalt könnte allenfalls dann gesprochen werden, wenn die Anordnung formell und materiell rechtswidrig ist, worüber die Kammer nicht berufen ist zu entscheiden. Aber selbst dann, wenn die Anordnung sich als rechtswidrig erweisen sollte, ist hier das Merkmal nicht gegeben, dass der Kläger die Folgen der Anordnung - nämlich die Besitzeinweisung in die neuen Flächen bei gleichzeitiger Besitzaufgabe der alten Flächen - auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht hätte vermeiden können. Denn bei der Anordnung der vorläufigen Besitzeinweisung handelt es sich um einen Verwaltungsakt, gegen den dem Kläger der Rechtsbehelf des Widerspruchs zur Verfügung stand. Die Möglichkeit der Folgenvermeidung sieht die Rechtsordnung mithin vor. Der Kläger war vorliegend auch nicht gehindert, von diesem Recht Gebrauch zu machen, sondern hat Widerspruch gegen die Anordnung eingelegt.

33

Der Kläger kann sich auch nicht auf die lange Verfahrensdauer bei der Bearbeitung seines Widerspruchs berufen, die dazu führte, dass er nicht schon zum 17.05.2005 die ursprünglichen Flächen wieder nutzen konnte und er sie folglich auch nicht gem. Art. 59 Abs. 4 VO (EG) Nr. 1782/2003 für die Festsetzung der Anzahl der Zahlungsansprüche geltend machen konnte. Der Kläger hat nämlich nicht alles unternommen, um das Verwaltungsverfahren zu beschleunigen. Ihm wäre es beispielsweise möglich gewesen, eine Untätigkeitsklage gegen die Widerspruchsbehörde nach § 75 VwGO zu erheben. Dies hat er nicht getan.

34

Nach alledem hat der Kläger keinen Anspruch auf Zuweisung weiterer Zahlungsansprüche für die über die Antragsfrist im ersten Anwendungsjahr der Betriebsprämienregelung hinaus verpachtete Fläche von 7,32 ha. Aus diesem Grund kann auch dahinstehen, ob die Fläche - wie vom Kläger beantragt - als Ackerfläche zum Wert von 255,12 EUR/ha oder als Grünlandfläche zum Wert von 99,75 EUR/ha einzustufen gewesen wäre.

35

Hinsichtlich des Wertes der ihm zugewiesenen Zahlungsansprüche hat der Kläger einen Anspruch auf Erhöhung des betriebsindividuellen Betrages auf der Grundlage der ihm am Stichtag 31.03.2005 zur Verfügung stehenden Milchreferenzmenge; soweit der Bescheid der Beklagten dem entgegensteht, ist er rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Darüber hinausgehend hat der Kläger keinen Anspruch auf einen weiteren betriebsindividuellen Betrag; der Bescheid der Beklagten ist demnach im Übrigen rechtmäßig.

36

Die Höhe des betriebsindividuellen Betrages (BIB) errechnet sich gem. Art. 37 Abs. 1 Unterabs. 1 VO (EG) Nr. 1782/2003 aus dem Dreijahresdurchschnitt der Gesamtbeträge der Zahlungen, die ein Betriebsinhaber im Rahmen der Stützungsregelungen nach Anhang VI in jedem Kalenderjahr des Bezugszeitraums nach Art. 38 - mithin in den Jahren 2000 bis 2002 - bezogen hat und der gemäß Anhang VII berechnet und angepasst wird. Da für Milch im Zeitraum 2000- 2002 noch keine Direktzahlungen erfolgten, sind in diesem Fall andere Regelungen getroffen worden. Der maßgebliche betriebsindividuelle Betrag wird nach der Vorschrift des Art. 62 Unterabs. 2 VO (EG) Nr. 1782/2003 auf der Grundlage der einzelbetrieblichen Milchreferenzmenge ermittelt, die dem Betrieb am 31. März des Jahres, in dem die Milchprämie in die Betriebsprämienregelung einbezogen wurde, zur Verfügung steht. Dies war gemäß § 5 Abs. 2 BetrPrämDurchfG das Jahr 2005. Maßgeblich für den betriebsindividuellen Betrag ist deshalb die Milchreferenzmenge, die dem Kläger am 31. März 2005 zur Verfügung stand.

37

Nach dem Wortlaut des Art. 62 Unterabs. 2 VO (EG) 1782/2003 ist für den betriebsindividuellen Betrag die einem Betrieb am 31. März 2005 "zur Verfügung stehende" einzelbetriebliche Referenzmenge maßgebend. Diese Formulierung bezeichnet nach Auffassung der Kammer die gesamte prämienfähige Referenzmenge, die einem Betrieb an diesem Stichtag zugewiesen ist. Dies ist die ihm bis zu diesem Zeitpunkt übertragene Milchreferenzmenge unabhängig davon, in welchem Umfang eine Belieferung der Quote durch den Erzeuger selbst oder einen Betriebsvorgänger im Milchwirtschaftsjahr 2004/ 2005 tatsächlich erfolgt ist (vgl. VG Oldenburg, Urt. v. 16.10.2007 - 12 A 2446/06; Urt. v. 20.11.2007 - 12 A 2704/06 -, VG Stade, Urt. v. 29.11.2007 - 6 A 1261/06; VG Hannover, Urt. v. 26.02.2008 - 11 A 22/07 -, alle in Rechtsprechungsdatenbank der Nds. Verwaltungsgerichtsbarkeit). Das Verwaltungsgericht Stade hat hierzu in seiner Entscheidung vom 29.11.2007 zutreffend auf die zur Auslegung des Begriffes der "zur Verfügung stehenden" Milchreferenzmenge im Sinne des Art. 62 VO (EG) Nr. 1782/2003 heranzuziehende Legaldefinition in Art. 5k) VO (EG) Nr. 1788/2003 (ABl. EU L 270/123) verwiesen. Danach bezeichnet die "verfügbare Referenzmenge" die Referenzmenge, die dem Erzeuger am 31. März des Zwölfmonatszeitraums, für den die Abgabe berechnet wird, zur Verfügung steht, wobei alle in dieser Verordnung vorgesehenen Übertragungen, Überlassungen, Umwandlungen und zeitweiligen Neuzuweisungen, die während dieses Zwölfmonatszeitraumes erfolgt sind, berücksichtigt werden.

38

Dem Kläger stand neben den Milchreferenzmengen, über die er während des gesamten Milchwirtschaftsjahres 2004/2005 - mithin zwischen dem 01.04.2004 und dem 31.03.2005 - verfügte und die er in voller Höhe beliefern konnte, auch die gesamte im Jahr 1999 verpachtete, auf ihn aber zum 30.11.2004 zurück übertragene Milchreferenzmenge von 60 000 kg zur Verfügung i.S.d. Art. 62 Unterabs. 2 VO (EG) Nr. 1782/2003. Der Kläger hat demnach einen Anspruch auf einen weiteren betriebsindividuellen Betrag für eine Milchmenge von 40 000 kg, mithin auf einen Betrag von 947,20 Euro abzüglich 1 % für die nationale Reserve.

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Einen darüber hinausgehenden Anspruch auf Einbeziehung von Milchprämien in den betriebsindividuellen Betrag aufgrund eines Härtefalls hat der Kläger nicht.

40

Abweichend von Art. 37 VO (EG) Nr. 1782/2003 kann ein Betriebsinhaber, dessen Produktion im Bezugszeitraum durch vor diesem Zeitraum oder während dieses Zeitraums eingetretene Fälle höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände beeinträchtigt wurde, gem. Art. 40 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/2003 beantragen, dass der Referenzbetrag auf der Grundlage des oder der durch diese Umstände nicht betroffenen Kalenderjahres oder Kalenderjahre des Bezugszeitraums berechnet wird. Die Vorschrift findet gem. Art. 16 Abs. 3 VO (EG) Nr. 795/2004 i.V.m. Anhang VI zur VO (EG) Nr. 1782/2003 auch auf die Milchprämie Anwendung, die - wie oben ausgeführt - stichtagsbezogen in die Betriebsprämienregelung einbezogen wird. Für die Feststellung des Referenzbetrags eines Milcherzeugers, dessen Produktion aufgrund höherer Gewalt beeinträchtigt ist und der wegen dieser Lage seine einzelbetriebliche Referenzmenge ganz oder teilweise während des am  31.03.2005 endenden Milchwirtschaftsjahres 2004/2005 gem. Art. 16 VO (EG) Nr. 1788/2003 zeitweilig überträgt, gilt diese Referenzmenge als gleichwohl verfügbar (Art. 19 VO (EG) Nr. 795/2004). Gem. Art. 40 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1782/2003 i.V.m. §§ 11 Abs. 1, 12 InVeKosV ist ein Härtefall im Rahmen des Antrags auf Zuweisung von Zahlungsansprüchen bis zum 17.05.2005 geltend zu machen.

41

Der Kläger hat zwar fristgerecht den Antrag auf Zuweisung weiterer betriebsindividueller Beträge für die über den 31.05.2005 hinaus verpachtete Milchmenge gestellt. Da das Antragsformular hierfür keinen Antrag vorsah, reicht nach Auffassung der Kammer der formlose Antrag des Klägers aus.

42

Die Voraussetzungen des Härtefallantrags liegen jedoch nicht vor, da sich der Kläger - wie oben dargestellt - nicht auf einen Fall der höheren Gewalt oder der außergewöhnlichen Umstände berufen kann. Im Übrigen steht auch Art. 19 VO (EG) Nr. 795/2004 dem Anspruch entgegen. Der Wortlaut der Vorschrift stellt nämlich auf Übertragungen während des Milchwirtschaftsjahres 2004/2005 ab; Übertragungen aus davor liegenden Jahren, die nur während des Milchwirtschaftsjahres bis einschließlich 31.03.2005 noch wirksam sind - wie vorliegend -, werden vom Wortlaut nicht erfasst. Noch deutlicher ist der Erwägungsgrund (15) zur VO (EG) Nr. 795/2004, der darauf abstellt, dass die Betriebsinhaber "ihre einzelbetriebliche Referenzmenge gemäß Artikel 16 der Verordnung (EG) Nr. 1788/2003 in den zwölf Monaten bis zum 31. März des ersten Anwendungsjahres der Betriebsprämienregelung ganz oder teilweise verpachten".

43

Nach alledem hat der Kläger einen Anspruch auf Erhöhung des betriebsindividuellen Betrages um 947,20 Euro abzüglich 1 % für die nationale Reserve, mithin um 937,73 Euro, auf der Grundlage einer weiteren im am Stichtag 31.03.2005 zur Verfügung stehenden Milchmenge von 40 000 kg. Einen darüber hinausgehenden Anspruch hat er nicht.

44

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.