Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 27.01.2004, Az.: 12 PA 554/03
Ausbildung; Ausbildungsförderung; einzige weitere Ausbildung; Grundanspruch; individuelle Förderungsvoraussetzung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 27.01.2004
- Aktenzeichen
- 12 PA 554/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 50474
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 06.11.2003 - AZ: 3 A 1504/03
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs 1 BAföG
- § 2 Abs 1a BAföG
- § 7 BAföG
- Art 3 Abs 1 GG
Gründe
Die zulässige Beschwerde der Klägerin gegen den Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug versagenden Beschluss des Verwaltungsgerichts ist begründet. Der Klage der im prozesskostenhilferechtlichen Sinne bedürftigen Klägerin, mit der diese begehrt, die Beklagte zu verpflichten, ihr Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) für ein Studium der Fachrichtung Lehramt/ Sonderpädagogik an der Universität Oldenburg ab dem 1. Oktober 2002 in gesetzlicher Höhe zu bewilligen, kommt im Sinne des § 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO hinreichende Aussicht auf Erfolg zu.
Nach Erlangung des Hauptschulabschlusses gestaltete sich die Ausbildung der Klägerin wie folgt:
08/93 – 07/95 – Berufsfachschule Hauswirtschaft, erweiterter Sekundarabschluss I
07/95 – 06/96 – Auslandsaufenthalt
08/96 – 07/97 – Berufsfachschule Sozialassistentin, berufsqualifizierender Abschluss als Sozialassistentin
08/97 – 07/99 – Fachschule Sozialpädagogik, berufsqualifizierender Abschluss als Erzieherin, Fachhochschulreife
ab WS 2002/ 03 – nach zwischenzeitlicher Erwerbstätigkeit als Erzieherin Aufnahme eines Studiums der Fachrichtung Lehramt/ Sonderpädagogik an der Universität Oldenburg.
Zwar ist der Ansatz der Beklagten und des Verwaltungsgerichts (vgl. hierzu den Beschluss vom 30. Juni 2003 – 5 B 1678/03 – in dem Verfahren des vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes), die Ausbildung der Klägerin an der Berufsfachschule Hauswirtschaft und an der Berufsfachschule Sozialassistentin seien als Einheit zu betrachten und erfüllten den Grundanspruch auf Ausbildungsförderung nach § 7 Abs. 1 BAföG, so dass bereits die berufsqualifizierend abgeschlossene Ausbildung an der Fachschule Sozialpädagogik die einzige weitere Ausbildung im Sinne des § 7 Abs. 2 BAföG dargestellt hätte, nach Auffassung des Senats im Grundsatz zutreffend. Insbesondere geht der Einwand der Klägerin, bei der von ihr besuchten Berufsfachschule Hauswirtschaft habe es sich um eine allgemeinbildende Schule gehandelt, fehl. Vielmehr stellt der Besuch einer Berufsfachschule grundsätzlich auch dann eine berufsbildende Ausbildung im Sinne des § 7 Abs.1 BAföG dar, wenn mit ihm – wie hier – der Erwerb des erweiterten Sekundarabschlusses I verbunden ist (vgl. hierzu: Rothe/Blanke, BAföG, Loseblattsammlung, Stand: 1.1.2003, § 7, Rn. 5, 6; Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 3. Aufl. 1991, § 7, Rn. 5).
Jedoch hat das Verwaltungsgericht nach dem derzeitigen Sachstand noch nicht hinreichend gewürdigt, dass die Klägerin nach der von ihrer Mutter, Frau D., abgegebenen eidesstattlichen Versicherung vom 4. Juni 2003 (Bl. 47 der Gerichtsakte des Eilverfahrens zum Aktenzeichen 5 B 1678/03) bis zum Ende des Jahres 1996 und damit auch während des Besuchs der Berufsfachschule Hauswirtschaft noch in dem elterlichen Haushalt gelebt hat. Diese Aussage, deren Hintergrund gegebenenfalls noch weiter aufzuklären wäre, steht soweit ersichtlich nicht in Widerspruch zum Inhalt des durch die Beklagte vorgelegten Verwaltungsvorganges.
Das Verwaltungsgericht hat im Hinblick auf diesen Umstand in den Gründen seines in dem Verfahren des vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes ergangenen Beschlusses vom 30. Juni 2003 (- 5 B 1678/03 -, S. 5 f. BA) Folgendes ausgeführt:
„Darauf, dass Ausbildungsförderung in den Fällen des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG nur dann geleistet wird, wenn die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 a BAföG erfüllt sind, wird es voraussichtlich nicht ankommen. Die erkennende Kammer lässt sich dabei von folgenden Erwägungen leiten: In § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG sind die dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildungen genannt, während die weiteren anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale in § 2 Abs. 1 a BAföG persönliche Voraussetzungen beschreiben. Denn danach wird für den Besuch der in Abs. 1 Nr. 1 BAföG bezeichneten Ausbildungsstätten Ausbildungsförderung nur geleistet, wenn der Auszubildende nicht bei seinen Eltern wohnt und von der Wohnung der Eltern aus eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte nicht erreichbar ist oder einen eigenen Haushalt führt und verheiratet ist oder war bzw. mit mindestens 1 Kind zusammenlebt. Diese Tatbestandsmerkmale betreffen die konkreten Lebensumstände des Auszubildenden und nicht die Ausbildung oder die Ausbildungsstätte. Die Berücksichtigung der konkreten Lebensumstände des Auszubildenden bei der Prüfung der Frage, ob eine Ausbildung bei abstrakter Betrachtung förderungsfähig ist, führte zudem nach Ansicht der erkennenden Kammer zu Ergebnissen, die nicht mit Sinn und Zweck des Ausbildungsförderungsrechts und dem Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar wären. Denn bei demjenigen Auszubildenden, der beispielsweise eine Ausbildungsstätte nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG von der Wohnung seiner Eltern aus erreichen kann, würde diese Ausbildung dann mangels abstrakt förderungsfähiger Ausbildung nicht auf den Grundanspruch nach § 7 Abs. 1 BAföG angerechnet. Demgegenüber müsste sich derjenige, der eine derartige Ausbildungsstätte nicht von der Wohnung seiner Eltern aus erreichen kann, diese Ausbildung auf den Grundanspruch anrechnen lassen. Zwar könnte er, wenn die weiteren Leistungsvoraussetzungen erfüllt sind, in diesem Fall auch Ausbildungsförderung erhalten. Da – wie ausgeführt – im vorliegenden Zusammenhang aber auf die abstrakte Förderungsfähigkeit der Ausbildung, nicht dagegen aber auf die individuellen Förderungsvoraussetzungen für die tatsächliche Leistung abzustellen ist, stellt die erkennende Kammer – jedenfalls für das Eilverfahren – darauf ab, dass sich die abstrakte Förderungsfähigkeit der Ausbildung ausschließlich nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG ohne Berücksichtigung der Regelungen des § 2 Abs. 1 a BAföG bestimmt.“
Ob an dieser Ansicht auch im Hauptsacheverfahren festgehalten werden kann, bedarf einer grundlegenden Prüfung. Vor diesem Hintergrund ist der Klägerin für das Hauptsacheverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Ohne der zunächst durch das Verwaltungsgericht durchzuführenden rechtlichen Prüfung der – soweit ersichtlich – höchstrichterlich noch nicht entschiedenen Frage vorgreifen zu wollen, gibt der Senat Folgendes zu bedenken: Einerseits besteht der Zweck des Bundesausbildungsförderungsgesetzes nicht darin, jedem Auszubildenden für eine von ihm und seiner Familie nicht selbst finanzierbare Ausbildung Förderungsmittel zu gewähren, sondern lediglich darin sicherzustellen, dass jeder Auszubildende eine Ausbildung im Sinne des Gesetzes durchführen kann, indem für eine erste Ausbildung Förderungsmittel zur Verfügung gestellt werden, soweit der Auszubildende die Ausbildung nicht aus eigenen Mitteln finanzieren kann (Ramsauer/Stallbaum, a. a. O., § 7, Rn. 3). Andererseits müssen die in § 2 Abs. 1 a BAföG geregelten Förderungsvoraussetzungen bei einem hier in Rede stehenden Besuch einer Ausbildungsstätte im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG erfüllt sein, sonst liegt eine förderungsfähige Ausbildung nicht vor. Es geht hier also nicht lediglich um persönliche Förderungsvoraussetzungen, sondern um die Förderungsfähigkeit der Ausbildungen an den in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG genannten Schulen überhaupt, sofern diese nicht zugleich unter eine andere Nummer des Absatzes 1 der Vorschrift fallen (Ramsauer/Stallbaum, a.a.O., § 2, Rn. 43). Entsprechend rechnet das Bundesverwaltungsgericht (Urteile vom 27. 5. 1999 – BVerwG 5 C 23/ 98 -, DVBl 2000, 64 ff und vom 24.2.2000 – BVerwG 5 C 16/99 -, DVBl 2000, 1214 ff) § 2 Abs. 1a BaföG zu denjenigen Vorschriften, die bestimmen, ob ein Anspruch auf Ausbildungsförderung dem Grunde nach besteht. Auch hat der 4. Senat des erkennenden Gerichts für das Verhältnis zwischen Bundesausbildungsförderungsgesetz und Bundessozialhilfegesetz in Bezug auf die Vorschrift des § 26 BSHG ausgeführt, dass § 2 Abs. 1 a BAföG eine – durch das Kriterium der nicht notwendigen auswärtigen Unterbringung definierte – ganze Gruppe von Schülern von der Ausbildungsförderung ausschließe; insoweit gehe es nicht um persönliche Förderungsvoraussetzungen, sondern um die Förderungsfähigkeit der Ausbildung an den in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG genannten Schulen (Beschl. v. 12.5.1998 – 4 M 2072/98 -, FEVS 49, 24, 25).
Die Entscheidung über die Beiordnung des Prozessbevollmächtigten folgt aus § 166 VwGO i. V. m. § 121 Abs. 2 ZPO.