Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 16.03.2005, Az.: 5 A 127/03

Auflage; Befristung; Berufsunfähigkeitsrente; Heilbehandlung; Mitwirkungspflicht; Nebenbestimmung; Solidargemeinschaft

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
16.03.2005
Aktenzeichen
5 A 127/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 50652
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG - 11.01.2006 - AZ: 8 LC 56/05

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Ein berufständisches Versorgungswerk kann die Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente unter den Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 VwVfG befristen oder mit Auflagen versehen. Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 VwVfG liegen nicht vor, wenn die Satzung des Versorgungswerks keine Regelung über eine Befristung oder eine Auflage enthält und das Regelungswerk über die Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente in der Satzung in sich geschlossen ist.

2. Die Anordnung von Auflagen, sich einer Heilbehandlung zu unterziehen, kann nicht aus Mitwirkungspflichten der Mitglieder der Solidargemeinschaft hergeleitet werden, wenn in der Satzung des Versorgungswerks solche Mitwirkungspflichten nicht ausdrücklich geregelt sind. Eine solche Mitwirkungspflicht ergibt sich auch nicht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB.

Tatbestand:

1

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung einer unbefristeten Berufsunfähigkeitsrente und wendet sich gegen die Anordnung von Auflagen.

2

Der am 1. August 1952 geborene Kläger war als Rechtsanwalt tätig und seit dem 1. Januar 1984 bei der Beklagten versichert. Aus gesundheitlichen Gründen stellte der Kläger seine Tätigkeit zum 31. Dezember 1998 ein.

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Er stellte einen am 12. Mai 1999 bei der Beklagten eingegangenen Antrag auf Gewährung von Berufsunfähigkeitsrente und fügte dem Antrag einen Bericht des Arztes Prof. (E.) vom 1. April 1999 bei, wonach bei dem Kläger eine depressive Störung und Persönlichkeitsstörung vorläge und nicht absehbar sei, dass eine Besserung eintreten würde.

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Die Beklagte forderte den Kläger mit mehreren Schreiben auf, ein ärztliches Gutachten vorzulegen, das die Berufsunfähigkeit des Klägers attestiere, weil der vorgelegte ärztliche Bericht nicht ausreiche. Der Kläger reagierte auf diese Schreiben nicht.

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Mit Bescheid vom 16. Februar 2000 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente ab, weil er kein entsprechendes ärztliches Gutachten vorgelegt habe.

6

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 20. März 2000 Widerspruch ein und legte zwei Stellungnahmen des Arztes (F.) vom 17. Mai 2000 und vom 17. Januar 2001 vor, wonach der Kläger unter einer depressiven Entwicklung mit narzisstischer Selbstwertstörung leide und bei dem Kläger völlige Unfähigkeit bestehe, den Beruf als Juristen zukünftig weiter ausüben zu können.

7

Die Beklagte holte ein Gutachten der Ärzte (G.) der Klinik (H.) vom März 2002 ein, wonach der Kläger unter einer mittelgradigen depressiven Episode, Alkoholmissbrauch und narzisstischer Persönlichkeitsstörung leide. Die Ärzte prognostizierten, dass eine Besserung der Symptomatik kurzfristig nicht zu erwarten sei. Sie hielten es allerdings für geboten, dass der Kläger sowohl eine stationäre Behandlung seines Alkoholmissbrauchs als auch eine konsequente antidepressive medikamentöse Behandlung neben einer Teilnahme an Selbsthilfegruppen für Alkoholgefährdete, Kontaktaufnahme mit Suchtberatungsstellen und neben Fortführung der bestehenden psychotherapeutischen Behandlung als Möglichkeiten einer Besserung des Beschwerdekomplexes in Anspruch nehme. Bezüglich der Dauer der Erkrankung lasse sich keine konkrete Aussage treffen, es bestehe aber „die begründete Hoffnung auf eine Besserung unter den zuvor erwähnten Kautelen“. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 9. August 2002 führten die Ärzte (G.) aus, dass über die Dauer einer Minderung der „geistigen Kräfte“ derzeit noch kein abschließendes Urteil möglich sei, da - wie aus dem Gutachten zu entnehmen - eine konsequente stationäre psychiatrische Behandlung noch nicht erfolgt sei und auch keine Entgiftungstherapie mit anschließender Entwöhnungstherapie. Erst nach Abschluss dieser Behandlungen sei mit mehr Sicherheit ein Urteil über die Dauer der Minderung der „geistigen Kräfte“ möglich.

8

Mit Bescheid vom 23. September 2002 half die Beklagte dem Widerspruch des Klägers ab und gewährte dem Kläger eine befristete Berufsunfähigkeitsrente vom 1. Januar 1999 bis zum 31. August 2003. Die Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente erfolgte mit der Auflage, dass sich der Kläger nachweislich sowohl einer stationären Behandlung seines Alkoholmissbrauchs als auch einer konsequenten antidepressiven medikamentösen Behandlung neben einer Teilnahme an Selbsthilfegruppen für Alkoholgefährdete, Kontaktaufnahme mit Suchtberatungsstellen und der Fortführung der bestehenden psychotherapeutischen Behandlung als Möglichkeit einer Besserung des Beschwerdekomplexes unterziehen müsse. Die Vorlage des entsprechenden Nachweises müsse vierteljährlich erfolgen. In der Rechtsmittelbelehrung wurde auf die Möglichkeit der Einlegung eines Widerspruchs verwiesen.

9

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 23. Oktober 2002 Widerspruch ein mit der Begründung, dass es keine Rechtsgrundlage für eine Befristung und die Erteilung einer Behandlungsauflage gebe.

10

Mit Schreiben vom 30. Juli 2003 beantragte der Kläger vorsorglich, ihm Berufsunfähigkeitsrente über den 31. August 2003 hinaus zu gewähren.

11

Am 31. August 2003 wurde die Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente eingestellt.

12

Am 12. September 2003 hat der Kläger Klage erhoben. Die Befristung sei rechtswidrig und habe keine Grundlage in der Satzung der Beklagten. In der Satzung befinde sich zudem keine Vorschrift, wonach im Zusammenhang mit einer Berufsunfähigkeitsrente Behandlungsauflagen erteilt werden könnten. Der Kläger hat ein Attest des Arztes (I.) vom 16. Dezember 2003 vorgelegt, wonach die Leistungsfähigkeit, um seiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen, bislang auch durch psychotherapeutische Maßnahmen bei dem Kläger nicht hätten erreicht werden können. Insofern müsse die Prognose bezüglich seiner Berufsfähigkeit als „infaust“ betrachtet werden.

13

Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2004 hat die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurückgewiesen mit der Begründung, dass der Kläger keinen Nachteil durch die zeitliche Befristung habe, da er für die Zeit ab dem 1. September 2003 erneut Berufsunfähigkeitsrente beantragen und erhalten könne. Einen Nachweis, dass er auch nach dem 31. August 2003 berufsunfähig gewesen sei, habe er jedoch nicht erbracht. Die Gutachten der Ärzte (G.) zeigten, dass bei dem Kläger keine dauernde Berufsunfähigkeit vorliege, sondern eine Möglichkeit der Besserung unter gewissen Voraussetzungen bestehe. Der Versichertengemeinschaft sei es nicht unbegrenzt zuzumuten, Leistungen zu erbringen, wenn ärztlich empfohlene Behandlungsmöglichkeiten mit der Chance einer Wiederherstellung der Berufsfähigkeit von vornherein ausgeschlagen würden.

14

Der Kläger beantragt,

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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2004 zu verpflichten, dem Kläger unbefristet Berufsunfähigkeitsrente ab dem 1. Januar 1999 ohne die im Bescheid vom 23. September 2002 verfügten Auflagen zu gewähren.

16

Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie hält die Auflagen und die Befristung für rechtmäßig. Es widerspreche dem Solidaritätsprinzip, dass der Kläger nichts unternehmen wolle, um wieder als Rechtsanwalt arbeiten zu können. Dazu sei er aber verpflichtet.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

20

Die Klage hat Erfolg.

21

Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere fristgerecht erhoben worden. Eines Widerspruchsverfahrens hätte es hinsichtlich des hier im Streit stehenden Abhilfebescheides vom 23. September 2002 nicht bedurft. Gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO bedarf es keines Vorverfahrens, wenn der Abhilfebescheid erstmalig eine Beschwer enthält. So liegt der Fall hier. Zwar war der Kläger bereits mit Bescheid vom 16. Februar 2000 beschwert. Er ist jedoch durch den Abhilfebescheid vom 23. September 2002 dadurch erstmalig beschwert, dass ihm die Berufsunfähigkeitsrente nur befristet und unter Auflagen gewährt worden ist. Mithin war die in dem Abhilfebescheid vom 23. September 2002 enthaltene Rechtsmittelbelehrung fehlerhaft. Ist die Belehrung unrichtig erteilt, ist die Einlegung des Rechtsbehelfs gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung zulässig. Der Kläger hat rechtzeitig gegen den am 9. Oktober 2002 zugestellten Abhilfebescheid am 12. September 2003 Klage erhoben.

22

Soweit die Klage gegen die Befristung der Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente gerichtet ist, handelt es sich um eine Verpflichtungsklage. Die Befristung ist zwar eine Nebenbestimmung (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG). Sie betrifft jedoch den Inhalt des den Kläger begünstigenden Hauptverwaltungsaktes und ist von der Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente nicht abteilbar. Sie kann deshalb nicht isoliert angefochten werden (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 36 Rn. 96). Die Verpflichtungsklage ist auf die zeitlich uneingeschränkte Gewährung von Berufunfähigkeitsrente gerichtet.

23

Die in dem angefochtenen Bescheid enthaltene Auflage, sich Behandlungen wegen psychischer Erkrankung und wegen Alkoholmissbrauchs zu unterziehen, ist demgegenüber isoliert anfechtbar. Sie ist eine Nebenbestimmung gem. § 36 VwVfG, die eine eigenständige Regelung trifft. Insoweit handelt es sich hier um eine Anfechtungsklage, die auf Aufhebung der Auflage gerichtet ist.

24

Die Klage ist auch begründet.

25

Die in dem Abhilfebescheid vom 23. September 2002 enthaltene Befristung der Gewährung von Berufsunfähigkeitsrente ist rechtswidrig; der Kläger hat einen Anspruch auf Gewährung einer unbefristeten Berufsunfähigkeitsrente. Die in dem Abhilfebescheid verfügte Auflage ist ebenfalls rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

26

Die Befristung ist zwar eine Nebenbestimmung i.S. des § 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG. Ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, darf nach § 36 Abs. 1 VwVfG mit einer Nebenbestimmung aber nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

27

Die Befristung der Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente ist nicht durch Rechtsvorschrift zugelassen. In der Satzung der Beklagten ist ausdrücklich keine Befristung für die Fälle der vorliegenden Art vorgesehen. Lediglich § 13 Abs. 2 der Satzung des Niedersächsischen Versorgungswerks der Rechtsanwälte regelt die Möglichkeit einer zeitlichen Beschränkung: Nach § 13 Abs. 2 Satz 1 der Satzung kann der Verwaltungsausschuss zur Vermeidung einer besonderen Härte in begründeten Einzelfällen die Berufsunfähigkeitsrente von abweichenden Voraussetzungen ganz oder teilweise, auch zeitlich beschränkt, zuerkennen. Diese Vorschrift ermöglicht es der Beklagten, in besonderen Härtefällen eine Berufsunfähigkeitsrente zu gewähren, obgleich die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Berufsunfähigkeitsrente nicht vorliegen. Dies trifft den vorliegenden Fall aber nicht. Denn die Beklagte hat dem Kläger mit dem Abhilfebescheid vom 23. September 2002 eine - wenn auch befristete - Berufsunfähigkeitsrente gewährt, weil sie den Kläger für berufsunfähig gehalten hat und die Voraussetzungen für die Gewährung einer Berufunfähigkeitsrente vorgelegen haben. Darüber hinaus entscheidet über eine Befristung gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 der Satzung die Vertreterversammlung des Versorgungswerks auf Vorschlag des Verwaltungsausschusses nach freiem Ermessen (§ 13 Abs. 2 Satz 2 der Satzung). Eine Entscheidung der Vertreterversammlung ist hier jedoch nicht getroffen worden, weil ein Fall des § 13 Abs. 2 der Satzung hier nicht vorliegt.

28

Die Befristung ist auch nicht zur Sicherstellung der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erforderlich (§ 36 Abs. 1 2. Alt. VwVfG). Vielmehr enthält die Satzung in § 13 eine in sich geschlossene Regelung zur Gewährung von Berufsunfähigkeitsrente. Nach § 13 Abs. 1 der Satzung erhält jedes Mitglied, das mindestens für einen Monat seine Versorgungsabgabe geleistet hat und das infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufs unfähig ist und deshalb seine berufliche Tätigkeit einstellt, eine Berufsunfähigkeitsrente, wenn die Berufsunfähigkeit länger als 90 Tage dauert. Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, ist - unbefristet - Berufsunfähigkeitsrente zu gewähren. § 13 der Satzung enthält ferner Regelungen über die Beendigung der Gewährung von Berufsunfähigkeitsrente. Die Beklagte hat nach § 13 Abs. 6 Satz 1 der Satzung die Möglichkeit, Nachuntersuchungen anzuordnen, um zu überprüfen, ob sich die Verhältnisse geändert haben und die Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente zu beenden ist. Die Gewährung von Berufsunfähigkeitsrente endet u.a. mit dem Monat, in dem die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 oder 2 nicht mehr erfüllt sind (§ 13 Abs. 5 a), wenn der Bezugsberechtigte sich einer angeordneten Nachuntersuchung nicht unterzieht (§ 13 Abs. 5 d) oder wenn eine Nachuntersuchung ergeben hat, dass keine Berufsunfähigkeit mehr besteht und das Mitglied eine volljuristische Tätigkeit ausüben kann (§ 13 Abs. 5 e). Dieses Satzungsgefüge zeigt, dass die Möglichkeit einer Befristung nicht notwendig ist. Vielmehr enthält die Satzung ausreichende Regelungen in § 13 Abs. 5 der Satzung, die einer späteren Änderung der Verhältnisse Rechnung tragen.

29

Im übrigen ist die Befristung nicht durch die vorliegenden ärztlichen Gutachten begründet. Zwar haben die Ärzte (G.) in ihren Gutachten vom März 2002 und vom 9. August 2002 ausgeführt, dass Möglichkeiten einer Behandlung des Klägers nicht ausreichend genutzt worden seien. Eine Frist nennen die Gutachter jedoch nicht, sondern sprechen lediglich von der „Möglichkeit einer Besserung des Beschwerdekomplexes“ und der „begründeten Hoffnung auf eine Besserung“. Eine Befristung rechtfertigen diese Gutachten nicht. Die Befristung ist auch unverhältnismäßig im Hinblick darauf, dass ihr Fristende im Bescheid vom 23. September 2002 auf den 31. August 2003 festgesetzt worden ist. Diese Frist von noch nicht einmal einem Jahr nach Erlass des angefochtenen Bescheids ist im Hinblick auf die Erkrankungen des Klägers, die nicht nur auf Alkoholprobleme reduziert sind, sondern mit langer Vorgeschichte vor allem im psychischen Bereich liegen, erheblich zu kurz bemessen.

30

Die Beklagte hat dem Kläger nach alledem unbefristet eine Berufsunfähigkeitsrente zu gewähren. Einer Überprüfung, ob der Kläger gegenwärtig berufsunfähig ist, bedarf es nicht. Ist die Befristung rechtswidrig, hat der Kläger einen Anspruch auf die unbefristete Gewährung von Berufsunfähigkeitsrente. Die Beklagte geht in dem angefochtenen Abhilfebescheid vom 23. September 2002 selbst von der Berufsunfähigkeit des Klägers aus. Der Streit der Beteiligten darüber, wer das Vorliegen der Berufsunfähigkeit zu beweisen hat, ist hier unbeachtlich. Streitgegenstand ist hier nicht der vom Kläger vorsorglich mit Schreiben vom 30. Juli 2003 gestellte neue Antrag auf Gewährung von Berufsunfähigkeitsrente ab dem 1. September 2003.

31

Die in dem Abhilfebescheid vom 23. September 2002 enthaltene Auflage, sich Behandlungen wegen Alkoholmissbrauchs und psychischer Probleme zu unterziehen, ist ebenfalls rechtswidrig. Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 VwVfG liegen auch hier nicht vor.

32

Eine Rechtsgrundlage für die Anordnung einer Auflage (vgl. § 36 Abs. 1, 1.Alt. VwVfG) bei der Gewährung von Berufsunfähigkeitsrente enthält die Satzung der Beklagten nicht. § 13 Abs. 6 der Satzung sieht nur die Möglichkeit der Anordnung von Nachuntersuchungen vor, nachdem eine Berufsunfähigkeitsrente bewilligt worden ist. Eine Berechtigung, die Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente von vornherein mit einer Auflage zu versehen, ergibt sich aus dieser Vorschrift nicht. Auch die Vorschrift des § 15 der Satzung bietet keine Rechtsgrundlage für die in dem Abhilfebescheid angeordnete Auflage. Nach § 15 Abs. 1 der Satzung kann einem Mitglied des Versorgungswerkes, bei dem Berufsunfähigkeit droht oder vorhanden ist, auf Antrag ein Zuschuss zu den Kosten von Rehabilitationsmaßnahmen gewährt werden, wenn seine Berufsunfähigkeit infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte gefährdet, gemindert oder ausgeschlossen ist und sie durch diese Rehabilitationsmaßnahmen voraussichtlich erhalten, wesentlich gebessert oder wieder hergestellt werden kann. Dieser Vorschrift ist zu entnehmen, dass ein Mitglied der Beklagten Rehabilitationsmaßnahmen aufnehmen kann. Ein Recht der Beklagten, Rehabilitationsmaßnahmen anzuordnen, ergibt sich jedoch aus dieser Vorschrift nicht. Im übrigen handelt es sich im vorliegenden Fall bei den in dem Bescheid enthaltenen Auflagen nicht um Rehabilitationsmaßnahmen. Rehabilitationsmaßnahmen dienen dazu, die Voraussetzungen für eine Wiederherstellung bzw. Sicherung der Erwerbsfähigkeit für die Klienten im erwerbsfähigen Alter zu schaffen. Die in der angefochtenen Auflage enthaltenen Anordnungen können zwar grundsätzlich Rehabilitationsmaßnahmen sein. Im vorliegenden Fall ist aber davon auszugehen, dass sich der Kläger - sein Alkoholproblem betreffend - noch nicht in der Rehabilitationsphase befindet, sondern zunächst die Entgiftungs- und Entwöhnungsphase durchführen müsste. Auch hinsichtlich der psychischen Probleme ist nicht ersichtlich, dass sich der Kläger bereits in einer Phase befinden würde, in der er lediglich noch für das Erwerbsleben stabilisiert werden müsste. Vielmehr ergibt sich aus dem vom Kläger vorgelegten ärztlichen Attest vom 16. Dezember 2003, dass der Kläger zwar bereits nervenärztlich psychopharmakologisch betreut wird, eine Leistungsfähigkeit, um seiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen, bislang jedoch nicht erreicht werden könne. Die angefochtene Auflage hat demnach nicht ihre Rechtsgrundlage in § 15 Abs. 1 der Satzung.

33

Die Anordnung der Auflage ist auch nicht zur Sicherstellung der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erforderlich (vgl. § 36 Abs. 1, 2. Alternative VwVfG; a.A. in einem ähnlichen Fall betreffend die Ärzteversorgung VG Oldenburg (Urteil v. 12.2.2004 - 7 A 3115/02 -). Gesetzliche Voraussetzung für die Bewilligung von Berufsunfähigkeitsrente ist das Vorliegen einer Berufsunfähigkeit im Sinne der Definition des § 13 Abs. 1 der Satzung. Aus der Satzung ergibt sich nicht, dass derjenige, der zumutbare Heilbehandlungen unterlässt, sich nicht mehr auf das Vorliegen von Berufsunfähigkeit berufen kann. Eine solche Mitwirkungspflicht lässt sich insbesondere nicht aus § 35 Abs. 1 der Satzung herleiten. Nach § 35 Abs. 1 der Satzung hat derjenige, der sich absichtlich berufsunfähig macht, keinen Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente. Diese Regelung ist auf die Fälle des Verschuldens durch absichtliches Handeln beschränkt. Sie erfasst dagegen nicht die Fälle, in denen ein Mitglied - wie hier - aufgrund psychischer Erkrankung berufsunfähig geworden ist. Schließlich hat die Beklagte diese Vorschrift selbst nicht auf den Kläger angewandt, denn in dem angefochtenen Bescheid hat sie - wenn auch nur befristet - dem Kläger eine Berufsunfähigkeitsrente gewährt. Die Beklagte kann sich insoweit auch nicht auf Mitwirkungspflichten nach §§ 60 ff SGB I berufen. Denn die Beklagte ist kein Leistungsträger im Sinne des SGB I, die von ihr gewährten Leistungen sind keine sozialen Leistungen im Sinne des SGB I. Eine analoge Anwendung der §§ 60 SGB I kommen nicht in Betracht, da keine planwidrige Regelungslücke vorliegt. Den Ausführungen des VG Oldenburg, dass sich die Mitwirkungspflichten der Mitglieder aus dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergeben würden, folgt die erkennende Kammer nicht. Zwar werden die Leistungen der Beklagten von der Solidargemeinschaft aller berufsfähigen Mitglieder erbracht, deren Beiträge sich in der Höhe im Wesentlichen nach den Ausgaben der Beklagten richten. Ein allgemeiner Grundsatz, dass das von der Berufsunfähigkeit betroffene Mitglied gehalten ist, den finanziellen Schaden der Solidargemeinschaft möglichst gering zu halten, lässt sich jedoch aus der Satzung der Beklagten nicht herleiten. Gegen die Annahme von Mitwirkungspflichten aus dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben spricht schließlich auch, dass Regelungen über die rechtlichen Konsequenzen aus diesen Mitwirkungspflichten fehlen und nicht aus § 242 BGB hergeleitet werden könnten. Welche Sanktionen der Beklagten zur Verfügung stünden, wenn das Mitglied die Auflagen zur Heilbehandlung nicht erfüllt oder die Heilbehandlungen nicht zum erwünschten Erfolg führen, insbesondere ob die Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente in diesen Fällen enden, fortgeführt oder gekürzt werden soll, bliebe ungeregelt. Vielmehr spricht der Umstand, dass die Beklagte eine entsprechende Regelung in der Satzung gerade nicht aufgenommen hat, dafür, dass das Festschreiben von Mitwirkungspflichten der Mitglieder in Bezug auf die Berufsunfähigkeit bislang bewusst und gewollt unterlassen worden ist.

34

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

35

Die Berufung ist gem. §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, weil die Frage, ob ein berufständisches Versorgungswerk die Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente befristen und mit einer Auflage versehen darf, sich Heilbehandlungen zu unterziehen, obgleich die Satzung des Versorgungswerks eine entsprechende Regelung nicht enthält, in Anbetracht der gängigen Praxis der Versorgungswerke grundsätzliche Bedeutung hat und in der Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt wird (vgl. VG Oldenburg, Urt. v. 12.2.2004 - 7 A 3115/02 -).