Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 28.01.2000, Az.: 203-VgK-14/99
Vergabenachprüfverfahren über die Durchführung des Schülerfreistellungsverkehrs; Richtlinienkonforme Auslegung des § 100 Abs. 1 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB); Antragsbefugnis im Rahmen eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens; Grundlagen für die Annahme einer Beschränkung des Wettbewerbs durch eine kartellähnliche Vereinigung von Bietern; Begriff der überlegenen Marktmacht; Bildung einer Bietergemeinschaft bei parallel abgegebenen Einzelgebote der Mitglieder der Bietergemeinschaft; Begriff des angemessenen Preises
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 28.01.2000
- Aktenzeichen
- 203-VgK-14/99
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 30760
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 1a Nr. 1 Abs. 1 VOL/A
- § 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. c VOL/A
- § 107 Abs. 2 GWB
- § 20 GWB
- § 100 Abs. 1 GWB
Verfahrensgegenstand
Durchführung des Schülerfreistellungsverkehrs im Landkreis
In dem Nachprüfungsverfahren
hat die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg
durch
den Vorsitzenden ORR Gause,
den hauptamtlichen Beisitzer Dipl.-Ing. Tyrra und
den ehrenamtlichen Beisitzer Dr. Pade
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag der Antragsteller wird zurückgewiesen.
Der Antrag der Beigeladenen zu 1, festzustellen, dass die bis zur Entscheidung der Vergabekammer befristete freihändige Vergabe der Schülerverkehre rechtswidrig war, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller
Die Kosten werden auf 5000,-- DM festgesetzt
Gründe
I.
Die Antragsteller betreiben gewerbliche Busverkehre nach dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG) sowie Schülertransporte als Freistellungsverkehre nach der Freistellungsverordnung zum PBefG. Der Landkreis xxxxx (Beigeladener zu 2.) hat am 11.02.1997 die Auftraggeberin mit der Durchführung der gesamten Schülerfreistellungsverkehre in ihrem Kreisgebiet beauftragt. Bei der Auftraggeberin, die vormals als Eigenbetrieb des Beigeladenen zu 2.) organisiert war, handelt es sich um eine 100 %-ige Gesellschaft des Beigeladenen zu 2.). Die Auftraggeberin hat mit Ausschreibungstext vom 14.10.1999 ca. 20 % des Auftragvolumens im Schülerfreistellungsverkehr im mittleren und nördlichen xxxx europaweit im Offenen Verfahren für den Zeitraum 01.01.2000 bis 31.07.2000 ausgeschrieben. Das Auftragsvolumen umfasste nach der Leistungsbeschreibung den Einsatz von 22 Bussen, wobei ausdrücklich Einzelangebote wie auch Gesamtangebote zugelassen wurden. Die Antragsteller gaben jeweils Angebote auf diese Ausschreibung ab. Die Beigeladene zu 1.), eine Bietergemeinschaft von mehreren Busunternehmen, die ebenfalls gewerbliche Busverkehre nach dem PBefG und Schülertransporte nach der Freistellungsverordnung zum PBefG betreiben und die bis zum 31.12.1999 die streitbefangenen Schülertransporte durchgeführt haben, gaben als Bietergemeinschaft ein Gesamtangebot ab. Darüber hinaus beteiligten sich einige Firmen dieser Bietergemeinschaft parallel noch mit eigenen Angeboten an dieser Ausschreibung, wobei die Firma xxxxxx , deren Inhaber zugleich Geschäftsführer des zur Bietergemeinschaft gehörenden Busunternehmens xxxxx ist, sich mit einem eigenen Gesamtangebot an der Ausschreibung beteiligte. Mit Schreiben vom 21.12.1999 teilte die Auftraggeberin den Antragstellern mit, dass ihre Angebote bei der Auftragsvergabe keine Berücksichtigung finden könnten, weil die von ihnen abgegebenen Angebote über den wirtschaftlichsten Angeboten lägen. Das Schreiben enthält nachfolgende Liste, aus der sich das jeweils niedrigste und das jeweils höchste Angebot für jedes einzusetzende Fahrzeug ergibt:
Fz | Niedrigstes Angebot (DM) | Höchstes Angebot (DM) | Fz | Niedrigstes Angebot (DM) | Höchstes Angebot (DM) |
---|---|---|---|---|---|
1 | 160,55 | 595,00 | 12 | 160,55 | 689,00 |
2 | 160,55 | 595,00 | 13 | 113,05 | 557,68 |
3 | 236,55 | 662,29 | 14 | 151,05 | 613,88 |
4 | 141,55 | 527,27 | 15 | 56,05 | 386,25 |
5 | 161,50 | 497,49 | 16 | 56,05 | 356,38 |
6 | 141,55 | 482,04 | 17 | 56,05 | 420,24 |
7 | 56,05 | 300,76 | 18 | 89,30 | 547,96 |
8 | 56,05 | 300,76 | 19 | 56,05 | 417,15 |
9 | 111,15 | 546,66 | 20 | 23,75 | 175,10 |
10 | 33,25 | 307,97 | 21 | 141,55 | 550,00 |
11 | 141,55 | 527,36 | 22 | 141,55 | 528,39 |
Das Schreiben enthielt ferner die Mitteilung, dass beabsichtigt sei, innerhalb von 10 Tagen die endgültige Vergabe der Leistungen vorzunehmen, sofern die Auftragsvergabe nicht durch ein Vergabeverfahren bei der Vergabekammer innerhalb dieser Frist gestoppt werde. Das niedrigste Angebot - und zwar für alle einzusetzenden Busse - ist das Gesamtangebot der beigeladenen Bietergemeinschaft.
Die Antragsteller haben mit Telefax vom 28.12.1999 die Vergabekammer angerufen. Sie sehen in dem Zusammenschluss der Beigeladenen zu 1.) eine unzulässige Kartellbildung und in ihrem Gesamtangebot einen Dumpingpreis, der bewusst weit unterhalb den Selbstkosten angesiedelt wurde, um langfristig eine marktbeherrschende Stellung zu erhalten. So seien bei der Kalkulation nicht die tatsächlich anfallenden Kilometer erfasst worden. Die Einsatzstunden seien zu niedrig berechnet worden und verschiedene Kostenpositionen, wie Abschreibung der Busse, Versicherung und Wagenpflege, seien gar nicht berücksichtigt worden. Ferner vermuten die Antragsteller eine unerlaubte Preisabsprache, was sich daraus ergebe, dass außer dem Gesamtangebot für jede Fahrt auch ein Angebot eines der Mitglieder der Beigeladenen zu 1.) abgegeben wurde.
Die Antragsteller begehren die Nachprüfung des Vergabeverfahrens und beantragen,
das Vergabeverfahren zunächst zu stoppen.
Die Auftragegeberin hat keinen Gegenantrag gestellt. Sie hat jedoch erwidert, dass einziges Kriterium für die Zuschlagerteilung die Wirtschaftlichkeit gewesen sei. Bei der Auswertung der Angebote sei aufgefallen, dass zwei Gruppen von Angebotspreisen existierten. Die Angebotspreise der einen Gruppe, zu der die Beigeladene gehöre, lägen je Fahrleistung bis zu rd. 50 % unter der bisher gezahlten Vergütung. Die andere Gruppe habe deutlich höhere Angebote abgegeben. Man habe daher untersucht, ob das ungewöhnlich niedrige Angebot der Beigeladenen zu 1.) gewertet werden dürfe. Man habe die Kalkulationsunterlagen angefordert und habe festgestellt, dass diese zum Teil missverständlich aufgebaut seien und nicht mit den üblichen Kalkulationssätzen kalkuliert wurde. So sei z.B. gegengerechnet worden, dass im Falle einer Nichterteilung des Zuschlages öffentliche Fördermittel, die nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz gezahlt worden sind, zurückgezahlt werden müssten. Die Prüfung habe schließlich trotz anfänglicher Zweifel ergeben, dass kein zwingender Grund bestand, das Angebot der beigeladenen Bietergemeinschaft vom Wettbewerb auszuschließen. Bedenken bestünden jedoch angesichts der Tatsache, dass einzelne Angebote der Firmen der beigeladenen Bietergemeinschaft immer um exakt den selben Prozentsatz über dem Angebot der Bietergemeinschaft lägen.
Die Auftraggeberin hat, um auch während des durch das anhängige Nachprüfungsverfahren bewirkten Suspensivzustandes, ab 10.01.2000 (Schulbeginn) die Schülerbeförderung sicherzustellen, die Fahrten befristet freihändig an verschiedene Busunternehmen vergeben. Sie beabsichtigt, dies befristet bis zur Entscheidung der Vergabekammer in den anhängigen Nachprüfungsverfahren VgK-14/1999 und VgK 1/2000 auch weiter fortzusetzen. Die Auftraggeberin hatte mit Schreiben vom 30.12.1999 die beigeladene Bietergemeinschaft aufgefordert zu erklären, ob sie bereit sei, zu ihren im Rahmen der Ausschreibung angebotenen Konditionen die Verkehrsleistungen vorübergehend bis zum Abschluss des Vergabeverfahrens zu erbringen. Die beigeladene Bietergemeinschaft machte daraufhin mit Schreiben vom 03.01.2000 die Zusage, dass sie auf jeden Fall bereit sei, die Verkehre bis zur Entscheidung durch die Vergabekammer weiterhin durchzuführen. Weiter gehende Aussagen könne sie bis zum 04.01.2000, 16.00 Uhr, zusichern. Mit Schreiben vom 04.01.2000 lehnte sie unter Berufung auf den Suspensiveffekt des anhängigen Nachprüfungsverfahrens die vorübergehende Durchführung der Transporte zu den in der Ausschreibung gemachten Konditionen ab, erklärte sich aber ausdrücklich bereit, den Schülerverkehr zu den alten Bedingungen weiterzufahren. In der mündlichen Verhandlung vom 21.01.2000 hat sie diese Erklärung noch einmal ausdrücklich wiederholt.
Die Beigeladene tritt dem Vorwurf der wettbewerbswidrigen Kartellbildung, der unzulässigen Preisabsprache und dem Dumpingvorwurf entgegen. Da Gesamtangebote laut Ausschreibung ausdrücklich erwünscht waren, sei denknotwendig auch ein Gesamtangebot einer Bietergemeinschaft zulässig. Außerdem sei sie (die Bietergemeinschaft) eine kartellrechtlich als Tarifgemeinschaft angemeldete und zulässige Kooperation von Busunternehmen. Es liege auch keine marktbeherrschende Stellung vor, da lediglich 8 von 80 am Schülerfreistellungsverkehr des Landkreises xxxxx beteiligten Unternehmen zum 31.12.1999 gekündigt worden sei und nur diese Fahrleistungen eben nun ausgeschrieben seien. Gerade aus dieser besonderen Situation heraus ergebe sich für die beigeladene Bietergemeinschaft eine spezifische Kalkulationssituation, in der sie - gezwungen durch die Kündigung der Auftraggeberin - versuchen müsse, bis zur Ausschreibung aller Schülerfreistellungsverkehre zum Jahresende 2000 zu "überleben". Darüber hinaus sei sie auf dem Wege zu einer Verkehrsgemeinschaft, die eine Gleichheit und Weitergabe aller betriebswirtschaftlichen Kriterien anstrebe und den damit verbundenen Wettbewerbsvorteil einbringen könne. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Fahrten im Schülerfreistellungsverkehr überwiegend mit alten, abgeschriebenen Bussen durchgeführt werden. Ein dabei verwendeter Bus vom Typ "305", z.B. Baujahr 1983, sei auf dem Markt für nur 20 000,00 DM erhältlich. Aus ihren Angebots- und Kalkulationsunterlagen ergebe sich für die einzelnen Fahrten letztlich ein verbleibender positiver Deckungsbeitrag/Gewinn von 1,50 DM.
Die beigeladene Bietergemeinschaft wendet sich gegen die anderweitige, vorübergehende freihändige Vergabe der ausgeschriebenen Fahrten durch die Auftraggeberin. Sie ist der Auffassung, dass nur eine Vergabe an die Mitglieder der Bietergemeinschaft als bisherige Auftragnehmer und nur zu den bisherigen - bis 31.12.1999 geltenden - Bedingungen vergaberechtskonform sei. Die Beigeladene zu 1.) beantragt daher,
- die Nachprüfungsanträge zurückzuweisen
- festzustellen, dass die vorläufige Vergabe der Schülerverkehre rechtswidrig war.
Die Auftraggeberin beantragt,
das Verfahren hinsichtlich des Feststellungsantrages von dem hier anhängigen Nachprüfungsverfahren abzutrennen und gesondert zu verhandeln.
Der Antrag betreffe nicht den selben Gegenstand wie das anhängige Nachprüfungsverfahren. Sie - die Auftraggeberin - habe in Erfüllung des ihr vom Landkreis xxxxx übertragenen gesetzlichen Auftrages die Schülerbeförderung auch während des Suspensivzustandes sicherstellen müssen.
Die Vergabekammer hat in entsprechender Anwendung des § 109 GWB den Landkreis xxxx beigeladen, weil seine Interessen durch die Entscheidung schwer wiegend berührt werden. Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 21.01.2000 verwiesen.
II.
Der Antrag der Antragsteller auf Durchführung des Nachprüfungsverfahrens gem. § 107 ff. GWB ist zulässig. Der Wert des streitbefangenen Auftrages überschreitet den für die Anrufung der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Zwar hat der Gesetzgeber von der Ermächtigung in § 127 Nr. 1 GWB zum Erlass einer Rechtsverordnung zur Umsetzung der Schwellenwerte für eine EU-weite Ausschreibung keinen Gebrauch gemacht. § 100 Abs. 1 GWB ist aber richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass die Schwellenwerte unmittelbar durch die EG-Richtlinien bestimmt sind. Die Vergabekammer hält an ihrer in den Entscheidungen zu den Nachprüfungsverfahren 203-VgK-10/1999 und 203-VgK-12/1999 begründeten Auffassung fest, dass es sich bei der xxxx nicht um eine Sektorenauftraggeberin nach Abschn. 3 oder 4 VOL/A handelt, sondern dass für sie der Schwellenwert von 200 000,-- ECU gem. § 1 a Nr. 1 Abs. 1 VOL/A für eine europaweite Ausschreibung maßgeblich ist. Dieser Schwellenwert wird durch das ausgeschriebene Auftragsvolumen schon unter Zugrundelegung des streitbefangenen niedrigsten Angebots der beigeladenen Bietergemeinschaft ohne weiteres überschritten. Die Beigeladene hat den Tagessatz für die Fahrzeuge 1 - 20 lt. Aufstellung der Auftraggeberin mit 2 162,20 DM angeboten. Bei einer monatlichen Einsatzzeit von 20 Tagen ergibt das einen Wert von 43 244,-- DM/Monat. Der Vertrag läuft über 19 Monate. Hieraus ergibt sich ein Auftragswert in Höhe von 821 636,-- DM (netto). Dieser Betrag liegt über dem maßgeblichen Schwellenwert in Höhe von 200 000,-- ECU = 384 253,-- DM (netto).
Die Antragsteller sind auch antragsbefugt im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB, da sie als Bieter ein Interesse am Auftrag haben und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend machen (§ 97 Abs. 7 GWB), indem sie behaupten, das Angebot der Beigeladenen zu 1. sei durch eine wettbewerbswidrige Preisabsprache zu Stande gekommen und stelle sich als bewusstes Dumpingangebot dar. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB ist weiterhin, dass die antragstellenden Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegen. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, 1. Auflage, § 107, Rd.-Nr. 52). Die Antragsteller haben ein entsprechendes Rechtschutzbedürfnis dargelegt, da sie im Falle einer Nichtwertung des von Ihnen angefochtenen Angebotes der beigeladenen Bietergemeinschaft zumindest eine Aussicht auf Berücksichtigung ihrer eigenen Angebote gehabt hätten. Es ist nicht erforderlich, dass die Antragsteller auch schlüssig darlegen, dass sie bei vergabekonformen Verhalten des Auftraggebers den Zuschlag tatsächlich erhalten hätten (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.04.1999, Az.: Verg. 1/99, Seite 24).
Die Antragsteller sind auch ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer den gerügten Verstoß gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren gegenüber der Auftraggeberin unverzüglich zu rügen. Die Antragsteller haben mit Schreiben der Auftraggeberin vom 21.12.1999 Kenntnis über das von Ihnen nunmehr angefochtene niedrige Angebot der Beigeladenen zu 1. erfahren. Die Antragsteller haben daraufhin mit Schreiben vom 22.12.1999 die Berücksichtigung des Angebotes der Bietergemeinschaft zu 1. gegenüber der Auftraggeberin gerügt.
III.
Der Nachprüfungsantrag der Antragsteller ist jedoch unbegründet:
1.) Kartellbildung
Die Antragstellerin vermutet bei der Beigeladenen zu 1. eine unerlaubte Kartellbildung, die den Wettbewerb im Landkreis langfristig gefährdet. Es wird weiter vorgetragen, dass die Beigeladene zu 1. einen Marktanteil von mehr als 50 v.H. in diesem Gebiet hat.
Die Kammer sieht aus kartell- und vergaberechtlicher Sicht keine stichhaltigen Gründe für eine Nichtberücksichtigung der beigeladenen Bietergemeinschaft. Eine Beschränkung des Wettbewerbs wäre ggf. nur dann gegeben, wenn der Wettbewerb regional beschränkt gewesen wäre. Hier fand jedoch ein europaweiter Wettbewerb statt, bei dem die o.a. Marktanteile vernachlässigbar klein sind, um den Wettbewerb zu stören. Eine überlegene Marktmacht im Sinne von § 20 GWB dürfte somit nicht gegeben sein. Bietergemeinschaften sind nur dann zulässig, wenn die Einzelbieter nicht in der Lage sind die Leistungen allein und wirtschaftlich zu erbringen. Nur dann sind Bietergemeinschaften auch unter Gesichtspunkten der Mittelstandsförderung zulässig.
Gemäß § 7 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A sind Arbeitsgemeinschaften und andere gemeinschaftliche Bewerber Einzelbewerbern gleichzusetzen. Arbeitsgemeinschaften sind Zusammenschlüsse von Unternehmen auf vertraglicher Grundlage mit dem Ziel, Aufträge gemeinsam auszuführen. Unter der Bezeichnung "gemeinschaftliche Bewerber" sind Unternehmen zu verstehen, die beabsichtigen, ein gemeinschaftliches Angebot abzugeben, eine Arbeitsgemeinschaft aber erst gründen wollen, wenn sie den Auftrag erhalten haben. Gemäß § 21 Nr. 4 VOL/A haben Arbeitsgemeinschaften und andere gemeinschaftliche Bieter in den Angeboten jeweils die Mitglieder zu benennen sowie eines ihrer Mitglieder als bevollmächtigten Vertreter für den Abschluss und die Durchführung des Vertrages zu bezeichnen. Fehlt eine dieser Bezeichnungen im Angebot, so ist sie vor der Zuschlagserteilung beizubringen. Zusammenschlüsse von Bewerbern zu Arbeitsgemeinschaften sind kartellrechtlich zulässig, wenn durch die damit verbundene Beschränkung des Wettbewerbs die Marktverhältnisse nicht spürbar beeinflusst werden. Davon kann ausgegangen werden, wenn sich Bewerber aus verschiedenen Wirtschaftszweigen zur Ausführung eines Großauftrags zusammenschließen. Eine Arbeitsgemeinschaft von Unternehmen auch desselben Wirtschaftszweiges ist zulässig, wenn die einzelnen beteiligten Unternehmen nicht über die erforderliche Kapazität verfügen, um den Auftrag auszuführen, oder wenn sie über die erforderliche Kapazität verfügen, eine selbstständige Ausführung der Leistung für das einzelne Unternehmen aber wirtschaftlich nicht zweckmäßig und kaufmännisch nicht vernünftig wäre.
Von den Antragstellern wurde weiterhin vorgetragen, dass bei einer evtl. Berücksichtigung der Bietergemeinschaft die Einzelangebote der Mitglieder dieser Bietergemeinschaft dann nicht neben dem Gesamtangebot berücksichtigt werden dürften.
Parallele Einzelangebote widersprechen diesem Grundsatz und verbieten die Bildung einer Bietergemeinschaft (Bechthold, 2. Aufl., Rdn. 67 zu § 1 GWB). Dies wäre aus kartellrechtlicher Sicht richtig, wenn es sich nur um einen Auftragsgegenstand handelt, der nicht in Lose aufgeteilt ist. Auch die Tatsache, dass im vorliegenden Fall ein Mitglied der Bietergemeinschaft zu 1. auch allein in der Lage wäre, die Gesamtleistung zu erbringen, stünde nur dann nicht im Einklang mit dem Wettbewerbsrecht, wenn dieser Bieter nicht zu der Gruppe der kleinen und mittleren Unternehmen gehörte, d.h. zum Mittelstand. In diesem Fall stünden Einzelangebote im Widerspruch zum Gesamtangebot, da dann dokumentiert würde, dass die erforderliche Kapazität auch bei den Einzelunternehmen vorhanden ist. Dies trifft jedoch im vorliegenden Fall nicht zu, da der Auftraggeber den Wettbewerb für kleine und mittlere Unternehmen als auch für große Unternehmen durch die gleichzeitige Zulassung von Einzel- und Gesamtangeboten eröffnet hat. Die Vorgehensweise der Auftraggeberin steht im Einklang mit der u.a auch vergaberechtlich sanktionierten Mittelstandsförderung(vgl. § 97 Abs. 3 GWB). Im vorliegenden Vergabeverfahren stehen somit in einem europaweiten Wettbewerb große Unternehmen mit Gesamtangeboten im Wettbewerb mit kleinen und mittleren Unternehmen mit Einzelangeboten. Es wäre unbillig, den einzelnen Mitgliedern der Bietergemeinschaft zu 1. die Teilnahme am Wettbewerb als Einzelbieter in diesem Ausschreibungsverfahren zu versagen und ihnen somit Markchancen zu nehmen.
2.) Preisabsprachen
Die Antragstellerin hält eine unzulässige Preisabsprache für gegeben, da durch die Zulassung von Einzelangeboten der Mitglieder der Bietergemeinschaft zu 1. neben den Angeboten dieser Bietergemeinschaft kalkulatorische Querverbindungen bestehen.
Die Kammer hält eine Preisabsprache, die den Straftatbestand des § 298 StGB erfüllt und somit eine Strafverfolgung auslösen müsste, für nicht gegeben. Die Kammer sieht somit im vorliegenden Fall auch keine stichhaltigen Gründe für eine Nichtzulassung paralleler Angebote wegen evtl. Preisabsprachen.
Gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 c) VOL/A werden Angebote von Bietern, die in Bezug auf die Vergabe eine unzulässige, wettbewerbsbeschränkende Abrede getroffen haben, von der Wertung ausgeschlossen. Da die Auftraggeberin im vorliegenden Fall Gesamt- und Teilangebote ausdrücklich zugelassen hat, wurden solche Querverbindungen durch sie selbst initiiert. Gegen diese Abfrage ist aus vergaberechtlicher Sicht grundsätzlich nichts einzuwenden. Derartige Abfragen sind z.B. bei der Ausschreibung von Bauleistungen die Regel. Was dort gilt muss grundsätzlich auch im VOL-Vergabeverfahren gelten. Grundsätzlich liegt eine Preisabsprache vor. Die vermutlichen Preisabsprachen waren jedoch keine Geheimabsprachen, sondern vom Auftraggeber bewusst in Kauf genommen. Insofern sind sie nicht unzulässig im o.a. Sinne der VOL.
Eine Wettbewerbsbeschränkung in diesem Zusammenhang liegt nicht vor, da im vorliegenden Fall ein EU-weites Vergabeverfahren durchgeführt worden ist und in diesem Rahmen eine Störung des Wettbewerbs durch derartige Absprachen nicht anzunehmen ist. Auch in diesem Zusammenhang wäre es unbillig, den einzelnen Mitgliedern der Bietergemeinschaft die Teilnahme am Wettbewerb als Einzelbieter wegen der Gefahr evtl. Preisabsprachen in solchen Ausschreibungsverfahren zu versagen und ihnen somit Marktchancen zu nehmen.
3.) Preis
Die Antragstellerin beanstandet, dass die Preise des für den Zuschlag vorgesehenen Angebots der Beigeladenen zu 1. unangemessen niedrig sein. Diesem Vorwurf tritt die Beigeladene entgegen und behauptet, dass ihre Preise auskömmlich sind. Substantiiert wurde zur Preisgestaltung weder von der Antragstellerin noch von der Beigeladenen in den Schriftsätzen bzw. der mündlichen Anhörung vorgetragen. Die Antragstellerin verwendet in diesem Zusammenhang den Begriff "Dumpingpreis", obwohl dieser Begriff nur im grenzüberschreitenden Warenverkehr gebräuchlich ist. Regelungen sind unter § 20 Abs. 4 GWB getroffen. Gelegentliches Anbieten unter Einstandspreis ist hiernach zulässig bei sachlichen Gründen (s.a. Bechthold, Rdn. 62 zu § 20 GWB).
In der Gesamtschau der Preisdiskussion kommt die Kammer zu dem Schluss, dass die angebotenen Preise der Beigeladenen zwar äußerst knapp kalkuliert, aber dennoch unter Berücksichtigung der Besonderheiten dieser Branche noch auskömmlich sind. Hier spielt insbesondere die Tatsache eine wesentliche Rolle, dass der Schülerverkehr mit i.d.R. alten, kalkulatorisch abgeschriebenen Bussen durchgeführt wird.
Bei den Angebotspreisen der o.a. Ausschreibung gibt es erhebliche Unterschiede. Dies wird anhand des von der Auftraggeberin erstellten Preisspiegels transparent. Die Kammer selbst hat diesen Preisspiegel zwecks besserer Übersicht so modifiziert, dass die Einsatzpreise pro Linie und Tag ohne Extremwerte nach oben und unten verglichen werden können. Hiernach wird die Tendenz sichtbar, dass die Preise der Beigeladenen von diesen Mittelwerten um 50% nach unten abweichen. Da die Streuung der Wettbewerbspreise sehr groß ist, und ein reiner Vergleich dieser Preise zu keinem vernünftigen Ergebnis führen würde, hat die Kammer hilfsweise durch Plausibilitätskalkulationen einen eigenen Richtpreis ermittelt, um keine willkürlichen Vergleiche ziehen zu müssen. Die Beiziehung eines Gutachters wäre wegen der 5-Wochen-Frist gemäß § 113 GWB zeitlich nicht realisierbar. Zur einer branchengerechten Ermittlung wurden in der mündlichen Anhörung kalkulatorische Eckdaten von den beteiligten Busunternehmern abgefragt, so z.B. Nutzungsdauer, Beschäftigungsgrad, Anschaffungskosten für die Busse, Sozialkosten, Löhne, Verbrauchskosten und Gemeinkostenzuschläge. Hierzu wurden unterschiedliche Angaben gemacht, die sich aber im Wesentlichen decken. Zu den Verbrauchskosten wurde übereinstimmend vorgetragen, dass die Busse selten unter Volllast fahren und die Betriebskosten somit entsprechend reduziert in die Kalkulation einfließen. Für den Sozialkostenzuschlag wurden 50% genannt. Die monatlichen Einsatzstunden betragen 200 in dieser Branche. Die Gemeinkostenzuschläge liegen in der Branche lt. einstimmigem Votum der beteiligten Busunternehmen bei ca. 5 v.H. Dieser Wert ist sehr niedrig. Bei diesem Ansatz muss davon ausgegangen werden, dass hier Subventionen kalkulatorisch zwecks Kostensenkung berücksichtigt werden. Sofern eine Quersubventionierung durch den Subventionsgeber nicht ausdrücklich untersagt ist, ist es aus Gründen des Bestehens am Markt für ein privates Wirtschaftsunternehmen folgerichtig, diese Zuschüsse auch kostendämpfend einzubringen. Solche Beihilfen sind nicht Selbstzweck und deshalb nicht isoliert zu handhaben. Für Wagnis und Gewinn werden ca. 4% angesetzt.
Die Besonderheit in dieser Branche ist, dass für den Schülerfreistellungsverkehr keine neuen Fahrzeuge eingesetzt werden. Es wurde sowohl von der Antragstellerin als auch von der Beigeladenen zu 1. übereinstimmend vorgetragen, dass hier ausschließlich gebrauchte alte Busse eingesetzt werden, wobei die Anschaffungskosten zwischen 20.000 DM und 100000 DM schwanken. Hierdurch wird der kalkulatorische Wert für Abschreibung und Verzinsung erheblich reduziert mit der Folge, dass der Angebotspreis entsprechend sinkt. Die Beigeladene zu 1. wies darauf hin, dass durch den Zusammenschluss zu einer Bietergemeinschaft günstigere Einkaufsmöglichkeiten bestehen. Diese Vorteile schlagen sich auch im Ansatz für den Gemeinkostenzuschlag nieder. Die angegebene Werte wurden von der Kammer interpretiert und in realistischen Größen den Preisermittlungen der Kammer zu Grunde gelegt. Hierbei wurde der Tariflohn des Berufskraftfahrers der Lohngruppe 1 a) des Lohntarifvertrages des privaten Verkehrsgewerbes zu Grunde gelegt.
Der von der Kammer ermittelte Richtpreis deckt sich nahezu mit der Kalkulation der Beigeladenen zu 1. Die tatsächlich von der Beigeladenen zu 1. angebotenen Preise liegen ca. 25% unter dem Richtpreis der Kammer. Für die Gegenüberstellung wurden Mittelwerte aus den Kalkulationsunterlagen und den Angebotspreisen der Beigeladenen zu 1. herangezogen.
In der Gesamtsicht sind die Preise der Beigeladenen zu 1. jedoch auskömmlich. Auf weitere Preisuntersuchungen hat die Kammer verzichtet. Die Kammer sieht kein so offenbares Missverhältnis beim Preis- Leistungsverhältnis, dass eine Nichtberücksichtigung des für den Zuschlag kommenden Angebotes der Beigeladenen zu 1. rechtfertigen könnte.
Bereits § 2 Nr. 3 VOL/A fordert, dass zu"angemessenen Preisen" zu vergeben ist. Gemäß § 25 Nr. 2 (2) VOL/A überprüft der Auftraggeber vor der Vergabe eines Auftrages die Einzelposten derjenigen Angebote, die im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig erscheinen. Zu diesem Zweck verlangt er vom Bieter die erforderlichen Belege. Der Auftraggeber berücksichtigt bei der Vergabe das Ergebnis dieser Überprüfung. Gemäß § 25 Nr. 2 (3) VOL/A darf der Zuschlag auf Angebote, deren Preise in offenbarem Missverhältnis zur Leistung stehen, nicht erteilt werden.
Der Begriff des angemessenen Preises, der im Zusammenhang mit einem angeblich ruinösen Wettbewerb in Einzelfällen immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Auftraggeber- und Auftragnehmerseite führte, wurde auch in § 2 der neuen Fassung der VOL/A beibehalten, obwohl aus dem wissenschaftlichen Raum bereits 1961 gegen ihn erhebliche Bedenken vorgebracht wurden. Die Erläuterungen zu § 2 Nr. 3 VOL/A ,"Angemessene Preise sind solche, die dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit entsprechen", stellt allgemein auf den "Grundsatz der Wirtschaftlichkeit" ab und weist im Übrigen auf die Erläuterungen des DVAL zu § 25 Nr. 3 hin. Zum"Grundsatz der Wirtschaftlichkeit" wird in den Erläuterungen zu § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOL/A dem Einkäufer zunächst etwas Selbstverständliches aufgegeben, nämlich, dass das wirtschaftlichste Angebot unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu ermitteln ist. In Abs. 2 der Erläuterung zu § 25 Nr. 3 VOL/A heißt es dann wieder, dass das wirtschaftlichste Angebot dasjenige Angebot ist, bei dem das günstigste Verhältnis zwischen der gewünschten Leistung und dem angebotenen Preis erzielt wird. Der zur Erläuterung des "angemessenen Preises" gegebene Hinweis auf den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz und die nähere Konkretisierung dieses Hinweises durch das "wirtschaftlichste Angebot" sagen klar und eindeutig, dass der angemessene Preis im jeweiligen Vergabefall der Preis des - unter Berücksichtigung aller auftragsbezogenen Umstände - wirtschaftlichsten Angebotes ist. Die Preisuntergrenze bestimmen die im Wettbewerb stehenden, frei disponierenden, nicht selten unterschiedliche Absatzstrategien verfolgenden Unternehmen selbst. Dementsprechend können die Angebotspreise für marktgängige Erzeugnisse mehr oder weniger erhebliche Streubreiten aufweisen. Legt man nun folgendes einfaches Modell zu Grunde: Die Selbstkosten bei zwei Bietern streuen nur um +/- 10 v.H., die Gewinnspanne bewegt sich zwischen 0 und 10 v.H. der Selbstkosten, und die absatz- und beschäftigungswirtschaftlichen Vorstellungen gehen nach unten bis zum vollen Verzicht der fixen Kosten und machen ein Drittel der gesamten Selbstkosten aus; dann lässt sich zeigen, dass aus dem Zusammenwirken dieser Faktoren ohne weiteres eine Streuung der Angebotspreise im Verhältnis 1 : 2 entstehen kann(s. Kommentar zur VOL/A von Daub/Eberstein, 4. Aufl., Rdn. 32ff. zu § 2 VOL/A). § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A dient vor allem dem Schutz des Auftraggebers, insbesondere soll diese Regelung in erster Linie dazu beitragen, späteren Schaden beim Auftraggeber zu vermeiden. Es ist dagegen nicht Sinn und Zweck der Regelung, den Bieter vor seinem eigenen, zu niedrigen Angebot und damit vor sich selbst zu schützen. Er kann sich daher später nicht darauf berufen, dass sein Angebot nicht zum Zuschlag hätte führen dürfen. Auch dient diese Regelung nicht dem Schutz anderer, ordnungsgemäß kalkulierender Bieter. Die Vergabestelle wird in ihrer Abwägung, ob ein offenbares Missverhältnis vorliegt, alle Erkenntnisse zur Beurteilung des Preis-/Leistungsverhältnisses im Einzelfall einbeziehen.
Da der Auftraggeber für das Vorliegen eines auffälligen Missverhältnisses darlegungs- und beweispflichtig ist, ist ihm zu empfehlen, nachweisbare Erfahrungswerte, vor allem anhand vergleichbarer Ausschreibungen, der Marktentwicklung usw. festzustellen(s. o.a. Kommentar unter Rdn. 36 zu § 25 VOL/A). Hiernach stellt die VOL bei der Auswahl der Angebote grundsätzlich auf Wirtschaftlichkeit ab. Dies steht auch im Einklang mit der haushaltsrechtlichen Verpflichtung der öffentlichen Auftraggeber zur sparsamen Bewirtschaftung der Haushaltsmittel. Bei Niedrigangeboten muss der öffentliche Auftraggeber also nicht unbedingt nur Tarifuntreue vermuten, da wie o.a., auch andere Kriterien für Niedrigpreise in Frage kommen.
Gemäß § 4 Nr. 1 (1) VOL/B hat der Auftragnehmer die Leistung unter eigener Verantwortung nach dem Vertrag auszuführen. Dabei hat er die Handelsbräuche, die anerkannten Regeln der Technik sowie die gesetzlichen Vorschriften und behördlichen Bestimmungen zu beachten. Gemäß § 4 Nr. 1 (2) VOL/B ist der Auftragnehmer für die Erfüllung der gesetzlichen, behördlichen und berufsgenossenschaftlichen Verpflichtungen gegenüber seinen Arbeitnehmern allein verantwortlich. Es ist ausschließlich seine Aufgabe, die Vereinbarungen und Maßnahmen zu treffen, die sein Verhältnis zu seinen Arbeitnehmern regeln. Hierzu gehören u.a. auch die Bestimmungen der Tarifverträge(s. Kommentar zur VOL/B von Daub/Eberstein, 3. Aufl., Rdn. 40 zu § 4 VOL/B). Hiernach gehört es also nicht zu den Aufgaben des öffentlichen Auftraggebers, die Einhaltung der Tariftreue zu überwachen. Der öffentliche Auftraggeber kann auch grundsätzlich auf die Einhaltung der Tariftreue durch die Auftragnehmer vertrauen, zumal gemäß §§ 2 und 25 VOL/A Leistungen auch nur an zuverlässige Bewerber vergeben werden sollen. Für gewerbliche Dienstleistungen gibt es in Niedersachsen keine für öffentliche Auftraggeber verbindliche Verpflichtung, in ihre Verdingungsunterlagen eine Tariftreueverpflichtung(wie im Bereich der VOB) aufzunehmen. Die Verdingungsunterlagen der Antragsgegnerin enthalten eine entsprechende Tariftreueerklärung nicht. Es ist vorrangig Aufgabe der Tarifvertragsparteien, die Einhaltung der Tarifverträge zu überwachen.
IV.
Der Antrag der Beigeladenen zu 1, festzustellen, dass die vorläufige, bis zur Entscheidung der Vergabekammer in den anhängigen Verfahren 203-VgK-14/1999 und 203 VgK-1/2000 befristete, freihändige Vergabe der streitbefangenen Schülerfreistellungsverkehre wegen Verstoßes gegen das Zuschlagsverbot des § 115 Abs. 1 GWB rechtswidrig war, ist unzulässig.
Dies folgt zum einen nach Auffassung der Vergabekammer schon daraus, dass zwischen dieser befristeten Beauftragung und dem für die Zeit ab 01.01.2000 bis zum 31.07.2001 ausgeschriebenen Auftrag, der allein Gegenstand dieses Nachprüfungsverfahrens ist, keine Identität besteht. Der Wert dieses befristeten Auftrages übersteigt unter Zugrundelegung der oben unter II. dargelegten Berechnung seinerseits nicht den maßgeblichen Schwellenwert von 200 000 ECU. Wie dargelegt, ergeben die Fahrleistungen für die Fahrzeuge 1-20 unter Zugrundelegung des von der Beigeladenen zu 1. selbst angebotenen Tagessatzes von 2 162,20 DM einen Wert von 43 244,- DM pro Monat.
Aber selbst wenn man sich mit der Beigeladenen zu 1. auf den Standpunkt stellt, auch dieser befristete Auftrag sei Teil des ausgeschriebenen und vom Suspensiveffekt erfassten Gesamtauftrages , fehlt es an einem für die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB erforderlichen Rechtsschutzinteresse der Beigeladenen zu 1. Dieses setzt nicht nur voraus, dass der Antragsteller (hier die Beigeladene zu 1.) darlegt, dass ihm durch die behauptete Rechtsverletzung ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Vielmehr muss die behauptete Rechtsverletzung für den Schaden bzw. die Schadensgefahr auch kausal sein (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107, Rdnr. 55). Diese Kausalität ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Auftraggeberin hat unstreitig zunächst der Beigeladenen zu 1. mit Schreiben vom 30.12.1999 angeboten, den befristeten Auftrag für die Schülertransporte zu den von ihr im Vergabeverfahren angebotenen Konditionen zu übernehmen. Ebenso unstreitig hat die beigeladene Bietergemeinschaft dieses Angebot mit Schreiben vom 04.01.2000 zurückgewiesen. Bei der nach § 107 darzulegenden Schadensmöglichkeit ist zu berücksichtigen, dass ein derartiger Schaden im Rahmen des Vergabeverfahrens immer seine Grenze im positiven Interesse findet. Ein Bieter kann nicht besser gestellt werden, als er stehen würde, wenn das Vergabeverfahren nicht angefochten worden wäre und er mit seinem Angebot den Zuschlag erhalten hätte. Diesen möglichen Schaden, der in der durch den bis zur Entscheidung der Vergabekammer befristeten Auftrag bedingten Verkürzung des Gesamtauftragsvolumens liegt, hat die Beigeladene aber selbst verursacht, indem sie das Angebot der Auftraggeberin ablehnte. Die Beigeladene zu 1. kann dem nicht entgegenhalten, dass die Auftraggeberin verpflichtet gewesen wäre, ihr den befristeten Auftrag zu den alten, bis 31.12.1999 geltenden Konditionen zu erteilen. Der alte Vertrag wurde ordnungsgemäß zum 31.12.1999 gekündigt. Aus einem beendeten Vertragsverhältnis lassen sich keine derartigen Ansprüche auf Prolongierung ableiten.
Der Antrag ist im Übrigen auch unbegründet. Die Auftraggeberin war wegen des Schulbeginns am 10.01.2000 gezwungen, ihrem vom Landkreis xxxx übertragenen gesetzlichen Auftrag nachzukommen und den Schülertransport auch während des Suspensivzustandes bis zur Entscheidung der Vergabekammer sicherzustellen. Ein Eilantrag auf vorzeitige Zuschlagserteilung gem. § 115 Abs. 2 GWB wäre im vorliegenden Fall ein untaugliches Mittel gewesen, da auch bei einer positiven Entscheidung der Zuschlag erst nach Ablauf von zwei Wochen seit Bekanntmachung dieser Eilentscheidung erfolgen darf, weil in dieser Frist noch die Anrufung des Beschwerdegerichts wegen Wiederherstellung des Suspensiveffektes möglich ist.
V.
Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Es wird die Mindestgebühr in Höhe von 5 000,00 DM bzw. 2 556,46 EURO gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Die Überweisung der o.a. Gebühr hat sich durch den mit Schreiben vom 11.01.2000 - o.a. Az. - festgesetzten und bereits entrichteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe erledigt.
Tyrra
Dr. Pade