Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 15.11.1999, Az.: 203-VgK-12/99

Voraussetzung für die Nachprüfung der Vergabe eines Auftrags zur Durchführung von Personenbeförderungen; Begriff des Unternehmers im Sinne des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG); Charakteristika eines Sektorenauftraggebers; Schwellenwert für Dienstleistungsaufträge; Rechte des öffentlichen Auftraggebers bei der Verfolgung seiner Ziele

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
15.11.1999
Aktenzeichen
203-VgK-12/99
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1999, 29909
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

Durchführung des ÖPNV

In dem Nachprüfungsverfahren hat
die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg
durch
den Vorsitzenden ORR Gause,
den hauptamtlichen Beisitzer Dipl.-Ing. Tyrra und
den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.- Oek. Brinkmann
im schriftlichen Verfahren gem. § 112 Abs. 1 Satz 3 GWB
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Antrag und der Hilfsantrag der Antragsteller werden zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf 2.500,-- DM festgesetzt.

Begründung

1

I.

Die Antragsteller betreiben gewerbliche Busverkehre nach dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG). Die Antragsgegnerin, vormals ein Eigenbetrieb des Landkreises organisiert für diesen Landkreis die Durchführung des ÖPNV im Kreisgebiet. Bei der Antragsgegnerin handelt es sich um eine hundertprozentige Gesellschaft des Landkreises . Nach Umwandlung der Antragsgegnerin vom Eigenbetrieb zur GmbH übertrug der Landkreis die 11 bislang ihm erteilten Linienkonzessionen nach dem PBefG auf die Antragsgegnerin. Mit Datum 19.05.1998 wurde dieseÜbertragung der Konzessionen durch die zuständige Bezirksregierung genehmigt. Die Antragsgegnerin verfügt selbst jedoch über keine eigenen Fahrzeuge, Omnibusse etc., sondern vergibt ihrerseits die Betriebsführung und Bedienung dieser Linien vollständig an Subunternehmer. Mit Schreiben vom 08.10.1999 schrieb die Antragsgegnerin die Fahrleistungen für die Regionallinie zum 01.11.1999 neu aus. Die Ausschreibung erfolgte formlos in der Weise, dass die Antragsgegnerin 15 Busunternehmen, die ihren Firmensitz in erreichbarer Nähe zur Linie haben, zur Angebotsabgabe aufforderte. Aufgefordert wurde u. a. auch die Antragstellerin zu 2, die von der Antragsgegnerin ursprünglich bis zum 31.08.1999 und dann stillschweigend verlängert bis zum 31.10.1999 beauftragt worden war. Die Antragstellerin zu 2 gab auf diese Aufforderung jedoch kein eigenes Angebot ab. Der Wert dieses Auftrags betrug bislang, berechnet auf ein Jahr, 433.000,-- DM. In ihrem Schreiben vom 08.10.1999, mit dem die Antragsgegnerin zur Angebotsabgabe aufforderte, befristete sie die Fahrleistungen für diese Linie bis zum 31.07.2000. Dabei wurden die Fahrten für 7 Busse mit 7 getrennten Einsatzplänen ausgeschrieben.

2

Mit Telefax vom 13.10.1999 rügten die Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin Verstöße gegen Vergabevorschriften. Mit Antrag vom 15.10.1999, eingegangen bei der Vergabekammer als Telefax am gleichen Tage, haben die Antragsteller die Vergabekammer angerufen. Sie sind der Auffassung, dass die freihändige, nicht öffentliche Vergabe dieses Auftrags wettbewerbswidrig sei. Die Vergabe dürfe nur nach Durchführung des erforderlichen Wettbewerbs erfolgen. Darüber hinaus habe die Antragsgegnerin gegen das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot verstoßen, da nur eine begrenzte Anzahl von Busunternehmen zur Abgabe eines Angebots aufgefordert wurde. Die von der Antragsgegnerin gewählte Befristung der Fahrleistungen bis zum 31.07.2000 sei ungerechtfertigt und diene allein der rechtswidrigen Umgehung der nationalen und internationalen Vergabevorschriften. Die Antragsgegnerin habe damit lediglich den maßgeblichen Schwellenwert für eine europaweite Ausschreibung des Auftrages unterlaufen wollen. Ferner diskriminiere die ausschließliche Ausschreibung getrennter Fahrten nach getrennten Einsatzplänen die Antragsteller, weil sich die Bedienung dieser Linie aufgrund der vorgesehenen Einsatzorte für die Antragsteller nur rechne, wenn sie im Rahmen eines Gesamtangebotes die Fahrten kostenmäßig und betriebswirtschaftlich koordinieren und optimieren könnten.

3

Die Antragsteller beantragen,

das Vergabeverfahren der Antragsgegnerin zur Vergabe von Verkehren im Linienverkehr für die Linie aufzuheben.

4

Mit Schriftsatz vom 08.11.1999 haben die Antragsteller darüber hinaus hilfsweise, soweit die Antragsgegnerin behauptet, sie habe den Zuschlag für den Auftrag bereits erteilt, beantragt,

festzustellen, dass eine Rechtsverletzung vorgelegen hat und die Vergabe rechtswidrig war, § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB.

5

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag der Antragsteller auf Aufhebung des Vergabeverfahrens für die Linie abzulehnen.

6

Sie habe am Freitag, dem 15.10.1999, noch vor Eingang des per Telefax durch die Vergabekammer um 10.35 Uhr den Zuschlag für den streitbefangenen Auftrag erteilt. Dabei habe es sich um einen mündlichen Zuschlag, gesplittet auf mehrere Einzellose für die Linie gehandelt. Die Antragsgegnerin vertritt die Auffassung, die Anrufung der Vergabekammer sei unzulässig, weil der ausgeschriebene Auftrag den maßgeblichen Schwellenwert nach § 100 GWB nichtüberschreite. Sie sei zumindest auf dem Gebiet der Linienverkehre als Sektorenauftraggeberin i. S. der EG-Sektorenrichtlinie tätig. Unabhängig davonüberschreite das Auftragsvolumen aber auch nicht den füröffentliche Auftraggeber geltenden Schwellenwert von 200 000 ECU, da bereits zum Ausschreibungszeitpunkt absehbar war, dass der Gesamtauftragswert bezogen auf die Gesamtlaufzeit bis zum 31.07.2000 höchstens ein Gesamtvolumen von 320 000 DM erreichen würde. Die Befristung der Laufzeit unterhalb eines Jahres sei hier erforderlich gewesen, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der ÖPNV im Lokalbereich neu strukturiert werden solle. Im kommenden Jahr solle dann ein langfristiger Auftrag für die Linie ausgeschrieben werden.

7

Wegen des übrigen Vortrags wird auf die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

8

II.

Die Anrufung der Vergabekammer gem. § 107 ff. GWB ist sowohl hinsichtlich des Nachprüfungsantrages als auch hinsichtlich des hilfsweise gem. § 114 Abs. 2 Satz 2 gestellten Fortsetzungsfeststellungsantrages unzulässig, da der Wert des streitbefangenen Auftrages nicht den für die Anwendbarkeit des 4. Teils des GWB und damit für die Anrufung der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert erreicht.

9

1.

Gem. §§ 100 Abs. 1, 107 ff. GWB können nur solche Vergabeverfahren Gegenstand einer Nachprüfung durch die Vergabekammer sein, deren Aufträge die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind (Schwellenwerte). Der Gesetzgeber hat von der Ermächtigung in § 127 Nr. 1 GWB zum Erlass einer Rechtsverordnung noch keinen Gebrauch gemacht. § 100 Abs. 1 GWB ist aber richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass die Schwellenwerte unmittelbar durch die EG-Richtlinien bestimmt sind. Die Vergabekammer hält dabei an ihrer schon in der Entscheidung im Nachprüfungsverfahren 203-VgK-10/1999 betreffend die Ausschreibung der Schülerfreistellungsverkehre durch die Antragsgegnerin fest, dass es sich bei der Antragsgegnerin nicht um eine Sektorenauftraggeberin im Sinne der EG-Sektorenrichtlinie handelt, sondern dass für sie der Schwellenwert von 200 000 ECU gem. § 1 a Nr. 1 Abs. 1 VOL/A für eine europaweite Ausschreibung maßgeblich ist. Zwar werden gem. § 1 a Nr. 6 lit. a, ac VOL/A solche Aufträge nicht vom 2. Abschnitt der VOL/A erfasst, die im Zusammenhang mit Tätigkeiten auf dem Gebiet desBetreibens von Netzen zur Versorgung der Öffentlichkeit im Bereich des Verkehrs per Schiene, automatischer Systeme, Straßenbahnen, Busse oder Kabel vergeben werden. Eine solche Betriebstätigkeit und eine damit verbundene Sektorenauftraggebereigenschaft liegt im Falle der Antragsgegnerin aber nicht vor. Die Antragsgegnerin hat selbst vorgetragen, dass sie über keine eigenen Busse verfügt, sondern die Bedienung der für sie konzessionierten Linien sämtlich durch den Abschluss von Betriebsführerverträgen mit Busunternehmen organisiert, die insofern als Subunternehmen tätig werden. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin wird diese nicht schon allein durch die Tatsache Betreiber eines Netzes zur Versorgung der Öffentlichkeit im Bereich des Verkehrs und damit Wettbewerber im Sinne der Sektorenrichtlinie, weil sie Inhaberin von Konzessionen nach dem Personenbeförderungsgesetz ist. Vielmehr folgt aus der Konzessionserteilung lediglich, dass die AntragstellerinUnternehmerin im Sinne des § 2 PBefG ist. Gem. § 3 PBefG ist Unternehmer derjenige, dem die Genehmigung für einen bestimmten Verkehr und für seine Person erteilt wird. Daraus ergibt sich aber nicht zwingend, dass ein derartiger Unternehmer damit auch Betreiber eines Verkehres im Sinne der EG-Sektorenrichtlinie ist. Vielmehr stellt § 3 Abs. 2 PBefG einen Pflichtenkatalog auf, den ausdrücklich der "Unternehmeroder derjenige" hat, "auf den die Betriebsführung übertragen worden ist". Danach ist der Betriebsführer also nicht Unternehmer i. S. des PBefG, auch wenn er den Verkehr nach dem Gesetz ebenfalls "im eigenen Namen, unter eigener Verantwortung und für eigene Rechnung betreibt" (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 28.04.1999, 7 M 786/99; Biedinger, Personenbeförderungsrecht, § 2 Anm. 13 e). Umgekehrt folgt daraus aber auch, dass ein Unternehmer nicht automatisch eine Tätigkeit i. S. des Betreibens von Verkehrsnetzen gemäß der EG-Sektorenrichtlinie ausübt, sondern dass im vorliegenden Fall diese Tätigkeiten vielmehr ausschließlich durch die Nachunternehmer im Rahmen der Betriebsführungsverträge ausgeübt werden.

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Sektorenauftraggeber im Sinne des Abschnitts 4 VOL/A (VOL/-SKR) und § 98 Nr. 4 GWB ist die Antragsgegnerin aber auch deshalb nicht, weil sie zwar vom Landkreis und damit einer Gebietskörperschaft im Sinne des § 98 Nr. 1 beherrscht wird, aber ihr Gesellschaftszweck nicht vorrangig durch Wirtschaftlichkeitsaspekte geprägt ist. Kennzeichnend für einen Sektorenauftraggeber im Sinne des 4. Abschnitts ist aber gerade, dass Wirtschaftlichkeitsaspekte Vorrang vor Vorsorgeüberlegungen haben. Sie nehmen am Marktgeschehen teil wie ein normales Wirtschaftsunternehmen und haben damit - im Gegensatz zu den Auftraggebern im Sinne des Abschnitts 3 VOL/A - den "Charakter eines Handels- bzw. Industrieunternehmens" im Sinne des Art. 1 der Richtlinie 90/531/EWG vom 17.09.1990. Solche Unternehmen werden dort als "öffentliche Unternehmen" (Art. 1 Nr. 2) bezeichnet im Gegensatz zu den nicht gewerblich ausgerichteten Unternehmen, die unter dem Sammelbegriff der "staatlichen Behörden" (Art. 1 Nr. 1 dieser Richtlinie) gefasst werden. Das bedeutet zunächst, dass ihre wirtschaftliche Tätigkeit einen wesentlichen Umfang haben muss. Daraus ergibt sich aber insbesondere, dass sie sich im Wettbewerb mit Konkurrenten mit dem gleichen Geschäftszweck befinden und ihre Tätigkeit in erster Liniegewinnorientiertist (vgl. Heiermann/Riedel/Rusam, VOB, Vorb. zur VOB/A Rdn. 33, 34). Aus diesem Grund fallen kommunale Unternehmen im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs (wie Verkehrs-AG oder Verkehrsverbund GmbH) regelmäßig nicht unter den Abschnitt 4 der VOL/A oder VOB/A, da es eine Gewinnorientierung hier nicht gibt (vgl. Heiermann, a.a.O., Rdn. 34). Gerade der ÖPNV im Landkreis bestätigt diese Regel, da die Antragsgegnerin unstreitig mit einer Verlustabdeckung durch den Landkreis wirtschaftet und diese Verlustabdeckung auch in Millionenhöhe praktiziert wird, wie die Antragsgegnerin selbst in der mündlichen Verhandlung zum Verfahren 203-VgK-10/99 bestätigt hat.

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Die Antragsgegnerin erfüllt aber auch nicht die Voraussetzungen für eine Sektorenauftraggebereigenschaft im Sinne des Abschnitts 3 VOL/A. Dies setzt nämlich voraus, dass es sich bei diesen Unternehmen um solche im Sinne des § 4 Abs. 1 der Vergabeverordnung vom 22.02.1994, zuletzt geändert durch VO vom 29.09.1997 (BGBl. I, Nr. 66, S. 2384 ff.) handelt. Dies sind aber nur solche Unternehmen, die nicht nur die EG-Sektorenrichtlinie 93/38 EWG vom 14.06.1993 (EG Amtsblatt Nr. 199, S. 84 ff. vom 09.08.1993) zu erfüllen haben, sondern daneben auch den 1. Abschnitt der VOL/A, die sog.Basisparagraphen(vgl. Daub/Eberstein, VOL/A, 4. Aufl., § 1 b, Rdn. 4 ff.). Diese zusätzliche Verpflichtung muss entweder kraft Gesetzes oder aufgrund freiwilliger Unterwerfung des privaten Unternehmens unter diese Pflicht bestehen. Die Antragsgegnerin wurde zwar zu dem besonderen Zweck gegründet, im allgemeinen Interesse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen, da sie durch den Landkreis mit der Organisation des ihm kraft Gesetzes obliegenden ÖPNV beauftragt wurde. Sie hat damit - insoweit - den Charakter eines Auftraggebers im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB. Sie ist aber weder kraft Gesetzes noch kraft freiwilliger Übernahme verpflichtet, die Basisparagraphen der VOL/A anzuwenden. Eine gesetzliche Verpflichtung entfällt, da die Antragsgegnerin zu 2 nicht von § 32 GemHVO erfasst wird. Eine solche Verpflichtung kann sich aber nur aus den einschlägigen haushaltsrechtlichen Vorschriften auf Landes- bzw. Kommunalebene; ggf. aus Spezialgesetzen oder Verordnungen ergeben. Diese Verpflichtung wird auch nicht durch § 98 Nr. 2 GWB ersetzt, da diese Vorschrift gem. § 100 GWB eben nur für Aufträge gilt, die oberhalb der Schwellenwerte liegen, sodass daraus keine Verpflichtung für die Anwendung der Basisparagraphen der VOL/A oder der VOB/A abgeleitet werden kann. Auch einer freiwilligen Übernahme dieser Verpflichtung, etwa durch Verankerung im Gesellschaftsvertrag, hat sich die Antragsgegnerin nicht unterworfen.

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Gemäß Artikel 2 Abs. 2 lit. c der Richtlinie des Rates 93/38/EWG - Sektorenrichtlinie - fällt das Betreiben von Netzen zur Versorgung derÖffentlichkeit im Bereich des Verkehrs per Schiene, automatische Systeme, Straßenbahn, Trolleybus, Bus oder Kabel unter diese Richtlinie. Im Verkehrsbereich ist ein Netz vorhanden, wenn die Verkehrsleistung gemäß von einer zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats erteilten Auflagen erbracht wird; dazu gehören die Festlegung der Strecken, die Transportkapazitäten oder die Fahrpläne. Die Richtlinie verwendet hier die Begriffe "Tätigkeiten" und "Betreiben". Dies lässt den Schluss zu, dass auch entsprechende Leistungen von den entsprechenden Unternehmen selbst erbracht werden müssen, um als Sektorenauftraggeber eingestuft werden zu können, um dann von den immerhin günstigeren Vergabevorschriften der Abschnitte 3 und 4 VOB/VOL Gebrauch machen zu dürfen. Die Sektorenrichtlinie sollte ursprünglich in erster Linie reine Privatunternehmen erfassen. Aus diesem Grunde sind vor allem die Abschnitte 4 VOB/VOL mit Rücksicht auf die Konkurrenzsituation solcher Unternehmen im Vergleich zu den Abschnitten 2 VOB/VOL großzügiger und flexibler gefasst worden. Daraus folgt aber nach Auffassung der Kammer auch, dass der Anwendungsbereich dieser Richtlinie hier streng auszulegen ist, um Umgehungstatbestände zu verhindern. Die Sektorenauftraggebereigenschaft wird nicht durch Willenserklärung, sondern nur durch Schaffung der objektiven, richtliniengemäßen Vorraussetzungen erreicht.

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Die Antragsgegnerin muss daher den Schwellenwert von 200 000 ECU gem. § 1 a Ziff. 1 VOL/A berücksichtigen, ohne sich auf die Ausnahmeregelung des § 1 a Nr. 6 lit. a, ac VOL/A berufen zu können, unabhängig davon, ob sie Aufträge im Bereich des Linienverkehres oder im Bereich des Schülerfreistellungsverkehres vergibt.

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2.

Dieser maßgebliche Schwellenwert wird im vorliegenden Fall jedoch nicht erreicht. Durch das Nieders. Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Verkehr ist mit RdErl. v. 15.01.1998 z. Zt. ein bis zum 31.12.1999 befristeter Umrechnungskurs von 384 253,-- DM (netto) für den Schwellenwert für Dienstleistungsaufträge (200 000 ECU) festgesetzt worden. Die Überprüfung der Vergabeunterlagen hat ergeben, dass der streitbefangene Auftrag diesen Schwellenwert nicht erreicht. Laut Stellungnahme der Antragsgegnerin vom 21.10.1999 hat dieser Auftrag ein Gesamtvolumen von etwa 320 000,-- DM (netto) bei einer Laufzeit von 9 Monaten. Die Kostenannahme beruhte im Zeitpunkt der Ausschreibung lt. Auskunft der Antragsgegnerin auf Erfahrungswerten. Aus der Vergabeakte geht hervor, dass ein neunmonatiger Vertrag unter Zugrundelegung der Konditionen des bisherigen Vertragsverhältnisses mit dem Antragsteller zu 2 für die streitbefangene Linie 334 660,-- DM (netto) kosten würde. Dieser Betrag liegt deutlich unterhalb des o. a. maßgebenden Schwellenwertes. Zwar würde bei einer Laufzeit von einem Jahr der Gesamtbetrag hochgerechnet ca. 427 000,-- DM betragen und dann deutlich über dem Schwellenwert liegen. Die Vergabekammer könnte die Gesamtkosten für einen 12-monatigen Vertrag jedoch nur dann der Nachprüfung zu Grunde legen, wenn die relativ kurze Laufzeit von nur 9 Monaten von der Antragsgegnerin gewählt wurde, um die Pflicht zu einer europaweiten Ausschreibung dieses streitbefangenen Auftrages zu umgehen. Gem. § 1 a VOL/A darf ein geplanter Auftrag nicht in der Absicht berechnet oder aufgeteilt werden, ihn der Anwendung dieser Vorschriften zu entziehen. Dieses Umgehungsverbot folgt unmittelbar aus den maßgeblichen EG-Richtlinien. Zweck der Richtlinie 92/50/EWG wie auch der sog. Lieferkoordinierungsrichtlinie der EG (93/36/EWG) ist es, durch Veröffentlichung der Vergabeabsicht der Aufträge mit einem geschätzten Auftragswert von mindestens 200 000 ECU (ohne Umsatzsteuer) größtmögliche Transparenz für alle potenziellen Anbieter herzustellen; dem würde es zuwiderlaufen, einen geplanten Auftrag, der den sog. Schwellenbetrag überschreitet, dadurch der im Supplement zum Amtsblatt der EG zu entziehen, dass der Auftrag aufgeteilt wird. Deshalb untersagt es § 1 a Nr. 4 Abs. 6 VOL/A, einen Auftrag in der Absicht zu berechnen oder aufzuteilen, ihn der Anwendung der Vorschriften des Abschnitts 2 zu entziehen (vgl. Daub/Eberstein, VOL/A, 4. Aufl., § 1a, Rdnr. 57).

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Allein die Tatsache eines befristeten Auftrages ist jedoch noch kein Indiz für eine Umgehung der Vergabevorschriften. Auch dem öffentlichen Auftraggeber muss es gestattet sein, für seine Zwecke Leistungen bedarfsgerecht zu ordern. Dazu gehört u. a. auch die Bestimmung von Vertragsfristen. Es gibt keine Vorschrift, die als Mindestlaufzeit eines Vertrages 12 Monate vorschreibt, obwohl dies üblich ist. Dieregelmäßige Anwendung darunter liegender Laufzeiten könnte allerdings auf Umgehung des EU-Vergaberechts schließen lassen. Auch demöffentlichen Auftraggeber muss eine sach- und fachgerechte Dispositionsfreiheit zugestanden werden, die nicht vom Vergaberecht beeinflusst werden kann. Die Ermittlungen des Bedarfsan Lieferungen und Leistungen werden nicht im Rahmen des Vergaberechts entschieden. Lediglich bei der Bedarfsdeckung (Einkauf) muss bei öffentlichen Aufträgen das Vergaberecht beachtet werden. Die Antragsgegnerin begründet den zeitlich beschränkten Auftrag damit, dass z. Zt. ein Gesamtkonzept des ÖPNV für den Landkreisüberarbeitet wird. Danach will die Antragsgegnerin die Linie im kommenden Jahr für eine mehrjährige Vertragsdauer ausschreiben. Sie begründet die Befristung weiter damit, dass eine solche langfristige Ausschreibung umfangreiche Vorarbeiten und eine entsprechende Vorlaufzeit erfordert. Aus diesem Grund sei zunächst die ausgeschriebene Übergangslösung gewählt worden. Diese Motivation findet ihre Bestätigung durch den der Kammer vorliegenden Nahverkehrsplan für den Landkreis , beschlossen vom Kreistag des Landkreises am 15.12.1997. Dort heißt es auf Seite 244 zum lokalen ÖPNV-Netz: "Das Liniennetz ist ständig zu überprüfen, ob es darum geht, eine Angebotsverdichtung einer bestehenden Linie einzuführen oder die sich wandelnden Anforderungen anÖPNV-Bedienungen zu erfüllen." Es liegt im Wesen des ÖPNV, dass er ständigen Schwankungen des Bedarfs unterliegt und damit eine Daueraufgabe darstellt, der der Träger des ÖPNV oder die von ihm mit der Erfüllung der sich aus dieser gesetzlichen Trägerschaft ergebenden Pflichten beauftragte juristische Person nur gerecht werden kann, wenn ihnen auch eine weitgehende Dispositionsfreiheit hinsichtlich der Vertragsdauer für die Bedienung der einzelnen Linien eingeräumt wird. Für die konkrete Linie ist zudem zu berücksichtigen, dass der Vertrag zwischen der Antragsgegnerin und dem Antragsteller zu 2 ursprünglich bis zum 31.08.1999 befristet war. Lediglich aufgrund des seinerzeitigen mit Beschluss der Vergabekammer vom 31.08.1999 zurückgewiesenen Antrags des Antragstellers zu 2 auf vorläufigen Rechtsschutz im Rahmen des Verfahrens 203-VgK-10/1999 hatte die Antragsgegnerin den Vertrag stillschweigend zunächst bis zum 30.09.1999 (vgl. Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 21.09.1999 in dem Nachprüfungsverfahren 203-VgK-10/1999) und dann offenbar bis zum 31.10.1999 verlängert. Auch vor diesem Hintergrund ist die Beschränkung der Ausschreibung der Linie bis zum 31.07.2000 und die Absichtserklärung für eine anschließende Ausschreibung ab 01.08.2000 noch im Rahmen der Dispositionsfreiheit der Antragsgegner hinsichtlich der Bedarfsermittlung. Sie lässt daher nicht auf eine willkürliche Umgehung schließen.

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Mangels Erreichens des maßgeblichen Schwellenwertes des streitbefangenen Auftrages ist daher sowohl der Antrag auf Nachprüfung als auch der hilfsweise gestellte Antrag auf Fortsetzungsfeststellung gem. § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB unzulässig. Es bedarf daher keiner näheren Nachprüfung, ob etwa der Antragsteller zu 2 schon deshalb nicht antragsbefugt ist, weil er auf die schriftliche Aufforderung der Antragsgegnerin vom 08.10.1999 kein eigenes Angebot abgegeben hat, sodass bezüglich des Antragstellers zu 2 Zweifel hinsichtlich des durch § 97 Abs. 2 und Abs. 7 GWB geschützten Rechtsschutzinteresses bestehen. Da der Schwellenwert nicht erreicht wird, bedarf es auch keiner Beweisaufnahme zu der Frage, ob der Zuschlag in diesem Vergabeverfahren, wie von der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 21.10.1999 behauptet, bereits am 15.10.1999 und vor allem noch gutgläubig vor Eingang des Telefaxes der Vergabekammer um 10.35 Uhr, mit denen der Antrag auf Nachprüfung gem. § 110 Abs. 2 GWB zugestellt wurde, erfolgt ist. Belegt wird diese Behauptung nur durch einen entsprechenden Vermerk in der Vergabeakte. Die Klärung dieser Frage kann jedoch dahinstehen, da unterhalb der Schwellenwerte liegende Aufträge nicht von den Regelungen der § 97 ff. GWB erfasst werden. Hier gilt dieses Gesetz und damit auch das die Nichtigkeit bedingende Verbot der Zuschlagserteilung gem. § 115 Abs. 1 GWB nicht, sodass eine Nachprüfung von Auftragsvergaben nur über die Aufsichtsbehörde der Vergabestelle nach den Grundsätzen der Rechtsaufsicht erfolgen kann (Leinemann/Weihrauch, Die Vergabe öffentlicher Aufträge, Berlin 1999, Rdn. 506). Die Anträge waren daher zurückzuweisen.

17

Wegen der Unzulässigkeit der Anträge hat die Vergabekammer gemäß § 112 Abs. 1 S. 3 GWB ohne vorherige mündliche Verhandlung nach Aktenlage entschieden.

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III. Kosten

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Es wird die Mindestgebühr in Höhe von

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5 000,00 DM bzw. 2 556,46 EURO gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

21

Die Überweisung der o.a. Gebühr hat sich durch den mit Schreiben vom 15.10.1999 - o.a. Az. - festgesetzten und bereits entrichteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe erledigt.

Gause
Tyrra
Brinkmann