Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 03.02.2000, Az.: 203-VgK-15/1999
Unmittelbare Geltung von in Richtlinien festgelegten Schwellenwerten für eine EU-weite Ausschreibung bei fehlender Umsetzung in nationales Recht; Anforderungen an die ordnungsgemäße Bewerberauswahl im Teilnahmewettbewerb; Verfahren des Teilnahmewettbewerbs; Anforderungen an das Auswahlermessen; Bestehen zeitlicher Grenzen der Verwertbarkeit früherer eigener Erfahrungen mit einem Unternehmer
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 03.02.2000
- Aktenzeichen
- 203-VgK-15/1999
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 30805
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 2 Nr. 3 VOL/A
- § 7a Nr. 3 VOL/A
Verfahrensgegenstand
Ausschreibung der Unterhaltsreinigung
Die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg hat
durch
den Vorsitzenden ORR Gause,
den hauptamtlichen Beisitzer Dipl.-Ing. Tyrra und
den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Oec. Brinkmann
auf die mündliche Verhandlung vom 25.02.2000
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Die Auftraggeberin wird verpflichtet, im Rahmen des anhängigen Vergabeverfahrens erneut in die Auswahl der zur Angebotsabgabe aufzufordernden Bieter einzutreten und auch die Antragstellerin zur Abgabe eines Angebots aufzufordern.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Auftraggeberin.
- 3.
Die Kosten werden auf 5.000,00 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die Auftraggeberin hat mit Bekanntmachung vom 01.07.1999 im EU-weiten, Nichtoffenen Verfahren - beschränkte Ausschreibung mit öffentlichem Teilnahmewettbewerb - die Vergabe der Unterhaltsreinigung Los 3 für den Zeitraum 01.07.2000 bis 30.06.2003 ausgeschrieben. Dieses Los 3 umfasst ca. 90.000 qm laufende Unterhaltsreinigung (21 Gebäude, u.a. Zahn-, Mund-, Kieferklinik, Lehr- und Forschungsreinrichtungen, Polikliniken, physikalische Therapie, psychologische Medizin, Labor-, Wirtschafts-, Technik-, Verwaltung- und Wohnbereiche). Zugelassen wurden ausdrücklich nur Gesamtangebote. Insgesamt bewerben sich
28 Firmen auf diese Ausschreibung, von denen, wie in der Bekanntmachung vorgesehen und veröffentlicht, 10 Firmen zur Angebotsabgabe ausgewählt wurden. Auch die Antragstellerin hatte mit Schreiben vom 05.08.1999 einen Teilnahmeantrag für diese Ausschreibung gestellt. Mit Schreiben der Auftraggeberin vom 20.12.1999 wurde die Antragstellerin jedoch darüber informiert, dass sie nicht an der Ausschreibung beteiligt werde. Von 1987 bis 1990 und dann mit jährlicher Verlängerung bis einschließlich 1995 hatten vertragliche Beziehungen zwischen der Antragstellerin und der Auftraggeberin bestanden, die Reinigungsleistungen in unterschiedlichem Umfang zum Gegenstand hatten. Die Nichtberücksichtigung der Antragstellerin wurde im Schreiben der Auftraggeberin vom 25.12.1999 damit begründet, dass die Auswahl der Bewerber sich nach den Merkmalen der VOL/A § 7a Nr. 2 Abs. 6 Nr. 3 gerichtet habe. Angesichts der dortigen Auswahlkriterien "Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit" seien die in der Ausschreibung geforderten Kriterien inklusive Referenzabfragen entscheidend gewesen. Dabei seien Firmen mit besseren Referenzergebnissen und zu erwartender besserer Zusammenarbeit/Auftragserfüllung vorgezogen worden.
Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 28.12.1999 die Nichtberücksichtigung gegenüber der Auftraggeberin gerügt und mit Schreiben vom 30.12.1999, eingegangen am 31.12.1999, die Vergabekammer angerufen. Die Begründung der Auftraggeberin für die Nichtberücksichtigung sei für sie in keiner Weise nachvollziehbar und entspreche nicht den Tatsachen. Sie verweist darauf, dass sie vom 01.10.1987 bis zum 30.09.1995 die Reinigung der I-Gebäude, insbesondere in der Kinderklinik der Auftraggeberin ausgeführt habe. Diese Arbeit sei erfolgreich gewesen, da die Antragstellerin sonst nicht über 8 Jahre mit der Durchführung von Leistungen beauftragt hätte, wenn sie gleichzeitig Zweifel an ihrer Leistungsfähigkeit gehabt hätte. Der Auftrag sei ursprünglich von 1987 bis 1990 befristet gewesen, sei dann aber insgesamt bis zum 30.09.1995 fünf Mal verlängert worden, obwohl das Vertragsverhältnis laut
§ 15 des Vertrages ursprünglich höchstens zwei Mal um jeweils ein Jahr verlängert werden konnte. Noch im Juli 1995 habe die Auftraggeberin ihr noch eine weitere Verlängerung angeboten, auf die sie aus Preisgründen aber nicht habe eingehen können, da die Vertragslaufzeit bereits schon einmal um ein Jahr verlängert worden sei, ohne dass sie eine vertragliche Preisanpassung habe vornehmen können. Seit 1994 sei von der vertraglichen Preisanpassungsklausel, die bestimmte, dass jeweils 80 % der Tariferhöhung, also der Lohnkosten, an die Auftraggeberin weitergegeben werden konnten, kein Gebrauch mehr gemacht worden. Die Antragstellerin behauptet, dass außer einer schriftlichen Abmahnung vom 02.05.1995 keine schriftlichen Reklamationen seitens der Auftraggeberin an sie herangetragen wurden. Sie räumt ein, dass hin und wieder einzelne Arbeitsstunden nicht geleistet werden konnten, weil die eine oder andere Reinigungskraft fehlte. Dies sei dann immer von der Hygieneschwester der Kinderklinik moniert worden, und zwar nur deshalb, weil eben einzelne Mitarbeiter des Reinigungspersonals nicht anwesend gewesen seien. Die geschuldete Reinigungsleistung sei hingegen immer erbracht worden. Als Beleg für die damalige grundsätzliche Zufriedenheit der Auftraggeberin mit ihrer Reinigungsleistung sieht die Antragstellerin u.a. ein Schreiben des xxxxxx der Auftraggeberin vom 17.08.1995 an. In diesem Schreiben wird das Bedauern darüber ausgedrückt, dass angesichts der 12%igen pauschalen Preiserhöhung eine Verlängerung des Vertrages mit der Antragstellerin aus haushaltsrechtlichen Gründen nicht mehr in Betracht komme. Das Schreiben schließt mit folgender Bemerkung: "Ich danke, auch im Namen meiner zuständigen Mitarbeiterin des Sachgebietes Fremd- und Eigenreinigung, für die gute Zusammenarbeit über viele Jahre hinweg und verweise auf die Möglichkeit der Teilnahme an der Ausschreibung des Loses, die innerhalb des nächsten Jahres erfolgt." Die Antragstellerin hat weitere Schreiben der Auftraggeberin vom 27.03.1987, vom 15.10.1987, vom 11.01.1988 und vom 25.03.1993 vorgelegt, in denen die Auftraggeberin der Antragstellerin ausdrücklich für die durchgeführten Reinigungsleistungen und die Zusammenarbeit dankt. Die Antragstellerin beantragt,
das Nachprüfungsverfahren einzuleiten und sicherzustellen, dass sie an der Ausschreibung beteiligt wird.
Die Auftraggeberin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie betont, dass sich die Auswahl der Bieter allein nach den in dem Ausschreibungstext vorgegebenen Bedingungen auf der Grundlage des § 7a VOL/A erfolgt sei. Der Antragstellerin sei nicht die Leistungsfähigkeit abgesprochen worden und sie sei auch nicht willkürlich ausgeschlossen worden. Sie verweist darauf, dass sie 5 Referenzabfragen über die Antragstellerin durchgeführt habe. Zwei Mal wurde die Antragstellerin mit "3" bewertet, wobei es einmal davon noch Einschränkungen wegen häufig wechselnden Führungspersonals und Problemen bei der Abstimmung im OP-Bereich gegeben habe. Eine Uniklinik habe wegen mangelhafter Leistung und Hygiene sowie häufigen Personalwechsels die Reinigungsverträge aufgekündigt. In einer weiteren Uniklinik hätten die Reinigungsleistungen ebenfalls nachgelassen, was aufgrund einer Referenzabfrage einer anderen Firma mitgeteilt worden sei. Hier sei die Antragstellerin deshalb nicht mehr in der Unterhaltsreinigung tätig. Die zwei weiteren angeschriebenen Kliniken hätten keine Antwort erteilt. Bei einer derart großen Auswahl an Firmen, die ein Interesse an einem Auftrag der Auftraggeberin haben, seien diejenigen ausgewählt worden, die die beste Zusammenarbeit und Leistung erwarten ließen. Als xxxxxxxx
xxxxxxxx um könne es sich die Auftraggeberin nicht leisten, einen Dienstleister auszuwählen, dem mangelnde Hygiene bei einer Referenzabfrage bescheinigt worden sei. Dies besonders deshalb, weil sich die negativen Referenzen mit den letztgemachten Erfahrungen des bis 1995 währenden Vertragsverhältnisses mit der Antragstellerin deckten. Insbesondere seien mangelnde Reinigung, nicht eingearbeitetes und ständig wechselndes Personal, fehlendes Einsatzpersonal und mangelnde Schulungen sowie auch die Abwesenheit der Objektleitung, die als Hauptansprechpartnerin und Personalbetreuung habe dienen sollen, zu bemängeln gewesen. Zu diesen Punkten seien von der zuständigen Verwaltungsmitarbeiterin Frau xxxx und der leitenden Krankenschwester der Kinderklinik Frau xxxxxx mehrfach Gespräche mit der Antragstellerin geführt worden, die keine Verbesserungen nach sich zogen. Die Auftraggeberin hat darüber hinaus mit Schriftsatz vom 02.02.2000 der Vergabekammer mehrere formularmäßige Schreiben an die Antragstellerin aus dem zurückliegenden Vertragsverhältnis vorgelegt, mit denen ausdrücklich einige mangelhafte Reinigungsleistungen reklamiert wurden. Die Auftraggeberin erklärt, dass die nochmalige Verlängerung des Vertragsverhältnisses 1995 nur deshalb noch einmal erwogen wurde, weil seinerzeit eine Rechtsänderung dahingehend im Vergaberecht eingetreten war, dass europaweit Aufträge dieser Volumina auszuschreiben waren und nicht bekannt gewesen sei, wer als Vergabeprüfstelle eingesetzt werden musste. Auf Weisung der zuständigen Aufsichtsbehörde, des xxxxxxxx , habe man daher die schon begonnene Ausschreibung gestoppt und der Weisung entsprechend über eine Verlängerung des bestehenden Vertragsverhältnisses verhandelt, die dann letztlich an der von der Antragstellerin geforderten 12%igen Preiserhöhung gescheitert seien. Tatsächlicher Grund für den Abbruch der Geschäftsbeziehungen seien aber vielmehr die Vorfälle gewesen, die aus den der Vergabekammer eingereichten Unterlagen hervorgehen und die auch bereits Gegenstand der Abmahnung gewesen seien. Dabei seien Probleme mit der Antragstellerin so lange nicht zu Tage getreten, wie die damaligen Lose 4, insbesondere Lehre und Forschung, und das Los 5, insbesondere Kinderklinik, zusammen von der Antragstellerin bedient wurden. Insbesondere habe es keine Personalprobleme gegeben, da immer dann, wenn in einem Bereich Personal fehlte, dies aus dem anderen Losbereich kompensiert werden konnte. Ab 1993, bei Auslaufen des Loses 4, habe es dann im Bereich des Loses 5 aber ständig Probleme gegeben, insbesondere die durchgehend erforderliche Reinigungsleistung auch am Wochenende habe nicht funktioniert. Für die aktuelle Ausschreibung habe die Vergangenheit aber nur eine eingeschränkte Rolle gespielt. Hinsichtlich des Rankings seien letztlich die aktuellen Referenzen ausschlaggebend gewesen. So sei z.B. in einem Fall, in dem in der Vergangenheit schon mal zwei schlechte Referenzen erteilt worden seien, der Bieter diesmal beteiligt worden, weil er aktuell durchweg nur gute Referenzen gehabt habe. Die Erfahrungen aus den alten Geschäftsbeziehungen zu der Antragstellerin hätten jedoch insofern eine Rolle gespielt, als die relativ schwachen Referenzen bei der aktuellen Abfrage den ehemaligen Eindruck bestätigt hätten. Diesen Erfahrungen stünde auch nicht das zitierte Schreiben des xxxxxxxx vom 17.08.1995 entgegen. Der dort zum Ausdruck gebrachte Dank sei lediglich als Höflichkeitsfloskel zu werten. Im Übrigen handle es sich um ein reines Formschreiben und um den Hinweis, dass auch die Antragstellerin in weiteren Ausschreibungen, wie jede andere Firma auch, bei der Auswahl zwischen den sich bewerbenden Firmen berücksichtigt werde, was auch der Fall sei.
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 25.01.2000 und die Vergabeakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag der Antragstellerin ist begründet. Die Antragstellerin ist durch die Nichtberücksichtigung im streitbefangenen Auswahlverfahren im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt, weil die von der Auftraggeberin ermittelte Entscheidungsgrundlage, die zur Nichtberücksichtigung der Bewerbung der Antragstellerin zur Angebotsabgabe geführt hat, den Anforderungen nicht standhält, die gem. § 7a Nr. 3 VOL/A in Verbindung mit dem analog anzuwendenden § 25 VOL/A für eine ordnungsgemäße Bieterauswahl zu erfüllen sind.
1.
Der Antrag ist zulässig. Bei der Auftraggeberin handelt es sich um eine der Aufsicht des Landes Niedersachsen unterliegende xxxxxxxxxx und damit um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Zwar hat der Gesetzgeber von der Ermächtigungsgrundlage in § 127 Nr. 1 GWB zum Erlass einer Rechtsverordnung zur Umsetzung der Schwellenwerte für eine EU-weite Ausschreibung bislang keinen Gebrauch gemacht. § 100 GWB ist aber richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass die Schwellenwerte unmittelbar durch die EG-Richtlinien bestimmt sind. Bei den ausgeschriebenen Reinigungsleistungen handelt es sich um einen Dienstleistungsauftrag, für den gem. § 1a Nr. 1 VOL/A der für eine Pflicht zur EU-weiten Ausschreibung maßgebliche Schwellenwert von 200.000,-- ECU = 384.253,00 DM gilt. Der voraussichtliche Wert des ausgeschriebenen "Loses 3" mit einer Unterhaltsreinigung von 90.000 qm für den Zeitraum 01.07.2000 bis 30.06.2003 hat laut Auskunft der Auftraggeberin einen voraussichtlichen Wert von mindestens 3,0 Mio. DM und übersteigt damit den für die Anrufung der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert.
Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie behauptet, ihre Nichtberücksichtigung im streitbefangenen Auswahlverfahren im Rahmen der beschränkten Ausschreibung mit öffentlichem Teilnahmewettbewerb sei angesichts der Kriterien des § 7a Nr. 2 und Nr. 3 nicht gerechtfertigt. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB ist weiterhin, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, 1. Aufl., § 107, Rdn. 52). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt, da sie im Falle einer Berücksichtigung bei der Bieterauswahl zumindest eine Aussicht auf Erhalt des Zuschlages für ihr dann abzugebendes Angebot hätte. Es ist nicht erforderlich, dass die Antragstellerin auch schlüssig darlegt, das sie bei vergabekonformem Verhalten des Auftraggebers den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.04.1999, Az.: Verg. 1/99, S. 24).
Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer den gerügten Verstoß gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren gegenüber der Auftraggeberin unverzüglich zu rügen. Die Antragstellerin hat mit Schreiben der Auftraggeberin vom 20.12.1999 endgültig erfahren, dass ihre Bewerbung bei der Auswahl der für eine Angebotsaufforderung zugelassenen 10 Bewerber nicht berücksichtigt worden ist. Die Antragstellerin hat daraufhin mit Schreiben vom 28.12.1999 diese Nichtberücksichtigung unter Berufung auf § 7a Nr. 2 und Nr. 3 VOL/A gegenüber der Auftraggeberin gerügt.
2.
Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet, weil die Auftraggeberin ihrer Bekanntmachung vom 01.07.1999 entsprechend zwar 10 Bewerber und damit deutlich mehr als die gemäß § 3 a Nr. 1 Abs. 2 VOL/A geforderte Mindestzahl von 5 Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert hat, die Nichtberücksichtigung der Antragstellerin jedoch nicht auf eine ordnungsgemäße Auswahl im Sinne der §§ 2 Nr. 3, 7 a Nr. 3 VOL/A zurückzuführen ist.
Gemäß § 7 a Nr. 3 VOL/A wählt der Auftraggeber immer dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - ein Teilnahmewettbewerb durchgeführt worden ist, anhand der gemäß § 7 a Nr. 2 VOL/A geforderten, mit dem Teilnahmeantrag vorgelegten Unterlagen unter den Bewerbern, die den Anforderungen an Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit entsprechen, diejenigen aus, die er gleichzeitig unter Beifügen der Verdingungsunterlagen schriftlich auffordert, in einem nicht offenen Verfahren ein Angebot einzureichen. Ziel der Vorschrift ist es, nach Abschluss des Teilnahmewettbewerbs aus dem Kreis der Bewerber nur diejenigen zur Abgabe eines Angebots aufzufordern, die den vorgesehenen Anforderungen an Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit entsprechen, und diejenigen am weiteren Wettbewerb nicht zu beteiligen, die die genannten Kriterien nicht erfüllen und daher keine Gewähr für die sachgerechte Durchführung der zu vergebenden Leistungen bieten. Zwar verpflichtet diese Vorschrift den Auftraggeber nicht, allen Bewerbern, die die geforderten Unterlagen beigebracht haben, und die, die in der Bekanntmachung genannten Eignungsmerkmale aufweisen, eine Angebotsaufforderung zukommen zu lassen. Aus dem Wortlaut "wählt ... unter den Bewerbern" ergibt sich, dass die Vorschrift der Vergabestelle einen gewissen Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum bei der Auswahl gewährt. Im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz darf er bei der Auswahl allerdings nicht willkürlich verfahren (vgl. Daub/Eberstein, VOL/A, 4. Auflage, § 7 a, Rn. 48, 49). Es liegt auf der Hand, dass die Bieter der Willkür der Vergabestelle ausgeliefert wären, wenn diese nach Abgabe der Angebote im Wertungsverfahren die Zuschlagskriterien beliebig wählen könnte. Schon aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit, zu denen auch die Vorhersehbarkeit, Messbarkeit und Transparenz staatlichen Handelns gehören, ist es deshalb unabdingbar, dass die Zuschlagskriterien vorher, d. h. bei Anforderung zur Angebotsabgabe, bekannt gemacht werden, damit sich die interessierten Unternehmen hierauf einstellen können (BGH 08.09.1998 Az. X ZR 109/96; BauR 11/98, S. 1246ff.). Die Prüfung der Eignung des Bieters, die beim offenen Verfahren erst mit der Wertung der Angebote gemäß § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A vorzunehmen ist, wird also bei der beschränkten Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb zeitlich vorgezogen. Die Auftraggeberin hatte in ihrer Bekanntmachung vom 01.07.1999 unter Ziff. 4 a die Anforderungen an den Bieter wie folgt formuliert: "Gebäudereinigungsunternehmen auf Krankenhausreinigung spezialisiert, nachweislich 5 Jahre Erfahrung in xxxxxxxxxx Kliniken/Krankenhäusern der Maximalversorgung (mindestens 800 Betten) erfolgreich in Unterhaltsreinigung incl. Operations- und Intensivpflegeeinheiten tätig, Nachweis von mindestens 5 aktuellen Referenzkliniken. Die Auftraggeberin hat der Antragstellerin mit Schreiben vom 20.12.1999 mitgeteilt, dass bei der Auswahl Firmen mit besseren Referenzergebnissen und zu erwartender besserer Zusammenarbeit/Auftragserfüllung vorgezogen worden seien. Auch mit Schriftsatz vom 13.01.2000 und in der mündlichen Verhandlung vom 25.01.2000 hat die Auftraggeberin gegenüber der Vergabekammer bestätigt, dass die Auswertung der aktuellen Referenzabfragen letztlich entscheidend für das Ranking der Bieter gewesen sei. Bestätigt wird die Bedeutung der Referenzen für die Auftraggeberin durch einen Vermerk des zuständigen Dezernates 1 "Allgemeine Verwaltung, Abteilung Haus und Liegenschaften" der Auftraggeberin vom 03.09.1999, der in der Vergabeakte enthalten ist und die Durchführung der Auswahl dokumentiert. Über die Eignung der Antragstellerin heißt es dort auf Seite 7 des Vermerkes: "Die Referenzabfrage hat zwei Mal eine befriedigende Reinigungsleistung ergeben mit einer Einschränkung wegen Problemen bei der Abstimmung in OP-Bereichen und häufig wechselndem Führungspersonal. Eine Uni-Klinik kündigt wegen mangelhafter Leistung und Hygiene sowie häufigem Personalwechsel die Reinigungsverträge auf. In einer weiteren Uni-Klinik ließen ebenfalls die Reinigungsleistungen nach. Die Firma xxxxxxxxx hat sich dort mit der Klinikleitung derart verworfen, dass sie längere Zeit nicht in Erwägung gezogen wurde. Derzeit betreibt die Firma xxxxxxxx dort nur die Grünflächenpflege. Zwei weitere Kliniken haben gar keine Antwort abgegeben." Die Einholung von Referenzen mit Einverständnis des Bieters ist grundsätzlich ein taugliches und nicht zu beanstandendes Mittel zur Eignungsüberprüfung (vgl. Daub/Eberstein, a.a.O., § 2, Rn. 30). Der hohe Aufwand, der mit der Überprüfung der Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit verbunden ist, legt es nahe, die Möglichkeit zu nutzen, sich vom Bieter Referenzen über von ihm bisher ausgeführte Arbeiten geben zu lassen und Zweifelsfragen durch Rückfrage bei dem früheren Auftraggeber zu klären, wobei ein in die engerer Wahl gezogener Bewerber aber die Möglichkeit haben sollte, sich zu etwaigen nachteiligen Erkundigungsergebnissen zu erklären (vgl. zu § 2 VOB/A: Heiermann/Riedl/Rusam, 8. Auflage, § 2, Rn. 4). Die Auftraggeberin hatte die Referenzabfragen mittels eines Formblattes durchgeführt, das mit folgendem, von der Referenzklinik auszufüllenden Notenschlüssel schloss: "gut, befriedigend, ausreichend, unzureichend". Die Referenzabfrage wurde lediglich von zwei Kliniken schriftlich mit der Note befriedigend und von einer Klinik telefonisch mit dem Hinweis auf schlechte Arbeit (Reinigungsqualität, mangelnde Hygiene) beantwortet, was nach dem Notenschlüssel der Auftraggeberin einer "unzureichenden" Reinigungsleistung gleich kommt. Angesichts des von der Auftraggeberin gewählten engen Notenschlüssels (geeigneter ist nach Auffassung der Vergabekammer ein Notenschlüssel von 1 bis 5.) waren die beiden befriedigenden Beurteilungen von der Auftraggeberin eindeutig dem positiven Bereich zuzuordnen. Dies hätte die Auftraggeberin zum Anlass nehmen müssen, die durch die mangelhafte Referenz begründeten Zweifel an der Eignung in einem Gespräch mit der Antragstellerin zu erörtern, um ihr Gelegenheit zu geben, sich zu den nachteiligen Erkundigungsergebnissen zu erklären. Angesichts der Tatsache, dass die Auftraggeberin die aktuellen Referenzen zum Hauptkriterium ihres Rankings gemacht hat, ist auch zu beanstanden, dass die Auftraggeberin pro Bieter lediglich fünf Referenzabfragen durchgeführt hat. Angesichts der Tatsache, dass eine Firma wie die Antragstellerin für eine große Zahl von Kliniken tätig ist, was sich aus der von ihr bei der Auftraggeberin eingereichten Liste, die 30 Referenzkliniken aufführt, ohne Weiteres ergibt, wäre es zumutbar und angemessen, wenn die Auftraggeberin in diesem Fall die Referenzen von mindestens 8 bis 10 Kliniken abgefordert hätte und so trotz des Zufallsprinzips, das mit jeder stichprobenweisen Abfrage verbunden ist, die Auswahlentscheidung auf eine breitere Grundlage stellen zu können. Dies gilt um so mehr, als die Auftraggeberin in der Bekanntmachung mindestens 5 Referenzen gefordert hat. Wenn die Auftraggeberin sich gleichwohl auf lediglich 5 Abfragen beschränkte, so war sie angesichts der Tatsache, dass lediglich drei Antworten bei ihr eingingen, aber zumindest gehalten, telefonisch bei den beiden übrigen Kliniken nachzufragen, warum keine Stellungnahme erfolgte bzw. die ausbleibenden Referenzen durch eine Abfrage bei anderen Kliniken der Referenzliste zu ersetzen.
Von diesen zumutbaren Anforderungen an das Auswahlermessen war die Auftraggeberin entgegen ihrer Auffassung auch nicht etwa deshalb entbunden, weil die drei eingegangenen Referenzen, insbesondere die mit der Note "unzureichend" schließende und eine weitere negativere Referenz für die Antragstellerin, die die Auftraggeberin gelegentlich der Referenzabfrage für eine andere Firma erhalten hatte, sich mit negativen Erfahrungen der Auftraggeberin aus ihrem früheren, bis 1995 bestehenden Vertragsverhältnis deckte. Der die Auswahlentscheidung dokumentierende Vermerk der Auftraggeberin vom 03.09.1999 bestätigt die Relevanz dieser früheren Erfahrungen für die Entscheidung der Auftraggeberin. Dort heißt es auf Seite 7: "Die aktuelle Referenzabfrage der Uni-Klinik spiegelt das Ergebnis der xxxxxx - Erfahrungen wider, als die Firma xxxxxxxx in einem Los Vertragspartner war. Die Firma lag dabei preislich sehr niedrig und konnte damit den Anforderungen der xxxx -Reinigung nicht ausreichend nachkommen. Auch hier erfolgte eine Abmahnung und der Vertrag wurde nicht verlängert. Firma xxxxxxxxxx reinigt zwar sehr viele Krankenhäuser. Doch kann nicht klar gesagt werden, ob ein derart großes und verantwortungsvolles Los mit guten Reinigungsleistungen abgewickelt wird. Da noch immer in anderen Kliniken die xxxxxx -bekannten Schwierigkeiten auftreten, wird Firma xxxxxxx im mittleren Bereich der Reinigungsfirmen angegliedert." Die Auftraggeberin hat auch im anhängigen Nachprüfungsverfahren sowohl schriftlich als auch in der mündlichen Verhandlung vom 25.01.2000 mehrfach erläutert, dass die Erfahrungen aus den alten Geschäftsbeziehungen insofern eine Rolle bei der Auswahlentscheidung gespielt hätten, als die relativ schwachen aktuellen Referenzen den ehemaligen Eindruck bestätigt hätten.
Grundsätzlich ist nicht zu beanstanden, wenn ein Auftraggeber bei der Prüfung der Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit eines Bieters auch auf eigene Erfahrungen aus früheren, abgeschlossenen Vertragsverhältnissen zurückgreift (vgl. Daub/Eberstein, a.a.O., § 2, Rn. 30). Zwar unterliegt die Verwertbarkeit früherer eigener Erfahrungen mit einem Unternehmer zeitlichen Grenzen. Ein Anhaltspunkt für diese Grenzen bietet etwa der in § 8 Nr. 3 Abs. 1 a), b) und c) VOB/A indirekt geregelte Dreijahreszeitraum, der nach dem Schrifttum sogar für die Ausschlussdauer bei schweren Verfehlungen im Sinne des § 8 Nr. 5 VOB/A Anwendung finden soll (vgl. Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 8. Auflage, Rn. 62). Dieser Rechtsgedanke lässt sich auch auf den VOL-Bereichübertragen. Länger als drei Jahre dürften einem Bieter damit etwaige negative Erfahrungen aus früheren Vertragsverhältnissen nicht entgegengehalten werden. Dies schließt nicht aus, dass der Auftraggeber derartige Erfahrungen auch über diesen Zeitraum hinaus in aktuelle Vergabeentscheidungen mit einbezieht, sofern er hinreichende Ermittlungen darüber anstellt, ob der betreffende Unternehmer etwaige bekannte Mängel personeller oder organisatorischer Art zwischenzeitlich abgestellt hat.
Im vorliegenden Fall hat die Auftraggeberin aber nicht substantiiert dargelegt, dass ihre Erfahrungen mit der Antragstellerin aus dem bis 1995 währenden Vertragsverhältnis tatsächlich so negativ waren, dass sie die zwei ihr vorliegenden negativen aktuellen Referenzen zum Anlass nehmen konnte, die Antragstellerin nicht zum Angebot aufzufordern. Die Auftraggeberin hat zwar im Nachprüfungsverfahren belegt, dass sie in der Vergangenheit mehrfach unzureichende Reinigungsleistungen gegenüber der Antragstellerin sowohl mündlich als auch - per Formblatt - schriftlich bei der Antragstellerin reklamiert und zum Anlass genommen hat, von ihrem vertraglichen Recht auf Vergütungsminderung Gebrauch zu machen. Offensichtlich hielt die Auftraggeberin aber diese Verfehlungen der Antragstellerin nicht für so gravierend und untragbar, dass sie sich möglichst schnell weiterer Geschäftsbeziehungen mit dieser Firma enthalten musste. Vielmehr hat die Auftraggeberin unstreitig einen ursprünglich bis 1990 befristeten Reinigungsvertrag jeweils jährlich bis 1995 insgesamt fünf Mal verlängert. Angesichts dieser Tatsache überzeugt der Vortrag der Auftraggeberin, dass eine weitere Vertragsverlängerungüber den 30.09.1995 hinaus nur deshalb erwogen wurde, weil seinerzeit eine Rechtsänderung dahingehend im Vergaberecht eingetreten war, dass europaweit Aufträge dieser Volumina auszuschreiben waren und nicht bekannt gewesen sei, wer als Vergabeprüfstelle eingesetzt werden würde und die Verhandlungen deshalb nur auf eine entsprechende Weisung des xxxx zurückzuführen seien, nicht. Angesichts des der Vergabekammer vorliegenden Schriftwechsels der Beteiligten aus dem Jahre 1995 ist vielmehr davon auszugehen, dass eine weitere Vertragsverlängerung letztlich tatsächlich nur daran scheiterte, weil die Antragstellerin seinerzeit auf einer Erhöhung der Kosten um pauschal 12 % bestanden hat, zumal unstreitig in den Jahren zuvor lediglich vertragsgemäß 80 % der Tariferhöhung, also Erhöhung der Lohnkosten, an die Auftraggeberin weitergegeben wurden. Allein dieser Grund wird auch in dem abschließenden Schreiben des xxxxxxxx der xxxxxx vom 17.08.1995, in der die Beendigung des Vertragsverhältnisses zum 30.09.1995 bestätigt wird, als Begründung angeführt. Die Auffassung der Auftraggeberin, bei diesem abschließenden Schreiben handele es sich lediglich um eine Formalie und der dort geäußerte Dank sei lediglich als Höflichkeitsfloskel zu verstehen, wird von der Kammer nicht geteilt. Vielmehr musste sich die Auftraggeberin seinerzeit bewusst sein, dass ein derartiges Schreiben seinerseits geeignet war und ist, als Referenz gegenüber anderen Auftraggebern zu dienen.
Da die Nichtberücksichtigung der Antragstellerin somit auf ein nicht den Anforderungen des § 7 a Nr. 3 VOL/A genügendes Auswahlverfahren zurückzuführen ist, ist die Antragstellerin in ihren Rechten gemäß § 97 Abs. 7 GWB verletzt. Die Auftraggeberin war daher zu verpflichten, auch die Antragstellerin zum Angebot aufzufordern. Dem steht nicht die Erklärung der Auftraggeberin gemäß Ziff. 6 der Bekanntmachung vom 01.07.1999 entgegen, wonach beabsichtigt war, für das Los zehn Bewerber zur Angebotsabgabe aufzufordern. Durch die Formulierung "beabsichtigt" hat sich die Auftraggeberin nicht auf zehn Bewerber beschränkt. Durch die Berücksichtigung eines 11. Bewerbers werden imÜbrigen die Rechte der von der Auftraggeberin bereits ausgewählten zehn Bewerber nicht tangiert. Gleiches gilt für den Fall, dass die Auftraggeberin sich entscheidet, darüber hinaus noch weitere geeignete Bewerber zur Abgabe eines Angebotes aufzufordern.
III.
Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Es wird die Mindestgebühr in Höhe von 5.000,00 DM bzw. 2.556,46 EURO gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Die Überweisung der o.a. Gebühr hat sich durch den mit Schreiben vom 13.01.2000 - o.a. Az. - festgesetzten und bereits entrichteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe erledigt.
Tyrra
Brinkmann