Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 24.07.2000, Az.: 203-VgK-8/2000

Erfordernis der durchgehenden eindeutigen und erschöpfenden Beschreibung der Leistung; Vorliegen eines ungewöhnlichen Wagnisses durch eine Schwankung der zu erbringenden Leistung um 20 Prozent nach oben und nach unten; Beschreibung der Leistung anhand eines sog. Mengenkorridors; Vergleichbarkeit von auf Grundlage falscher Vorgaben erstellten Angeboten; Verpflichtung des Bieters zur eigenverantwortlichen Ermittlung von kalkulationsrelevanten Daten; Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes durch eine Mitteilung an nur einen Bieter; Stellenwert die Einhaltung der Grundsätze der Verdingungsordnungen; Gestaltung von Preisanpassungsregeln; Vorliegen eines Verstoßes gegen den Neutralitätsgrundsatz durch unzulässige Mitwirkung des Oberkreisdirektors mit Aufsichtratsmandat; Reichweite des Neutralitätsgrundsatzes innerhalb des Vergaberechts; Auswirkungen des durch ein Doppelmandat erweckten sog. Bösen Scheins der Parteilichkeit; Anforderungen an die Aufteilung der Leistung in Lose; Zulässigkeit einer funktionalen Ausschreibung bzw. Leistungsbeschreibung; Verpflichtung der Vergabestelle zur Kostenerstattung für Bearbeitung und Ausarbeitung des Angebots

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
24.07.2000
Aktenzeichen
203-VgK-8/2000
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 30869
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

Ausschreibung des Vertrages zur Sammlung und Beförderung von Abfällen pp.

In dem Nachprüfungsverfahren
hat die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg
durch
den Vorsitzenden ORR Gause,
den hauptamtlichen Beisitzer Dipl.-Ing. Tyrra und
den ehrenamtlichen Beisitzer Dr. Mielke
auf die mündliche Verhandlung vom 17.07.2000
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Auftraggeber wird verpflichtet, das Vergabeverfahren hinsichtlich aller Lose betreffend die "Sammlung und Beförderung von Restabfall, Sperrmüll, Bioabfall" und des Loses "Bewirtschaftung von Behältern verschiedener Größe in seinem Kreisgebiet" aufzuheben.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens trägt der Auftraggeber.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf 8.750,00 DM festgesetzt.

  4. 4.

    Es wird festgestellt, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin erforderlich gewesen ist.

  5. 5.

    Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten der Antragstellerin hat der Landkreis dieser zu erstatten, falls die Antragstellerin es bei der Vergabekammer beantragt.

Begründung

1

I.

Der Auftraggeber hat im offenen Verfahren gem. § 3 a Nr. 1 VOL/A die Sammlung und Beförderung von ca. 55.000 t/a Restabfall, ca. 11.000 t/a Sperrmüll, ca. 24.000 t/a Bioabfall, die Gestellung von ca. 2.370 Großbehältern 1.100 l sowie die Bewirtschaftung von ca. 153.000 Behältern verschiedener Größe in seinem Kreisgebiet ausgeschrieben.

2

In der Bekanntmachung vom 21.01.2000 heißt es unter "3. Lose: drei regionale Teillose oder ein kreisweites Los für Sammlung und Beförderung, kreisweites Los für die Gestellung von Großbehältern 1.100 l, kreisweites Los für die Behälterbewirtschaftung. Jedes Los kann auch einzeln angeboten werden." Unter 4. heißt es weiter: "Nebenangebote sind nicht zulässig." Als Vertragslaufzeit ist gemäß Bekanntmachung der Zeitraum 01.01.2001 bis 31.12.2004

3

(4 Jahre) mit Verlängerungsoption um ein Jahr vorgesehen. Für die Durchführung der Ausschreibung bediente sich der Auftraggeber der Firma ... . Die Firma ... ist selbst über ihre Abteilung ... auf dem Gebiet der Abfallentsorgung tätig mit fast ausschließlicher Ausrichtung auf den Bereich Transport. Die Angebote mussten dort bis zum 24.03.2000 eingehen. Die Lose "Sammlung und Beförderung" umfassen alle Leistungen, die ein Sammelfahrzeug innerhalb der Ortsgrenzen einer Kommune ausführt, um den Abfall aus Behältern oder Säcken sowie im Fall von Sperrmüll lose aufzunehmen, ferner die Beförderung des Mülls als Leistung der Raumüberwindung nach Abschluss einer Sammeltour bis zur Entladung des Sammelfahrzeugs in einer Entsorgungseinrichtung. Für das Regionallos I konnte dabei die Beförderung alternativ erfolgen durch die Fahrt eines Sammelfahrzeugs zu einer Müllumschlagstation (MUSt), den Umschlag des Abfalls dort in ein anderes Transportmittel und den anschließenden Transport von dort zur Entsorgungseinrichtung. Das Fachlos Behältergestellung umfasst die zur Erfassung der Abfälle notwendigen Großbehälter mit einem Fassungsvermögen von 1.100 l während der Vertragslaufzeit. Das Fachlos Behälterbewirtschaftung umfasst die Bewirtschaftung von Behältern sowohl im Eigentum des Auftraggebers (Kleinbehälter) als auch der durch Dritte gestellten Großbehälter mit einem Fassungsvermögen von 1.300 l. Nach den Verdingungsunterlagen ist der 1. Entwurf der Abfuhrplanung 2001 dem Auftraggeber bis zum 15.10.2000 vorzulegen. Die Auswahl der technischen Systeme (Sammelfahrzeuge etc.) ist im Rahmen der vom Auftraggeber genannten Anforderungen dem Bieter freigestellt, hat aber dem Stand der Technik zu entsprechen. Verlangt werden Bieterangaben zu der zum Einsatz gelangten Technik.

4

Unter Ziffer 2.1.7 der Verdingungsunterlagen - Vergabekriterien und Bewertungsmethodik - heißt es: "Das Vergabekriterium ist die Wirtschaftlichkeit. Gegenstand der Wirtschaftlichkeitsbewertung sind die Kosten der gesamten Entsorgungskette, die dem Auftraggeber entstehen und durch die Vergabeentscheidung unmittelbar oder mittelbar beeinflusst werden (sog. relative Einzelkosten).

5

Ausgangspunkt der Bewertung sind die direkten Kosten des Angebots, die sich aus der Multiplikation der spezifischen Preise mit den Leistungsmengen ermitteln. Letztere ergeben sich aus dem in der Leistungsbeschreibung wieder gegebenen Mengengerüst und deren Auswirkung auf die Wirtschaftlichkeit. In der Leistungsbeschreibung wird i. w. das Mengengerüst für 1998 angegeben. Der Auftraggeber geht davon aus, dass sich die Verhältnisse nicht maßgeblich geändert haben. Spürbare Veränderungen sind lediglich bei den Großbehältern aufgetreten, weshalb für diese das Mengengerüst 1999 beschrieben und Grundlage der Bewertung wird. Der Gesamtkostensumme der wirtschaftlichsten Angebote der einzelnen Regionallose wird abschließend das wirtschaftlichste Angebot für das kreisweite Los gegenübergestellt, um das wirtschaftlichste Angebot zu erkennen."

6

Unter "2.2 Rahmenbedingungen" der Leistungsbeschreibung wird unter 2.2.1 die Siedlungsstruktur, insbesondere die Wohn- und Verkehrsverhältnisse im Landkreis ... , dargestellt. Dabei heißt es u.a.:

"Nähere Informationen über: Einwohner und Haushalte, Wohnungen und Gebäude sowie das innerörtliche Straßennetz, jeweils differenziert nach den einzelnen Kommunen und Regionallosen (s. Anlage 3)." Anlage 3 enthält siedlungsstrukturelle Daten zu folgenden Parametern: Einwohner, Fläche (qkm), Haushalte, Gebäude, Wohnungen, Kennzahlen zu Einwohnern pro Haushalt, Haushalte pro Kilometer, Wohn./Gebäude sowie Einwohner/qkm. Als weiteren Parameter enthält die Anlage 3 das innerörtliche Straßennetz (km) mit folgender Fußnote: "Länge des innerörtlichen Straßennetzes wurde angenähert durch die Länge der Abwasserkanäle, Stand 27.01.1999."

7

Die Antragstellerin, die seit 1974 mit der Sammlung und Beförderung von Restabfall im Gebiet des Antragsgegners (Vertragsdauer bis 31.12.2000) beauftragt ist, hatte unter dem 28.01.2000 die Verdingungsunterlagen zur streitbefangenen Ausschreibung erhalten. Mit Schreiben vom 15.03.2000 machte sie gegenüber dem Auftraggeber verschiedene Verstöße gegen Vergabevorschriften geltend. Unter anderem äußerte sie die Auffassung, dass die Leistungsbeschreibung widersprüchlich sei. Insbesondere sei die im gegenständlichen Vergabeverfahren zugrunde gelegte Leistungsbeschreibung mit der VOL/A nicht in Einklang zu bringen. Es seien falsche Angaben in Bezug auf die Sammelstrecke gemacht worden. Die Ausschreibungsunterlagen enthielten keine Angaben über Füllgewichte der Behälter pro Entleerung. Die Formulierung über eine kurze Beschreibung der wesentlichen Eckpunkte des organisatorischen und technischen Konzeptes der Bieter durch Durchführung der ausgeschriebenen Leistung erwecke einen missverständlichen Eindruck. Der Antragsgegner beschreibe in unzulässiger Weise Alternativen. Mit Schreiben vom 22.03.2000 erinnerte die Antragstellerin noch einmal an die Erledigung der Rüge "Falsche Angaben zur Sammel-

8

strecke". Noch mit Telefax vom 22.03.2000 antwortete der Auftraggeber auf diese Rüge dahingehend, dass seiner Auffassung nach eine Irreführung eines kundigen Bieters ausgeschlossen sei, da sich die in den Verdingungsunterlagen genannten Angaben lediglich auf die Länge des innerörtlichen Straßennetzes und ausdrücklich nicht auf die tatsächliche Sammelstrecke beziehen. Aus diesem Umstand ergebe sich, dass ein Bieter die tatsächlichen Fahrstrecken in jedem Fall selbst abschätzen oder ermitteln müsse. Das Antwortfax schließt mit folgendem Satz:

"Insoweit sehen wir keine Veranlassung für entsprechende Informationen an den Kreis der Bietenden."

9

Ferner rügte die Antragstellerin mit Ihrem Schreiben vom 15.03.2000, dem Auftragnehmer werde durch die Leistungsbeschreibung ein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkung auf die Preise er nicht im Voraus schätzen kann. Sie bezieht sich auf eine von dem Auftraggeber auf den Seiten 19 und 20 der Verdingungsunterlagen unter den Punkten 2.2.1 und 2.2.2 verwendete Klausel über die Auswirkungen von Schwankungen des Abfallaufkommens auf die Einheitspreise. Dort heißt es:

"... weist der Auftraggeber darauf hin, dass es sich bei den Angaben zum Abfallaufkommen um Näherungswerte handelt, welche insbesondere saisonalen Schwankungen oder Abweichungen aus anderen Gründen unterliegen bzw. unterliegen können"(2.2.1, Seite 19).

Die Veränderung des jährlichen Abfallaufkommens (Gewichtstonnen) um +/- 20 % ist in die Preiskalkulation des Auftragnehmers einzubeziehen und wird vom Auftragnehmer und Auftraggeber als ohne Einfluss auf die kalkulierten spezifischen Preise anerkannt..."(2.2.2, Seite 20).

10

Unter dem 23.03.2000 unterbreitete die Antragstellerin dem Auftraggeber ein Angebot. Mit Schreiben vom 05.06.2000 rügte die Antragstellerin unter Hinweis auf den Beschluss des OLG Brandenburg vom 03.08.1999, ZVgR 1999, S. 207 ff., dass ihrer Auffassung nach der Oberkreisdirektor des Auftraggebers, Herr ... , von jeglicher Mitwirkung am gegenständlichen Vergabeverfahren ausgeschlossen sei, weil dieser - unstreitig - seit dem 03.04.2000 Mitglied des Aufsichtsrates des ... ist. Aufgrund einer unmittelbar bevorstehenden Fusion von ... könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich eine Tochter der ... oder eine Tochter der ... an dem Verfahren beteiligt hat. Unstreitig ist, dass die Beigeladene zu 2 eine Tochter der ... ist.

11

Mit Schreiben vom 13.06.2000 teilte die Firma ... der Antragstellerin mit, dass der Auftraggeber nicht beabsichtige, einen Zuschlag auf ihre Angebote in den Losen Sammlung, Beförderung von Abfällen, Behältergestellung und Behälterbewirtschaftung zu erteilen. Die Vergabeentscheidung werde anhand der in den Verdingungsunterlagen genannten Vergabekriterien getroffen. Der Auftraggeber komme mit dieser Mitteilung seiner Hinweispflicht nach. Der Zuschlag sei für den 26.06.2000 geplant.

12

Die Firma ... stellte bei der Eröffnung der Angebote fest, dass die Beigeladene zu 1 bei ihrem Angebot die Seite 11 der von der Firma ... erstellten Verdingungsunterlagen nicht zurückgesandt hatte. Die Seite 11 gehört zum Kapitel 1.4, in dem der Bieter unter anderem rechtsverbindliche Erklärungen abzugeben hat. Die Seiten 10 und 12 des Angebotes waren vorhanden. Auf Seite 12 befanden sich die erforderlichen Unterschriften des Bieters. Mit Schreiben vom 14.04.2000 forderte die Firma ... die Beigeladene zu 1 auf, bis zum 20.04. eine vollständige und rechtsverbindliche Kopie des Kapitels 1.4 der Verdingungsunterlagen nachzureichen. Die Beigeladene zu 1 übersandte daraufhin isoliert die Seite 11. Die Firma ... forderte die Beigeladene zu 1 daher am 03.05.2000 erneut auf, das Kapitel 1.4 der Verdingungsunterlagen in Kopie komplett zu übersenden. Daneben wurde um eine Bestätigung der Anerkennung der in 1.4 inhaltlich und vollumfänglich aufgeführten Angaben und Bestätigung gebeten. Mit Schreiben vom 03.05.2000 an die Firma ... , eingegangen am 04.05.2000, erklärte die Beigeladene zu 1: "Hiermit erklären wir uns mit der Ausführung der Verdingungsunterlagen Landkreis ... - Sammlung und Beförderung von Abfällen, Behältergestellung und -bewirtschaftung - beschriebenen Leistungen zu den von uns eingesetzten Preisen einverstanden. Wir erklären uns mit den genannten Ausführungen einverstanden." Diesem Schreiben war nun das mit den erforderlichen Eintragungen versehene Kapitel 1.4 aus den Verdingungsunterlagen, d. h. die Seiten 10 - 12, in Kopie beigefügt. Die Erklärung vom 03.05.2000 war von den Geschäftsführern der Beigeladenen zu 1 unterzeichnet.

13

Der Vergabevorschlag der Firma ... vom 06.06.2000 wie auch der Vergabevermerk des Regiebetriebs Abfallwirtschaft vom 09.06.2000 schließt mit der Empfehlung, den Zuschlag dem wirtschaftlichsten Angebot in den einzelnen Fachlosen jeweils kreisweit an folgende Bieter zu erteilen:

  • Gesamtlos RG Sammlung und Beförderung von Abfällen: ...
  • Los Behälterbewirtschaftung: ...
  • Los Behältergestellung: ...

14

Das Rechnungsprüfungsamt des Auftraggebers bestätigte nach Prüfung der Vergaben gem. §§ 119 Abs. 1 Nr. 4 NGO i.V.m. § 65 NLO, es bestünden "keine Bedenken, wenn der Zuschlag für die einzelnen Fachlose jeweils kreisweit den entsprechenden Bietern erteilt wird", und zwar Gesamtlos RG Sammlung und Beförderung von Abfällen (Fa. ... zum Angebotspreis von 5,910 Mio. DM jährlich netto, hinsichtlich des Loses Behältergestellung (Fa. ... ) zum Angebotspreis von 130.000,00 DM jährlich netto und hinsichtlich des Loses Behälterbewirtschaftung (Fa. ... ) zum Angebotspreis von 202.000,00 DM jährlich netto.

15

Mit Verwaltungsvorlage des Regiebetriebs Abfallwirtschaft des Auftraggebers vom 08.06.2000 wurde dem Kreisausschuss für die Sitzung vom 26.06.2000 ein entsprechender Beschlussvorschlag für die Vergabeentscheidung unterbreitet (Bl. 293, Ordner 10 der Vergabeakte). Unterschrieben ist der Entwurf der Verwaltungsvorlage vom Ersten Kreisrat des Auftraggebers, Herrn ... , und vom Leiter des Regiebetriebes Abfallwirtschaft des Auftraggebers, Herrn ... .

16

Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 20.06.2000, eingegangen per Telefax am gleichen Tage, die Vergabekammer angerufen. Sie vertritt die Auffassung, dass das streitbefangene Vergabeverfahren mit folgenden Verstößen des Auftraggebers gegen Vergabevorschriften behaftet ist:

  1. 1.

    Dem Vergabeverfahren liege unzulässigerweise eine Leistungsbeschreibung mit funktionalen Elementen zugrunde.

  2. 2.

    Es sei nicht ersichtlich, dass der Antragsgegner für die Bearbeitung des Angebots eine angemessene Kostenerstattung gewähre.

  3. 3.

    Dem gegenständlichen Vergabeverfahren liege eine mit der VOL/A nicht zu vereinbarende Bewertungsmethodik zugrunde.

  4. 4.

    Die zugrunde gelegte Leistungsbeschreibung sei mit den Vorgaben von § 8 Nr. 1, Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 VOL/A teilweise nicht in Einklang zu bringen. Der Auftraggeber weist lediglich darauf hin, "dass es sich bei den Angaben zum Abfallaufkommen um Näherungswerte handelt, welche insbesondere saisonalen Schwankungen oder Abweichungen aus anderen Gründen unterliegen bzw. unterliegen können."

  5. 5.

    Ein Verstoß gegen § 8 Nr. 1 VOL/A sei auch darin zu sehen, dass falsche Aussagen zur Sammelstrecke gemacht worden seien.

  6. 6.

    Ein Verstoß gegen § 8 Nr. 1 VOL/A bzw. 16 Nr. 2 VOL/A sei auch darin zu sehen, dass in den Ausschreibungsunterlagen keine Angaben über Füllgewichte der Behälter pro Entleerung gemacht worden sind.

  7. 7.

    Die Formulierung: "Zur besseren Beurteilung des Angebots bittet der Auftraggeber um eine kurze Beschreibung der wesentlichen Eckpunkte des organisatorischen technischen Konzeptes der Bieter zur Durchführung der ausgeschriebenen Leistungen, differenziert nach den Fachlosen, insbesondere: "... ist missverständlich

  8. 8.

    Herr OKD ... sei Mitglied des Aufsichtsrates der ... . Ein wie auch immer geartete Beteiligung von OKD ... am gegenständlichen Vergabeverfahren sei damit ausgeschlossen gewesen. Herr OKD ... sei verantwortlich für Ablauf und Gestaltung und Abschluss des Vergabeverfahrens. Damit bestehe zwingend die konkrete Möglichkeit, dass ohne Beteiligung von Herrn OKD ... das Vergabeverfahren anders gestaltet worden wäre und einen anderen Ausgang nehmen würde, als dies nunmehr möglicherweise der Fall ist.

17

Ferner macht die Antragstellerin den Inhalt ihrer Rügeschreiben vom 15.03.2000, 22.03.2000, 24.03.2000 und 05.06.2000 zum Inhalt ihres Sachvortrags im Nachprüfungsverfahren. Hinsichtlich des Vorwurfs der falschen Angaben zur Sammelstrecke erläutert die Antragstellerin, dass ein normaler Bieter angesichts der in Anlage 3 der Verdingungsunterlagen enthaltenen Angaben zum innerörtlichen Straßennetz bei der Kalkulation von falschen Voraussetzungen ausgehen musste. So sei etwa für die Gemeinde ... eine innerörtliche Straßennetzstrecke von 19 km angegeben worden, woraus zu folgern sei, dass die Fahrstrecke lediglich 19 km betrage. Demgegenüber gehe die Antragstellerin auf Grund ihrer bisherigen Tätigkeit davon aus, dass für die Sammlung in der Gemeinde ... eine Fahrstrecke von mehr als 100 km benötigt werde. Dies habe Einfluss darauf gehabt, dass die Antragstellerin nicht das preisgünstigste und nach der Diktion des Antragsgegners wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe, weil ortsunkundige Bieter auf Grund der fehlerhaften Angaben zur Sammelstrecke zwangsläufig tendenziell billiger sein mussten. Insgesamt ergebe sich im Landkreis ... eine Differenz von 4.821,8 km pro Abfuhr zwischen den Angaben aus den Ausschreibungsunterlagen und den tatsächlich abgefahrenen Sammelkilometern. Die Antragstellerin hat zudem eine von ihr in Auftrag gegebene Stellungnahme des Instituts für ... , vom 03.07.2000 vorgelegt, die ebenfalls die Relevanz der Anlage 3 der Verdingungsunterlagen für die Kalkulation der Bieter hervorhebt. Insbesondere die Kenngröße "Haushalte je km Straßenlänge" dürfte, so die Stellungnahme der ... für Wettbewerber bei der Angebotskalkulation zu einer erheblichen Fehleinschätzung des Abstandes zwischen den zu leerenden Behältern führen, da die angegebene Kennzahl ausschließlich die Gebietsstruktur in den dichter bebauten Bereichen innerhalb der Ortslagen beschreibe. Der Zeitaufwand für die Sammlung eines Behälters in der städtischen Bebauung des Landkreises ... (4 - 5 Behälter/100 m Sammelstrecke) betrage nur ca. 50 - 60 % des Aufwandes im ländlichen Bereich (0,5 - 1,5 Behälter/100 m Sammelstrecke).

18

Die Antragstellerin beantragt,

  1. 1.

    die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gem. §§ 107 ff. GWB,

  2. 2.

    geeignete Maßnahmen zu treffen, um die von der Vergabekammer festgestellten Rechtsverletzungen zu beseitigen. Dabei regt sie an, das Vergabeverfahren aufzuheben.

  3. 3.

    hilfsweise für den Fall der Erledigung des Nachprüfungsverfahrens durch Erteilung des Zuschlags, durch Aufhebung oder in sonstiger Weise festzustellen, dass eine Rechtsverletzung vorgelegen hat,

  4. 4.

    Einsicht in die Vergabeakten gem. § 111 Abs. 1 GWB,

  5. 5.

    festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten erforderlich gewesen ist,

  6. 6.

    dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

19

Der Auftraggeber beantragt,

  1. 1.

    die Anträge 3, 5 und 6 der Antragstellerin aus dem Schriftsatz vom 20.06.2000 zurückzuweisen und den Antrag auf Aufhebung des Verfahrens nicht anzunehmen,

  2. 2.

    festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch den Antragsgegner erforderlich gewesen ist und

  3. 3.

    der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

20

Der Auftraggeber tritt den Vorhaltungen der Antragstellerin entgegen. Sie hält den Nachprüfungsantrag für unbegründet. Dem Vergabeverfahren liege keine Leistungsbeschreibung mit funktionalen Elementen zugrunde. Die Leistungsbeschreibung sei vielmehr im Detail formuliert und beschrieben. Sämtliche Details ließen sich aus den Verdingungsunterlagen und den Anlagen zu den Verdingungsunterlagen entnehmen. Der Auftraggeber habe den Bietern lediglich nicht vorgegeben, wie sie ihren Betrieb zu organisieren haben. Ein Anspruch der Antragstellerin auf Kostenerstattung sei nicht gegeben, selbst wenn dieser gegeben wäre, wäre dieser nach Auffassung des Auftraggebers jedenfalls nicht im Nachprüfungsverfahren, sondern allenfalls vor den Zivilgerichten geltend zu machen. Das von der Antragstellerin als zu ungenau kritisierte Zuschlagskriterium der Wirtschaftlichkeit entspreche eindeutig den Vorgaben des § 97 Abs. 5 GWB wie auch des§ 25 Nr. 3 VOL/A. Weitere Kosten wie etwa im Falle eines notwendigen Umbaus der MUSt ... hätten zwar bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung mit berücksichtigt werden können. Da jedoch kein Bieter einen solchen Umbau verlangt habe, sei der Faktor "Weitere Kosten" vollständig unberücksichtigt geblieben. Auch die Bewertungsmethodik sei nicht zu beanstanden. Die Formulierung, dass die Gesamtkostensumme der wirtschaftlichsten Angebote der einzelnen Regionallose abschließend dem wirtschaftlichsten Angebot für das kreisweite Los gegenübergestellt wird, um dass (insgesamt) wirtschaftlichste Angebot zu erkennen, sei weder von der VOL/A untersagt, noch sei diese missverständlich. Vielmehr komme in ihr zum Ausdruck, dass der Zuschlag auf das für die Vergabestelle wirtschaftlichste Angebot erteilt werden soll.

21

Die Leistungsbeschreibung lege den Bietern auch kein unzulässiges Wagnis auf. Das Erfordernis, dass der gesuchte Dienstleister fähig und willens sein muss, die Sammel- und Transportleistungen auch dann zu erbringen, wenn sich das Abfallaufkommen verändert, sei vielmehr eine aus der Natur des Geschäftes resultierende Notwendigkeit. Um etwaigen Schwankungen im Abfallaufkommen Rechnung zu tragen, habe sich der Auftraggeber daher zu Recht dafür entschieden, einen Mengenkorridor von +/- 20 % der heutigen Abfallmenge vorzugeben, innerhalb dessen der Stückpreis unverändert bleiben soll. Diese Festlegung verursache keine ungewöhnlichen Kalkulationsrisiken. Ein solcher Mengenkorridor sei branchenüblich, wie sich aus vergleichbaren Vergabeverfahren mehrerer Kommunen ergebe. Auch führe dieser Mengenkorridor nicht zu einer Veränderung der Qualität der ausgeschriebenen Leistung. Um für die Bieter die Kalkulationsrisiken gering zu halten, sei ein Preissystem ausgeschrieben worden, das die entscheidenden Kostenfaktoren, nämlich zu leerende Behälter und zu beförderndes Gewicht, als Preismaßstab angibt.

22

Der Auftraggeber habe auch keine falschen Angaben zur Sammelstrecke gemacht, indem in den Verdingungsunterlagen die Länge des innerörtlichen Straßennetzes mit der Länge der Abwasserkanäle gleichgesetzt worden seien. Die Antragstellerin verkenne die Methodik, nach der üblicherweise in dieser Branche eine Kostenkalkulation erstellt wird. Tatsache sei zunächst, dass die Siedlungsstruktur in den Verdingungsunterlagen umfassend beschrieben werde, um den Bietern einen Eindruck über die räumlichen Verhältnisse im Entsorgungsgebiet zu vermitteln. Der Auftraggeber habe den Bietern deshalb die ihm zur Verfügung stehenden Daten, wie z.B. Bevölkerung, Haushalte, Gebäude und Wohnungen sowie die Anzahl der vorhandenen Behälter zur Verfügung gestellt. Zur Länge des innerörtlichen Straßennetzes stünden dem Auftraggeber aber keine Daten zur Verfügung. Dies habe der Auftraggeber klar gesagt und die Länge des Kanalnetzes als reinen Hilfsmaßstab genannt. Dieser Hilfsmaßstab sei jedoch tauglich, um in eingeschränktem Umfang gewisse Daten über die Fahrstrecke zu ermitteln. Innerörtlich, d. h. im geschlossenen Siedlungsgebiet, siedele die Bevölkerung in der Regel an gedeckten Straßen und ist an das Kanalnetz angeschlossen. Aus diesem Grund sei die Länge des Kanalnetzes als Näherung an das Wegenetz ein tauglicher Maßstab. Einem Fachkundigen, an den sich die Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes richtet, sei klar, dass die so angenäherte Länge des Wegenetzes nicht gleich bedeutend mit der Fahrstrecke sei. Die tatsächlich im Betrieb entstehenden Fahrstrecken würden im Wesentlichen von der Organisation des einzelnen Dienstleisters abhängen. Maßgebliche Faktoren seien die Abfuhrbezirksgliederung, die Routenplanung und das eingesetzte Fahrzeugsystem. Aus diesem Grund sei es weder zweckmäßig noch möglich, dass der Auftraggeber die tatsächlichen Fahrstrecken benenne. Dies hänge allein von der Einsatzplanung der Bieter ab. Aus den vorgenannten Gründen sei es daher Aufgabe der Bieter, sich einen Eindruck von den räumlichen Verhältnissen vor Ort zu schaffen. Der Auftraggeber habe die Bieter daher in Ziffer 2.2.1 (Seite 19 der Verdingungsunterlagen) aufgefordert, sich selbst einen ausreichenden Eindruck über die örtlichen Verhältnisse zu verschaffen, um diese in der Kalkulation des Angebots zu berücksichtigen. Er habe an selber Stelle der Verdingungsunterlagen darauf hingewiesen, dass es in verschiedenen Kommunen die Platzverhältnisse nicht zulassen, einzelne Straßenzüge mit Standard-Sammelfahrzeugen zu durchfahren und dort zu wenden. Auch dies sei ein Indiz dafür, dass die Länge des Kanalnetzes nicht mit der Länge der tatsächlichen Fahrstrecke übereinstimmen kann. Im Übrigen kalkulierten die Bieter in der Abfallbranche üblicherweise ihre Preise nicht auf der Basis nicht spezifizierter Annahmen zur innerörtlichen Fahrstrecke, sondern auf Grund von Erfahrungswerten, einer Straßenkarte, auf der der Gebäudebestand eingezeichnet ist, und überschlägigen Berechnungen von Fahrzeug- und Personalbedarf. Entscheidende Basis hierfür sei die selbst erworbene Kenntnis der räumlichen Struktur, die Angaben zu vorhandenen Behältern und zu erfassenden Abfallmengen sowie die Kenntnis von eigenen Leistungswerten von Fahrzeugen und Fahrzeugbesatzungen. Die Behauptung der Antragstellerin, sie habe allein deshalb den Auftrag nicht erhalten, weil sie die Fahrstrecke anders - teurer als die Konkurrenten - berücksichtigt habe, werde durch die Submission nicht belegt.

23

Ein Verstoß gegen die VOL/A sei auch nicht darin zu sehen, dass der Auftraggeber in den Ausschreibungsunterlagen keine Angaben über die Füllgewichte der Behälter pro Entleerung gemacht habe. Zum einen liegen diese Angaben auch dem Antraggeber nicht vor. Die Bieter seien jedoch in den Anlagen zu den Verdingungsunterlagen detailliert über die Anzahl und die Standorte der vorhandenen Behälter informiert worden. Des Weiteren seien Informationen über die Anzahl der gelieferten Zusatzabfallsäcke für Restabfall und die gesammelte Abfallmenge enthalten. Anhand dieser Angaben lasse sich mit einfacher Rechnung die durchschnittliche Füllmenge der Behälter ermitteln. Die von den Bietern in Ziffer 4.4 der Verdingungsunterlagen erbetene "kurze Beschreibung der wesentlichen Eckpunkte des Angebotes" habe sich nicht, wie die Antragstellerin meine, auf die nachgefragte Leistung bezogen, sondern sich lediglich auf den internen Ablauf und Modus der Leistungserbringung bezogen. Die Leistung selbst habe der Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen und in dem Vertragsentwurf ausführlich und abschließend beschrieben. Die von der Antragstellerin gerügte Auslegung in der Leistungsbeschreibung, nach der die Sammlung alle Leistungen umfasst, die ein Sammelfahrzeug innerhalb der Ortsgrenzen einer Kommune ausführt, sei nicht widersprüchlich, sondern grundsätzlicher Natur. Mit dieser Bestimmung sei durchaus vereinbar, dass auch ortsteil- oder kommunenübergreifende Touren gefahren werden.

24

Die von der Antragstellerin behauptete Verletzung der Neutralitätspflicht durch die Mitgliedschaft des Oberkreisdirektors ... im Aufsichtsrat der ... seit dem 03.04.2000 und die Beteiligung Firma ... GmbH als Tochtergesellschaft der ... am gegenständlichen Vergabeverfahren sei nicht gegeben. Zwar befänden sich ... und die ... in Verhandlungen, um eine Fusion herbeizuführen. Diese sei aber bisher nicht vollzogen, so dass eine organschaftliche Beziehung nicht bestehe. Selbst wenn man den Oberkeisdirektor ... ab dem Zeitpunkt seiner Berufung in den Aufsichtsrat am 03.04.2000 als befangen im Sinne des § 20 VwVfG einstufen wolle, sei zu berücksichtigen, dass der Submissionstermin bereits zuvor am 24.03.2000 stattgefunden hatte und die Angebote der Bieter zur Auswertung bei dem beauftragten Büro ... gelegen hätten. Der Auftraggeber insgesamt habe sich bewusst bis zur abgeschlossenen Auswertung der Angebote durch die Firma ... zurückgehalten. Das Büro ... sei vollständig unabhängig bis zum Abschluss seiner Auswertung gewesen. Das Ergebnis der Auswertung entspreche dem derzeitigen Vergabevorschlag.

25

Im Übrigen habe Herr Oberkreisdirektor ... schon zu Beginn des Verfahrens die gesamte Bearbeitung in eigener Verantwortung Herrn Kreisrat ... übergeben.

26

Die Vergabekammer hat die Bieterfirmen ... , ... gem. § 109 GWB beigeladen, weil deren Interessen durch die Entscheidung schwer wiegend berührt werden. Die Firma ... , Beigeladene zu 1, tritt der Antragserwiderung der Auftraggeberin bei und verweist darauf, dass auf Grund ihrer langjährigen Erfahrung und Fachkunde, auch in Bezug auf andere Ausschreibungen, die von der Antragstellerin als fehlend gerügten Angabenüber Füllgewichte der Behälter pro Entleerung nicht kalkulationsrelevant gewesen seien.

27

Auch die Firma ... , Beigeladene zu 2, tritt dem Vorbringen der Auftraggeberin im Wesentlichen bei. Sie weist jedoch darauf hin, dass ihr bei einer anderen Ausschreibung Kosten in Höhe von 50.000,00 DM erstattet worden seien. Ferner sei nicht verständlich, dass ihr die Ausschreibungsunterlagen vom ... zugesandt wurden, die Abgabebestätigung ihres Angebotes dagegen von der Fa. ... und die Nachforderungen zu ihrem Angebot von der Fa. ... erhalten hat. Die Beigeladene zu 2 hat einen Auszug des Mitgliederverzeichnisses des BDE vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass die Fa. ... u.a. in der Betriebssparte Sammlung und Transport von Haushaltsabfällen und haushaltsähnlichen Gewerbeabfällen tätig ist.

28

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Sitzungsprotokoll über die mündliche Verhandlung vom 17.07.2000 Bezug genommen.

29

II.

Der zulässige Antrag der Antragstellerin ist hinsichtlich der Lose betreffend die Sammlung und Beförderung von Restabfall, Sperrmüll und Bioabfall sowie betreffend die Bewirtschaftung von Behältern verschiedener Größe in ihrem Kreisgebiet begründet. Die Antragstellerin ist im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt, weil der Auftraggeber im streitbefangenen Vergabeverfahren zum einen die Leistung nicht durchgehend eindeutig und so erschöpfend beschrieben hat, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen mussten und die Angebote miteinander verglichen werden konnten (§ 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A). Ferner wurde den Auftragnehmern ein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet für Umstände und Ereignisse, auf die sie keinen Einfluss hatten und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen sie nicht im Voraus schätzen konnten (§ 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A), indem der Auftraggeber zur Bedingung machte, dass eine Änderung der Anzahl der Tauschvorgänge der Abfallbehälter beim Restabfall von ± 20% und ebenfalls ± 20 % der jährlichen Anzahl an Abholung von Sperrmüll keinen Einfluss auf die von den Bietern angebotenen Preise haben sollten.

30

1.

Der Antrag ist zulässig. Bei dem Auftraggeber handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und damit um einen öffentlichen Auftraggeber i. S. des § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Zwar hat der Gesetzgeber von der Ermächtigungsgrundlage in § 127 Nr. 1 GWB zum Erlass einer Rechtsverordnung zur Umsetzung der Schwellenwerte für eine EU-weite Ausschreibung bislang keinen Gebrauch gemacht. § 100 GWB ist aber richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass die Schwellenwerte unmittelbar durch die EG-Richtlinien bestimmt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Dienstleistungsauftrag, für den gem. § 1 a Nr. 1 VOL/A der für eine Pflicht zur EU-weiten Ausschreibung maßgebliche Schwellenwert von 200.000,00 EURO = 391.166,00 DM gilt. Der voraussichtliche Wert allein des kreisweiten Loses für die Sammlung und Beförderung von Restabfall, Sperrmüll und Bioabfall hat für den ausgeschriebenen vierjährigen Vertragszeitraum nach den vorliegenden Ergebnissen der Ausschreibung einen Wert von mindestens 6 Mio. DM jährlich undübersteigt damit den für die Anrufung der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert.

31

Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt i. S. des § 107 Abs. 2 GWB, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie behauptet, sie habe nur deshalb kein konkurrenzfähiges Angebot abgeben können, weil die Leistungsbeschreibung in der streitbefangenen Ausschreibung unter Verstoß gegen § 8 Nr. 1 VOL/A nicht eindeutig und so erschöpfend war, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen mussten und die Angebote miteinander verglichen werden können, da die Anlage 3 dieser Leistungsbeschreibung falsche Angaben zur Sammelstrecke und zur für die Kalkulation maßgebenden Kennzahl Haushalte/km enthielt. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB ist weiterhin, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107, Rdn. 52). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Sie hat schlüssig vorgetragen, dass sie möglicherweise ein konkurrenzfähiges Angebot vorgelegt und damit zumindest eine Aussicht auf Erhalt des Zuschlages gehabt hätte, wenn sie nicht entgegen den von ihr als falsch monierten Kennzahlen zu den der Kalkulation zugrunde zu legenden Sammelkilometern und insbesondere der Haushalte pro Sammelkilometer eigene, selbst ermittelte und realistischere Kennzahlen ihrer Kalkulation zugrunde gelegt hätte. Es ist nicht erforderlich, dass die Antragstellerin auch schlüssig darlegt, dass sie bei vergabekonformem Verhalten des Auftraggebers den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.04.1999, Az.: Verg. 1/99, S. 24).

32

Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber dem Auftraggeber unverzüglich zu rügen. Die Antragstellerin hatte bereits mit Schreiben vom 15.03. und damit noch vor Angebotsabgabe mit Schreiben vom 23.03.2000 u.a. gerügt, dass die dem Vergabeverfahren zugrunde gelegte Leistungsbeschreibung nicht mit den Vorgaben der VOL/A in Einklang zu bringen sei. Es seien falsche Angaben in Bezug auf die Sammelstrecke gemacht worden. Die Ausschreibungsunterlagen enthielten keine Angaben über Füllgewichte und Behälter pro Entleerung. Die Leistungsbeschreibung sei auch darüber hinaus widersprüchlich. Diese Verstöße betrafen die Ausschreibungsunterlagen selbst, so dass die Antragstellerin grundsätzlich frühestens ab 28.01.2000, dem Tag, an dem sie von der Firma ... die Verdingungsunterlagen erhalten hatte, die von ihr behaupteten Verstöße grundsätzlich erkennen konnte. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich bei der streitbefangenen Ausschreibung um einen komplexen Auftrag und detaillierte Ausschreibungsunterlagen handelte, dessen rechtliche Überprüfung auch für einen sach- und fachkundigen Bieter die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes erforderlich machte, hält die Kammer diese Rüge vom 15.03.2000 für rechtzeitig im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB. Auch soweit die Rüge die von der Auftraggeberin mit der Durchführung der Ausschreibung beauftragte ... betraf, war die Rüge rechtzeitig, da die Tatsache der Beauftragung zwar schon auf Grund der Bekanntmachung erkennbar war i. S. des § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB, die Rüge jedoch noch vor der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe - 24.03.2000 - erfolgte. Auch die Rüge vom 05.06.2000 bezüglich der Mitgliedschaft des Herrn OKD ... im Aufsichtsrat der ... erfolgte rechtzeitig, da die Antragstellerin erst Ende Mai von diesem Mandat erfahren hat.

33

2.

Der Nachprüfungsantrag ist auch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

34

a)

Die von der Antragstellerin gerügten Verstöße gegen die Bestimmungen des § 8 VOL/A hinsichtlich der Leistungsbeschreibung, die sich auf alle Lose beziehen, mit Ausnahmen der reinen Behältergestellung, liegen vor. Die von der Antragstellerin gerügte unrealistische Streckenkilometerangabe, vor allen Dingen aber die für eine Preiskalkulation relevante Relation dieser Kilometer zur tatsächlichen Anzahl der zu entsorgenden Haushalte, die als maßgebliche Kennzahl "Haushalte/km" aus der Anlage 3 zur Leistungsbeschreibung hervorgeht, stellt bereits für sich genommen einen schwer wiegenden Verstoß gegen § 8 Nr.1 Abs. 1 VOL/A dar.

35

Gemäß § 8 Nr.1 Abs. 1 VOL/A ist die Leistung eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und die Angebote miteinander verglichen werden können. Um eine einwandfreie Preisermittlung zu ermöglichen, sind alle sie beeinflussenden Umstände festzustellen und in den Verdingungsunterlagen anzugeben. Dem Auftragnehmer soll ferner gemäß § 8 Nr.1 Abs. 3 VOL/A kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus schätzen kann.

36

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt worden. So ist die Sammelstrecke als Parameter für die Siedlungsstruktur gravierende Grundlage für eine ordnungsgemäße Kalkulation. Mängel in den Vorgaben der Leistungsbeschreibung führen i.d.R. zu Spekulationen und entsprechenden Hochrechnungen und somit zu Fehlkalkulationen. Hierdurch kann ein ordentlicher Wettbewerb nicht zustande kommen, d.h., dass auf Grund falscher Vorgaben erstellte Angebote beliebig auslegungsfähig werden, nicht mehr miteinander verglichen werden können und der Auftraggeber bei der Wertung der Angebote u.U. von falschen Voraussetzungen ausgeht. So ist es durchaus denkbar, das ein vermeintlich wirtschaftliches Angebot auf Grund dieser Mängel später im Vertrag zu Nachforderungen führt. Die dann geforderten Preise kommen nicht mehr im Wettbewerb zustande. Nachtragsverhandlungen führen i.d.R. zu großen Problemen in der Preisfindung. Wirtschaftliches Handeln seitens des Auftraggebers ist dann i.d.R. kaum belegbar.

37

Auf Seite 19 der Verdingungsunterlagen wird die Siedlungsstruktur global beschrieben. Bezüglich näherer Einzelheiten über Einwohner und Haushalte, Wohnungen und Gebäude sowie das innerörtliche Straßennetz wird auf die Anlage 3(2 Seiten) verwiesen. Nur hinsichtlich der Platzverhältnisse in den einzelnen Kommunen wird der Auftragnehmer aufgefordert, sich selbst einen ausreichenden Eindruck zu verschaffen. Ortsbesichtigungen unter Führung der Auftraggeberin waren in der Verdingungsunterlage nicht vorgesehen.

38

In der Anlage 3 werden die Kennzahlen für die einzelnen Entsorgungsgebiete aufgeführt. Aus dieser Anlage konnte ein fachkundiger, aber nicht zwangsläufig ortskundiger, Bieter entnehmen, dass diese Angaben auf der Orts- und Sachkenntnis des Auftraggebers beruhen und dass diese Parameter als vorgegebene Fakten somit nicht in Zweifel gezogen werden müssen. Ortskundigkeit darf kein Kriterium in einem ordentlichen Wettbewerb sein und würde den o.a. Grundsätzen der VOL zur Anforderung an die Leistungsbeschreibung zuwiderlaufen, speziell auch dem EU-Wettbewerbsrecht, da z.B. auch ein Unternehmen aus Portugal oder den Niederlanden durch die Leistungsbeschreibung in die Lage versetzt werden muss, ein ordnungsgemäßes Angebot abgeben zu können. Auch die Fußnote, wonach das Straßennetz nur annähernd ermittelt wurde, ändert nichts an der Tatsache, das die Vorgaben verbindlichen Charakter haben. Näherungsmängel und evtl. daraus erwachsenen Folgen muss sich immer der Verwender zurechnen lassen, also hier der Auftraggeber. Im Übrigen ist bei der Erfassung der Mengengerüste immer mit kleineren Abweichungen zu rechnen, so dass aus der Fußnote nicht geschlossenen werden musste, eigene Untersuchungen anzustellen. Also auch der fachkundige Bieter musste sich durchaus auf diese Angaben verlassen können. Der Auftraggeber muss sich an den Vorgaben festhalten lassen und kann diese im Nachhinein nicht als "nur Anhaltspunkte" herabstufen. Dem Auftraggeber hätte es auch freigestanden, die Kilometerangaben fortzulassen und stattdessen entsprechendes Kartenmaterial beizufügen oder auf allgemein zugängliches Kartenmaterial(Ortspläne, Messtischblätter etc.) zu verweisen. So wäre auch ein ortsunkundiger Bieter in der Lage gewesen, ordnungsgemäß zu kalkulieren.

39

Die Antragstellerin hatte auf Grund ihrer im Rahmen ihrer bisherigen Tätigkeit im Entsorgungsgebiet erworbenen Ortskenntnisse festgestellt, dass die Sammelkilometerangaben in der Anlage 3 nicht zutreffen. Sie hatte daraufhin dem Auftraggeber mit Schreiben vom 15.03.2000, also rechtzeitig vor dem Einreichungstermin am 24.03.2000, u.a. auf die fehlerhaften Angaben zu den Sammelstrecken hingewiesen. In einem weiteren Schreiben der Antragstellerin vom 22.03.2000, auch noch rechtzeitig vor dem Einreichungstermin, wurden nochmals die Angaben zur Sammelstrecke gerügt. Mit Schreiben vom 22.03.2000 hat dann der Auftraggeber reagiert und der Antragstellerin mitgeteilt, dass die vorgebrachten Bedenken geprüft wurden, jedoch mangelhafte Kalkulationsmöglichkeiten nicht gesehen werden. Eine Informationspflicht gegenüber dem übrigen Kreis der Bieter wird nicht gesehen(§ 17 Nr. 6 VOL/A). Die Prüfung der vorgetragenen Bedenken, wozu der Bieter auch gemäß 1.2.4 auf Seite 7 der Verdingungsunterlagen, d.h., im Rahmen seiner vorvertraglichen Nebenpflichten verpflichtet ist, ist vom Auftraggeber nicht mit entsprechender Sorgfalt durchgeführt worden. Der Auftraggeber musste erkennen, welche Bedeutung derartige Mängel bei der Kalkulation haben können. Der Auftraggeber kann sich auch nicht darauf zurückziehen, dass die Antragstellerin keine näheren Angaben zu den ihr aus ihrer langjährigen Tätigkeit für den Auftraggeber bekannten tatsächlichen Verhältnissen gemacht hat. Zum einen hat der Auftraggeber in der mündlichen Verhandlung vom 17.07.2000 eingeräumt, dass er auch die Rügen vom 15. und 22.03.2000 nicht zum Anlass genommen hat, die Antragstellerin zu befragen, was nahe gelegen hätte. Des Weiteren liegt es im eigenen Aufgabenbereich des Auftraggebers, entsprechende Ermittlungen anzustellen. Im vorliegenden Fall wäre dies sogar ohne großen Aufwand und kurzfristig möglich gewesen, wie die von der Antragstellerin hierzu im Nachhinein angestellten eigenen Erhebungen bei mehreren betroffenen Kommunen dokumentieren und belegen.

40

Die Antragstellerin hat plausibel und durch die von ihr eingeholte schriftliche Stellungnahme des fachkundigen Instituts für ... , vom 03.07.2000 - ergänzt durch den Vortrag des diesem Institut angehörenden Prof. Dr. ... in der mündlichen Verhandlung vom 17.07.2000 - schlüssig und fundiert dargelegt, dass die in den Verdingungsunterlagen in der Anlage 3 vorgegebenen Ortsnetzkilometer z.B. im Hinblick auf die Sammelstrecke für die Entsorgung des Restabfalls gegenüber der Realität um ca. 40% (1.667 zu real 2.334 km - reine Straßen- und Wegenetzkilometer, ohne Berücksichtigung der teilweise erforderlichen Befahrung in beiden Fahrtrichtungen) unterschritten werden. Diese Abweichung steht im krassen Widerspruch zur Verpflichtung zur genauen Erfassung der Mengen gemäß § 8 Nr. 1ff. VOL/A.

41

Weiterhin sind die in der Anlage 3 in Spalte 9 aufgeführten km-Angaben mit den Haushalten in Verbindung gesetzt worden. Die hieraus resultierenden Kennzahlen sind dann die eigentlichen Kalkulationsgrundlagen. Für die Kalkulation ist die Haushaltsdichte pro Sammelkilometer nach Überzeugung der Vergabekammer durchaus entscheidend. Entsprechende Verzerrung erfährt naturgemäß eine Umlegung der Haushalte auf andere Sammelkilometer und daraus resultierend der Zeitaufwand pro Sammeltour. Dies führt dann zu Fehlkalkulationen.

42

Die Antragstellerin will nunmehr auf Grund der im o.a. Rügeverfahren gegebenen Hinweise dem Auftraggeber hinsichtlich der km-Angaben, die tatsächlichen Sammelkilometer aus der eigenen Erfahrung ihrer Kalkulation zugrunde gelegt haben, um den Auftraggeber u.a. auch von Nachforderungen freizuhalten. Die Antragstellerin konnte sich grundsätzlich selbstverständlich darauf verlassen, dass die von ihr gerügten Unstimmigkeiten in der Leistungsbeschreibung bezüglich der Kilometerangaben und insbesondere der Kennzahl Haushalte/km auch den übrigen Bewerbern mitgeteilt werden. Mit Schreiben vom 22.03.2000 hat der Auftraggeber ihr jedoch auf ihre entsprechende Rüge mitgeteilt, er sehe keine Veranlassung für eine entsprechende Information an den Kreis der Bietenden. Gleichwohl räumte der Auftraggeber in diesem Schreiben ein, dass die angegebenen Ortsnetzkilometer erheblich von der realistischen Sammelstrecke abweichen und erklärte, dass ein Bieter die tatsächlichen Fahrstrecken in jedem Fall selbst abschätzen und ermitteln müsse. Damit bestärkte der Auftraggeber die Antragstellerin in ihrer Auffassung, die kalkulationsrelevanten Daten und Kennzahlen selbst ermitteln zu müssen und die Anlage 3 insoweit zu ignorieren, obwohl der Auftraggeber spätestens hier erkennen musste, dass möglicherweise nicht alle Bieter von den gleichen Verhältnissen ausgehen würden.

43

Allerdings sind in der Urkalkulation der Antragstellerin wie auch in den anderen von der Vergabekammer überprüften Urkalkulationen keine km-Angaben enthalten. Ein Nachweis über einen anderen von der Anlage 3 abweichenden Sammelkilometeransatz bei der Kalkulation ist damit von der Antragstellerin unmittelbar nicht geführt worden. Dies ist aber auch nicht notwendig, da die Abweichung von der Realität unstrittig und so bedeutend ist, dass allein der Nachweis der realen Sammelkilometer ausreicht. Die von der Vergabekammer überprüften Urkalkulationen - soweit sie den Anforderungen einer solchen entsprechen - berücksichtigen die Einsatzzeit der Fahrzeuge und des Personals. Es liegt daher auf der Hand, dass sich Angaben zur Sammelstrecke und insbesondere zur Haushalts und damit auch Behälterdichte pro Kilometer auf die Einsatzzeit und damit auch auf die Kalkulation auswirken.

44

Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung sieben auf eine entsprechende Abfrage von ihr eingegangene Antwortschreiben von Entsorgungsfirmen vorgelegt, die sich zum Teil auch selbst an der streitbefangenen Ausschreibung beteiligt hatten. Alle sieben Unternehmen bestätigen, dass Angaben zur Sammelstrecke und insbesondere die Kennzahl HH/Km und die daraus abzuleitende Behälterdichte durchaus kalkulationsrelevant ist. In dem Schreiben der Bieterfirma ... vom 14.07.2000 heißt es z.B.:

"Da wir keinen Anlass gesehen haben, diese Kennzahlen des Landkreises anzuzweifeln, bestätigen wir Ihnen hiermit gerne, dass, wenn der Kreis andere (richtigere) Angaben gemacht hätte, unsere Kalkulation anders ausgefallen wäre."

45

Ähnliche Bestätigungsschreiben der Beigeladenen zu 3) und zu 4) hat die Antragstellerin der Vergabekammer mit Telefax vom 19.07.2000 vorgelegt.

46

Die Antragstellerin ist durch die von den Verdingungsunterlagen abweichenden Auskünfte des Auftraggebers von anderen Vorraussetzungen bei der Abfassung ihres Angebotes ausgegangen. Dabei ist die Frage unerheblich, warum die Antragstellerin nicht den Vorgaben der Leistungsbeschreibung gefolgt ist. Hier ist der Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß § 2 VOL/A verletzt worden. Die Antragstellerin ist durch die fehlerhafte Auflistung der Kilometer und der Kennzahl HH/Km letztlich vor allem deshalb in ihren Rechten verletzt worden, weil der Auftraggeber nur der Antragstellerin gegenüber mit seinem Schreiben vom 22.03.2000 erklärt hat, dass ein Bieter die tatsächlichen Fahrtstrecken in jedem Fall selbst abschätzen oder ermitteln müsse. Sie hat sich aber ausdrücklich geweigert, entsprechende Informationen an den übrigen Kreis der Bietenden zu geben obwohl sie dazu verpflichtet gewesen wäre. Da die Fehlerhaftigkeit der Angaben zur Siedlungsstruktur in Anlage 3 der Verdingungsunterlagen, wie oben dargelegt, entgegen der Auffassung des Auftraggebers zumindest für ortsunkundige Bieter nicht ohne weiteres erkennbar war, mussten zumindest solche Bieter bei ihrer Kalkulation von anderen Vorraussetzungen ausgehen als die Antragstellerin, der der Auftrageber ja die Fehlerhaftigkeit der maßgeblichen Kennzahlen bestätigt hat. Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 17.07.2000 schlüssig dargelegt, dass die Zugrundlegung der von der Realität unstreitig stark abweichenden Kennzahlen zum Parameter HH/Km zu einem den Preis verringernden Kalkulationsunterschied von bis zu 976.007,00 DM für die Sammlung und Beförderung von Restabfall und Bioabfall im Landkreis ... zuzüglich 20-25% wegen der entsprechenden Auswirkungen auf die Sperrmüllabfuhr führen kann.

47

Welchen Stellenwert die Einhaltung der Grundsätze der Verdingungsordnungen hat, hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Urteil vom 25.05.1990 - 4 B 87.02245 - aufgezeigt. Hiernach rechtfertigt i.d.R. ein Verstoß gegen den Grundsatz der Ausschreibung, als das Kernstück der VOB, regelmäßig den Widerruf eines Zuwendungsbescheides. Dies trifft aber auch auf eine ordnungsgemäße Leistungsbeschreibung zu, denn auch diese ist im Hinblick auf Chancengleichheit und dem Gleichbehandlungsgrundsatz als weiteres Kernstück der Verdingungsordnungen (VOB/VOL) einzuordnen. Im Übrigen greifen auch bei der Leistungsbeschreibung die Grundsätze gemäß §§ 2 VOB/VOL.

48

Dieser Mangel der Verdingungsunterlagen ist daher so erheblich, dass als geeignete Maßnahme i.S.d. § 114 GWB, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern, nur die Aufhebung der streitbefangenen Ausschreibung hinsichtlich der Lose betreffend die Sammlung und Beförderung des gesamten Abfalls in Betracht kommt.

49

Gleiches gilt aber auch für das Los betreffend die Bewirtschaftung von 153.000 Behältern verschiedener Größe, da sich nach Überzeugung der Kammer auch hier der Parameter Haushalte/Km und die sich daraus ergebende Behälterdichte zwingend auf die Preiskalkulation auswirken musste.

50

Lediglich das Los "Gestellung von 2.370 Großbehältern 1.100 l" blieb von der Fehlerhaftigkeit der Strukturdaten unberührt, da es sich hier fast ausschließlich um eine reine Lieferleistung handelt. Beim diesem Fachlos 2 werden hinsichtlich Mengengerüst und Preisanpassung Verstöße gegen die Vergabegrundsätze nicht gesehen, die eine Aufhebung rechtfertigen könnten, so dass dieses Los weiterhin zur Vergabe anstehen kann.

51

b)

Der sog. Mengenkorridor von +/-20% war im Antrag selbst nicht ausdrücklich angesprochen worden. Die Antragstellerin ist aber in ihrem Rügeschreiben vom 15.03.2000, dessen Inhalt sie bereits in ihrem Antragsschriftsatz vom 20.06.2000 zum Gegenstand ihres Vortrags im Nachprüfungsverfahren gemacht hat, auf Seite 7 bereits auf diesen Punkt eingegangen und hatte diese Regelung gegenüber dem Auftraggeber als Verstoß gegen § 8 Nr. 1 Abs. 1 und Abs. 3 VOL/A und bezeichnet. Ungeachtet der Tatsache, dass die Antragstellerin diese Klausel nicht noch einmal ausdrücklich in ihrer Auflistung auf den Seiten 9 und 10 ihres Antragschriftsatzes vom 20.06.2000 erwähnt hat, war die Kammer schon auf Grund der Rüge vom 15.03.2000 in Verbindung mit dem Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 110 Abs. 1 gehalten, die Rechtmäßigkeit dieser Klausel zuüberprüfen. Die Verfahrensbevollmächtigte des Auftraggebers selbst ist in ihrem Schriftsatz vom 29.06.2000 auf Seite 7 in den Absätzen 2 und 3 aber schon darauf eingegangen, mit der Umschreibung "Variabilität von 20% Abfallmenge". Es erfolgte hierzu auch Sachvortrag der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung. Schließlich hat der Auftraggeber noch einmal mit einem am 20.07.2000 bei der Vergabekammer per Telefax eingegangenen Schriftsatz ausführlich dazu Stellung genommen.

52

Mit dieser Regelung will der Auftraggeber sofortige Vertragsanpassungen bei Änderung des Leistungsumfanges vermeiden. Er führt in diesem Zusammenhang auch an, dass diese Regelung branchenüblich sei. Die Bieter mussten aus dem o.a. Mengenkorridor aber nicht unbedingt ableiten, dass die Mengenvorgaben nur vage Annäherungen sind. Dieser Mengenkorridor wird erst im Vertrag wirksam und ist hier unter - Anpassung der Vergütung - (§§ 9 und 12) der jeweiligen Vertragsmuster für die Fachlose, mit Ausnahme des Loses Behältergestellung, aufgenommen worden. Hier werden also grundsätzlich Änderungen, aus welchen Gründen auch immer, geregelt, die sich erst später unerwartet im Vertrag ergeben. Im vorliegenden Fall kann diese Regelung allerdings auch ein Indiz für eine ungenaue Ermittlung des Mengengerüstes sein. ImÜbrigen steht dieser Mengenkorridor bzw. diese Preisanpassungsregelung im Widerspruch zu § 2 Nr. 3 VOL/B. Hier wird geregelt, dass wenn durch Änderung in der Beschaffenheit der Leistung die Grundlagen des Preises für die im Vertrag vorgesehene Leistung geändert werden, ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- und Minderkosten zu vereinbaren ist. Gemäß § 9 VOL/A hat der Auftraggeber den Teil B der VOL zum Bestandteil des Vertrages zu machen. Die Regelungen des Teils B bleiben grundsätzlich unverändert. Änderungen sind nur dort zulässig, wo die VOL dies ausdrücklich vorsieht. Bezüglich der o.a. Preisanpassungsregelung sieht die VOL jedoch keine abweichende Regelung vor, auch nicht im Katalog unter § 9 Nr. 4 VOL/A. In der Vereinbarung sind etwaige Auswirkungen der Leistungsänderung auf sonstige Vertragsbedingungen, insbesondere auf Ausführungsfristen, zu berücksichtigen. Diese Regelung dient einem gerechten Interessenausgleich, d.h., sowohl dem Auftragnehmer als auch dem Auftraggeber wird hier ein Verhandlungsspielraum eingeräumt. Dieser Verhandlungsspielraum wird durch die o.a. Preisanpassungsregelung in Form des Mengenkorridors beiden Parteien genommen. Ob der o.a. Mengenkorridor branchenüblich ist oder nicht, ändert nichts daran, dass hier bei dem Ansatz +/-20% ein nichtkalkulierbares Risiko vorliegt, das nicht mehr als Bagatellegrenze für eine Preisanpassung angesehen werden kann. Als Bagatellegrenze könnte eine Größenordnung von max. 5% angesetzt werden, abgeleitet aus der Regelung in § 2 Nr. 3 VOB/B, wo bei einzelnen Positionen ein Mengenkorridor von max. 10% vorgesehen ist, unter der Berücksichtigung, dass es sich im vorliegenden Fall grundsätzlich um Gesamtmengen handelt.

53

Dies kann beim Auftragnehmer bei der Hausmüllentsorgung bei Mindermengen zu Verlusten führen, da die Gemeinkosten, die bei der Kalkulation auf eine bestimmte Menge umgelegt werden, durch eine Mengenreduzierung nicht mehr gedeckt sind. Bei der Sperrmüllabfuhr kann sich wegen der unterschiedlichen Füllgewichte die Anzahl der Abholungen erhöhen, was wiederum zu Einbußen beim Auftragnehmer führen kann. Im umgekehrten Verhältnis kann dies beim Auftraggeber zu Mehrausgaben führen, ohne den entsprechenden Gegenwert an Leistung zu erhalten. Wenn auch nicht ohne weiteres ableitbar, könnte es bei der Größenordnung des Auftragswertes in Höhe von ca. 6,0 Mio. DM p.a., ausgehend vom Extremfall von 20%, beim Fachlos 1 durchaus zu einen Ausfall von heruntergerechnet und auf bestimmte Teile der Gesamtleistung reduziert 10% kommen. Das wäre p.a. ein Verlust von 600.000,00 DM oder möglicherweise sogar der Fortfall des Gewinns beim Auftragnehmer. Ein Unternehmen kann durch eine solche Regelung durchaus auch bei angemessener Angebotsendsumme in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Aber auch der Auftraggeber riskiert durch diese von der VOL abweichende Vertragsregelung Verluste, die dann haushaltsrechtlich nicht gedeckt sind, da er ja bei einem entsprechend höheren Abfallaufkommen im Wettbewerb einen günstigeren Einheitspreis (pro Tonne) erzielt hätte.

54

c)

Die Antragstellerin hat weiterhin rechtzeitig gemäß o.a. Schriftverkehr gegenüber dem Auftraggeber beanstandet, dass keine Angaben zu den Füllgewichten der Behälter gemacht wurden. Auch diese Beanstandung erfolgte zu Recht. Die Füllgewichte der Behälter wirken sich auf die Ladefähigkeit der Fahrzeuge und somit auf die Anzahl der Touren aus. In welcher Größenordnung bleibt dahingestellt. Dieser Mangel wurde ebenfalls von der Antragstellerin mit Schreiben vom 15.03.2000 gegenüber dem Auftraggeber rechtzeitig gerügt. Der Vortrag des Auftraggebers, dass die Bieter nach seiner Auffassung unschwer durch Teilung der Gesamtgewichte durch die Behälteranzahl die jeweiligen Füllgewichte selbst errechnen konnten mag zwar rechnerisch durchaus möglich sein und zu Ergebnissen führen, aber eben nicht zu gleichen Ergebnissen. Weil nämlich jeder Bieter von unterschiedlichen Schüttgewichten ausgehen kann, etwa bei Großcontainern, bei denen man im Durchschnitt 100 kg pro Behälter zugrunde legt, wie aber auch bei den kleinen Behältern, die erheblich stärker verdichtet sind, kommt es zu unterschiedlichen Kalkulationsansätzen. Von einer erschöpfenden Leistungsbeschreibung und einer gleichen Kalkulationsbasis für alle Bieter im Sinne von § 8 der VOL kann daher hier nicht ausgegangen werden.

55

d)

Dagegen liegt die von der Antragstellerin geltend gemachte Verletzung des auch vom Gleichbehandlungsgebot des § 97 Abs. 2 GWB geschützten Neutralitätsgrundsatzes durch eine unzulässige Mitwirkung des Herrn OKD ... am streitbefangenen Vergabeverfahren, die sich auf die Rechtmäßigkeit des gesamten Vergabeverfahrens inklusive der reinen Behältergestellung ausgewirkt hätte, nicht vor. Unstreitig ist, dass Herr OKD ... seit dem 03.04.2000 Mitglied des Aufsichtsrates des ... ist, dass eine Fusion der Konzerne ... unmittelbar vor dem Abschluss steht und dass sich mit der Beigeladenen zu 2, der Firma ... , ein mit der ... gesellschaftsrechtlich und wirtschaftlich verbundenes Unternehmen an der Ausschreibung beteiligt hat. Eine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes liegt jedoch nicht vor, weil zum einen die Fusion weder bei Übernahme des Aufsichtsratsmandates von Herrn OKD ... am 03.04.2000 noch im Zeitpunkt der Wertung der Angebote durch die Firma ... vom 06.06.2000 oder dem darauf basierenden Beschluss des Kreisausschusses vom 08.06.2000 vollzogen war und sich aus der Vergabeakte unabhängig davon auch keine unzulässige Beteiligung des Herrn OKD ... am streitbefangenen Vergabeverfahren oder gar eine unzulässige Parteinahme für einen Bieter ergibt.

56

Richtig ist, dass der Neutralitätsgrundsatz als Ausfluss des Gleichbehandlungsgrundsatzes gemäß § 97 Abs. 2 GWB die öffentliche Hand auch dann bindet, wenn es um die Auftragsvergabe in privatrechtlichen Formen geht. Im Unterschied zu dem von der Antragstellerin zitierten OLG Brandenburg vertritt die Vergabekammer allerdings die Auffassung, dass der Neutralitätsgrundsatz des § 97 Abs. 2 GWB eine Folge des im europäischen Vergaberecht verankerten Diskriminierungsverbotes ist. Diese Regelung geht der bundesrechtlichen Regelung des § 20 VwVfG vor. § 20 VwVfG regelt den Ausschluss bestimmter Personen im Verwaltungsverfahren wegen Befangenheit bzw. wegen Besorgnis der Befangenheit (vgl. Kopp, VwVfG, 6. Auflage, § 20 Rdn. 1). Daraus lässt sich der allgemeine Grundsatz ableiten, dass der Staat im Verwaltungsverfahren neutral sein muss. Die Vorschrift des § 20 VwVfG beruht wiederum letztlich auf dem Rechtsstaatsprinzip, aus den in der Sache betroffenen Grundrechten und aus dem Gleichheitsgebot des Art. 3 GG (vgl. BVerwGE 70, 143 ff. (144)).

57

Fraglich ist jedoch die Reichweite des Neutralitätsgrundsatzes innerhalb des Vergaberechts und damit verbunden die Frage, wann von einer Verletzung dieses Grundsatzes auszugehen ist. Das OLG Brandenburg hat in seinem auch von der Antragstellerin herangezogenen Beschluss vom 03.08.1999 - 6 Verg 1/99 - vgl. NVwZ 1999 S. 1242 ff. - zum Flughafen Berlin-Brandenburg eine Verletzung des Neutralitäts- und Gleichbehandlungsgebots bejaht, weil an der Vergabeentscheidung Personen teilgenommen haben, die gleichzeitig Aufsichtsgremien von Gesellschaften angehörten, die Mitglieder des erfolgreichen Bieterkonsortiums waren. Dadurch werde die im Vergabeverfahren unterlegene Antragstellerin diskriminiert und in Ihren Rechten verletzt. Unerheblich ist für das OLG die Frage, ob sich die Doppelmandate im Ergebnis der Entscheidung auch ausgewirkt haben. Das OLG wendet den Rechtsgedanken des § 20 VwVfG uneingeschränkt an. Das Vergabeverfahren sei trotz des zivilrechtlichen Charakters des letztlich abzuschließenden Vertrages dem Verwaltungsprivatrecht zuzuordnen. Daher sei schon die Besorgnis einer Voreingenommenheit zu vermeiden. Der "böse Schein möglicher Parteilichkeit" dürfe von vornherein gar nicht erst entstehen. § 20 VwVfG stelle nicht auf die Kausalität der Befangenheit für das Entscheidungsergebnis ab. Aus der Sicht des unterlegenen Bieters sei eine diskriminierungsfreie Entscheidung nur durch den Ausschluss der befangenen Person von den Entscheidungsprozessen zu gewährleisten. Dieser Forderung liegt die Erwägung zugrunde, dass ein an der Vergabeentscheidung mitwirkender Beamter oder Politiker die Interessen des Bieters, dessen Aufsichtsrat er angehört, bei seiner Entscheidung nicht ausblenden kann. Er ist als Aufsichtsratmitglied - zumindest auch - verpflichtet, die Interessen "seines" Unternehmens zu fördern (vgl. Otting, Chancengleichheit, Transparenz- und Neutralitätsgebot im Vergaberecht, NJW 7/2000, S. 484 ff.). Daraus zieht das OLG Brandenburg die Konsequenz, dass eine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes nur vermieden werden kann, wenn der Betroffene völlig von der Vergabeentscheidung ausgeschlossen wird.

58

Im vorliegenden Fall ist bereits fraglich, ob selbst an den strengen Maßstäben des OLG Brandenburg gemessen die Voraussetzungen für die Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes vorliegen, weil der der Entscheidung des OLG zugrunde liegende Sachverhalt sich in wesentlichen Punkten von dem hier vorliegenden Sachverhalt unterscheidet. Zum einen wurde Herr OKD ... erst am 03.04.2000 Mitglied des Aufsichtsrates der ... und damit zu einem Zeitpunkt, als der Submissionstermin im streitbefangenen Vergabeverfahren am 24.03.2000 bereits stattgefunden hatte und die Angebote der Bieter unstreitig bereits zur Auswertung bei dem von der Auftraggeberin beauftragten Büro ... zur Auswertung lagen. Ferner war die Fusion zwischen ... zumindest bis Ende Juni 2000 noch nicht abgeschlossen. Auch lag die erforderliche kartellrechtliche Genehmigung noch nicht vor, so dass eine wie auch immer geartete, auch nur mittelbare organschaftliche Beziehung zwischen der Aufsichtsratsfunktion des OKD ... bei der ... und der unstreitig mit der ... verbundenen Bieterfirma ... , Beigeladene zu 2, nicht bestand.

59

Selbst wenn man aber der Argumentation der Antragstellerin folgt und berücksichtigt, dass sich eine Fusion zwischen ... spätestens 1999 - durch die umfangreiche Presseberichterstattung deutlich für jedermann erkennbar - abzeichnete und unterstellt, dass auch die Tatsache, dass Herr OKD ... Mitglied im Aufsichtsrat der werden würde und sich bereits vor Beginn der Ausschreibung abzeichnete, sieht die Vergabekammer keine Anhaltspunkte für ein Verhalten, das die Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes besorgen lässt.

60

Die Vergabekammer vertritt im Gegensatz zum OLG Brandenburg die Auffassung, dass der unstreitig durch § 97 Abs. 2 GWB geschützte Neutralitätsgrundsatz nur dann verletzt ist, wenn Anhaltspunkte vorliegen, dass der öffentliche Auftraggeber tatsächlich einen der Bieter im Vergabeverfahren ungerechtfertigt bevorzugt hat. Der "böse Schein" der Parteilichkeit, der durch ein Doppelmandat eines Verwaltungsbeamten oder eines Politikers erweckt wird, reicht danach allein nicht aus (vgl. Neßler, Der Neutralitätsgrundsatz im Vergaberecht, NVwZ 10/99, S. 1081 ff., 1083; OLG Stuttgart, Beschluss v. 24.03.2000, Az.: 2 VerG, 2/99). Diese Abweichung von der Regelung des § 20 VwVfG ist gerechtfertigt, wenn man sich den Sinn und Zweck des für das Vergabeverfahren vorrangig heranzuziehenden § 97 Abs. 2 GWB vergegenwärtigt. Diese Vorschrift ist wie auch der gesamte für das Vergabeverfahren maßgebliche 4. Teil des GWB die mitgliedsstaatliche Umsetzung europäischen Vergaberechts. Das europäische Vergaberecht will aber nicht einen imaginären "bösen Schein", sondern tatsächliche Diskriminierungen vermeiden. Der strenge Maßstab des OLG Brandenburg würde in letzter Konsequenz dazu führen, dass Unternehmen, an denen die öffentliche Hand beteiligt ist, von Ausschreibungen grundsätzlich ausgeschlossen werden, da andernfalls die öffentliche Hand immer gleichzeitig auf der Auftraggeberseite und auf der Bieterseite zu finden wäre. Ein "böser Schein" der Parteilichkeit der dort agierenden Personen ließe sich dabei kaum vermeiden, so dass aus der potenziellen personellen Befangenheit letztlich eine institutionelle Befangenheit erwächst, die nicht einmal durch § 20 VwVfG sanktioniert wird und die auf die privatwirtschaftliche Tätigkeit des Staates einen weder vom europäischen noch vom nationalen Recht geforderten, unverhältnismäßigen und negativen Einfluss hätte. Zu berücksichtigen ist, dass es bei der Beteiligung deröffentlichen Hand an privatwirtschaftlichen Unternehmen auch um Kontroll- und Einflussmöglichkeiten geht. Über seine Beteiligungen steuert der Staat die Unternehmen und betreibt so Wirtschaftspolitik. Es ist nicht gerechtfertigt, diese Beteiligungen der öffentlichen Hand durch vergaberechtliche Restriktionen in dem geschilderten Maße einzuschränken.

61

Vielmehr erlaubt auch das europäische Vergaberecht - wenn auch in Grenzen - die Verwirklichung politischer Ziele durch die öffentliche Auftragsvergabe (vgl. Neßler, a.a.O., S. 1082). Aus Art. 3 III der Baukoordinierungsrichtlinie wird deutlich, dass öffentliche Unternehmen nach europäischem Recht auch an Vergabewettbewerben der öffentlichen Hand teilnehmen dürfen: Die Vorschrift befasst sich mit dem Fall, dass ein Konzessionär, der in einem Vergabewettbewerb eine Baukonzession erhalten hat, selbst ein öffentlicher Auftraggeber im Sinne der Richtlinie ist. Wenn sogar öffentliche Unternehmen an einem Vergabewettbewerb teilnehmen dürfen, gilt es erst recht für private Unternehmen, an denen der Staat beteiligt ist. Unabhängig davon stößt eine Unterbindung jeglicher Einflussnahme der öffentlichen Hand auf Unternehmen in privater Rechtsform durch eine zu strenge Handhabung des Neutralitätsgrundsatzes aber auch auf verfassungsrechtliche Bedenken. Der Staat ist für das Gemeinwesen verantwortlich. Wenn der Staat - zulässigerweise - Aufgaben privatisiert, bleibt er stets verantwortlich für die Kontrolle und die Folgen dieser Privatisierung. Dieser Verantwortung kann der Staat aber nur gerecht werden, wenn er alle vorhandenen Kontroll- und Einflussmöglichkeiten ausschöpft. Es ist daher nur konsequent, wenn der Staat oder die öffentliche Hand in geeigneten Fällen auch Politiker oder Beamte in private Unternehmen entsendet, die entweder in staatlicher Hand sind oder an denen die öffentliche Hand beteiligt ist.

62

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist es nicht per se zu beanstanden, wenn ein Hauptverwaltungsbeamter wie der OKD des Auftraggebers ein Aufsichtsratsmandat in einem privaten Unternehmen wahrnimmt, sei es für die von ihm repräsentierte Gebietskörperschaft selbst oder für einen Bund mehrerer Kommunen auf Landes- oder Bundesebene. Dies gilt selbst dann, wenn sich ein mit eben diesem privatrechtlichen Unternehmen rechtlich oder wirtschaftlich verbundenes Bieterunternehmen an der von dem durch den Mandatsträger repräsentierten Landkreis durchgeführten Ausschreibung beteiligt. Der Mandatsträger muss jedoch ersichtlich von seinem eigentlich mit seiner Position innerhalb des ausschreibenden öffentlichen Auftraggebers verbundenen Einfluss auf die Durchführung der Ausschreibung Abstand nehmen. Dies hat der Oberkreisdirektor des Landkreises ... getan, indem er zum einen die Federführung für die Ausschreibung innerhalb des Landkreises Herrn Ersten Kreisrat ... übertragen hat und zum anderen bereits 1998 einen Dritten, nämlich die Firma ... , mit der Durchführung der Ausschreibung inklusive der Wertung der Angebote beauftragt hatte.

63

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ergeben sich weder aus der Vergabeakte noch aus dem Sachverhalt an sich Anhaltspunkte dafür, dass der Oberkreisdirektor noch nach Übernahme des Aufsichtsratsmandates in der ... im April 2000 die Federführung des Vergabeverfahrens behalten hat, geschweige denn dafür, dass er in irgendeiner Weise seinen Einfluss genutzt hat, um die mit der ... verbundene Bieterfirma ... zu bevorzugen. Die von der Antragstellerin ins Feld geführte unstreitige Anwesenheit des Oberkreisdirektors bei einigen die Vergabe betreffenden Besprechungen und die durch zahlreiche Presseartikel insbesondere aus dem Jahr 1999 belegten Stellungnahmen gegenüber derÖffentlichkeit ergeben kein anderes Bild. Die Vergabekammer vertritt vielmehr die Auffassung, dass es auch in Zukunft, nach In-Kraft-Treten der künftigen Vergabeverordnung, in deren Entwurf in § 16 die Rechtsprechung des OLG Brandenburg bislang jedenfalls Berücksichtigung gefunden hat, indem Personen, die als voreingenommen gelten können, vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden sollen, es möglich sein muss, dass ein Hauptverwaltungsbeamter oder etwa ein eingleisiger Bürgermeister oder Landrat sich ständig über den Stand des Vergabeverfahrens informieren darf. Dies ist erforderlich, weil er, wie gerade auch der vorliegende Vorgang zeigt, auf Grund seiner Position für dieÖffentlichkeit und die Medien Hauptansprechpartner bleibt und er in die Lage versetzt werden muss, im zulässigen Rahmen Sachstandsfragen zu beantworten. Er sollte sich jedoch möglichst jeglicher Einflussnahme auf das Vergabeverfahren enthalten. Er sollte auch nicht etwa die dem Zuschlag vorausgehende Verwaltungsvorlage für den erforderlichen Beschluss der politischen Gremien der von ihm repräsentierten Kommune unterschreiben. In diesem Rahmen hat sich der OKD des Auftraggebers nach Überzeugung der Vergabekammer im streitbefangenen Vergabeverfahren gehalten. Auch die maßgebliche Beschlussvorlage der Verwaltung des Landkreises ... vom 08.06.2000, ... , für die Sitzung des Kreisausschusses am 26.06.2000 trägt die Unterschrift des Leiters ... , und des Ersten Kreisrates, ... , was die Behauptung des Auftraggebers belegt, dass der OKD angesichts derÜbernahme des Aufsichtsratspostens in der ... die Federführung Herrn ... übertragen hat. Anhaltspunkte dafür, dass diese Übertragung der Federführung nur zum Schein erfolgte, sind nicht ersichtlich.

64

e)

Ebenso liegt keine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes dadurch vor, dass mit der Fa. ... ein Fachunternehmen mit der Durchführung der Ausschreibung beauftragt wurde, das selbst in der Abfallentsorgungsbranche operativ tätig ist. Die unstreitige Tatsache, dass die Fa. ... mit der Entsorgungsfirma ... in der ... ein Abfalltransportunternehmen betreibt und dass die Fa. ... ebenso unstreitig eine Sperrminorität von 25,1% an der Firma der Beigeladenen zu 1) hält, führt noch nicht dazu, dass man hier unmittelbar oder auch nur mittelbar von einem sog. "planenden Bieterunternehmen" sprechen könnte. Auch sonst gibt weder die Vergabeakte oder der sonstige von der Vergabekammer ermittelte Sachverhalt irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass im Zuge der Ausschreibung irgendein Bieter bevorzugt wurde.

65

f)

Die Antragstellerin hat auch die Losaufteilung gerügt. Diese Rüge ist nicht stichhaltig. Die VOL/A sieht unter § 5 vor, dass der Auftraggeber in jedem Falle, in dem dies nach Art und Umfang der Leistung zweckmäßig ist, diese - zum Beispiel nach Menge, Art - in Lose zu zerlegen hat, damit sich auch kleine und mittlere Unternehmen um Lose bewerben können. Die einzelnen Lose müssen so bemessen sein, dass eine unwirtschaftliche Zersplitterung vermieden wird. Etwaige Vorbehalte wegen der Teilung in Lose, Umfang der Lose und mögliche Vergabe der Lose an verschiedene Bieter sind bereits in der Bekanntmachung (§ 17 Nr. 1 und 2) und bei der Aufforderung zur Angebotsabgabe (§ 17 Nr. 3) zu machen. Die VOL lässt also durchaus eine losweise Vergabe zu, was eine Gesamtvergabe nicht ausschließt, falls diese preiswerter ist.

66

g)

Des Weiteren wurde gerügt, dass dem Vergabeverfahren eine funktionale Ausschreibung zugrunde liegt und keine Kostenerstattung für die Ausarbeitung der Angebote vorgesehen worden ist. Auch dies wurde bereits im Schreiben vom 15.03.2000 von der Antragstellerin gegenüber dem Auftraggeber rechtzeitig gerügt.

67

Gemäß § 8 Nr. 2 VOL/A können Leistungen, soweit die Leistung oder Teile derselben durch verkehrsübliche Bezeichnungen nach Art, Beschaffenheit und Umfang nicht hinreichend beschreibbar sind,

  1. a)

    sowohl durch eine Darstellung ihres Zweckes, ihrer Funktion sowie der an sie gestellten sonstigen Anforderungen

  2. b)

    als auch in ihren wesentlichen Merkmalen und konstruktiven Einzelheiten, gegebenenfalls durch Verbindung der Beschreibungsarten, beschrieben werden.

68

Erforderlichenfalls ist die Leistung auch zeichnerisch oder durch Probestücke darzustellen oder anders zu erklären, zum Beispiel durch Hinweise aufähnliche Leistungen.

69

Die vorliegende Leistungsbeschreibung hat zwar grundsätzlich funktionalen Charakter, da eine klassische Leistungsbeschreibung nicht vorliegt. Es liegt aber ein Leistungsverzeichnis mit aufgegliederten Einzelpositionen versehen mit Vordersatz und Einheitspreis in Form von Preistabellen (Anlage 9) vor. Der Auftraggeber hat darüber hinaus wesentliche Einzelheiten beschrieben und zur Verfügung gestellt, wenn auch teilweise fehlerhaft, so dass man hier von einer Verbindung einzelner Beschreibungsarten sprechen kann (Daub/Eberstein, Kommentar zur VOL/A, 4. Aufl., Rdn. 51 zu § 8). Diese Art der Leistungsbeschreibung ist für Leistungen der vorgesehen Art durchaus zulässig, da die Sammellogistik firmenspezifisch ist und somit vom Auftraggeber aus Gründen eines umfassenden Wettbewerbs nach Auffassung der Vergabekammer auch nicht vorgegeben werden darf.

70

h)

Gemäß § 20 Nr. 2 werden für die Bearbeitung des Angebots keine Kosten erstattet. Verlangt jedoch der Auftraggeber, dass der Bieter Entwürfe, Pläne, Zeichnungen, Berechnungen oder andere Unterlagen ausarbeitet, insbesondere in den Fällen des § 8 Nr. 2 Abs. 1 Buchstabe a, so ist einheitlich für alle Bieter in der Ausschreibung eine angemessene Kostenerstattung festzusetzen. Ist eine Kostenerstattung festgesetzt, so steht sie jedem Bieter zu, der ein der Ausschreibung entsprechendes Angebot mit den geforderten Unterlagen rechtzeitig eingereicht hat.

71

Gemäß § 20 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A wird im Satz 1 der Grundsatz aufgestellt, dass für die "Bearbeitung des Angebots" keine Kostenerstattung gewährt wird. Die Vorschrift spricht zu Recht von "Bearbeitung" und nicht von "Ausarbeitung" eines Angebotes. Denn dem Bieter liegen ja die vom Auftraggeber ausgearbeiteten Verdingungsunterlagen vor, die die genauen Angaben und Daten für die vom Auftraggeber gewünschte Leistung enthalten; der Bieter braucht also diese Unterlagen nur noch zu prüfen und auf Grund dieser Einzelangaben seine Preiskalkulation zu erstellen. Diese Tätigkeit ist also nicht auf Erbringen einer eigenen Vertragsleistung gerichtet, sondern stellt lediglich eine Vorbereitungshandlung für eine Beteiligung des Bieters am Wettbewerb und für eine evtl. Zuschlagserteilung dar. Die Angebotsbearbeitung ist also eine betriebliche Funktion, die mit der Auftragseinholung notwendig verbunden ist. Solange sich der dafür erforderliche Aufwand in den wirtschaftszweig-üblichen Grenzen hält, ist es selbstverständlich, dass der Auftragnehmer diesen Aufwand als Bestandteil seiner Gemeinkosten behandelt und dafür keine Vergütung vom Auftraggeber erhält. Es sollte jedoch nicht vergessen werden, dass in manchen Fällen, insbesondere wenn es sich um technisch komplizierte Anlagen handelt bzw. wenn funktional ausgeschrieben worden ist, die Bearbeitung eines Angebotes für den Bieter einen erheblichen Zeit- und damit Kostenaufwand bedeutet, der ihm in der Regel unerstattet bleibt; es sei denn, er erhält den Zuschlag und kann je nach Marktlage diese Kosten in den Angebotspreis einrechnen. Es kann im einzelnen zweifelhaft sein, ob ein solcher Fall noch zu den Normalfällen des Satzes 1 zu zählen ist oder ob hier nicht bereits ein Ausnahmefall im Sinne des § 20 Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 der VOL/A gegeben ist. Die in § 20 Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 VOL/A festgehaltene Ausnahme von dem Grundsatz der unentgeltlichen Bearbeitung eines Angebots geht von dem ausdrücklichen Verlangen des Auftraggebers aus, dass der Bieter "Entwürfe, Pläne, Zeichnungen, Berechnungen oder andere Unterlagen ausarbeitet, insbesondere in den Fällen des § 8 Nr. 2 Abs. 1 Buchstabe a) VOL/A, also im Falle der funktionalen Leistungsbeschreibung. Auszugehen ist also von dem Normalfall des Satzes 1, denn die in Satz 2 genannten Unterlagen wie Entwürfe, Pläne, Zeichnungen und Berechnungen werden in aller Regel auch zur Bearbeitung eines Angebotes gehören, sind also gemäß Satz 1 unentgeltlich zu liefern. Derartige Unterlagen dürfen also nicht nur zur Erläuterung und Verdeutlichung des Angebotes dienen, sondern müssen über diesen Normalfall hinausgehen und einen nicht unerheblichen besonderen Arbeitsaufwand seitens des Bieters erfordern. Erst dann sind die in Satz 2 beispielhaft genannten Unterlagen alsüber den Normalfall hinausgehende Arbeiten anzusehen und demgemäss zu vergüten. Ein solcher Ausnahmefall wird vielfach bei einer funktionalen Ausschreibung gegeben sein, bei der der Auftraggeber lediglich Vorstellungenüber den Zweck, die Funktion oder sonstige Anforderungen an die ausgeschriebene Leistung hat, aber nicht über konkrete Pläne, Zeichnungen und Berechnungen und dgl. für diese Leistung verfügt, die er normalerweise selbst für eine Leistungsbeschreibung erstellen muss und die er in diesem Fall vom Bieter als besondere Leistung erstellt haben will. Aber auch in anderen Fällen kann es denkbar sein, dass der Auftraggeber sich noch nicht über alle, insbesondere technische Einzelheiten der Leistungen im klaren ist und daher die Lieferung solcher Unterlagen vom Bieter fordert (Daub/Eberstein, 4. Aufl., Rdn. 34ff. zu § 20 VOL/A).

72

Im vorliegenden Fall sind vom Auftraggeber über den Normalfall hinausgehende Unterlagen nicht gefordert worden. Bei der vorliegenden gemischten Leistungsbeschreibung wurden - ungeachtet ihrer o. g. Fehlerhaftigkeit - grundsätzlich die wesentlichen kalkulatorischen Eckdaten zur Verfügung gestellt, so dass die Bieter mit dem branchenüblichen Logistik-Know-how ohne erheblichen Zeit- und Kostenaufwand in der Lage waren, ihre Angebote zu bearbeiten. Eine Entschädigung musste nicht festgesetzt werden.

73

Der Auftraggeber rechtfertigt die Mängel in der Leistungsbeschreibung damit, dass ihm weder zu den Sammelstrecken noch zu den Füllgewichten nähere Angaben vorliegen. Aufgrund dieser Erkenntnis muss der Auftraggeber bei einer künftigen Ausschreibung entweder selbst weiter gehende Ermittlungen anstellen oder eben diese Untersuchungen den Bietern mit Aussetzung einer entsprechenden Entschädigung für den Ermittlungsaufwand gemäß § 20 VOL/A ausdrücklich in den Verdingungsunterlagen überlassen. Immerhin ist zu beachten, dass die Bieter i.d.R. über weniger Daten und Fakten hinsichtlich des Ausschreibungsgegenstandes verfügen können, als der Besteller. Denn nur dieser kann und muss den genauen Inhalt und Umfang der Leistung festlegen, insbesondere der öffentliche Auftraggeber, wegen der Haushaltsansätze. Der Auftraggeber könnte dann auf die Beifügung der Anlage 3, d.h., der konkreten Festlegungen der Siedlungsstrukturdaten, entweder zur Gänze oder - besser - soweit ihm keine realistischen Daten vorliegen, verzichten.

74

i)

Hinsichtlich des Vorwurfs, dass dem gegenständlichen Vergabeverfahren eine mit der VOL/A nicht vereinbarende Bewertungsmethodik zugrunde liege, weist die Antragstellerin darauf hin, dass hier letztlich parallel nebeneinander genau genommen zwei Vergabeverfahren durchgeführt wurden, nämlich durch die Möglichkeit einer Abgabe auf das Los Region gesamt und einer losweisen Abgabe für die unterschiedlichen Regionen. Diese Verfahrensweise ist mit § 5 VOL/A durchaus vereinbar, wie oben bereits dargelegt wurde.

75

j)

Die Antragstellerin rügt die unter 4.4 - Angaben zum Angebot - auf Seite 37 der Leistungsbeschreibung georderten Angaben der wesentlichen Eckpunkte des organisatorischen und technischen Konzeptes. Der Auftraggeber wollte sich mit dieser Abfrage Daten zur besseren Beurteilung des Angebotes hinsichtlich der Fachkunde, Leistungsfähigkeit und der Zuverlässigkeit beschaffen. Die Beurteilung dieser persönlichen Eignungskriterien ist bekanntlich äußerst schwierig, zumal auch der Datenschutz hier eine wesentliche Rolle spielt. Deswegen ist diese Hilfemaßnahme in Katalogform durchaus angemessen und zumutbar, letztlich auch im Interesse der Bieter in Bezug auf eine möglichst objektive Beurteilung.

76

k)

Die Kammer hat im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes festgestellt, dass das Angebot der Beigeladenen zu 1 unvollständig war. Die Seite 11 der Verdingungsunterlagen wurde nicht mit dem Angebot zurückgegeben. Die Seiten 10 bis 12 stellen das eigentliche Angebotsschreiben dar. Auf Seite 12 mussten die Bieter mit rechtsverbindlicher Unterschrift das Vertragswerk anerkennen. Diese Unterschrift auf Seite 12 hatte die Beigeladene zu 1 geleistet. Der Auftraggeber hat auf der Seite 12 geregelt, dass diese Unterschrift alle Erklärungen des Angebotes abdeckt. Da allen Bietern die gleichen Unterlagen übersandt wurden, müsste ein Bieter im Streitfall - nach einem Vertragsabschluss - beweisen, dass die Seite 11 nicht übersandt wurde. Da die Seiten ausdrücklich mit "Seite 10" ff. fortlaufend nummeriert sind, dürfte dieser Beweis nicht gelingen. Insofern war die körperliche Beifügung im vorliegenden Fall nicht unbedingt erforderlich. Es verfälscht somit auch nicht den Wettbewerb. Insofern war die nachträgliche Vervollständigung des Angebotes durch den Auftraggeber durch Einholung einer neuen Anerkenntnis der Seiten 10 bis 12 überflüssig und auch unzulässig. Es gilt der Grundsatz, dass die Angebote so werten sind, wie sie zum Einreichungstermin vorgelegt worden sind. Unvollständige Angebote dürfen nicht durch Nachbesserungen erst vergabefähig gemacht werden.

77

III.

Kosten

78

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Es wird eine Gebühr in Höhe von 8.750,00 DM bzw. 4.473,80 EURO gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

79

Der Auftragswert für die 3 Fachlose beträgt nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung mindestens rd. 6,25 Mio.DM p.a.; hochgerechnet auf die Vertragsdauer von 4 Jahren = 25,0 Mio. DM (netto)

80

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999. Hiernach wird der Mindestgebühr von 5.000,00 DM (§ 128 (2) GWB) eine Aus-schreibungssumme von bis zu 2 Mio. DM (Schwellenwert von 1 Mio. EURO; ca. 2 Mio. DM)zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000,00 DM (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 300 Mio. DM (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 25 Mio. DM ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von 8.750,00 DM.

81

Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.

82

Die Ertstattungspflicht bezüglich der Kosten der Antragstellerin, die dieser zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 80 Abs. 1 VwVfG.

83

In entsprechender Anwendung de § 80 Abs. 2 VwVfG war festzustellen, dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin erforderlich war. Die Erforderlichkeit ergibt sich aus der Komplexität der durch das streitbefangene Vergabeverfahren aufgeworfenen Rechtsfragen, die auch für einen fachkundigen Antragsteller die Konsultierung eines Rechtsanwaltes erforderlich machte.

84

Der Auftraggeber wird aufgefordert, den Betrag von 8.750,00 DM bzw. 4.473,80 EURO unter Angabe des Kassenzeichens ... auf folgendes Konto zu überweisen: ...

85

Der von der obsiegenden Antragstellerin geleistete Kostenvorschuss wird dieser von der Vergabekammer erstattet, sobald diese Entscheidung rechtskräftig ist.

Gause
Tyrra
Dr. Mielke