Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 04.12.2000, Az.: 203-VgK-15/2000
Auftraggebereigenschaft einer Gebietskörperschaft; Antragsbefugnis auf Grund einer nicht unmissverständlichen Leistungsbeschreibung; Erfordernis der Darlegung der tatsächlichen Zuschlagserteilung an den Antragsteller im Falle des ordnungsgemäßen Vergabeverfahrens; Anforderungen an die Erfüllung der Rügeobliegenheit; Beteiligung am Ausschreibungsverfahren trotz anderslautender Vereinbarung zwischen Bieter und Auftraggeber; Geltung des Neutralitätsgrundsatzes bei Vergabe in privatrechtlichen Formen; Zulässigkeit einer Erstattungszusage der Auftraggeberin als Ausgleich für einen Standortverzicht; Zulässigkeit der Annahme fehlender Zuverlässigkeit wegen laufender staatsanwaltlicher Ermittlungen; Anforderung an eine "nachweislich schwere Verfehlung" mit der Folge des Ausschlusses des Angebots des betreffenden Bewerbers; Angebotsausschluss wegen unzulässiger Änderungen an den Verdingungsunterlagen; Erfordernis einer rechtsverbindlichen Unterschrift; Zulässigkeit des Wiederaufgreifens einer präkludierten Rüge von Amts wegen; Voraussetzungen für die Aufhebung einer Ausschreibung; Ausnahmen vom strikten Grundsatz der Unzulässigkeit vergabefremder Kriterien; Bestehen eines einheitlichen und erschöpfenden Gemeinschaftsrechts auf Basis der Vergaberichtlinien
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 04.12.2000
- Aktenzeichen
- 203-VgK-15/2000
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 30806
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 25 Nr. 1 Abs. 2b VOL/A
- § 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 2 VOB/A
Verfahrensgegenstand
Ausschreibung eines Auftrags zur Verwertung von heizwertreichen Abfällen
Die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg hat
durch
den Vorsitzenden ORR Gause,
den hauptamtlichen Beisitzer Dipl.-Ing. Tyrra und
den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Oec. Brinkmann
auf die mündliche Verhandlung vom 27.11.2000
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin wird sowohl hinsichtlich des Hauptantrages als auch des hilfsweise gestellten Antrages zurückgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
- 3.
Die Kosten werden auf 39.213,00 DM festgesetzt.
- 4.
Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch die Beigeladene im Nachprüfungsverfahren war notwendig.Die Antragstellerin hat der Beigeladenen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten.
Gründe
I.
Die ... hat durch ihren ... mit Bekanntmachung vom 03.05.2000, wie in einer am 26.01.2000 veröffentlichten Vorinformation angekündigt, einen Auftrag zur Verwertung von heizwertreichen Abfällen in einem Umfang von ca. 100.000 MG pro Jahr EU-weit in einem offenen Verfahren gem. VOL/A ausgeschrieben. Der Versand der Verdingungsunterlagen erfolgte entsprechend der Bekanntmachung ab dem 08.05.2000. Die Angebotsfrist sollte ursprünglich am 26.06.2000, 13.00 Uhr, enden. Auf eine Bieterrüge unter Hinweis auf § 18 a Nr. 1 Abs. 1 VOL/A verlängerte die Auftraggeberin die Angebotsfrist bis zum 06.07.2000, 13.00 Uhr. Innerhalb dieser Frist haben sich neun Bieterunternehmen mit Angeboten, zum Teil Haupt- und Nebenangebote, am Vergabeverfahren beteiligt. Die Antragstellerin gab am 06.07.2000 ihr Angebot vom 04.07.2000 ab. Mit ihrem das Angebot begleitenden Schreiben vom 06.07.2000 machte die Antragstellerin gleichzeitig verschiedene Verstöße gegen Vergabevorschriften geltend. Mit Anwaltsschreiben vom 01.11.2000 wurden weitere vermeintliche Vergaberechtsverstöße gerügt.
Den Ausschreibungsunterlagen war ein Entwurf eines Leistungsvertrages beigefügt, den die Bieter nach dem Willen des Auftraggebers im Rahmen ihres Angebots auszufüllen hatten. Die Antragstellerin nahm auf Seite 1 dieses Vertragsentwurfs im Rahmen ihres Angebots folgenden schriftlichen Hinweis auf:
"Der beigefügte Vermerk KR-Bu/Mst vom 16.06.2000 ist zu beachten."
Dieser dem Angebot beigefügte, sechsseitige Vermerk wird wie folgt eingeleitet:
"Zu den vertraglichen Grundlagen, die Bestandteil des Leistungsvertrages werden sollen, ist in rechtlicher Hinsicht wie folgt Stellung zu beziehen: ... "
Es folgen umfangreiche Rechtsauffassungen zu den einzelnen Vertragsbestimmungen im Entwurf sowie Hinweise, Änderungs- und Ergänzungsforderungen. Er endet mit folgender Anmerkung: " Allgemein ist anzumerken, dass dieser Vertrag nur unter dem bei ... bestehenden Aufsichtsratsvorbehalt abgeschlossen werden kann." Der Vermerk ist unterschrieben von dem Mitarbeiter der Rechtsabteilung der Antragstellerin, Herrn ... und trägt das Datum 16.06.2000.
Gemäß Leistungsbeschreibung umfasst die Laufzeit für die ausgeschriebenen Dienstleistungen den Zeitraum 01.06.2005 bis 31.12.2020. Unter 2.1 "Ziele und Gegenstand des Vergabeverfahrens" heißt es:
"Die ... verfolgt über ökonomische Anforderungen hinaus ökologische Ziele, die sich entsprechend in den Zielvorgaben (Kapitel LB 3.1.1), den Bewerbungsbedingungen (Kapitel 2.5) und Beurteilungskriterien (Kapitel 2.7) wiederfinden.
Ziel der Ausschreibung ist eine entsprechende Verwertung in einer bestehenden oder im fortgeschrittenen Planungsstadium befindlichen Anlage im Besitz eines Bieters, der langfristig verlässlich und flexibel die gewünschten Dienstleistungen erbringt (s. Kapitel 2.5.3). Für den Neubau einer Anlage kann ein Gelände in direkter Nachbarschaft der ... genutzt werden (s. Kapitel 3.1.8)."
Nebenangebote sind in Verbindung mit einem Hauptangebot zugelassen. In den Verdingungsunterlagen, S. 19 ff., heißt es:
"b)
Im übrigen finden folgende Zuschlagskriterien Anwendungaa)
Abfallrechtliche und umweltrechtliche Standards- Die Grundsätze der Kreislaufwirtschaft gem. § 4 KrW-/AbfG, insbesondere der Grad der Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 und 3 KrW-/AbfG. Dazu zählen insbesondere der Umfang der Energienutzung, die Transportart und die Transportemissionen, die Emissionen der Anlage, in welcher die angebotenen Leistungen erfüllt werden, Verwertung, Behandlung und Verbleib der Reststoffe.
- Die Einhaltung der Grundpflichten der Kreislaufwirtschaft gem. § 5 KrW-/AbfG. Insbesondere ist es zulässig, Angebote, die unter § 5 Abs. 5 KrW-/AbfG fallen, abzuwerten, soweit sie nicht von vornherein nicht berücksichtigt werden sollen (s. auch BB). Auf § 5 Abs. 2 Satz 3 KrW-AbfG - Hochwertigkeit der Verwertung - wird hingewiesen.
- Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Verwertung gem. § 6 KrW-/AbfG und der Grad ihrer Erfüllung.
- Die Pflichten der Anlagenbetreiber nach dem KrW-/AbfG, dem BImSchG und sonstigem anlagenrelevanten Recht und der Grad ihrer Erfüllung.
- Umweltrechtliche Anforderungen an die Verwertung. Unter Anforderungen sind nicht nur Mindestvoraussetzungen zu zählen, sondern auch Beurteilungsspielräume und Ermessen eröffnende Kriterien.
- Die Grundsätze der gemeinwohlverträglichen Abfallbeseitigung, §§ 10 - 18 KrW-/AbfG.
- Die Einhaltung der Produktverantwortung gem. § 22 KrW-/AbfG, soweit diese Bestimmung auf die stoffliche oder energetische Verwertung anzuwenden ist.
- Stand der Technik im Sinne von § 12 Abs. 3 KrW-/AbfG.
- Behördliche und/oder technische Richtlinien bezüglich der zur Verwertung verwendeten Anlagen und Verfahrensweisen.
- Die Übernahme produktspezifischer Abfälle (Reste), die weder für die mechanische Aufbereitung noch für die Deponierung geeignet sind und verbrannt werden müssen, z.B. Ruß, Sägespäne sowie Gummi-Metallverbunde und nichtvulkanisierte Abfälle aus der Gummiindustrie ist ein Bewertungskriterium, aber kein Ausschlusskriterium."
Am Vergabeverfahren hat sich ebenfalls die Beigeladene mit einem Hauptangebot und 5 Nebenangeboten im Hinblick auf die mit der Ausschreibung abgefragte Variante "Errichtung einer neuen Anlage unter Nutzung eines Geländes in direkter Nachbarschaft des vom ... auf dem Gelände der ... - ... betriebenen ...", gem. Kapitel 3.1.8 der Leistungsbeschreibung beteiligt. Die Beigeladene verfügt über ein Grundstück im Stadtteil ... . Dabei handelt es sich um ein für die Müllverbrennung geeignetes Industriegrundstück. Ein entsprechendes Genehmigungsverfahren nach dem BImSchG für eine thermische Restabfallbehandlung hatte die Beigeladene 1999 bei der Bezirksregierung ... eingeleitet.
Um zu verhindern, dass die Beigeladene ... GmbH eine neue Müllverbrennungsanlage auf ihrem wirtschaftlich und logistisch günstigen Gelände in ... errichtet und sich unter Ausnutzung dieses Standortvorteils erfolgreich an dem streitbefangenen Vergabeverfahren mit eben diesem unerwünschten Standort beteiligt, schloss die ... im Vorfeld der Ausschreibung noch 1999 gemäß Beschlussdrucksache 1715/99 eine Vereinbarung mit der Beigeladenen. Dort heißt es unter anderem:
"1.
... Die ... wird bei dem Ausschreibungsverfahren keine Bedingungen formulieren, die die ... von vornherein von der Ausschreibung ausschließen.2.
Die ... wird sich an der Ausschreibung als Bieter oder in einer Bietergemeinschaft beteiligen. Gleichzeitig verpflichtet sich die ... , keinen Genehmigungsantrag für den Standort ... bei der Bezirksregierung vor Zuschlagerteilung einzureichen.3.
Wenn die ... den Zuschlag zur Behandlung der heizwertreichen Abfälle erhält, wird sie die Anlage nicht in ... , sondern im Bereich des Geländes der ... der Stadt in ... errichten, sofern für diesen Standort die planungsrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt sind.4.
Hierfür wird die ... oder die ... der ... eine ausreichend große Fläche im Bereich des Geländes der sofort zur Verfügung stellen. Dazu stehen die beiden im anliegenden Plan gekennzeichneten Flächen (Restfläche 1 oder Restfläche 2) zur Verfügung.Die Grundstücksübertragung kann erfolgen, indem sich die ... ... mit dem Grundstück an der ... beteiligt oder indem die ... das Grundstück zu noch auszuhandelnden Bedingungen erwirbt oder in anderer geeigneter Weise. Der Wert des Grundstücks wird durch den Gutachterausschuss des Katasteramtes ... ermittelt.
5.
Bei der oben angesprochenen Übertragung des Grundstücks ist die Kostenneutralität gegenüber dem von der ... gepachteten Grundstück in ... bezüglich der Erschließung und Gründungsaufwendungen herzustellen. Ein etwaiger Ausgleich kann durch den Grundstückswert und/oder durch das Einräumen von Nutzungsrechten an der am Standort ... vorhandenen Infrastruktur erfolgen.Die ... wird auf eigene Kosten die Mehrkosten für Erschließung und Gründung durch einen unabhängigen Sachverständigen ermitteln lassen. Dabei sind alle Möglichkeiten der Kostenminimierung auszuschöpfen.
6.
Erfolgt die Zuschlagerteilung an die ... , wird diese umgehend das hierfür erforderliche Genehmigungsverfahren für den Standort ... einleiten. Hierfür sichern sich die Parteien gegenseitige Unterstützung in allen Planungs- und Durchführungsfragen zu."
Für den in der obigen Vereinbarung unter Ziff. 5 geregelten Nachteilsausgleich würde die ... ... gemäß V. der Verwaltungsdrucksache 3056/2000 vom 09.11.2000 maximal 5,34 Mio. DM netto an die Beigeladene zahlen müssen.
Auch die Beigeladene hatte ihrem mit Schreiben vom 04.07.2000 vorgelegten Hauptangebot sowie den insgesamt fünf Nebenangeboten "Anmerkungen zum Leistungsvertrag Los 1, 2 und 3" vorangestellt. Der insgesamt dreiseitige Vermerk enthält Hinweise auf einige aus Sicht der Beigeladenen unklare Formulierungen in dem Leistungsvertrag sowie Vorschläge und Änderungswünsche. So heißt es zu § 1, Abs. 4:
"Wir verstehen diese Bestimmung so, dass sie in der Leistungsbeschreibung, Kapitel 3.1.2.3, aufgeführten Mengen aus der mechanischen Aufbereitung von Restabfall Garantiemengen sind, d. h., dass der Auftraggeber insoweit die Verpflichtung übernimmt, mindestens diese Mengen dem Auftragnehmer anzudienen und im Falle der Unterschreitung dieser Garantiemengen verpflichtet ist, für die Mindermengen ein fiktives Entsorgungsgeld zu zahlen."
In § 17 Abs. 2 heißt es:
"Wir vermissen eine Ergänzung, wonach die Zustimmung zur Einschaltung von Dritten als Erfüllungsgehilfen nicht ohne triftigen Grund verweigert werden darf."
Mit Schreiben vom 06.10.2000 teilte die Auftraggeberin der Antragstellerin mit, dass die Verwaltung dem für die Entscheidung über die Vergabe zuständigen Ratsgremium einen Vorschlag unterbreitet. Nach diesem Vorschlag würde das Angebot der Beigeladenen voraussichtlich nicht zum Zuge kommen. Die endgültige Beschlussfassung über die Vergabe sei aber - wie dargestellt - noch nicht erfolgt.
Die Antragstellerin hat daraufhin mit Telefax vom 02.11.2000 die Vergabekammer angerufen. Sie macht folgende Vergaberechtsverstöße geltend:
- Die Auftraggeberin habe unzulässigerweise ökologische Bewertungs- und Zuschlagkriterien in die Ausschreibungsunterlagen aufgenommen.
- Es seien aber keine bestimmten ökologischen Kriterien, die die abzugebenden Angebote einhalten müssen, in der Leistungsbeschreibung genannt worden. Dies führe dazu, dass die ausgeschriebenen Leistungen nicht von allen Bietern im gleichen Sinne verstanden werden mussten und daher einer ordnungsgemäßen Kalkulation nicht zugänglich seien. Aus diesem Grunde verfügten nicht alle Bieter bei der Abgabe ihrer Angebote über die gleichen Chancen. Dadurch werde der Grundsatz der Chancengleichheit gemäß § 97 Abs. 2 GWB, das Transparenzgebot gemäß § 97 Abs. 1 GWB sowie das Gebot einer eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung gemäß § 8 VOL/A verletzt.
- Insgesamt seien hier durch die Auftraggeberin Kriterien aufgestellt worden, die einer ordnungsgemäßen Angebotserstellung und -bewertung nicht zugänglich seien. Im Übrigen könne die Erfüllung von über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehenden Umweltstandards nicht abstrakt bewertet werden.
- Auch im Übrigen seien die Leistungsvoraussetzungen nicht hinreichend offen gelegt worden. Da bereits Ergebnisse des Probebetriebs der mechanischen Aufbereitungsanlage der Auftraggeberin vorliegen, hätte die Leistungsbeschreibung auch ohne Weiteres etwa hinsichtlich der Heizwerte, der Zusammensetzung der Abfälle und weiterer Kenngrößen der zu behandelnden Teilströme präzisiert werden können und gemäß § 8 Nr. 1 VOL/A auch präzisiert werden müssen. Die Antragstellerin habe die Auftraggeberin im Vorfeld der Angebotsabgabe gebeten, die Abfalleigenschaften vor Ort zu prüfen. Eine solche Überprüfung sei ihr von der Auftraggeberin ausdrücklich verwehrt worden.
- Die Aufnahme eines Leistungsvertragsentwurfes in die Verdingungsunterlagen sei vergaberechtswidrig, da die Bieter hier verpflichtet werden sollen, im Falle des Zuschlags einen den rechtlichen Anforderungen nicht entsprechenden Vertrag abzuschließen. Unter anderem sei die in § 18 Ziff. 2 des Vertragsentwurfs enthaltene Meistbegünstigungsklausel rechtswidrig.
- Durch die Vereinbarung mit der Beigeladenen ... GmbH im Vorfeld der Ausschreibung habe sich die Auftraggeberin unter Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes gemäß § 97 Abs. 2 GWB schon vorweg an eine Bieterin gebunden. Diese Vereinbarung habe nicht nur das Verfahren im Ergebnis beeinflusst, sondern bereits Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung der Verdingungsunterlagen und der Vergabekriterien genommen.
- Entgegen der Darstellung in Ziff. 3.1.8 (Seite 30) der Ausschreibungsbedingungen sind die Abgabebedingungen für das Grundstück in direkter Nachbarschaft zum ... nicht für alle Bieter gleich, da nur der Beigeladenen die Erschließungs- und Gründungskosten im Zuschlagfall erstattet werden.
- Die Beigeladene ... sei im Übrigen eine unzuverlässige Bieterin und daher mit ihren Angeboten im streitbefangenen Vergabeverfahren auszuschließen. Der Gesellschafter ... der Beigeladenen sei wegen abfallrechtlicher Delikte angeklagt und gegen weitere Mitarbeiter der Unternehmensgruppe seien Bußgeldbescheide erlassen worden.
- Die Auftraggeberin beabsichtige zu Unrecht, das Angebot der Antragstellerin wegen eines vermeintlichen Verstoßes gegen § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A auszuschließen.
Die Antragstellerin beantragt,
- 1.
das Vergabeverfahren der Antragsgegnerin zur Verwertung von ca. 100 000 Mg/a heizwertreicher Abfälle aus dem ... aufzuheben,
hilfsweise
- 2.
der Antragsgegnerin aufzugeben, unter Ausklammerung unzulässiger Zuschlagkriterien über die eingereichten Angebote neu zu befinden,
- 3.
der Antragsgegnerin zu untersagen, der Bieterin ... den Zuschlag auf das von ihr eingereichte Angebot zu erteilen,
- 4.
das von der Antragstellerin eingereichte Angebot bei der hilfsweise begehrten Neubewertung zu berücksichtigen.
Die Auftraggeberin beantragt,
die Anträge aus dem Schriftsatz vom 02.11.2000 zurückzuweisen.
Die Auftraggeberin tritt dem gesamten Vorbringen der Antragstellerin hinsichtlich der von ihr geltend gemachten vermeintlichen Vergaberechtsverstöße entgegen. Die ... werde durch die Vereinbarung im Vorfeld der Ausschreibung nicht begünstigt. Die Beigeladene habe vielmehr nach dem Ergebnis der Ausschreibung eindeutig das wirtschaftlich günstigste Angebot abgegeben. Dabei habe man den Erstattungsvorteil gemäß § 5 dieser Vereinbarung auf den Angebotspreis der Beigeladenen aufgeschlagen und ihn damit egalisiert. Gleichwohl sei das Angebot der Beigeladenen immer noch zwischen 33 % und 50 % teurer. Wie sich aus der Beschlussdrucksache 3056/2000, Anlage 1 und 1 a, im Vergleich ergebe, erhöht sich der wirtschaftlich gewichtete Angebotspreis (mittlerer Nettopreis incl. Transport) von 156,09 DM auf 161,93 DM je Tonne, wenn man die Erstattungsleistungen aus dem ... -Vertrag einrechnet. Bezüglich des Hauptangebots erhöhe sich der gewichtete mittlere Nettopreis von 170,43 DM auf 176,29 DM. Damit habe die Beigeladene mit ihrem Nebenangebot Nr. 1 immer noch das günstigste Angebot abgegeben. Zum Vergleich liege das Hauptangebot der Antragstellerin bei 237,50 DM mittlerer Nettopreis incl. Transport.
Sowohl das Haupt- als auch das Nebenangebot der Antragstellerin habe aber gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A wegen Änderung der Verdingungsunterlagen ausgeschlossen werden müssen, weil im Angebot der Antragstellerin komplette Textpassagen der Verdingungsunterlagen gefehlt hätten. Es handele sich dabei insbesondere um folgende Teile der Verdingungsunterlagen:
Blatt 22: | Allgemeine Auftrags- und Zahlungsbedingungen der ... , Stand: 01.07.1989 |
---|---|
Blatt 23 bis 25: | Besondere Bedingungen der ... für Vergaben gemäß VOL, |
Blatt 26 bis 40: | Leistungsbeschreibung/ 3.1: Rahmenbedingungen und Betriebsabläufe in der Behandlungs- ... anlage des Auftraggebers, |
Blatt 68: | Angabe etwaiger befristeter Bescheide, Klagen Dritter gegen die für die Verwendung vorgesehene Anlagen, Angaben zu geplanten Anlagen, 3.3.7.3: Angaben zur Preisermittlung |
Die von der Auftraggeberin in die Verdingungsunterlagen aufgenommenen ökologischen Vergabekriterien seien entgegen der Auffassung der Antragstellerin weder vergabefremd noch liegen sie außerhalb des wirtschaftlichen Nutzens. Diese Kriterien seien auch durchaus hinreichend bestimmt. Die Zuschlagkriterien seien so formuliert, dass die Zuschlagentscheidung tunlichst nicht im Konflikt mit geltendem Abfallrecht gerate. Dass die Vielzahl von Beurteilungsspielräumen und Ermessen eröffnende Begriffe des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (KrW-/AbfG) die Formulierung von Verdingungsunterlagen nicht eben erleichtern, sei zweifelsohne richtig. Indessen könne die Antragstellerin von der Antragsgegnerin nichts Unmögliches verlangen, insbesondere vom Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz abzuweichen. Es sei nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin daran gehindert gewesen wäre, ordentlich zu kalkulieren. Die Antragsgegnerin habe sich bei der Formulierung der Zuschlagkriterien auch eine Vielzahl von Anlagen und Verfahren zur energetischen Verwertung einrichten müssen. Die Alternative hätte nach Auffassung der Auftraggeberin nur darin bestanden, den Vertragsbedingungen eine bestimmte idealtypische Anlage und/oder Verfahrensweise zugrundezulegen. Damit hätte die Auftraggeberin dann aber genau das verursacht, was die Antragstellerin rügt, nämlich die Bedingungen auf eine bestimmte Anlage zuzuschreiben.
Auch der Vorwurf der mangelnden Offenlegung der Leistungsvoraussetzungen greife nicht. Im Zeitpunkt der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen hätten noch keine Ergebnisse des Probebetriebs vorgelegen, da er erst Anfang Juni 2000 aufgenommen worden sei. Daher seien Daten aus dem Probebetrieb in den Verdingungsunterlagen nicht enthalten gewesen. Es treffe auch nicht zu, dass der Antragstellerin verwehrt worden ist, im Vorfeld der Angebotsabgabe die Anlage vor Ort in Augenschein zu nehmen. Lediglich die Prüfung der Eigenschaften der Sortierprodukte sei aus guten technischen Gründen keinem der (potenziellen) Bieter gestattet worden.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin habe die Auftraggeberin zu Recht verlangt, dass mit dem Angebot gleichzeitig die Urkalkulation mit einzureichen war.
Die Aufnahme der Meistbegünstigungsklausel sei im konkreten Fall zulässig. Sollte sie dennoch unwirksam sein, so gelte § 20 Nr. 2 erster Absatz des Leistungsvertrages. Danach ist eine ungültige Meistbegünstigungsklausel in jedem Fall wettbewerbsneutral.
Die Auftraggeberin weist darauf hin, dass es den Vertrag mit der Beigeladenen aus dem Jahr 1999 nicht verletzen würde, wenn sie - unter Beachtung einschlägiger Vergabegrundsätze - dem wirtschaftlichsten Angebot eines anderen Bewerbers den Zuschlag zu erteilen hätte. Die Auftraggeberin hätte daher in Kauf nehmen müssen, wenn die Beigeladene ggfs. eine thermische Anlage im Ortsteil ... errichtet.
Die Beigeladene sei keinesfalls eine unzuverlässige Bieterin. Besagter Herr ... ... sei keinesfalls Gesellschafter der Beigeladenen. Im Zeitpunkt der Angebotsabgabe seien vielmehr drei juristische Personen, darunter die ... Aktiengesellschaft, Gesellschafter der Beigeladenen gewesen. Herr ... habe keine im Zusammenhang mit der zu erbringenden Leistung maßgebliche Aufgabe. Nur die Zuverlässigkeit solcher Aufgabenträger innerhalb eines Bieterunternehmens, insbesondere derjenigen, die mit dem konkreten Projekt im Zuschlagsfalle betraut würden, sei aber maßgeblich.
Die Vergabekammer hat die ... gemäß § 109 GWB beigeladen, weil ihre Interessen durch die Entscheidung schwer wiegend berührt werden.
Die Beigeladene beantragt,
- 1.
die Anträge zu verwerfen,
hilfsweise,
- 2.
die Anträge zurückzuweisen,
- 3.
die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch die Beigeladene im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer für notwendig zu erklären (§ 128 Abs. 4 Satz 3 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG),
- 4.
die Antragstellerin zu verpflichten, der Beigeladenen ihre zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten (§ 128 Abs. 4 Satz 2 GWB).
Die Beigeladene tritt dem Vorbringen der Auftraggeberin bei. Sie ist der Auffassung, der Nachprüfungsantrag sei bereits unzulässig, weil die Antragstellerin nicht einmal die Möglichkeit eines drohenden Schadens schlüssig dargelegt habe. Der Antrag sei im Übrigen aber auch unbegründet. Insbesondere fehle es an einer Rechtsverletzung der Antragstellerin, weil ihr Angebot nach dem Ergebnis der Wertung in allen Mengenbereichen deutlich teurer als eine Reihe der zu bewertenden Angebote sei und daher auch nicht in Frage käme, wenn es nicht formal ausgeschlossen worden wäre. Aus dem Vertrag zwischen der Beigeladenen und der ... ... bezüglich des Verzichts auf Errichtung einer Anlage auf dem der Beigeladenen zur Verfügung stehenden Grundstück in ... lasse sich keine Vorwegbindung der Auftraggeberin ableiten. Es handele sich lediglich zulässigerweise um die Vereinbarung eines Standortnachteilsausgleichs. Die Beigeladene habe einem solchen Vorvertrag zugestimmt, um dem erklärten Anliegen der Auftraggeberin, die aus planungsrechtlichen Beweggründen keine Müllverbrennungsanlage in ... wollte, Rechnung zu tragen. Die Beigeladene weist den Vorwurf der Antragstellerin zurück, die Beigeladene sei im vergaberechtlichen Sinne unzuverlässig.
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Sitzungsprotokoll über die mündliche Verhandlung vom 27.11.2000 Bezug genommen.
II.
Der zulässige Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist sowohl hinsichtlich des Hauptantrages wie auch des Hilfsantrages unbegründet. Die Antragstellerin ist weder durch die Berücksichtigung des Angebots der Beigeladenen noch durch die Gestaltung der streitbefangenen Verdingungsunterlagen durch die Auftraggeberin im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt. Auch der Ausschluss des Angebots der Antragstellerin durch die Auftraggeberin gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A war rechtmäßig.
1.
Der Antrag ist zulässig. Bei der Auftraggeberin handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und damit um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Zwar hat der Gesetzgeber von der Ermächtigungsgrundlage in § 127 Nr. 1 GWB zum Erlass einer - neuen - Rechtsverordnung zur Umsetzung der Schwellenwerte für eine EU-weite Ausschreibung bislang keinen Gebrauch gemacht. § 100 GWB ist aber richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass die Schwellenwerte unmittelbar durch die EG-Richtlinien bestimmt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Dienstleistungsauftrag, für den gem. § 1 a Nr. 1 VOL/A der für eine Pflicht zur EU-weiten Ausschreibung maßgebliche Schwellenwert von 200.000,00 EURO = 391.166,00 DM gilt. Der voraussichtliche Wert des streitbefangenen Auftrags zur Verwertung von heizwertreichen Abfällen der ... für den Zeitraum 01.06.2005 bis zum 31.12.2020(15,5 Jahre) beträgt gemäß der Beschlussdrucksache 3056/2000 vom 09.11.2000 nach dem aus der Vergabeakte ersichtlichen Ergebnis der Wertung der Angebote unter Zugrundelegung des günstigsten Angebotes (Angebot der Beigeladenen) mindestens 7.523.800,00 EURO netto jährlich, bezogen auf eine mittlere Gesamtmenge von 96.300 Mg/a. Der Auftragswert übersteigt damit ohne weiteres den für die Anrufung der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert.
Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie behauptet, sie habe nur deshalb kein konkurrenzfähiges Angebot abgeben können, weil die Leistungsbeschreibung in der streitbefangenen Ausschreibung unter Verstoß gegen § 8 Nr. 1 VOL/A nicht eindeutig und so erschöpfend gewesen sei, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen mussten, was sich insbesondere aus der Einbeziehung unbestimmter ökologischer Zuschlagskriterien ergebe. Auch aus der Tatsache, dass die Auftraggeberin das Angebot der Antragstellerin gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A wegen Änderung der Verdingungsunterlagen ausgeschlossen hat, weil nach Auffassung der Auftraggeberin im Angebot der Antragstellerin komplette Textpassagen der Verdingungsunterlagen gefehlt hätten, ist der Antragstellerin eine Antragsbefugnis nicht abzusprechen. Zwar ist die Abgabe eines vollständigen Angebotes ohne weiteres Indiz für das Vorliegen eines Interesses am Auftrag. Ein Interesse am Auftrag können jedoch nur die tatsächlichen Bieter und damit Teilnehmer des Vergabeverfahrens haben. Vielmehr kommen auch die potenziellen Bieter in Betracht (vgl. Byok/Jaeger, Kommentar zum Vergaberecht, Heidelberg 2000, § 107 Rdnr. 674). Eine Antragsbefugnis kann daher trotz unterlassener Angebotsabgabe dann in Betracht kommen, wenn der Unternehmer, wie im vorliegenden Fall, geltend macht, durch die behaupteten, vermeintlichen Verfahrensfehler an der Abgabe oder sogar schon an der Erstellung eines vollständigen, ordnungsgemäßen Angebotes gehindert worden zu sein (vgl. OLG Koblenz, Beschluss v. 25.05.2000, Az.: VK 2/99). Voraussetzung für die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB ist weiterhin, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107, Rdnr. 52). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Sie hat schlüssig vorgetragen, dass sie möglicherweise ein konkurrenzfähiges Angebot vorgelegt und damit zumindest eine Aussicht auf Erhalt des Zuschlags gehabt hätte, wenn die Leistungsbeschreibung nicht die von ihr geltend gemachten, vermeintlichen Mängel aufgewiesen hätte. Es ist nicht erforderlich, dass die Antragstellerin auch schlüssig darlegt, dass sie bei vergabekonformem Verhalten der Auftraggeberin den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.04.1999, Az.: Verg. 1/99, S. 24).
Die Antragstellerin ist allerdings nur teilweiseihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber dem Auftraggeber unverzüglich bzw. soweit sie diese nicht positiv erkannt hat, diese aber bereits aus der Bekanntmachung vom 03.05.2000 erkennbar waren, bis zum Ablauf der Angebotsfrist zu rügen. Die Antragstellerin hat mit einem das Angebot begleitenden Schreiben vom 06.07.2000 die von ihr in diesem Nachprüfungsverfahren geltend gemachten vermeintlichen Vergaberechtsverstöße gerügt. Die Anmerkungen der ... zum Leistungsvertrag hinsichtlich der Vertragsbedingungen vom 16.06.2000, die erst mit dem Angebot am 06.07.2000 beim Auftraggeber eingereicht worden sind, sind als Rügepunkt vor der Vergabekammer gemäß §107 Abs. 3 GWB präkludiert. Die Antragstellerin hat den gerügten Verstoß gegen Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren positiv erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht unverzüglich gerügt. Der Rügekatalog zur Leistungsbeschreibung wurde von der Rechtsabteilung der ... erstellt und enthält derartig rechtlich detaillierte Ausführungen, dass spätestens mit Datum der Anmerkungen - 16.06.2000 - positive Kenntnis der Mängel am Leistungsvertrag belegt ist. Die Antragstellerin hat dann aber erst 20 Tage nach positiver Kenntnis gerügt. Hier hätte nach Auffassung der Vergabekammer spätestens bis zum 23.06.2000 gerügt werden können und müssen, also innerhalb einer Woche. Die Antragstellerin kann sich dem gegenüber nicht darauf berufen, dass die im Vermerk enthaltenen Rügen ja noch am 06.07.2000, also innerhalb der Angebotsfrist und damit innerhalb der Präklusionsfrist des Satzes 2des § 107 Abs. 3 GWB der Auftraggeberin zugegangen ist. Diese Präklusionsvorschrift, die im Gegensatz zur vorrangigen Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB keine positive Kenntnis der vermeintlichen Vergaberechtsverstöße erfordert, sondern eine Erkennbarkeit aus der Bekanntmachung genügen lässt, stellt vielmehr eine Verschärfung gegenüber der Regelung des Satzes 1 dar und eine erleichterte Beweismöglichkeit ( vgl. Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Vergaberecht, § 107, Rdnr. 36). Sie bedeutet dagegen nicht, das der Bieter von der Pflicht zur unverzüglichenRüge bei positiver Kenntnis befreit warten kann und sich bis zum Ablauf der Angebotsfrist Zeit lassen kann, weil die der Rüge zu Grunde liegenden Tatsachen schon aus der Bekanntmachung erkennbar waren.
Mit Ausnahme dieser im o. g. Vermerk enthaltenen Beanstandungen hält die Vergabekammer aber die Rügen vom 06.07.2000 und die weitere Rüge, die mit Anwaltsschreiben vom 01.11.2000 erfolgte unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich bei der streitbefangenen Ausschreibung um einen komplexen Auftrag und detaillierte Ausschreibungsunterlagen handelte, dessen rechtliche Überprüfung auch für einen sach- und fachkundigen Bieter die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes erforderlich machte, für unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 GWB. Dies gilt insbesondere für den Vorwurf der Antragstellerin, die Auftraggeberin habe unzulässigerweise den § 18 Ziff. 2 des in den Verdingungsunterlagen enthaltenen Entwurfs des Leistungsvertrages eine Meistbegünstigungsklausel aufgenommen, sowie für den Vorwurf, mit der Ausschreibung würden unzulässigerweise ökologische Ziele zum Zuschlagskriterium erhoben. Ebenso gilt dies hinsichtlich der erst mit Anwaltsschriftsatz vom 01.11.2000 erhobenen Rüge bezüglich der vermeintlichen Vorwegbindung der Auftraggeberin gegenüber der Beigeladenen durch die unstreitige Vereinbarung über den Verzicht auf den Standort ... aus dem Jahre 1999. Von dieser Tatsache hatte die Antragstellerin erst aufgrund des am 18.10.2000 bei ihr eingegangenen entsprechenden Hinweisschreibens des ... ... vom 16.10.2000 Kenntnis erlangt.
2.
Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet.
a)
Das Angebot der Beigeladenen:
aa)
Einer Berücksichtigung des Angebots der Beigeladenen in der Wertung steht nicht entgegen, dass die Beigeladene unstreitig im Jahre 1999 mit der Auftraggeberin entsprechend der vorliegenden Beschluss-Drucksache Nr. 1715/99 der ... eine Vereinbarung geschlossen hat, in der die Beigeladene darauf verzichtet, sich unter Nutzung eines ihr zur Verfügung stehenden Grundstücks in ... an der künftigen, nun streitbefangenen Ausschreibung zu beteiligen und im Gegenzug dazu von der ... die Erstattung der Mehrkosten zugesichert bekommen hat, die der Beigeladenen gegenüber dem für sie wirtschaftlich und logistisch günstigeren Gelände in ... dadurch entstehen, dass sie im Falle eines Zuschlags im streitbefangenen Vergabeverfahren von der allen Bietern durch die Auftraggeberin eingeräumten Option Gebrauch macht, ein Gelände in direkter Nachbarschaft des ... auf ... dem Gelände der ... ... betriebenen ... nach Abschluss eines entsprechenden Erbbaurechtsvertrags eine neue Müllverbrennungsanlage mit der für den streitbefangenen Auftrag erforderlichen Kapazität zu errichten. Anlass für die Auftraggeberin, eine derartige Vereinbarung abzuschließen, waren planungsrechtliche und planungspolitische Erwägungen. Der Auftraggeberin war bekannt, dass sie bereits ein Genehmigungsverfahren nach dem BImSchG bei der zuständigen Bezirksregierung ... eingeleitet hatte und dass diese bereits zum damaligen Zeitpunkt davon ausging, dass die Errichtung einer thermischen Restabfallbehandlungsanlage an eben diesem Standort genehmigungsfähig wäre. Insbesondere wegen der zu besorgenden Verkehrsbelastung für den Stadtteil ... wollte und will die ... aber die Errichtung einer Müllverbrennungsanlage im Stadtteil ... verhindern.
Der Abschluss dieser aus städteplanerischer und insbesondere verkehrsplanerischer Sicht verständlichen und grundsätzlich auch rechtlich zulässigen Vereinbarung im Vorfeld der eigentlichen Ausschreibung würde nur dann als Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes gem. § 97 Abs. 2 GWB gegen Vergaberecht verstoßen, wenn entweder durch die Vereinbarung selbst tatsächlich andere - ggf. potenzielle - Bieter im Vergabeverfahren benachteiligt würden. Für die Frage, ob die Beigeladene in dieser Weise vergaberechtswidrig Vorteile gegenüber Mitbewerbern durch die Vereinbarung erlangt hat, ist auf die Situation abzustellen, in der sich die Beigeladene befunden hätte, wenn eine derartige Vereinbarung nicht abgeschlossen worden wäre. In diesem Falle hätte sie sich ohne weiteres mit dem genehmigungsfähigen ihr zur Verfügung stehenden Grundstück in ... ... an dem streitbefangenen Vergabeverfahren beteiligt und den damit verbundenen Standortvorteil ohne Zweifel zur Steigerung ihrer Erfolgsaussichten bei der Angebotskalkulation berücksichtigt. Die Vereinbarung war daher umgekehrt dann nicht vergaberechtswidrig, wenn der Beigeladenen aufgrund dieser Vereinbarung lediglich ein Nachteilsausgleich für den Verzicht auf den Standort ... zugesprochen wurde, dass die Auftraggeberin die ihr dadurch entstehenden Mehrkosten bei der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Angebote in vollem Umfang berücksichtigt hat.
Der Neutralitätsgrundsatz als Ausfluss des Gleichbehandlungsgrundsatzes gem. § 97 Abs. 2 GWB bindet die öffentliche Hand auch dann, wenn es um die Auftragsvergabe in privatrechtlichen Formen geht. Der Neutralitätsgrundsatz ist Folge des im Europäischen Vergaberecht verankerten Diskriminierungsverbotes. Im Gegensatz zur Rechtsprechung des OLG Brandenburg (vgl. Beschluss v. 03.08.1999 - 6 Verg 1/99 - NVwZ 1999 S. 1242 ff. [VGH Baden-Württemberg 20.07.1999 - 10 S 1554/98] - Flughafen Berlin-Brandenburg) vertritt die Vergabekammer die Auffassung, dass der durch § 97 Abs. 2 GWB geschützte Neutralitätsgrundsatz nur dann verletzt ist, wenn Anhaltspunkte vorliegen, dass der öffentliche Auftraggeber tatsächlich einen der Bieter im Vergabeverfahren ungerechtfertigt bevorzugt hat. Der "böse Schein" der Parteilichkeit reicht danach allein nicht aus (vgl. Neßler, Der Neutralitätsgrundsatz im Vergaberecht, NVwZ 10/99, S. 1081 ff., 1083; OLG Stuttgart, Beschluss v. 24.03.2000, Az.: 2 Verg, 2/99). Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs enthält die streitbefangene Vereinbarung keine vergaberechtswidrigen Regelungen, die die Beigeladene bevorzugen. Aus der Formulierung in Ziffer 1 der als Anlage 1 zur Verwaltungsdrucksache Nr. 1715/99 vorliegenden Vereinbarung: " ... Die ... wird bei dem Ausschreibungsverfahren keine Bedingungen formulieren, die die ... von vornherein von der Ausschreibung ausschließen" lässt sich entgegen der Auffassung der Antragstellerin keine unzulässige Vorwegbindung ableiten. Im Gegenteil konkretisiert diese Regelung nur, wozu die Auftraggeberin gem. § 97 Abs. 2 GWB ohnehin verpflichtet ist, nämlich alle Teilnehmer an einem Verfahren gleich zu behandeln, es sei denn, eine Benachteiligung ist aufgrund des GWB ausdrücklich geboten oder gestattet.
Aber auch aus der Tatsache, dass die Auftraggeberin sich mit dieser Vereinbarung den Verzicht der Beigeladenen auf den Standort ... erkauft hat, lässt sich keine vergaberechtswidrige Bevorzugung der Beigeladenen ableiten. Ziffer 5 der Vereinbarung enthält folgende Regelung: "Bei der oben angesprochenen Übertragung des Grundstücks ist die Kostenneutralitätgegenüber dem von der ... gepachteten Grundstück in ... bezüglich der Erschließungs- und Gründungsaufwendungen herzustellen. Ein etwaiger Ausgleich kann durch den Grundstückswert und/oder durch das Einräumen von Nutzungsrechten an der am Standort ... vorhandenen Infrastruktur erfolgen.
Die ... wird auf eigene Kosten die Mehrkosten für Erschließung und Gründung durch einen unabhängigen Sachverständigen ermitteln lassen. Dabei sind alle Möglichkeiten der Kostenminimierung auszuschöpfen."
Diese Regelung enthält somit eine Erstattungszusage der Auftraggeberin für die der Beigeladenen infolge des Verzichts auf ihren logistisch und wirtschaftlich günstigen Standort ... entstehenden Mehraufwendungen für die erforderliche Infrastruktur. Sie wird durch diese Vereinbarung nicht besser gestellt als sie stehen würde, wenn sie sich mit dem abfall- und immissionsschutzrechtlich zulässigen, aber von der Auftraggeberin aus planungsrechtlichen Gründen nicht gewünschten Standort ... am Vergabeverfahren beteiligt hätte. Aus der der Vergabekammer vorliegenden Beschluss-Drucksache 3056/2000 für den Werkausschuss für Abfallwirtschaft der Auftraggeberin wie auch der Vergabeakte ergibt sich, dass die Auftraggeberin auf der Grundlage der Ziffer 5 der streitbefangenen Vereinbarung max. 5,34 Mio. DM netto an die Beigeladene zu zahlen hat. Diesen Betrag hat die Auftraggeberin bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes gem. § 25 Nr. 3 VOL/A beim Angebot der Beigeladenen entsprechend in voller Höhe kostenerhöhend berücksichtigt. Gleichwohl erwies sich das Nebenangebot 1 der Beigeladenen mit einem mittleren Nettopreis inkl. Transport von 161,93 DM/Mg (ohne Berücksichtigung der Mehrkosten aus der streitbefangenen Vereinbarung 1999: 156,09 DM/Mg). Das Angebot des zweitgünstigsten Bieters beläuft sich auf 175,63 DM/Mg. Erst auf Platz 4 folgt das Hauptangebot der Antragstellerin mit einem mittleren Nettopreis inkl. Transport von 237,50 DM/Mg.
Weder die streitbefangene Vereinbarung selbst noch ihre Handhabung bieten somit Anhaltspunkte für eine Verletzung des Neutralitätsgrundsatzes gem. § 97 Abs. 2 GWB.
bb)
Dem Angebot und den Nebenangeboten der Beigeladenen wurden Anmerkungen in Form eines Vermerkes vorangestellt, in denen verschiedene Regelungen des Entwurfs des Leistungsvertrages aufgegriffen wurden. Die Beigeladene erklärte in der mündlichen Verhandlung vom 27.11.2000, sie habe seinerzeit das Angebot in dem Bewusstsein abgegeben, die Vorgaben der Auftraggeberin im vollen Umfang ohne Wenn und Aber zu akzeptieren und dass es sich ausweislich der Überschrift dieses Vermerks ausdrücklich um Anmerkungen, nicht etwa um Bedingungen zum Leistungsvertrag handelt. Auf Seite 17 der Verdingungsunterlagen wird geregelt, dass zusätzliche Erläuterungen als Anlagen dem Angebot beigefügt werden können. Änderungen und Ergänzungen der Verdingungsunterlagen sind unzulässig. Wenn weiterhin das Angebot nur "die geforderten Erklärungen" enthalten soll, so bedeutet dies, dass zwar diese (geforderten) Erklärungen obligatorisch abzugeben sind, nicht aber, dass etwa nicht geforderte, also zusätzliche Erklärungen zwangsläufig zu einem Ausschluss von der Wertung i.S. von § 25 Nr. 1 Buchst. b führen. (Der Ausschlusskatalog in § 25 Nr. 1 sieht dies nicht vor.) So kann es ein Bieter in Einzelfällen für zweckmäßig halten, sein Angebot in Ergänzung der geforderten Erklärungen zum Verständnis und zur Beurteilung der angebotenen Leistung zu erläutern. Solche Erläuterungen dürfen allerdings nur kommentierende Angaben zum Angebot sein; keinesfalls dürfen sie einen Änderungsvorschlag oder ein Nebenangebot darstellen( Heiermann/Riedl/Rusam, Kommentar zur VOB, 8. Aufl., Rdn. 2 zu § 21VOB/A).
Es war also zu prüfen, ob das Angebot Fa. ... den Ausschreibungsbedingungen entspricht. Neben der Frage der Eignung der Fa. ... war zu untersuchen, ob das Angebot durch die dem Angebot beigefügten - aber nicht ausdrücklich zum Angebot erklärten- Anmerkungen dahingehend belastet ist, dass hieraus ggf. unzulässige Änderungen an den Verdingungsunterlagen vorliegen, die zum Ausschluss des Angebotes führen müssten. Ein Angebot, in dem Änderungen am Leistungsverzeichnis vorgenommen wurden, ist gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A, nach der VOL-Systematik entsprechend, zwingend auszuschließen. Die Vorschrift dient der Sicherstellung der Transparenz des Verfahrens und der Gleichbehandlung aller Bieter. Sie soll die Vergleichbarkeit der Angebote gewährleisten und den Auftraggeber davor schützen, dass er Veränderungen am Leistungsverzeichnis nicht bemerkt und einem günstiger wirkenden Angebot den Zuschlag erteilt(Beschluss der 1. Vergabekammer des Bundes vom 24.10.2000 - Az.: VK 1-31/00).
Das Angebot der Fa. ... wurde daraufhin vollständig untersucht mit dem Ergebnis, dass Änderungen an den Verdingungsunterlagen im Sinne von § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A nicht vorliegen, die einen Ausschluss des Angebotes über § 25 Nr. 1 Abs. 1 d) VOL/A bewirken könnten. Eine ausführliche diesbezügliche Angebotsüberprüfung des Angebotes der Fa. ... ... wird nachfolgend auszugsweise dargestellt, wobei nur die Anmerkungen der Fa. herangezogen werden, die ausführlicher untersucht werden mussten. Alle übrigen Anmerkungen sind offenkundig unschädlich.
Mit dem Hinweis der ... zu § 1, Abs. 4 des Leistungsvertrages werden Garantiemengen unterstellt mit einer Forderung nach finanziellem Ausgleich bei Nichteinhaltung. Hierdurch wird eine Änderung an den Verdingungsunterlagen nicht vorgenommen. In § 2 Nr. 3 VOL/B wird geregelt, dass ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- und Minderkosten zu vereinbaren ist, wenn durch Änderung in der Beschaffenheit der Leistung die Grundlagen des Preises für die im Vertrag vorgesehene Leistung geändert werden. In der Vereinbarung sind etwaige Auswirkungen der Leistungsänderung auf sonstige Vertragsbedingungen, insbesondere auf Ausführungsfristen, zu berücksichtigen. Diese Vereinbarung ist unverzüglich zu treffen. Da der Auftraggeber für die Mengen keine ausdrückliche Garantie abgibt, aber Preisanpassungen in der o.a. Vertragsbedingung auch nicht ausdrücklich ausschließt, greifen die Bestimmungen der Preisanpassung gem. § 2 Nr. 3 VOL/B. Des Weiteren wurden Vorschläge für die Anlieferungsmodalitäten eingebracht. Der Wunsch nach Festlegung der Anliefermodalitäten greift nicht in die Leistungsbeschreibung ein. Aus den Anmerkungen ist auch nicht ableitbar, dass die Leistungsbeschreibung nicht den Bestimmungen des 8 VOL/A entspricht, da sich die Anmerkungen auf Wiederholungen von Vergabe- und Rechtsgrundlagen beziehen und auf Wünsche nach weiter gehenden Festlegungen von Vertragsbedingungen.
Zu § 5 Abs. 1 des Leistungsvertrages merkt die Fa. ... an, dass bei Verzug der Abnahme der Abfälle der Auftraggeber eine Schadensminderungspflicht hat. Gemäß § 7 Nr. 1 VOL/B - Verzug und Nichterfüllung des Auftragnehmers - finden im Fall des Verzuges des Auftragnehmers die gesetzlichen Vorschriften nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Anwendung. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des Verzugs verweist Nr. 1 auf die gesetzlichen Vorschriften. Als normale Rechtsfolge des Verzugs steht dem Auftraggeber neben dem weiter bestehenden vertraglichen Erfüllungsanspruch ein Anspruch auf Ersatz des durch den Verzug entstehenden Schadens (§ 286 Abs. 1 BGB) zu. Weiterhin ergibt sich aus den §§ 287 und 288 BGB eine Haftungserweiterung für den Auftragnehmer, wonach dieser u.a. für den zufälligen Untergang des Liefergegenstandes verantwortlich ist und eine Geldschuld mit 4 % zu verzinsen hat (zum Schadensumfang sowie zur Kausalität, Beweislast und Verjährung s. Rdnrn. 18 ff.) (Daub/Eberstein, Kommentar zur VOL/B, 3. Aufl., Rdn. 14 zu § 7 VOL/B). Nur auf diese Regelungen wurde in den Anmerkungen der Fa. ... verwiesen. Es liegt kein Eingriff in die Verdingungsunterlagen vor.
Zu § 5, Abs. 4 und 6 des Leistungsvertrages erwartet die Fa. ... eine Leistungsbefreiung bei höherer Gewalt. Gemäß § 5 Nr. 2 (1) VOL/B sind die Ausführungsfristen angemessen zu verlängern, wenn die Behinderung im Betrieb des Auftragnehmers durch höhere Gewalt, andere vom Auftragnehmer nicht zu vertretende Umstände, Streik oder durch rechtlich zulässige Aussperrung verursacht worden ist. Gleiches gilt für solche Behinderungen von Unterauftragnehmern und Zulieferern, soweit und solange der Auftragnehmer tatsächlich oder rechtlich gehindert ist, Ersatzbeschaffungen vorzunehmen. Gemäß 2. (2) VOL/B sind die Parteien berechtigt, falls nichts anderes vereinbart ist, wenn eine nach Absatz 1 vom Auftragnehmer nicht zu vertretende Behinderung länger als drei Monate seit Zugang der Mitteilung gemäß Nr. 1 Satz 1 oder Eintritt des offenkundigen Ereignisses gemäß Nr. 1 Satz 2 dauert, binnen 30 Tagen nach Ablauf dieser Zeit durch schriftliche Erklärung den Vertrag mit sofortiger Wirkung zu kündigen oder ganz oder teilweise von ihm zurückzutreten. Der Auftraggeber hat die Bindung von 3 Monaten auf 6 Monate heraufgesetzt. Dies ist in Anbetracht des Vertragsgegenstandes nicht zu beanstanden. Eine andere Vereinbarung ist gemäß Abs. 2 auch zulässig. Eine Erwartung ist noch keine ausdrückliche Bedingung. Somit wird auch hier nicht in die Verdingungsunterlagen eingegriffen.
Hinsichtlich der Vertragsstrafen wird zu § 16 des Leistungsvertrages angemerkt, dass diese der gegenwärtigen Rechtslage entsprechen. Gemäß § 11 VOL/B gelten die §§ 339 bis 345 des Bürgerlichen Gesetzbuches, wenn Vertragsstrafen vereinbart sind. Ist die Vertragsstrafe für die Überschreitung von Ausführungsfristen vereinbart, darf sie für jede vollendete Woche höchstens 1/2 v. H. des Wertes desjenigen Teils der Leistung betragen, der nicht genutzt werden kann. Ist die Vertragsstrafe nach Tagen bemessen, so zählen nur Werktage; ist sie nach Wochen bemessen, so wird jeder Werktag einer angefangenen Woche als 1/6 Woche gerechnet. Der Auftraggeber kann Ansprüche aus verwirkter Vertragsstrafe bis zur Schlusszahlung geltend machen. Sind Vertragsstrafen vereinbart, ist eine angemessene Obergrenze festzulegen. Eine vom BGH beanstandete Obergrenze darf ohnehin nicht überschritten werden. Insofern wäre eine Vertragsanpassung obligatorisch. Abgesehen davon, dass eine solche Regelung nichtig ist, würde in einem Rechtsstreit vom Gericht eine Herabsetzung auf das zulässige Maß verfügt werden. Der Hinweis ist somit unschädlich.
Die Anmerkungen zu § 18, Abs. 2 des Leistungsvertrages hinsichtlich der Meistbegünstigungsklausel , dass die Begriffe"Kleinmengen" und "Verträge mit kurzer Laufzeit" weiter gehender Festlegungen bedürfen, ist zwar ziemlich weit gehend, aber nicht so konkret, dass von einer Änderung der Verdingungsunterlagen gesprochen werden kann. Im Übrigen ist die Meistbegünstigungsklausel auch aus vergaberechtlicher Sicht zulässig, da sie zur Kostenminderung und somit zur Gebührenoptimierung beiträgt. Die Regelung entspricht auch § 4 VO PR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen. Gemäß § 4 VO PR dürfen für marktgängige Leistungen die im Verkehr üblichen preisrechtlich zulässigen Preise nicht überschritten werden. Dem öffentlichen Auftraggeber sind Vorteile, insbesondere Mengen- und Wertrabatte, Skonti und besondere Lieferungsbedingungen einzuräumen, die beim Vorliegen gleicher Verhältnisse nicht öffentlichen Auftraggebern üblicherweise gewährt werden oder gewährt werden würden. Die o.a. Leistung unterliegt dieser Preisverordnung.
Die Auftraggeberin hat allen Bietern ein Grundstück in ... in Aussicht gestellt, sofern diese keine eigenen Liegenschaften haben und eine neue Anlage errichten müssten. Dieses Angebot war freibleibend und zählt somit nicht direkt zu den Verdingungsunterlagen. Die Beifügung des Erbbaurechtsvertrages war obligatorisch, damit die Bieter bei ihrer Kalkulation die entsprechenden mit der Übernahme des Grundstückes verbundenen Kosten kalkulieren konnten. Dieses Grundstücksangebot war also nur eine Offerte seitens des Auftraggebers und nicht zwingender Bestandteil des Angebotes. Somit können aus den Anmerkungen grundsätzlich keine Änderungen an den Verdingungsunterlagen resultieren.
Da die Fa. ... aber durch den Vorvertrag ausschließlich an dieses Grundstück und somit an den Erbbaurechtsvertrag gebunden ist, besteht hier jedoch ein enger Zusammenhang, der nicht mehr als freibleibende Offerte eingestuft werden kann. Es war also auch hier zu untersuchen, ob die diesbezüglichen Anmerkungen zu unzulässigen Eingriffen in das Vertragswerk führen. Die Prüfung hat auch hier ergeben, dass Änderungen an den Verdingungsunterlagen im Sinne von § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A nicht vorliegen, die einen Ausschluss des Angebotes über § 25 Nr. 1 Abs. 1 d) VOL/A bewirken könnten. Eine ausführliche diesbezügliche Nachprüfung des Angebotes der Fa. ... wird nachfolgend auszugsweise dargestellt, wobei nur die Anmerkungen der Fa. herangezogen werden, die ausführlicher untersucht werden mussten. Alle übrigen Anmerkungen sind auch hier offenkundig unschädlich.
Gemäß § 2 des Erbbaurechtsvertrages wird geregelt, dass der Erbbauberechtigte das Erbbaugrundstück in dem gegenwärtigen, ihm bekannten Zustand erhält. Die ... geht davon aus, dass sich die hier beschriebene Regelung auf Altlasten im Sinne des § 2, Abs. 5 BBodSchG bezieht. Die ... weist auch darauf hin, dass hinsichtlich der möglichen Kontaminationen des Untergrundes und/oder des Grundwassers, die durch den laufenden Deponiebetrieb verursacht werden, nicht ihrer Haftung unterliegen würden.
Gemäß § 2 Abs. 5 BBodSchG sind Altlasten im Sinne dieses Gesetzes
- 1.
stillgelegte Abfallbeseitigungsanlagen sowie sonstige Grundstücke, auf denen Abfälle behandelt, gelagert oder abgelagert worden sind (Altablagerungen), und
- 2.
Grundstücke, stillgelegte Anlagen und sonstige Grundstücke, auf denen mit umweltgefährdenden Stoffen umgegangen worden ist, ausgenommen Anlagen, deren Stilllegung einer Genehmigung nach dem Atomgesetz bedarf (Altstandorte), durch die schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den Einzelnen oder die Allgemeinheit hervorgerufen werden.
Bezüglich der Beseitigung der Altlasten wird nur klarstellend auf die gesetzliche Regelung verwiesen, die so umfassend ist, dass hiermit das vom Auftraggeber Gewollte weiterhin abgedeckt ist.
Bei den Kontaminationen infolge des Deponiebetriebes gilt das Verursacherprinzip. Hierfür ist der Auftraggeber als Deponiebetreiber allein zuständig. Somit findet hier kein unzulässiger Eingriff in das Vertragswerk statt.
Zusammenfassend sind die Anmerkungen der Fa. ... somit Wiederholungen, Feststellungen, Anregungen und Wünsche, so dass nicht von unzulässigen Änderungen an den Verdingungsunterlagen im Sinne von § 21 Nr. Abs. 3 VOL/A gesprochen werden kann, wonach Änderungen und Ergänzungen an den Verdingungsunterlagen unzulässig sind. Da dies hier nicht der Fall ist, kommt auch in diesem Zusammenhang ein Ausschluss des Angebotes über § 25 Nr. 1 Abs. 1 d) VOL/A nicht in Betracht, wonach Angebote, bei denen Änderungen oder Ergänzungen an den Verdingungsunterlagen vorgenommen worden sind (§ 21 Nr. 1 Abs. 3), ausgeschlossen werden.
cc)
Zuverlässigkeit der Beigeladenen
Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, dass das Angebot der Beigeladenen gem. § 25 Nr. 1 Abs. 2 b VOL/A ausgeschlossen werden muss, weil Zweifel an der Zuverlässigkeit der Beigeladenen bestehen. Begründet wird dies mit der unstreitigen Tatsache, dass gegen die ... AG, die als eine von drei juristischen Personen Gesellschafterin der Beigeladenen ist, z. Z. staatsanwaltliche Ermittlungen wegen verschiedener Delikte laufen. Ausweislich eines der Vergabekammer vorliegenden, aktuellen Zeitungsartikels der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) vom 30.11.2000 ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf gewerbsmäßigen Betrug, auf illegale Abfallentsorgung sowie wegen Geldwäsche. Außerdem bestehe der Verdacht der Bestechung. Die Ermittlungen richten sich gegen die zur ... , gehörende
Die Antragstellerin weist zur Begründung ihrer Auffassung auf Ziffer. 2.5.1, g, bb, S. 10 der Verdingungsunterlagen hin. Danach gehört zum Nachweis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit, dass
"weder der Bieter noch das bietende Unternehmen noch eine verantwortliche Person oder ein Gesellschafter derartige Verstöße im Zeitraum von 5 Jahren vor dem letztmöglichen Termin zur Abgabe eines Angebotes begangen hat oder deshalb innerhalb dieses Zeitraums weder angeklagt noch verurteilt worden ist."
Nach einem der Vergabekammer vorliegenden Artikel der ... vom 02.08.2000 wurde gegen den Bauunternehmer ... und sechs Mitangeklagte das Hauptverfahren wegen Verdachts der illegalen Abfallbeseitigung und der Umweltgefährdung eröffnet. Laut einem weiteren Presseartikel vom 08.08.2000 wurde das Verfahren inzwischen gegen zwei der mitangeklagten Mitarbeiter gegen Zahlung einer Geldbuße von 10.000,00 DM bzw. 20.000,00 DM eingestellt. Nach der zitierten Bedingung der Verdingungsunterlagen wäre demnach ein Gesellschafter der Beigeladenen als unzuverlässig einzustufen. Die zitierte Bedingung in den Verdingungsunterlagen ist indessen nicht mit § 25 Nr. 1 Abs. 2 b i.V.m. § 7 Nr. 5 VOL/A vereinbar. § 25 Nr. 1 Abs. 2 b regelt, dass Angebote von der Wertung ausgeschlossen werden, wenn sie von Bietern stammen, die von der Teilnahme am Wettbewerb ausgeschlossen werden können (§ 7 Nr. 5). Nach § 7 Nr. 5 c VOL/A können von der Teilnahme am Wettbewerb Bewerber ausgeschlossen werden, die nachweislich eine schwere Verfehlung begangen haben, die ihre Zuverlässigkeit als Bewerber in Frage stellt. Mit der "nachweislich schweren Verfehlung", die die Zuverlässigkeit als Bewerber in Frage stellt, ist eine Verfehlung gemeint, die im Rahmen der beruflichen Tätigkeit begangen wurde, wie sich aus dem Wortlaut des Art. 20 Abs. 1 Buchst. d LKR und des Art. 29 Abs. 1 Buchst. d DKR entnehmen lässt. In Betracht kommen insbesondere auf den Geschäftsverkehr bezogene schwer wiegende strafrechtliche Verurteilungen, wie z.B. wegen vollendeter oder versuchter Beamtenbestechung, Vorteilsgewährung, Diebstahls, Unterschlagung etc. (vgl. Daub / Eberstein, VOL/A, § 7, Rdnr. 64 m.w.N.).
Für das Vorliegen von Ausschlussgründen ist der Auftraggeber darlegungs- und beweispflichtig. Im Falle einer schweren Verfehlung müssen zumindest konkrete Anhaltspunkte gegeben sein, reine Verdachtsmomente reichen nicht aus. Zwar setzt dies nicht zwingend voraus, dass bereits eine gerichtliche Verurteilung vorliegt. Die Verfehlung muss aber andererseits beweisbar sein. Da im deutschen Strafrecht nach rechtsstaatlichen Grundsätzen für Angeklagte bis zur Verurteilung die Unschuldsvermutung gilt, reicht nach Auffassung der Vergabekammer die Tatsache, dass staatsanwaltliche Ermittlungen eingeleitet wurden, auch dann nicht aus, wenn diese bereits zur Anklageerhebung geführt haben. Eine vergaberechtliche Unzuverlässigkeit, die gem. § 7 Nr. 5 c zum Ausschluss der Beigeladenen aus dem streitbefangenen Vergabeverfahren berechtigen würde, liegt daher zumindest im derzeitigen Stadium der strafrechtlichen Ermittlungen nicht vor.
b)
Das Angebot der Antragstellerin
Die Auftraggeberin hat das Angebot der Antragstellerin zu Recht gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 d i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A von der Wertung ausgeschlossen und dieses nur noch vergleichsweise berücksichtigt.
Die Auftraggeberin erklärte in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage, auch der dem Angebot der Antragstellerin beigefügte Vermerk, vor allen Dingen aber die Tatsache, dass verschiedene in den Schriftsätzen näher aufgeführte Bestandteile der Verdingungsunterlagen dem Angebot nicht beigefügt waren, habe zu dem Schluss geführt, dass das Angebot der Antragstellerin aus Rechtsgründen auszuschließen sei. Auch der Vermerk enthielt mehrere Formulierungen, die als Veränderungen der Verdingungsunterlagen und Bedingungen bewertet wurden. Zum Vorhalt der Auftraggeberin, die Antragstellerin habe mehrere Bestandteile der Verdingungsunterlagen nicht ihrem Angebot beigefügt, erklärt die Antragstellerin, das Angebotsschreiben der Antragstellerin sei eindeutig formwirksam in toto unterschrieben worden. Die Unterschrift habe sich nach Auffassung der Antragstellerin auf sämtliche Verdingungsunterlagen der Auftraggeberin bezogen, auch wenn diese in concreto nicht beigefügt worden wären. Es wird eingeräumt, dass dies eindeutiger gewesen wäre. Die Beigeladene vertritt die Auffassung, dass hier nicht etwa aus Nachlässigkeit einige Bestandteile nicht mitgeschickt wurden, sondern dass die Antragstellerin gezielt einzelne Bestandteile des kompletten Satzes der Ausschreibungsunterlagen herausgenommen hat.
Das Angebot der Fa. ... war also ebenfalls zu überprüfen, ob es den Ausschreibungsbedingungen entspricht. Es war zu untersuchen, ob das Angebot durch die dem Angebot beigefügten und ausdrücklich zum Angebot erklärten Anmerkungen(S. 78 des Leistungsvertrages) dahingehend belastet ist, dass hieraus ggf. unzulässige Änderungen an den Verdingungsunterlagen gemäß § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A vorliegen, die gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 d) VOL/A zum Ausschluss des Angebotes führen müssen. Eine eingehende Untersuchung des Angebotes der ... hat ergeben, dass zu mehreren Paragraphen des Leistungsvertrages so konkrete Forderungen über Änderungen gestellt worden sind, die unzulässige Änderungen an den Verdingungsunterlagen darstellen und den Ausschluss des Angebotes bewirken. Die Angebotsüberprüfung des Angebotes der Fa. ... wird nachfolgend auszugsweise dargestellt.
In § 3 Ziff. 2.3 des Leistungsvertrages wird geregelt, dass der Auftraggeber das Recht zur außerordentlichen Kündigung gem. § 15 Abs. 6 des Leistungsvertrages hat, wenn die Verlegung des Verwertungsortes durch den Auftragnehmer während der Vertragslaufzeit ohne Zustimmung des Auftraggebers erfolgt. Nach der Antragstellerin muss diese Vertragsbestimmung entfallen. Maßgebend für die Durchführung des Vertrages kann nur sein, dass der Auftragnehmer seine vertraglichen Leistungen in vollem Umfange und entsprechend den Bestimmungen des Vertrages erbringt. Dies ist unabhängig von der Verlegung des Verwertungsstandortes. Durch diese Anmerkung wird die o.a. Vertragsbedingung konkret abbedungen.
In § 11 Ziff. 2 des Leistungsvertrages werden die zusätzlich aufzubewahrenden Angaben geregelt. § 11 Abs. 1 findet auch Anwendung auf diejenigen Mess- und Prüfungsergebnisse sowie sonstige anlagen- und prozessbezogenen Datenerhebungen, die unabhängig von der konkreten Leistungshandlung den technischen Stand der Leistungserbringung dokumentieren, soweit sie gem. § 10 Abs. 3 ff zu erheben sind. Nach der Antragstellerin ist diese Vertragsbestimmung ersatzlos zu streichen, da derartige Informationen nur den zuständigen Behörden zugehen müssen. Durch diese Anmerkung wird die o.a. Vertragsbedingung konkret abbedungen.
In § 12 Ziff. 2 des Leistungsvertrages wird der Nachweis der Verwertung und Entsorgung von Schlacke, Asche und sonstigen Reststoffen geregelt. Der Auftragnehmer hat im Rahmen seines Angebotes die erforderlichen Entsorgungswege nachgewiesen (Bewerbungsbedingungen Kap. 2.5.3 und LB Kap. 3.3). Abweichungen von diesem Entsorgungskonzept sind nur zulässig, wenn der Auftragnehmer vorher vom Auftraggeber schriftlich eine Genehmigung für die Änderung des Entsorgungsweges eingeholt hat.
Nach der Antragstellerin ist der letzte Satz dieser Vertragsbestimmung ersatzlos zu streichen. Für das Entsorgungskonzept ist allein der Betreiber einer Anlage verantwortlich. Hier hätte der Auftraggeber ein Steuerungsmittel, auf die legalen Entsorgungswege des Auftragnehmers Einfluss zu nehmen, obwohl der Auftragnehmer allein im Rechtssinne verantwortlich bleibt. Für Fehlentscheidungen des Auftraggebers wäre öffentlich-rechtlich allein der Auftragnehmer verantwortlich. Durch diese Anmerkung wird die o.a. Vertragsbedingung konkret abbedungen.
Nach § 13 Ziff. 1 des Leistungsvertrages müssen der Auftragnehmer und von ihm beauftragte Dritte über einen für ihre abfallwirtschaftlichen Tätigkeiten, einschließlich der Erfüllung dieses Vertrages, mithin insbesondere für die energetische Verwertung, thermische Behandlung und für die Entsorgung sowie die hierzu unterhaltenden Gebäude, Anlagen und sonstigen Einrichtungen sowie für die Durchführung aller damit zusammenhängenden Tätigkeiten (z.B. Transport) ausreichenden Versicherungsschutz verfügen. Dem Auftraggeber ist auf Verlangen Einsicht in die Versicherungsunterlagen zu gewähren. Die Nachweise über die Versicherung (Versicherungsscheine, Beitragsquittungen) sind dem Auftraggeber auf Verlangen vorzulegen. Der Auftraggeber darf eine Ergänzung oder Aufstockung des Versicherungsschutzes verlangen, wenn eine Prüfung des Versicherungsschutzes leistungsgefährdende Lücken ergibt.
Nach der Antragstellerin muss der zweite Satz dieser Vertragsbestimmung, der dem Auftraggeber ein Einsichtsrecht in die Versicherungsunterlagen gewährt, gestrichen werden. Der Inhalt der Versicherungsunterlagen sei üblicherweise streng vertraulich, Der Nachweis des Bestehens der Versicherungen gibt dem Auftraggeber vielmehr die erforderliche Sicherheit. Dies ist in dem folgenden Satz hinreichend geregelt. Durch diese Anmerkung wird die o.a. Vertragsbedingung konkret abbedungen.
Die Antragstellerin hat am Schluss ihres o.a. Vermerkes allgemein angemerkt, dass dieser Vertrag nur unter dem bei ihr bestehenden Aufsichtsratsvorbehalt abgeschlossen werden kann. Das Angebot der Antragstellerin ist durch den o.a. Vorbehalt nicht rechtsverbindlich unterschrieben und somit rechtsungültig, d.h., dass das Angebot schon aus diesem Grunde von der Wertung auszuschließen ist.
Nach § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 VOB/A müssen die Angebote mit rechtsverbindlicher Unterschrift versehen sein. Bei dieser Forderung handelt es sich - im Gegensatz zur Soll-Vorschrift des Satzes 1 - um eine Muss-Vorschrift, bei deren Nichtbeachtung das Angebot zwangsläufig von der Wertung ausgeschlossen wird. Die Verpflichtung zur Unterschriftsleistung hat ihren rechtlichen Grund im Vergabeverfahren der VOB/A selbst, wonach der Bieter auf die entweder von ihm angeforderten oder ihm zugesandten Verdingungsunterlagen ein schriftliches Angebot zum Abschluss eines Bauvertrages abzugeben hat. In der Zusendung der Verdingungsunterlagen durch den AG ist die Aufforderung zur Abgabe eines schriftlichen Angebots i.S. von § 127 Satz 1 in Verbindung mit § 126 BGB zu erkennen. Ein lediglich mündlich abgegebenes Angebot ist deshalb schlechthin rechtsungültig, ein ohne rechtsverbindliche Unterschrift abgegebenes schriftliches Angebot rechtsunwirksam. Allerdings kann die fehlende Unterschrift bis zur Eröffnung der Angebote im Eröffnungstermin (unter der Voraussetzung von § 22 Nr. 2) auf dem schriftlichen Angebot nachvollzogen werden. Ein lediglich durch Telegramm oder Fernschreiben eingereichtes Angebot entspricht nicht dem System des VOB-Vergabeverfahrens und ist deshalb ungültig. Hinsichtlich der Rechtsverbindlichkeit der Unterschrift gelten die gesetzlichen Bestimmungen. Demnach haben Bieter, die in das Handelsregister eingetragen sind, ihre Unterschrift gemäß den handelsrechtlichen Vorschriften (HGB §§ 17 und 12) zu leisten. Hierbei sind auch die einschlägigen Bestimmungen über die Vertretungsmacht (§§ 48ff. HGB) zu beachten. Bei Angeboten, die zwar unterschrieben sind, deren Unterschrift im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen aber nicht rechtsverbindlich ist, indem der Vertreter seine Unterschrift ohne Vertretungsmacht geleistet hat, gelten die Bestimmungen der §§ 177-180 BGB(Heiermann/Riedl/Rusam, Kommentar zur VOB, 8. Aufl., Rdn. 7 zu § 21 VOB/A). Was hier für die VOB gilt, gilt entsprechend auch für die VOL, da die diesbezüglichen Regelungen gleich sind. Im vorliegenden Fall ist aber eine Auslegung nicht mehr möglich, da die Antragstellerin mit dem o.a. Vorbehalt eine konkrete Einschränkung vorgenommen hat.
Außerdem wird durch diesen Vorbehalt das Angebot in sich unschlüssig, da sich die Antragstellerin hierdurch eine Möglichkeit eröffnen kann, sich ggf. noch innerhalb der Bindefrist von der Angebotsbindung zu befreien, indem sie die Zustimmung des Aufsichtsrates nicht beibringt.
Des Weiteren hat die Antragstellerin die Seiten 15 bis 40 der Verdingungsunterlagen (Bewerbungsbedingungen, Leistungsbeschreibung usw.) nicht mit dem Angebot eingereicht. Auf diesen Seiten waren seitens der Bieter keine Angaben zu machen. Diese Seiten sind also ein unveränderlicher Bestandteil der Verdingungsunterlagen und somit in sich selbst nicht auslegungsfähig. Es handelt sich also bei den fehlenden Seiten um vorgegebene, vorformulierte Bedingungen, die an alle Bieter in gleicher Form übersandt wurden und lediglich unverändert dem Angebot wieder beizufügen waren, jedoch nicht um individuelle Erklärungen. Eine körperliche Beifügung ist dann nicht erforderlich, wenn das Vertragswerk grundsätzlich als Angebotsbestandteil anerkannt worden ist(OLG Celle, Urteil v. 16.01.1992 - 7 U 280/90). Mit der Unterschrift der Antragstellerin auf dem vorformulierten "Angebotsschreiben des Bieters"(S. 3 der Verdingungsunterlagen) wird das gesamte Vertragswerk wie vom Auftraggeber vorgegeben uneingeschränkt anerkannt. Somit würden die fehlenden Seiten nicht zum Ausschluss des Angebotes führen.
c)
VOL-gerechte Leistungsbeschreibung
Die Vergabekammer durfte sich wegen der oben unter 1. dargelegten Gründe nicht mehr materiell mit der Leistungsbeschreibungs-Rüge befassen, soweit diese präkludiert ist; auch nicht von Amts wegen. Die Vergabekammer ist der Auffassung, dass eine präkludierte Rüge, auch wenn sie nur ein Teil der Begründung eines Antrages ist, nicht wieder von Amts wegen aufgegriffen werden darf. Der Absatz 3 des § 107 GWB enthält eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zur Vermeidung unnötiger Verfahren. Erkennt der Unternehmer Fehler im Vergabeverfahren, muss er dem Auftraggeber Gelegenheit geben, diese Fehler zu korrigieren. Der Unternehmer, der auf einen erkannten Fehler spekuliert, weil er sich möglicherweise zu seinen Gunsten auswirken könnte, soll insoweit nicht Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einfordern dürfen, wenn seine Spekulation nicht aufgeht. Zwar erfordern das öffentliche Interesse an der Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens und die knappe Frist, innerhalb der die Überprüfung durch die Kammer zu erfolgen hat, die Klärung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 110, Abs. 1 GWB). Dies entspricht dem Untersuchungsgrundsatz des § 24 VwVfG und des § 54 für die allgemeinen Kartellsachen. (In der Praxis muss sich die Kammer aber im Interesse eines zügigen Verfahrens und der Effizienz ihrer Arbeit in aller Regel auf die Prüfung der vorliegenden Anträge und der vorgetragenen Beanstandungen beschränken(Amt. Begr., BT-Drucks. 13/9340 v. 03.12.1997, S. 17ff.).Über den Amtsermittlungsgrundsatz dürfen jedoch nicht die Präklusionsregelungen des Gesetzgebers in § 107 Abs. 3 GWB ausgehebelt werden. Lediglich anhand der übrigen, nicht präkludierten Rügepunkte hatte die Vergabekammer daher zu prüfen, ob die Leistungsbeschreibung vergaberechtsgemäß, insbesondere eindeutig und erschöpfend im Sinne von § 8 VOL/A ist.
Die Antragstellerin beantragt u.a. die Aufhebung der Ausschreibung wegen mangelhafter Leistungsbeschreibung. Gemäß VOL/A § 26 - Aufhebung der Ausschreibung - kann die Ausschreibung aufgehoben werden, wenn:
- a)
kein Angebot eingegangen ist, das den Ausschreibungsbedingungen entspricht,
- b)
sich die Grundlagen der Ausschreibung wesentlich geändert haben,
- c)
sie kein wirtschaftliches Ergebnis gehabt hat,
- d)
andere schwer wiegende Gründe bestehen.
Die Aufhebung einer Ausschreibung wird sehr restriktiv gehandhabt. Der Bieter muss im Regelfall damit rechnen können, dass das Ausschreibungsverfahren durch eine Zuschlagserteilung beendet wird. Die Beendigung einer Ausschreibung durch Aufhebung ist auf Ausnahmefälle beschränkt und darf nur aus gewichtigen Gründen erfolgen. Die Bieter haben schon im Hinblick auf die oftmals mit erheblichem Kosten- und Arbeitsaufwand verbundene Angebotsbearbeitung Anspruch darauf, dass der AG nicht leichtfertig ausschreibt und dann ohne besonderen Grund die Ausschreibung aufhebt. Der Ausnahmefall der Aufhebung hat drei Tatbestände zur Voraussetzung. Aber auch bei Vorliegen dieser Tatbestände ist der AG keineswegs zur Aufhebung der Ausschreibung verpflichtet, sondern lediglich berechtigt, da § 26 eine "Kann-Vorschrift" ist. Der AG wird deshalb vor seiner Entscheidung zur Aufhebung ernstlich und unter Abwägung und Beachtung nicht nur seiner eigenen Interessen, sondern auch der der Bieter, deren Berechtigung zu prüfen haben. Andernfalls könnte ihm ein Ermessensmissbrauch zum Vorwurf gemacht werden (Heiermann/Riedl/Rusam, Kommentar zur VOB, 8. Aufl., Rdn. 3ff. zu § 26 VOB/A).
Wenn bei einer Ausschreibung ein wirtschaftliches Angebot vorhanden ist, liegt kein Grund für eine Aufhebung der Ausschreibung vor. Dies wäre auch dann der Fall, wenn überhaupt nur ein Angebot eingegangen wäre, sofern es den Ausschreibungsbedingungen entspricht.
Unter Berücksichtung dieser Grundsätze weist die Leistungsbeschreibung keine Mängel auf, die so erheblich wären, dass sie gegen Vergaberecht verstoßen, geschweige denn die Antragstellerin in Ihren Rechten verletzen und deshalb gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1 GWB zu einer Aufhebung der Ausschreibung durch die Vergabekammer führen müssten:
Die Antragstellerin hat gerügt, die Auftraggeberin habe in ihren Verdingungsunterlagen ökologische Bewertungskriterien aufgestellt, die zum einen beschaffungsfremd seien und im Übrigen auch zu unbestimmt. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin verstößt die Berücksichtigung ökologischer Bewertungskriterien nicht per se gegen § 97 Abs. 5 GWB und § 25 Nr. 3 VOL/A. Richtig ist, dass die einschlägigen Auftragsvergaberichtlinien fasst übereinstimmend festlegen, dass für die Auftragsvergabe grundsätzlich zwei Kriterien maßgebend sein dürfen. Der öffentliche Auftraggeber darf entweder den Anbieter auswählen, der den niedrigsten Preis anbietet, oder denjenigen Anbieter, der das wirtschaftlich günstigste Angebot abgegeben hat (vgl. Art. 36 der Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie RL 92/50/EWG, ABl. EG Nr. 1 209/1; Art. 34 der Baukoordinierungsrichtlinie RL 93/37/EWG, ABl. EG Nr. 1 199/54; Art. 26 der Lieferkoordinierungsrichtlinie RL 93/36/EWG, ABl. EG Nr. 1 199/1). Darüber hinausgehende andere Kriterien sind danach grundsätzlich vergabefremd und unzulässig, weil sie dem Wettbewerbsgedanken widersprächen, der das Europäische Vergaberecht prägt. Der deutsche Gesetzgeber hat sich in § 97 Abs. 5 GWB jedoch zulässigerweise ausdrücklich dafür entschieden, dem Kriterium "wirtschaftlichstes Angebot" den Vorzug vor dem ebenfalls zulässigen Kriterium"niedrigster Preis" zu geben. Das deutsche Recht schließt damit nicht aus, dass die preisliche Beurteilung des Angebots im Rahmen der Prüfung des wirtschaftlich günstigsten Angebots eine maßgebliche Rolle spielt. Der Preis ist nach deutschem Vergaberecht vielmehr zwar regelmäßig das wichtigste, aber eben nicht das allein entscheidende Kriterium (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 97 Rdnr. 144). Andererseits heißt dies nicht, dass jegliches - möglicherweise politisch nachvollziehbares oder volkswirtschaftlich sinnvolles - Kriterium unter den Wirtschaftlichkeitsbegriff subsumiert werden kann. Die EG-Vergaberichtlinien lassen sich vielmehr grundsätzlich nur dahingehend interpretieren, dass das gesetzliche Wirtschaftlichkeitserfordernis in erster Linie durch betriebswirtschaftliche Kriterien erfüllt wird. Die EG-Vergaberichtlinien nennen beispielhaft: Preis, Qualität, Ausführungsfrist, Betriebskosten, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Kundendienst, Rentabilität, technische Hilfe, technischer Wert. Aus den EG-Vergaberichtlinien lässt sich jedoch nicht ableiten, dass diese beispielhaft aufgeführten Kriterien zwingend oder abschließend sind. Der öffentliche Auftraggeber ist daher weder verpflichtet, sämtliche in den Richtlinien genannten Kriterien seiner Auswahlentscheidung zugrunde zu legen, noch ist er allein auf die genannten Kriterien beschränkt.
Der Europäische Gerichtshof hat in Konsequenz dieses nicht abschließenden Kriterienkatalogs der EG-Vergaberichtlinien daher durchaus Ausnahmen vom strikten Grundsatz der Unzulässigkeit vergabefremder Kriterien zugelassen, sofern diese nicht zu Diskriminierungen ausländischer Unternehmen oder zu anderen Behinderungen des Binnenmarktes führen. In seinem Urteil vom 20.09.1988, Az.: Rs. 31/87 ("Beentjes-Urteil"), hat der EuGH z.B. das Kriterium der Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen zwar weder als Eignungs- noch als Zuschlagskriterium qualifiziert. Er hat dieses Kriterium jedoch gleichwohl als berücksichtigungsfähig und EG-vergaberechtskonform eingestuft. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die EG-Richtlinien - auch die Vergaberichtlinien - kein einheitliches und erschöpfendes Gemeinschaftsrecht schaffen. Die Mitgliedsstaaten seien daher nicht gehindert, unter Beachtung gemeinschaftsrechtlicher Grundsätze, insbesondere der Diskriminierungsverbote des EG-Vertrages, zusätzliche Bedingungen für die Auftragsvergabe vorzuschreiben oder zuzulassen. Daraus lässt sich ableiten, dass das EU-Vergaberecht, dessen Schutzzweck und Anlass für das Vergaberechtsänderungsgesetz und die Schaffung des Nachprüfungsverfahrens gemäß dem 4. Teil des GWB ist, vergabefremde Kriterien nur dann ausschließen will, wenn sie den offenen Wettbewerb unter den Anbietern verfälschen. Umgekehrt heißt dies, dass vergabefremde Kriterien durchaus erlaubt sind, solange sie nicht zu einer mittelbaren oder unmittelbaren Diskriminierung von Bietern aus anderen Mitgliedsstaaten führen (so auch Neßler, Politische Auftragsvergabe durch den Staat?, DÖV 4/2000, S. 145 ff., 150).
Der EuGH hat seine im "Beentjes-Urteil" geäußerte Rechtsauffassung, die zum Teil im Schrifttum auf Kritik gestoßen ist (vgl. Boesen, a.a.O., § 97, Rdnr. 119), inzwischen durch eine weitere Entscheidung im Rechtsstreit EG-Kommission gegen Frankreich Rs C-225/98 bestätigt. So genannte vergabefremde, ggf. politische Kriterien bei der Vergabe öffentlicher Aufträge sind demnach vom europäischen Auftragsvergaberecht dann verboten, wenn sie zu Diskriminierungen ausländischer Unternehmen oder zu anderen Behinderungen des Binnenmarktes führen. Auf der anderen Seite reduziert sich das EG-Vergaberecht aber nicht nur auf die Förderung des EG-Binnenmarktes. Vielmehr ist europäisches Gemeinschaftsrecht so auszulegen, dass es eine optimale Wirkung entfaltet. Richtlinien müssen daher so interpretiert werden, dass sie die Verwirklichung des EG-Vertrages optimal fördern. Der EG-Vertrag will aber wiederum nicht nur einen europäischen Binnenmarkt schaffen, sondern nennt in Art. 2 EG-Vertrag ausdrücklich auch noch weitere Ziele, die grundsätzlich gleichberechtigt nebeneinander stehen. Es gibt keine Rangfolge der Ziele untereinander (vgl. Neßler, a.a.O., S. 151). Die Auftragsvergaberichtlinien sind daher dahingehend europarechtskonform auszulegen, dass sie vergabefremde Kriterien bei der Auftragsvergabe dann nicht verbieten, wenn diese dazu dienen, andere Ziele des EG-Vertrags neben dem Schutz des Binnenmarktes zu erreichen. Da der Umweltschutz ausdrücklich als wichtiges Ziel in Art. 2 des EG-Vertrages zu den hervorragenden Aufgaben der Gemeinschaft gezählt wird, dürfen somit bei der Vergabe öffentlicher Aufträge ökologische Kriterien berücksichtigt werden. Umweltschutz soll nach dem Willen des europäischen Gesetzgebers nicht nur durch Umweltpolitik an sich, sondern auch durch eine umweltfreundliche Gestaltung aller Politikbereiche und damit auch der Auftragsvergabepolitik praktiziert werden.
Richtig ist, dass ökologische Kriterien, wie auch Wirtschaftlichkeitskriterien, nur dann der Wertung der Angebote zugrunde gelegt werden dürfen, wenn sie auch ausdrücklich zum Inhalt der Leistungsbeschreibung gemacht worden sind. Die Auftraggeberin ist dieser Verpflichtung nachgekommen, indem sie unter Ziffer 2.1 "Ziele und Gegenstand des Vergabeverfahrens" unter anderen geregelt hat: "Die ... verfolgt über ökonomische Anforderungen hinaus ökologische Ziele, die sich entsprechend in den Zielvorgaben (Kapitel LB 3.1.1), den Bewerbungsbedingungen (Kapitel 2.5) und Beurteilungskriterien (Kapitel 2.7) wiederfinden ... "
Die Vergabekammer folgt der Rechtsauffassung der Antragstellerin nicht, dass sich die Berücksichtigung von ökologischen Kriterien bei einer Vergabe in der Bundesrepublik Deutschland deshalb verbietet, weil diese von der durch die EG-Richtlinien allen Mitgliedsstaaten eingeräumten Option, entsprechende gesetzliche Regelungen zu treffen, keinen Gebrauch gemacht habe. Vielmehr ist gerade das für die Errichtung einer Müllverbrennungsanlage maßgebliche Recht des KrW-/AbfG und des BImSchG in seiner Gesamtheit eindeutig auf die Förderung umweltschonender Technologien und Verfahren ausgerichtet. Es ist daher auch unter Transparenzgesichtspunkten nicht zu beanstanden, dass sich die Auftraggeberin bei der Gestaltung der Verdingungsunterlagen davon hat leiten lassen, dass die Zuschlagsentscheidung tunlichst nicht in Konflikt mit geltendem Abfall- und Immissionsschutzrecht gerät. Die Auftraggeberin hat sich daher zu Recht in ihrer Leistungsbeschreibung ausdrücklich an den Kriterien des KrW-/AbfG und des BImSchG orientiert. So heißt es z.B. auf Seite 19 ff. der Verdingungsunterlagen unter b:"Im Übrigen finden folgende Zuschlagskriterien Anwendung ... Die Grundsätze der Kreislaufwirtschaft gem. § 4 KrW-/AbfG, insbesondere der Grad der Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 und 3 KrW-/AbfG. Dazu zählen insbesondere der Umfang der Energienutzung, die Transportart und die Transportimmissionen, die Immissionen der Anlage, in welcher die angebotenen Leistungen erfüllt werden, Verwertung, Behandlung und Verbleib der Reststoffe." Weiter heißt es: "Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Verwertung gem. § 6 KrW-/AbfG und der Grad ihrer Erfüllung" Es verstößt nicht gegen das Transparenzgebot, dass die Auftraggeberin bewusst von dem durch das KrW-/AbfG eingeräumten weiten Spielraum Gebrauch gemacht hat, um möglichst einer Vielzahl von Bietern mit unterschiedlich angebotenen, abfall- und immissionsschutzrechtlich zulässigen Technologien die Möglichkeit der Beteiligung am streitbefangenen Vergabeverfahren zu eröffnen.
Richtig ist, dass die Auftraggeberin stattdessen auch eine konkrete - unter ökologischen Kriterien - optimierte Anlage hätte in der Leistungsbeschreibung festlegen können, indem sie eine über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinausgehende, bestimmte Art der thermischen Abfallbehandlung/Anlage in den Verdingungsunterlagen vorgibt. So wird z.B. in Fachpublikationen zwischen einer am gesetzlichen Mindeststandard (vollständige Ausschöpfung der Immissionsgrenzwerte der 17. BImSchV ) orientierten"Mindest-MVA" einer darüber hinausgehenden, technisch anspruchsvolleren sog."Standard-MVA" und schließlich einer noch einmal darüber hinausgehenden "Optimal-MVA" mit zusätzlichen Filtern etc., die z.B. nur 5 % mittlere Ausschöpfung der 17. BImSchV ermöglicht, unterschieden (vgl. Wallmann, Fricke, Vogtmann, Ökobilanzielle Bewertung der mechanisch-biologischen Restabfallbehandlung und der Müllverbrennung, Wasser und Abfall 9/1999, S. 20 ff., 21).
Im Ergebnis ist kein Bieter im streitbefangenen Vergabeverfahren durch die Berücksichtigung der ökologischen Kriterien durch die Auftraggeberin benachteiligt worden. Zum einen hat die Auftraggeberin mit dem Einsatz der Bilanzierungs-Software GEMIS ein fachlich anerkanntes Bilanzierungsmodell angewandt (vgl. Wallmann, Fricke, Vogtmann, a.a.O., S. 20), zum anderen hat sich durch die ökologischen Kriterien keine Verschiebung der unter reinen (betriebs-)wirtschaftlichen Gesichtspunkten ermittelten Rangfolge der günstigsten Angebote inkl. des rechnerisch auf Rang 4 stehenden Angebotes der Antragstellerin ergeben. Die Bewertung unter ökologischen Kriterien hatte darüber hinaus ergeben, dass das Angebot der Antragstellerin mit Ausnahme des Parameters "Energienutzung" einen Spitzenplatz bei der ökologischen Bewertung erzielt hat, wie sich aus dem Bericht des von der Auftraggeberin beauftragten Ingenieurbüros ... über die Angebotswertung vom November 2000 ergibt.
So erreichte das Angebot der Antragstellerin hinsichtlich der Parameter "Schwerpunktimmission aus Verwertung" und "Schwerpunktrisikobetrachtung" den 1. Platz unter den vier wirtschaftlichsten Angeboten. Aus den ökologischen Kriterien ergab sich somit für die Antragstellerin wie auch für die anderen Bieter weder eine Vergaberechtsverletzung, geschweige denn ein darauf beruhender Schaden.
III.
Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Es wird eine Gebühr in Höhe von 39.213,00 DM bzw. 20.049,29 EURO gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Der Auftragswert beträgt nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung mindestens rd. 14.715.273,- Mio. DM p.a.; hochgerechnet auf die Vertragsdauer von 15,5 Jahren =228.086.731,50 Mio. DM (netto).
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999. Hiernach wird der Mindestgebühr von 5.000,00 DM (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 2 Mio. DM (Schwellenwert von 1 Mio. EURO; ca. 2 Mio. DM)zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000,00 DM (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 300 Mio. DM (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 228.086.731,50 Mio. DM ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von 39.213,00 DM.
Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.
Basisgebühr = 39.213,00 DM
Abzüglich Vorauszahlung = 5.000,00 DM Restbetrag = 34.213,00 DM
Die Antragstellerin wird gebeten, den Restbetrag in Höhe von 34.213,00 DM bzw. 17.492,83 EURO unter Angabe des Kassenzeichens
[...]
auf folgendes Konto zu überweisen:
[...]
Kosten der Beigeladenen
Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Kosten der Beigeladenen folgt aus analoger Anwendung des § 162 Abs. 3 VwGO. Dort ist für das verwaltungsgerichtliche Verfahren geregelt, dass die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nur erstattungsfähig sind, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Die analoge Anwendung dieser Vorschrift zugunsten eines obsiegenden Beigeladenen ist im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer geboten (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 155, 158 [OLG Düsseldorf 12.01.2000 - Verg 3/99]; sowie OLG Düsseldorf, Beschluss v. 15.06.2000, Az.: Verg 6/00). Die für eine analoge Anwendung von Vorschriften erforderliche Regelungslücke ergibt sich daraus, dass gem. § 128 Abs. 4 Satz 2 lediglich geregelt wird:"Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen des Antragsgegners zu tragen. § 80 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder gelten entsprechend." Eine daraus folgende Ungleichbehandlung eines Beigeladenen gegenüber den anderen Beteiligten des Nachprüfungsverfahrens wäre jedoch nicht sachgerecht, zumal der Beigeladene schließlich gem. § 109 GWB deshalb den beteiligten Status erhält, weil "dessen Interessen durch die Entscheidung schwer wiegend berührt werden". Einerseits darf daher zwar für den Antragsteller durch (mögliche) Beiladungen kein unkalkulierbares und damit abschreckendes Kostenrisiko entstehen. Andererseits dürfen aber auch Kosten des Beigeladenen nicht zu einer Waffenungleicheit zu seinen Lasten führen (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 128, Rdnr. 1034).
Unter Berücksichtigung dieser sachgerechten Grundsätze entspricht es im vorliegenden Fall der Billigkeit i.S.d. hier analog anzuwendenden § 162 Abs. 3 VwGO, dass die unterlegene Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Nachprüfungsverfahren erforderlichen Aufwendungen der Beigeladenen, zu denen auch die Kosten eines durch die in einem derartig komplexen, nicht nur materielles Vergaberecht, sondern auch prozessuale Rechtsfragen berührenden Verfahrens ohne weiteres erforderlichen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts gehören, zu tragen hat. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin ihren Nachprüfungsantrag nicht nur auf vermeintliche Mängel der Ausschreibung, sondern auch auf den Vorwurf gestützt hat, die Beigeladene sei im vergaberechtlichen Sinne unzuverlässig. Gegen diesen Vorwurf, der, wäre er durch diese Entscheidung bestätigt worden, für die Beigeladene negative Folgen über die streitbefangene Auftragsvergabe hinaus auch für künftige, weitere Vergabeverfahren gehabt hätte, konnte und musste sich die Beigeladene auch unter Hinzuziehung eines Rechtsanwalts wehren.
Tyrra
Brinkmann