Landgericht Braunschweig
Beschl. v. 06.06.2016, Az.: 12 T 434/15
Bibliographie
- Gericht
- LG Braunschweig
- Datum
- 06.06.2016
- Aktenzeichen
- 12 T 434/15
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2016, 43105
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG - 02.06.2015 - AZ: 12 F 1397/13
Tenor:
1. Auf die Beschwerde vom 11.07.2015 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Wolfsburg vom 02.06.2015 wird die dem Sachverständigen XXX auszuzahlende Vergütung für das Gutachten vom 17.12.2014 auf 10.843,24 € festgesetzt.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
4. Die weitere Beschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Sachverständige XXX wurde vom Amtsgericht Wolfsburg – Familiengericht – in einer Kindschaftssache mit Beschluss vom 24.03.2014 (Bl. 44. Bd. I d. A.) mit der gutachterlichen Beantwortung der Frage beauftragt, ob „eine Abänderung der bisherigen Umgangsregelung mit der Maßgabe, dass die Kinder zukünftig ihren gewöhnlichen Aufenthalt ausschließlich bei einem Elternteil haben und den anderen Elternteil nur im Rahmen einer üblichen Umgangsregelung alle 2 Wochen am Wochenende besuchen, eine erhebliche Verbesserung im Sinne des Kindeswohls bringen“ würde. Des Weiteren sollte der Sachverständige zu der Frage Stellung nehmen, ob „ein Wechsel in den Haushalt des Vaters oder ein Wechsel in den Haushalt der Mutter besser für die Kinder“ ist.
Weitere gerichtliche Vorgaben wurden dem Sachverständigen nicht gemacht. Auf Anforderung des Sachverständigen hat das Amtsgericht die Akten 18 F 1294/12 (UG), 18 F 1224/12 (SO), 18 F 1223/12 (EASO), 18 F 1211/12 (EASO), 18 F 1179/12 (EAHK) zur Vorbereitung des Gutachtens an den Sachverständigen übersandt.
Unter dem 17.12.2014 legte der Sachverständige sein Gutachten vor. Auf den Inhalt dieses Gutachtens wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 20.12.2014 stellte die XXX für die Tätigkeit des Sachverständigen eine Rechnung über einen Betrag von 11.911,97 € zuzüglich Mehrwertsteuer, insgesamt 14.175,24 €, aus (Blatt 162 ff., Bd. I d. A.). Auf den entsprechenden Einzelnachweis wird verwiesen.
Mit Schreiben vom 09.02.2015 hat der Bezirksrevisor in dem vorliegenden Verfahren die Festsetzung der Vergütung nach § 4 JVEG beantragt. Er trägt im Wesentlichen vor, das Honorar eines Sachverständigen berechne sich nicht nach der tatsächlich aufgewendeten, sondern nach der erforderlichen Zeit. Der Sachverständige habe die erforderlichen Zeiten erheblich überschritten. Dies unter anderem vor dem Hintergrund, dass er seinen Gutachtenauftrag unzulässigerweise ausgedehnt habe, indem er Ausführungen zum Entwicklungsstand der Kinder, einem Entzug der elterlichen Sorge, einer möglichen Übertragung der elterlichen Sorge auf die Großeltern sowie Handlungsempfehlungen an die Großeltern gemacht und im Übrigen eine vollständige Gesundheitsanamnese mit der Darstellung der gesamten Vorgeschichte einschließlich eigener kindlicher Entwicklungen, schulischem Werdegang, Sexualentwicklung und Krankheitsvorgeschichte sowie der familiären Vorgeschichte hinsichtlich beider Kindeseltern durchgeführt habe. Der Umfang des erstatteten Gutachtens sei auch deshalb so groß ausgefallen, weil der Sachverständige sich in erheblichem Maße in Wiederholungen ergehe und ein Format der Textbearbeitung wähle, welche zu einem erheblichen Seitenumfang führe. Außerdem habe der Sachverständige Wartezeiten in Rechnung gestellt, wobei nicht klar sei, von wem diese zu vertreten sind. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben des Bezirksrevisors vom 09.02.2015 ( Bl. 178 ff. Bd. I d. A.) Bezug genommen.
Hierauf hat der Sachverständige mit Schriftsatz vom 12.03.2016 (Bl. 194 ff., Bd. I d. A.) Stellung genommen und unter dem 26.04.2015 die gerichtliche Festsetzung gemäß § 4 JVEG beantragt (Bl. 230, Bd. I d. A.).
Mit Beschluss vom 02.06.2015 (Bl. 256 ff. Bd. I d. A.) hat das Amtsgericht Wolfsburg die Vergütung des Sachverständigen für das schriftliche Gutachten auf 10.010,24 € festgesetzt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Beschlusses verwiesen.
Mit Schreiben vom 11.07.2015 hat der Sachverständige Beschwerde gegen den amtsgerichtlichen Beschluss eingelegt (Bl. 349 ff. Bd. II d. A.).
Das Amtsgericht Wolfsburg hat der Beschwerde mit Beschluss vom 13.07.2015 (Bl. 347 f. Bd. II d. A.) nicht abgeholfen und die Sache der Beschwerdekammer zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Auf die gemäß § 4 Abs. 3 JVEG statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde des Sachverständigen ist die Vergütung wie tenoriert festzusetzen. Die weitergehende Beschwerde des Sachverständigen ist unbegründet.
1. Wie die Kammer in rechtlich gleichgelagerten Fällen entschieden hat, ist die Sachverständigenvergütung nicht bereits deshalb zu kürzen, weil sie erheblich außer Verhältnis zum Wert des Verfahrensgegenstandes steht und der Sachverständige auf diesen Umstand gemäß § 407a Abs. 3 Satz 2 ZPO nicht rechtzeitig hingewiesen hat. Die Hinweispflicht greift in Kindschaftssachen nach Sinn und Zweck nicht ein, denn anders als der Streitwert bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten indiziert der Verfahrenswert bei Kindschaftssachen nicht die tatsächliche Bedeutung des Verfahrens für die Beteiligten.
Auch bleibt die Kammer bei ihrer Auffassung, dass eine Hinweispflicht des Sachverständigen gemäß § 407a Abs. 3 Satz 2 ZPO auch dann nicht anzunehmen ist, wenn die Kosten des Sachverständigengutachtens die Durchschnittskosten eines Sachverständigen in Kindschaftssachen erheblich überschreiten. Der Bezugspunkt der Durchschnittskosten findet im Gesetz keine Stütze. Zudem wird der Sachverständige regelmäßig nur mit erheblichem Aufwand die gültigen Durchschnittskosten feststellen können.
2. Die Vergütung des Sachverständigen ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Überschreitung des Gutachtenauftrags zu kürzen.
Der Sachverständige hat sein Gutachten grundsätzlich eigenverantwortlich zu erstellen und dabei selbst zu prüfen, welche Untersuchungen er im konkreten Fall für erforderlich hält (vgl. OLG München, Beschluss vom 02.12.1994, Az.: 11 WF 1015/94, zit. nach juris). Dies gilt jedenfalls dann, wenn ihm - wie hier - seitens des Gerichts keinerlei weitere Weisungen erteilt worden sind.
In der Wahl seiner Untersuchungsmethode zur Befunderhebung ist der Sachverständige frei. Er hat nur dann keinen Vergütungsanspruch, soweit er in seinem Gutachten über die ihm gestellte Beweisfrage hinausgeht oder vom Gutachtenauftrag abweicht (vgl. OLG München a.a.O.).
Dies ist nicht der Fall.
Zunächst einmal trägt die Kammer keine Bedenken dagegen, dass der Sachverständige in seinen Ausführungen eine Gesundheitsanamnese der Kindeseltern mit entsprechenden Ausführungen zur Vorgeschichte einschließlich eigener kindlicher Entwicklungen, schulischem Werdegang, Sexualentwicklung und Krankheitsvorgeschichte macht. Diese Ausführungen sind nach Auffassung der Kammer für die Frage, ob ein Wechsel der Kinder in den Haushalt des Vaters oder ein Wechsel in den Haushalt der Mutter besser im Sinne des Kindeswohls wäre, von grundlegender Bedeutung. Die Kammer hat der Akte entnehmen können, dass die Kindeseltern offenbar in einem sehr konfliktträchtigen Verhältnis zueinander stehen. Dies hat bereits vor dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden familiengerichtlichen Verfahren zu Streitigkeiten zwischen den Eltern und in diesem Zuge zu gerichtlichen Auseinandersetzungen geführt. Im Hinblick darauf war der Sachverständige zur Beantwortung der gestellten Beweisfragen gehalten aufzuklären, welche Bindung der Kinder zu den jeweiligen Elternteilen besteht, welche körperlichen, intellektuellen, sozialen und psychischen Ressourcen und Einschränkungen bei den Kindeseltern vorhanden sind und welche Förderungsmöglichkeiten auf Seiten der Kindeseltern gegeben sind. Denn alle diese Punkte sind für das vom Gericht zur Vorbereitung einer Entscheidung zu eruierende Gesamtbild der Kindeseltern von erheblicher Bedeutung.
Gleiches gilt für die Ausführungen zum Entwicklungsstand der Kinder. Um feststellen zu können, in wessen Haushalt eine Fördermöglichkeit für die Kinder am besten gewährleistet ist sowie für die Frage, welche Bindung zwischen Kindern und Kindeseltern derzeit besteht und wie diese sich zukünftig fortentwickelt, erscheint die Feststellung des Entwicklungsstandes der Kinder als ebenfalls erforderlich. Denn die Beantwortung der Frage, bei welchem der Elternteile die bestmögliche Förderung der Kinder gewährleistet ist, hängt in ganz erheblichem Maße von dem Entwicklungsstand der Kinder ab. Der Elternteil, bei dem die bestmögliche Förderung der Kinder im Kindergartenalter gewährleistet scheint, muss nicht derjenige sein, bei dem die größtmögliche Förderung im Schulalter erreicht wird.
Dass der Sachverständige im Rahmen seines Gutachtens Ausführungen zur Übertragung der elterlichen Sorge auf die Großeltern väterlicherseits macht, ist seitens der Kammer ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Sachverständige stellt auf Bl. 90 des Gutachtens klar, dass bei Aufenthaltsnahme der Kinder im väterlichen Haushalt eine Betreuung der Kinder „de facto“ von den Großeltern väterlicherseits geleistet würde. Insoweit ist es nicht nur sachgerecht, wenn der Sachverständige in dem vorliegenden überschaubaren Maße Ausführungen zur Erziehungseignung der Großeltern tätigt, sondern ausdrücklich einzufordern. Denn es liegt auf der Hand, dass die Frage der Umgangsregelung und insbesondere des gewöhnlichen Aufenthalts der Kinder in erheblichem Maße davon abhängt, inwieweit zunächst die Elternteile selbst erziehungsgeeignet sind, aber auch, inwieweit auf Seiten der Kindeseltern weitere Personen in die Betreuung eingebunden werden müssen und ob diese dazu geeignet erscheinen.
Die Ausführungen zur Frage eines etwaigen Entzugs der elterlichen Sorge, welche im Übrigen vom Gutachtenauftrag tatsächlich nicht gedeckt sind, sind auf ein Minimum beschränkt und daher nicht zu beanstanden. Es ist jedenfalls nicht erkennbar, dass der Sachverständige hinsichtlich dieser Frage vertieft tätig geworden wäre.
3. Die Kammer folgt darüber hinaus auch nicht der Auffassung des Amtsgerichts, die für den 22.10.2014 geltend gemachten 1,5 Stunden Wartezeit seien vom Sachverständigen nicht abzurechnen. Soweit das Honorar des Sachverständigen nach Stundensätzen zu bemessen ist, wird es für jede Stunde der erforderlichen Zeit einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten gewährt, § 8 Abs. 2 Satz 1 JVEG. Der Sachverständige hat im Rahmen seiner Beschwerdebegründung deutlich gemacht, dass die Kindesmutter im Hinblick auf den vereinbarten Termin vom 22.10.2014 offenbar vergessen hatte, die Kinder abzuholen. Aus den schriftlichen Ausführungen des Sachverständigen auf Bl. 7 des Gutachtens ergibt sich, dass für den genannten Termin eine teilnehmende Beobachtung einer Interaktionssequenz zwischen der Kindesmutter und den Kindern geplant war. Auf dieser Grundlage kann die Kammer hier nicht davon ausgehen, dass der Sachverständige die Wartezeit zu vertreten hat und seine Vergütung zu kürzen ist.
4. Die Rechnung des Sachverständigen vom 20.12.2014 ist jedoch wegen einer erheblichen Überschreitung der Erfahrungswerte des erforderlichen Zeitaufwands zu kürzen.
Die erforderliche Zeit nach § 8 Abs. 2 Satz 1 JVEG richtet sich nach dem erforderlichen Zeitaufwand eines Sachverständigen mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung mit durchschnittlicher Arbeitsintensität (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2003, Geschäfts-Nr.: X ZR 206/98, zit. nach juris). Dabei kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass die (aufgeschlüsselten) Angaben des Sachverständigen über die tatsächlich benötigte Bearbeitungszeit richtig sind (vgl. OLG München, a.a.O.). Anlass zur Nachprüfung besteht aber dann, wenn der angesetzte Zeitaufwand im Verhältnis zur erbrachten Leistung ungewöhnlich hoch erscheint (vgl. OLG München, a.a.O.; OLG Hamm, Beschluss vom 18.12.2012, Geschäfts-Nr.: 6 WF 43/12, zit. nach juris).
In der Sozialgerichtsbarkeit haben sich detaillierte Erfahrungswerte für die Zeiten betreffend Aktenstudium, Diktat von Anamnese und Befunden, Beurteilung und Beantwortung der Beweisfrage einschließlich Diktat und Korrektur sowie für die abschließende Durchsicht für medizinische Sachverständigengutachten herausgebildet. Werden diese Erfahrungswerte um mehr als 15 Prozent überschritten, ist in einem zweiten Schritt zu überprüfen, ob sich Hinweise ergeben, die eine Abweichung vom Ergebnis der Plausibilitätsprüfung rechtfertigen. Ist dies nicht der Fall, ist nur das Honorar in Höhe der Plausibilitätsprüfung zu vergüten (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 13.08.2013, Geschäfts-Nr.: L 6 SF 266/13, zit. nach juris). Nach Auffassung der Kammer sind die dort entwickelten Erfahrungswerte - grundsätzlich - auch auf familienpsychologische Sachverständigengutachten übertragbar, wobei im Einzelfall zu prüfen ist, ob eine festgestellte Abweichung ihre Ursache spezifisch in der Besonderheit der familienpsychologischen Begutachtung hat.
Im Einzelnen folgt die Kammer im vorliegenden Fall im Grundsatz den durch das Thüringer Landessozialgericht aufgestellten Erfahrungswerten (vgl. Thüringer Landessozialgericht, a.a.O.). Danach wird die Sachverständigenleistung wie folgt in fünf Bereiche aufgeteilt:
a) Aktenstudium und vorbereitende Arbeiten (pro 80 Blatt ca. 1 Stunde)
b) Erhebung der Vorgeschichte
c) Notwendige Untersuchungen
d) Abfassung der Beurteilung
e) Diktat sowie Durchsicht des Gutachtens (1 Stunde pro 5 - 6 Blätter des Gutachtens).
Im Hinblick auf die wissenschaftliche Ausarbeitung des Textes bzw. der Abfassung der Beurteilung ist die Kammer der Ansicht, dass der Erstellungsaufwand des Gutachtens von dessen Schwierigkeit und Umfang abhängig ist (vgl. LSG Sachsen Anhalt, Beschluss vom 30.07.2010, Geschäfts-Nr.: L 3 RJ 154/05, zit. nach juris). Die Seitenanzahl kann dabei nur (aber immerhin) ein Indiz sein (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, a.a.O.).
Soweit es um die reine Beurteilung und Beantwortung von Beweisfragen geht, ist ein Aufwand von einer Stunde für eine Seitenanzahl für angemessen erachtet worden, die sich zwischen einer Seite und drei Seiten bewegt (vgl. statt vieler: LSG Sachsen-Anhalt, a.a.O.; Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 03.08.2009, Geschäfts-Nr.: L 6 SF 44/08, zit. nach juris [jeweils mit weiteren Nachweisen]). Das Thüringer Landessozialgericht ist in jüngeren Entscheidungen von einem Aufwand von einer Stunde je 1,5 Seiten ausgegangen (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 13.08.2013, Geschäfts-Nr.: L 6 SF 266/13, zit. nach juris).
Dabei handelt es sich jedoch nur um einen Anhaltspunkt für die (regelmäßig) angemessene Stundenzahl (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 15.03.2012, Geschäfts-Nr.: L 6 SF 224/12 B, zit. nach juris; Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16.11.2011, Geschäfts-Nr.: L 5 P 55/10, zit. nach juris). Hierdurch soll dem Kostenbeamten im Einzelfall eine sinnvolle und zügige Bearbeitung ermöglicht werden (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 13.08.2013, a.a.O.). Im Zweifel ist der im Einzelfall erkennbare Arbeitsaufwand des Sachverständigen maßgebend, der im Gutachten zum Ausdruck kommt. Insofern ist in begründeten Sonderfällen durchaus eine Abweichung (positiv wie negativ) bei dem genannten Ansatz erforderlich (Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 13.08.2013, a.a.O.). Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Sachverständige, dessen gutachterliche Beurteilung umständliche und ausschweifende Ausführungen enthält, nicht gegenüber demjenigen „bevorzugt“ werden darf, dem es gelingt, die wesentlichen Punkte gedrängt zusammenzufassen (vgl. Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16.11.2011, a.a.O.).
Nach dieser Maßgabe geht die Kammer davon aus, dass der angemessene Zeitaufwand des Sachverständigen im vorliegenden Fall auf eine Dauer von drei Seiten pro Stunde zu begrenzen ist. Die Ausführungen des Sachverständigen XXX sind äußerst ausführlich und zu einem nicht unerheblichen Anteil redundant. Im Hinblick auf den überdurchschnittlichen Umfang des Gutachtens ist auch zu berücksichtigen, dass der Arbeitsaufwand je Seite umso höher einzuschätzen ist, je kürzer ein Gutachten ist. Dies ergibt sich schon daraus, dass gewisse Vorarbeiten sowie Grundüberlegungen unabhängig vom Umfang des schriftlichen Gutachtens anfallen.
Nach diesen Maßgaben ist vorliegend von folgendem Zeitaufwand auszugehen:
a) Aktenstudium: 8 Stunden
Aktenstudium (605 Seiten [18 F 1397/13, 18 F 1211/12, 18 F 1294/12, 18 F 1223/12, 18 F 1224/12]; 80 Seiten pro Stunde)
b) Telefongespräche mit Prozessbeteiligten: 2 Stunden
Der Ansatz von 2 Stunden scheint bei dem aus der Akte ersichtlichen Aufwand angemessen.
c) Notwendige Untersuchung (nebst Fahrzeiten): 38,5 Stunden
- Exploration Kindesvater zzgl. Fahrzeit: 7,5 Stunden
- Exploration Kindesmutter zzgl. Fahrzeit: 14,25 Stunden
- Interaktionssequenz Kindesvater zzgl. Fahrzeit: 5,5 Stunden
- Interaktionssequenz Kindesmutter zzgl. Fahrzeit und Wartezeit: 7 Stunden
- Gespräche mit den Kindern zzgl. Fahrzeit: 4,25 Stunden
d) gedankliche Erarbeitung des Gutachtens: 29,0 Stunden
e) Diktat, Durchsicht, Korrektur: 7,5 Stunden
Insgesamt errechnet sich für die Positionen a) bis c) deshalb ein Zeitaufwand von 48,5 Stunden.
Bei der Position d) „Gedankliche Erarbeitung des Gutachtens“ ist bei einer teilweisen Wiedergabe des Akteninhalts, den Ergebnissen der Anamnese sowie der neurologischen und psychiatrischen Befunde als Beurteilung die „eigentliche Beurteilung“ herauszufiltern (vgl. Bayrisches Landessozialgericht, Beschluss vom 17.05.2010, Geschäfts-Nr.: L 15 SF 396/09, zit. nach juris).
Die Kammer geht davon aus, dass nicht lediglich die Ausführungen zu Nr. 6. „Stellungnahme zur Frage des Familiengerichts“ auf den Seiten 88 bis 96 des Gutachtens zur Beurteilung im engeren Sinn zu zählen sind, sondern dass zur Beurteilung der Beweisfrage im Sinne der landessozialgerichtlichen Rechtsprechung bereits der Gutachtenteil ab Nr. 5. „Beurteilung“, also die Seiten 55 - 96 des Gutachtens gehören. Allerdings enthält dieser Gutachtenteil in erheblichem Umfang auch Wiederholungen der Anamnese. Dem wird im vorliegenden Fall nach Auffassung der Kammer jedoch dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass für diesen Gutachtenteil von einem Zeitaufwand von einer Stunde pro drei Seiten und damit von einem vergleichsweise geringen Zeitaufwand ausgegangen wird. Hieraus ergibt sich für die vorliegende Begutachtung ein Begutachtungsanteil von 41 Seiten (Seiten 55 - 96 des Gutachtens) und somit ein Zeitaufwand von
14,0 Stunden.
Die Seiten 1 - 55 des Gutachtens enthalten neben einer umfangreichen Gliederung ebenfalls umfangreiche und äußerst detaillierte Zusammenfassungen der Gesprächs- und Testinhalte. Die bloße Wiedergabe der Gesprächs- und Testinhalte enthält keine Begutachtungsanteile. Der Zeitaufwand für diesen Gutachtenteil ist deshalb entsprechend der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Thüringen mit dem Punkt e) „Diktat, Durchsicht und Korrektur“ ausreichend abgegolten. Auszugehen ist deshalb hier von einem Aufwand von einer Stunde pro 5 - 6 Blatt. Die Kammer legt hier einen Mittelwert von 5,5 Blatt pro Stunde zugrunde, so dass sich ein Zeitaufwand hierfür von
10 Stunden
ergibt.
Soweit die Seiten 1 - 55 des Gutachtens auch Auswertungen und Interpretationen der psychologischen Tests enthalten, hat der Sachverständige diese gesondert mit 10 Stunden abgerechnet. Der hier zugrunde gelegte Zeitaufwand von einer Stunde für die Auswertung je Test erscheint dabei deutlich übersetzt. Nach der Rechtsprechung des Bayrischen Landessozialgerichts (Beschluss vom 10.03.2010, a.a.O.) ist eine testpsychologische Untersuchung in der Regel mit einer halben Stunde pro Test zu vergüten. Daneben erscheint der Ansatz von einer Stunde allein für die Auswertung eines Tests überhöht. Auch die Kammer hält einen Zeitaufwand für 30 Minuten für die Auswertung je Test für angemessen. Hieraus ergibt sich ein weiterer Zeitaufwand von
5 Stunden.
Hinzu kommt noch der Zeitaufwand gemäß Position e) „Diktat, Durchsicht und Korrektur“. Für die Seiten 1 - 55 des Gutachtens wurde dieser Zeitanteil bereits oben berücksichtigt. Es verbleibt somit noch der Zeitaufwand für Diktat, Durchsicht und Korrektur für die Beurteilung „im engeren Sinn“ auf den Seiten 55 - 96 des Gutachtens, insgesamt also 41 Seiten. Ausgehend von einem Zeitaufwand von einer Stunde pro 5,5 Blatt ergeben sich hieraus weitere
7,5 Stunden.
Als Honorar (§§ 8 Absatz 1 Nr. 1, 9 JVEG) kann der Sachverständige für den Gutachtenauftrag vom 24.03.2014 (48 + 28,5 + 7,5 =) 85 x 100,00 € = 8.500,00 € verlangen.
Daneben erhält er - nach Maßgabe von § 8 Absatz 1 JVEG - als weitere Vergütung Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG) und Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG) in Höhe von insgesamt 611,97 €. Hierzu im Einzelnen:
Fahrtkosten aufgrund der Gespräche vom 02.05.2014, 13,06.2014, 08.07.2014, 11.09.2014, 22.10.2014, 09.11.2014 ([188,00 x 0,30 € x 6] = 338,40 €
Ersatz für sonstige und besondere Aufwendungen kann der Sachverständige - wie beantragt - in Höhe von 273,57 € verlangen.
Insgesamt steht dem Sachverständigen daher für den Gutachtenauftrag vom 24.03.2014 eine Vergütung in Höhe von (8.500,00 € + 611,97 € =) 9.111,97 €, zzgl. Mehrwertsteuer in Höhe von 1.731,27 € also von 10.843,24 € zu.
6. Zugunsten der XXX ist die Vergütung nicht festgesetzt worden. Eine gegebenenfalls erfolgte Abtretung des Vergütungsanspruchs, die gem. § 134 BGB i. V. m. § 203 Abs. 1 Nr. 2 StGB nichtig wäre, berührt die erfolgte Festsetzung zugunsten des Sachverständigen nicht (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 26.01.2004, Geschäfts-Nr.: 21 WF 783/03, zit. nach juris, Tz. 7).
7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 4 Absatz 8 JVEG.
8. Die weitere Beschwerde ist gemäß § 4 Absatz 5 JVEG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zuzulassen. Das Verfahren betrifft die - soweit ersichtlich in der ordentlichen Gerichtsbarkeit noch nicht geklärte - Frage, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die Abrechnung eines Sachverständigen aufgrund einer Plausibilitätsprüfung des angesetzten Zeitaufwands gekürzt werden kann. In der Landessozialgerichtsbarkeit hat sich für die Prüfung medizinischer Sachverständigengutachten eine differenzierte Kasuistik entwickelt. Die Frage, ob und inwieweit diese Kasuistik auf Sachverständigengutachten in der ordentlichen Gerichtsbarkeit übertragbar ist, hat grundsätzliche Bedeutung.