Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 03.11.2021, Az.: 14 U 86/21

Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall; Sachgerechte und fachgerechte Reparatur eines Vorschadens; Fehlende Kenntnis eines Geschädigten von Vorschäden

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
03.11.2021
Aktenzeichen
14 U 86/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 61961
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 20.04.2021 - AZ: 20 O 181/20

Fundstellen

  • VRA 2021, 212
  • VRA 2022, 119
  • VRR 2022, 13
  • zfs 2022, 81-82

In dem Rechtsstreit
H. F., ...,
Klägerin und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro ...,
gegen
... Versicherung, vertreten durch den Vorstand, ...,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro ...,
hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 05.10.2021 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht ... für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 20. April 2021 verkündete Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover - 20 O 181/20 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.927,38 € nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. November 2020 zu zahlen;

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von der Forderung ihrer Prozessbevollmächtigten über 571,44 € vorgerichtliche Kosten freizustellen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für die Berufung beträgt 5.927,38 €.

Gründe

(abgekürzt gem. §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO)

I.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg.

1. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte gem. §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG in Höhe von 5.927,38 € aus dem Verkehrsunfall vom 24.3.2020, für den die Beklagte zu 100% einstandspflichtig ist.

Der von der Klägerin angebotene Zeuge H., zum Beweis für eine sach- und fachgerechte Reparatur des Vorschadens, war - entgegen dem Landgericht - zu vernehmen. Der Bundesgerichtshof führt insoweit in seinem Beschluss vom 15. Oktober 2019 - VI ZR 377/18 -, Rn. 9, juris, aus:

Soweit der Geschädigte behauptet, von einem eventuellen Vorschaden selbst keine Kenntnis und die beschädigte Sache in unbeschädigtem Zustand erworben zu haben, kann es ihm jedoch nicht verwehrt werden, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Punkte zu verlangen, über die er kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann. Er ist deshalb grundsätzlich nicht gehindert, die von ihm nur vermutete fachgerechte Reparatur des Vorschadens zu behaupten und unter Zeugenbeweis zu stellen. Darin kann weder eine Verletzung der prozessualen Wahrheitspflicht noch ein unzulässiger Ausforschungsbeweis gesehen werden (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 1988 - IVa ZR 67/87, NJW-RR 1988, 1529, juris Rn. 7; Senatsurteil vom 10. Januar 1995 - VI ZR 31/94, NJW 1995, 1160, juris Rn. 17).

Dies war vorliegend der Fall. Im Unterschied zu dem vom Landgericht zitierten Senatsurteil vom 08.02.2017 - 14 U 119/16 - war die Klägerin zum Zeitpunkt des Vorschadens noch nicht die Eigentümerin des Fahrzeugs. Sie hat behauptet, die Sache in unbeschädigten Zustand erworben zu haben, so dass ihr nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht verwehrt werden kann, ihre Behauptung einer fachgerechten Reparatur des Vorschadens unter Zeugenbeweis zu stellen.

Nach dem Ergebnis der durch den Senat durchgeführten Beweisaufnahme ist der streitgegenständliche Vorschaden aus dem Unfallereignis vom 25.3.2018 sach- und fachgerecht repariert worden. Der Zeuge H., der von Beruf Kraftfahrzeugmechaniker ist, hat hierzu vor dem Senat überzeugend und nachvollziehbar ausgesagt, das Fahrzeug sei vor dem Ankauf durch sein Autohaus auf Schäden untersucht worden. Es sei die Fahrzeughistorie recherchiert worden und das Fahrzeug sei im Rahmen der Untersuchung auf eine Hebebühne gesetzt worden. Es habe auch einen neuen TÜV bekommen. Im Rahmen dieser Untersuchungen und Recherchen seien keinerlei Beschädigungen an dem Fahrzeug festgestellt worden, die nicht lediglich kleinere Lackabplatzungen gewesen seien.

Der Zeuge hat weiter bekundet, dass auch der Dekra-Sachverständige, der das Fahrzeug nach dem Unfall der Klägerin untersucht habe, keine Beschädigungen durch einen zuvor erfolgten Heckaufprall festgestellt habe. Das Fahrzeug sei dabei auch auseinandergebaut gewesen. Der Zeuge hat dem Senat nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass ihm ein unsachgerecht reparierter Vorschaden aufgefallen wäre. In einem solchen Fall gäbe es beispielsweise Lackunterschiede. Gerade im Rahmen einer Zerlegung falle eine unsachgemäße Reparatur, beispielsweise durch abbrechenden Spachtelauftrag, auf. Bei dem Fahrzeug der Klägerin sei indes weder ihm, noch dem TÜV, noch dem Dekra-Sachverständigen, ein unsachgemäß reparierter Vorschaden aufgefallen.

Auf die im Rahmen der Zeugenvernehmung vorgehaltenen Lichtbilder der Anlage B1, auf denen die Vorschäden ersichtlich sind, hat der Zeuge überzeugend bekundet, dass der auf den Lichtbildern ersichtliche Schaden mit Sicherheit fachgerecht repariert worden sei, ansonsten wäre dieser bei der Untersuchung des Fahrzeugs bemerkt worden. Ein solches Fahrzeug hätte er auch nicht angekauft.

Der Senat erachtet die nachvollziehbaren und überzeugenden Aussagen des Zeugen H. in jeder Hinsicht als glaubhaft und ist von einer sach- und fachgerechten Reparatur des Vorschadens überzeugt.

2. Gem. § 249 Abs. 2 BGB hat die Klägerin somit einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung der durch den Unfall vom 24.03.2020 erfolgten Schäden, wie folgt:

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung der Reparaturkostenrechnung (4.482,30 €) und der Sachverständigenkosten (699,66 €). Den Anspruch auf Zahlung der Sachverständigenkosten hatte die Klägerin zwar zunächst an die Dekra abgetreten (Anlage B3), dann erfolgte aber eine Rückabtretung (Anlage K8), so dass die Klägerin die Anspruchsinhaberin ist. Gleiches gilt für die Mietwagenkosten (470,42 €). Die Klägerin hatte den Anspruch auf Erstattung von Mietwagenkosten zunächst an das Autohaus H. zunächst abgetreten (Anlage B2), dann erfolgte eine Rückabtretung (Anlage K8).

Die Klägerin hat ferner einen Anspruch auf Zahlung der Wertminderung (250,00 €), der Nebenkostenpauschale (25,00 €), sowie einen Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 571,44 € gem. § 257 BGB. Die Klägerin hat ihre Aktivlegitimation nach dem Bestreiten der Beklagten mit Schreiben vom 14.9.2020 (Anlage K7) dargelegt.

Die Zinsansprüche folgen aus den § 291, § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

II.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

III.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und der Senat nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes oder eines anderen Oberlandesgerichts abweicht, so dass auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 ZPO.

IV.

Die Festsetzung des Streitwertes für das Berufungsverfahren folgt aus § 3 ZPO, § 47 Abs. 1 GKG.