Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 10.06.2004, Az.: 2 B 77/04

Ausgleichsmaßnahme; Bebauungsplan; Geschossigkeit; Grundfläche; Kostenerstattung; Zuordnung

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
10.06.2004
Aktenzeichen
2 B 77/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 50686
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Heranziehungsbescheid der Antragsgegnerin vom 07.11.2003 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Verfahrenskosten.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.030,01 EUR festgesetzt.

Gründe

1

Der zulässige Antrag ist begründet.

2

Der Antrag, im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Heranziehungsbescheid der Antragsgegnerin vom 07.11.2003 herzustellen, ist als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu verstehen. Denn Widersprüche gegen die Festsetzung eines Kostenerstattungsbetrages nach § 135a Abs. 3 BauGB haben gemäß § 212a Abs. 2 BauGB keine aufschiebende Wirkung (vgl. § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Das Gericht der Hauptsache kann gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die gerichtliche Entscheidung orientiert sich an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Dabei überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse an einem sofortigen Vollzug des Bescheides, wenn sich dieser nach summarischer Überprüfung als rechtmäßig erweist. Das Interesse eines Antragstellers, von dem Vollzug eines Bescheides einstweilen verschont zu bleiben, überwiegt hingegen, wenn sich der Bescheid in einem Hauptsacheverfahren voraussichtlich als rechtswidrig erweisen wird. So liegt es hier.

3

Die Heranziehung des Antragstellers zu einer Kostenerstattung für die Ausgleichsmaßnahmen im Geltungsbereich des Bebauungsplans D. vom 18.04.1994 den Bestimmungen der Satzung der Antragsgegnerin über die Erhebung von Kostenerstattungsbeträgen nach § 8a BNatSchG in Höhe von 4.060,02 EUR durch den Bescheid vom 07.11.2003 ist voraussichtlich rechtswidrig.

4

Zwar ist die zuvor genannte Kostenerstattungssatzung der Antragsgegnerin vom 08.12.1994 auch nach Inkrafttreten der Neuregelung zu den Maßnahmen für den Naturschutz in §§ 135 a bis c BauGB durch das BauROG 1998 weiterhin gültig. Denn weder die genannten Bestimmungen noch die Überleitungsvorschriften der §§ 233 ff. BauGB sehen vor, dass eine gemeindliche Satzung über die Kostenerstattung nach § 8a BNatSchG zum 01.01.1998 außer Kraft trat. §§ 135 a bis c BauGB sind - von weitergehenden Regelungen abgesehen - mit § 8a BNatSchG a. F. identisch, weshalb die Satzung vom 08.12.1994 nicht gegen höherrangiges Recht verstößt.

5

Der angefochtene Bescheid vom 07.11.2003 beruht jedoch auf einer rechtswidrigen Verteilung der erstattungsfähigen Kosten der Ausgleichsmaßnahmen. Nach § 4 Satz 1 der Satzung werden die nach §§ 2, 3 die erstattungsfähigen Kosten auf die nach § 8a Abs. 1 Satz 4 BNatSchG (heute s. § 9 Abs. 1a Satz 2 BauGB) zugeordneten Grundstücke nach Maßgabe der zulässigen Grundfläche (§ 19 Abs. 2 BauNVO) verteilt. Eine rechtmäßige Verteilung konnte hier nicht vorgenommen werden, da die Zuordnung der Ausgleichsmaßnahmen im Bebauungsplan D. der Antragsgegnerin (zu denen nunmehr auch die Ersatzmaßnahmen gehören) rechtswidrig und damit ungültig ist. Die Zuordnung erfolgt unter Ziff. 6.7 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes. Dort heißt es:

6

„Die unter den Ziffn. 6.7.1 und 6.7.2 festgesetzten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind den Grundstücksflächen der Baugebiete mit I-geschossiger Bauweise zugeordnet, auf denen Eingriffe i. S. von § 8a BNatSchG zu erwarten sind. ...“

7

Die Zuordnung zu Grundstücksflächen mit eingeschossiger Bauweise widerspricht § 9 Abs. 1a Satz 2 BauGB. Nach dieser Vorschrift können die Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich an anderer Stelle den Grundstücken, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, ganz oder teilweise zugeordnet werden; dies gilt auch für Maßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen. Es steht danach im Ermessen einer Gemeinde, eine Ausgleichsmaßnahme i. S. des § 1 Abs. 3 BauGB Grundstücken, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, zuzuordnen (s. § 9 Abs. 1a Satz 1 BauGB). Entschließt sich die Gemeinde, eine Zuordnung im Bebauungsplan festzusetzen, muss dies dem Zweck des § 9 Abs. 1a Satz 2 BauGB entsprechend und auch im Übrigen rechtmäßig erfolgen. Insbesondere ist der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten (Gaentzsch, in: Berliner Kommentar zum BauGB, Stand: 18.11.2003, § 9, Rn. 73). Danach musste die Antragsgegnerin im Bebauungsplan E. eine Festsetzung treffen, die Grundstücke, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, erfasst. Durch die Formulierung der textlichen Festsetzung muss sichergestellt sein, dass Grundstücksflächen, die durch den Bebauungsplan erstmalig baulich nutzbar werden und auf denen deshalb Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, einbezogen werden. Die Bezugnahme auf die Geschossigkeit wird dem nicht gerecht. Ob ein Grundstück ein- oder zweigeschossig bebaut werden darf, ist für den Ausgleich des Eingriffs in Natur und Landschaft und die daran anknüpfende Kostenerstattung unerheblich. Im Geltungsbereich des Bebauungsplanes D. wird dies an dem Grundstück F. (Flurstück G.) deutlich, welches nicht zu den zugeordneten Grundstücken gehört, obwohl dort bei Entstehen des Erstattungsanspruches ein Eingriff noch zu erwarten war. Mittlerweile ist dort ein Gebäude errichtet worden, ohne dass der Grundstückseigentümer zu einer Kostenerstattung herangezogen worden ist.

8

Selbst wenn man die Formulierung der Zuordnung in Ziff. 6.7 der textlichen Festsetzungen im Sinne der Antragsgegnerin interpretiert und - abgesehen von dem zuvor erwähnten Fehler - davon ausgeht, dass auf den Grundstücksflächen mit festgesetzter zweigeschossiger Bebaubarkeit ein Eingriff bereits stattgefunden hat und eine Zuordnung deshalb nicht nötig ist, so sind vorliegend mehrere Grundstücksflächen gleichwohl zu Unrecht nicht in die Verteilung der erstattungsfähigen Kosten nach § 4 Satz 1 der Satzung einbezogen worden. Dabei handelt es sich um die südlich der Grenze der baulichen Nutzung liegenden Flächen mit den ursprünglichen Flurstücksbezeichnungen H. die jeweils im Bereich der eingeschossigen Bebaubarkeit liegen (heutige Flurstücksbezeichnungen entsprechend der Karte in der Beiakte „D“ offenbar: I.). Ob ein Grundstück bei Entstehen der Erstattungspflicht schon geteilt war, ist für die Heranziehung nach der Erstattungssatzung und den Vorgaben der §§ 135 a bis c BauGB unerheblich. Denn dort wird (wie in § 9 Abs. 1a Satz 2 BauGB) nur daran angeknüpft, ob auf dem Grundstück Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind (vgl. § 135a Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 BauGB sowie § 1 der Satzung). Die südlich, vor Erlass des Bebauungsplans im Außenbereich gelegenen Grundstücksteile der Grundstücke J. (bzw. Hinterliegergrundstück, Flurstück K.) sind durch die Festsetzungen des Bebauungsplans D. bebaubar geworden. Auf diesen Grundstücksteilen waren Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten, weshalb sie unabhängig von ihrem zukünftigen eigentumsrechtlichen Schicksal in die Verteilung einzubeziehen waren. Der Erstattungsbetrag konnte bei der Veräußerung nach den Grundstücksteilungen in Rechnung gestellt werden. Auf diese Weise hätte eine Ungleichbehandlung der Grundstückseigentümer in diesem Teil des Geltungsbereichs des Bebauungsplanes mit den anderen Bauherrn neu geschaffener Grundstücke vermieden werden können. Auch das Flurstück L. musste bei der Verteilung berücksichtigt werden, da es nach dem mit Schriftsatz vom 07.06.2004 überreichten Plan bei Entstehen der Erstattungspflicht am 25.11.2002 nur mit einem Gartenhaus bebaut war.

9

Auf die übrigen Rügen des Antragstellers kommt es für die Entscheidung nicht mehr an. Nach vorläufiger Prüfung ist auch fraglich, ob diese durchgreifend gewesen wären.

10

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

11

Der Streitwert ist in Anwendung des § 13 Abs. 2 GKG festgesetzt worden. Für das einstweilige Rechtsschutzverfahren ist die Hälfte des Betrages von 4.060,02 EUR festzusetzen (Streitwertkatalog der Bausenate des NdsOVG, Nr. 18b, NdsVBl. 2002, S. 192f.).