Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 11.12.1989, Az.: 14 Ta 235/87
Erstattungsfähigkeit der einem Angehörigen des Nato-Truppenstatuts vor dem Verwaltungsgericht entstandenen Kosten der Terminswahrnehmung; Umfang der Kostenabwendungspflicht einer Prozesspartei; Begriff der notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung; Konkurrenz zwischen Weisungsmöglichkeiten der endvertretenden Stadt Celle und den Regelungsmöglichkeiten der Bundesrepublik Deutschland
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 11.12.1989
- Aktenzeichen
- 14 Ta 235/87
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1989, 10551
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:1989:1211.14TA235.87.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Osnabrück - 19.06.1987 - AZ: 1 Ga 1/87
Rechtsgrundlagen
- § 29 ZPO
- § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO
- § 12 a Abs. 1 S. 1 ArbGG
- § 18 ZPO
- § 35 ZPO
Prozessführer
Prozessgegner
Tenor:
Die Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluß des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 19.06.1987 (Az.: 1 Ga 1/87) wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf DM 155,40 festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Kläger ist bei den britischen Stationierungsstreitkräften beim ... beschäftigt. Er ist zuletzt als Leiter der Wohnbewirtschaftungsstelle B. eingesetzt gewesen.
Das Arbeitsverhältnis unterliegt den Regelungen des TVAL II.
Im Zusammenhang mit gegen ihn gerichteten Ermittlungen wegen Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung von Reisekosten ist der Kläger mit Wirkung vom 24.11.1986 von der Pflicht zur Arbeitsleistung suspendiert worden.
Das Arbeitsgericht Osnabrück hat den Antrag des Klägers, die Beklagte im Wege der einstweiligen Verfügung zu verpflichten, ihn tatsächlich weiter zu beschäftigen, durch Urteil vom 20.01.1987 kostenpflichtig zurückgewiesen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Die Beklagte hat sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht durch einen Beamten der Stadt Celle vertreten lassen. Diese Vertretung ergibt sich aus folgenden Regelungen:
Der für die Vertretung der Bundesrepublik in Rechtsstreitigkeiten auf dem Gebiet der Verteidigungslasten zuständige Bundesminister der Finanzen hat die Vertretung in Rechtsstreitigkeiten u.a. aus Arbeitsverhältnissen der bei den Stationierungsstreitkräften beschäftigten Arbeitnehmer durch Erlaß vom 17.12.1976 auf die Finanzminister der Länder mit der Befugnis übertragen, die Vertretung allgemein oder im Einzelfall auf die ihnen nachgeordneten Behörden der Verteidigungslastenverwaltung weiter zu übertragen (MinBl. BMF 77, 13).
Der Niedersächsische Minister der Finanzen hatte diese Prozeßführung durch Erlaß vom 30.03.1979 zunächst auf die Bezirksregierungen mit der Ermächtigung weiterer Übertragung auf nachgeordnete Dienststellen übertragen (Nds. MinBl. 79, 664). Durch Erlaß vom 13.11.1985 (soweit ersichtlich unveröffentlicht) ist dies dahingehend geändert worden, daß die Vertretung für das gesamte Gebiet des Landes Niedersachsen ausschließlich der Bezirksregierung Lüneburg mit der Maßgabe übertragen worden ist, daß eine weitere Übertragung auf die Stadt Celle erfolgen sollte. Dies ist seitens der Bezirksregierung durch Verfügung vom 17.12.1985 (Az.: 305.7 - 05220/2 soweit ersichtlich unveröffentlicht) geschehen.
Das Arbeitsgericht hat eine Festsetzung von Reisekosten in Höhe von DM 155,40 für die Hin- und Rückfahrt des Terminsvertreters von Celle nach Osnabrück abgelehnt.
Der hiergegen von der Beklagten erhobenen Erinnerung hat das Arbeitsgericht nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Zur Begründung ihres Anspruchs macht die Beklagte im wesentlichen geltend, daß die Stadt Celle über keine eigenen Bediensteten in Osnabrück verfüge, denen sie die Terminswahrnehmung hätte übertragen können und daß sie, die Beklagte, auch berechtigt gewesen wäre, einen Termins Vertreter von Bonn aus anreisen zu lassen. Ferner verweist die Beklagte darauf, daß die Konzentrierung der Prozeßvertretung für das gesamte Gebiet des Landes Niedersachsen auf die Stadt Celle eine qualifizierte, interessengerechte Vertretung durch eine mit der Materie vertraute Dienststelle bzw. deren Bedienstete gewährleiste, die hier durch die britischen Streitkräfte auch gefordert worden sei.
Der Kläger macht demgegenüber geltend, daß Mehrkosten, die durch eine Zentralisierung der Prozeßvertretung im Bereich der Beklagten entstehen, nicht erstattungsfähig seien.
Gründe:
II.
Die aufgrund der Vorlage an das Landesarbeitsgericht als sofortige Beschwerde geltende Erinnerung ist nicht begründet.
Die von der Beklagten geltend gemachten Reisekosten, die durch eine Terminswahrnehmung durch einen Bediensteten der Stadt Celle entstanden sind, gehören nicht zu den vom Kläger gemäß §§ 91 I 2 ZPO, 12 a I 1 ArbGG zu erstattenden notwendigen Kosten des Rechtsstreits.
Als Ausgangspunkt für die Beurteilung der Erstattungsfähigkeit der hier geltend gemachten Reisekosten ist davon auszugehen, daß Partei des vorliegenden Rechtsstreits aufgrund der Regelung in Artikel 56 (8) des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut, das gültiges, innerstaatliches Bundesrecht darstellt (BGBl. 61 II Seite 1183) auf Beklagtenseite die Bundesrepublik Deutschland im Wege gesetzlicher Prozeßstandschaft ist. Dies ändert nichts an der Zuständigkeit des vom Kläger angerufenen Arbeitsgerichts Osnabrück als Gericht des Erfüllungsortes des Arbeitsverhältnisses gemäß § 29 ZPO.
Weiterhin ist davon auszugehen, daß die dargestellte Übertragung der Endvertretung auf die Stadt Celle rechtswirksam ist und auch vom Standpunkt der Beklagten aus sachlich sinnvoll sein mag. Hieraus läßt sich jedoch eine Erstattungspflicht der durch die Terminswahrnehmung entstandenen Kosten der Anreise des Bediensteten der Stadt Celle nicht begründen.
Nach der auch für die Beurteilung der Kostenerstattungspflicht für Reisekosten gemäß § 91 I 2 ZPO maßgebenden Grundregel des § 91 I 1 ZPO besteht eine Kostenerstattungspflicht der zur Kostentragung verurteilten Prozeßpartei nur für solche Kosten des Gegners, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig gewesen sind.
Dabei ist als ungeschriebener Erstattungsgrundsatz anerkannt, "daß jede Partei die Kosten ihrer Prozeßführung, die sie im Fall ihres Sieges vom Gegner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten hat, wie sich dies mit der vollen Wahrung ihrer berechtigten prozessualen Belange vereinbaren läßt" (Zöller-Schneider, ZPO. 15. Aufl. 1987, Rdnr. 12 zu § 91 mit weiteren Nachweisen). Im arbeitsgerichtlichen Verfahren wird die Regelung des § 91 ZPO durch § 12 a I 1 ArbGG dahin modifiziert, daß eine Erstattung der Kosten anwaltlicher Vertretung in erster Instanz ausgeschlossen ist. Hieraus ergibt sich, daß Mehrkosten, die durch eine Vertretung durch Rechtskundige entstehen, nicht zu erstatten sind.
Bei der Beurteilung, welche kostenverursachenden Maßnahmen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind, ist ausschließlich auf den jeweiligen konkreten Rechtsstreit abzustellen, da diese Frage jeweils nur zwischen den und für die Parteien eines konkreten Rechtsstreits beurteilt werden kann. Was eine Partei im Hinblick auf die Führung anderer, etwa ähnlich gelagerter Rechtsstreitigkeiten organisatorisch etwa durch eine zentrale Sachbearbeitung und Prozeßführung veranlaßt, ist nicht allein durch die Führung des einzelnen Prozesses bedingt, sondern stellt eine durchaus sinnvolle Maßnahme im Hinblick auf eine Vielzahl anderer Prozesse dar. Dadurch verursachte Kosten sind nicht notwendig zur Führung des einzelnen Rechtsstreits (vgl. dazu ausführlich Schneider Anm. zu LAG Köln EzA § 91 ZPO Nr. 4 unter III 1). Unter Berücksichtigung der angeführten Besonderheiten der Regelung des § 12 a I 1 ArbGG sind Reisekosten für einen von außerhalb anreisenden Bediensteten oder Angestellten einer Partei nur dann erstattungsfähig, wenn die Partei sich nicht durch einen Bediensteten oder Angestellten am Gerichtsort vertreten lassen kann (vgl. Schneider a.a.O.).
Dementsprechend ist in der Rechtsprechung eine Erstattungsfähigkeit von Reisekosten abgelehnt worden, die durch eine Zentralisierung der Vertretung in Sachen der Stationierungsstreitkräfte (LAG Hamm EzA § 91 ZPO Nr. 5), durch die Prozeßführung seitens einer Mittelbehörde beim Vorhandensein eigener nachgeordneter Behörden am Gerichtsort (LAG Hamm, AP Nr. 15 zu § 61 ArbGG 1953 Kosten. Arbeitsgericht Münster, AP Nr. 25 zu § 91 ZPO, LAG Köln EzA § 91 ZPO Nr. 4), durch die Prozeßführung seitens einer zentralen Stelle beim Vorhandensein einer Filiale am Gerichtsort (OLG Hamm, MDR 72, 877) oder durch eine Prozeßführung seitens eines Bediensteten eines auswärtigen Behördenteils bei einem Sitz der Behörde am Gerichtsort (LAG Niedersachsen, Rpfl 84, 33) entstanden sind.
Auf der Grundlage dieses Beurteilungsmaßstabs sind die Reisekosten, die durch die Wahrnehmung des Termins beim Arbeitsgericht Osnabrück durch einen Bediensteten der Stadt Celle entstanden sind, nicht erstattungsfähig.
Diese Reisekosten sind im vorliegenden Rechtsstreit nicht notwendig gewesen, da eine zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung ausreichende Prozeßvertretung durch einen Bediensteten einer Behörde mit Sitz in Osnabrück möglich gewesen wäre. Bei der Bewertung ist insoweit nicht von den Weisungsmöglichkeiten der Stadt Celle als dem hier zur Endvertretung Berufenen, sondern von den Regelungsmöglichkeiten der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesminister der Finanzen, als Prozeßpartei auszugehen. Für den Bundesminister der Finanzen hätte zum einen die Möglichkeit einer Vertretung durch die Bediensteten eigener nachgeordneter Behörden bestanden, da in Osnabrück ein Hauptzollamt wie ein Bundesvermögensamt bestehen (Staatshandbuch Bundesrepublik Deutschland, Teilausgabe Bund 1989 Seite 184). Die insoweit von der Beklagten erhobenen Bedenken, daß diese Dienststellen mit militärischen und arbeitsrechtlichen Angelegenheiten nicht vertraut seien, betreffen die wie dargestellt in diesem Zusammenhang nicht entscheidende Frage einer möglichst sachgerechten Vertretung. Daneben wäre hier auch eine Vertretung durch das Amt für Verteidigungslasten der Stadt Osnabrück (Staatshandbuch Bundesrepublik Deutschland. Teilausgabe Land Niedersachsen 1989 Seite 171) möglich gewesen. Eine derartige Vertretung würde lediglich eine abweichende Regelung bei der Delegation der Vertretung durch den Bundesminister der Finanzen auf die Finanzminister der Länder dahin erfordern, daß diese die Vertretung vorrangig auf Behörden der Verteidigungslastenverwaltung am Sitz der Arbeitsgerichte zu übertragen hätten. Wenn und soweit dies zum Erreichen der mit einer zentralen Bearbeitung aller Angelegenheiten durch die Stadt Celle, die von den Stationierungsstreitkräften zudem verlangt worden sein mag, verbundenen Vorteile unterblieben ist, kann dies, wie dargestellt, nicht zu einer Erstattungsfähigkeit der dadurch verursachten Reisekosten führen.
Eine abweichende Beurteilung läßt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt begründen, daß die hier interessierenden Reisekosten nicht entstanden wären, wenn der Kläger seine Klage vor dem Arbeitsgericht Celle als dem Sitz der endvertretenden Behörde gemäß §§ 18, 35 ZPO erhoben hätte. Zum einen bestehen erhebliche Bedenken gegen eine Differenzierung danach, ob die Wahl eines anderen, kostengünstigeren Gerichtsstandes möglich gewesen wäre, da damit praktisch eine Einschränkung der Gerichtsstandswahl verbunden wäre (vgl. dazu Stein-Jonas, ZPO, 20. Aufl. 1984, Rdnr. 49 zu § 91 und Rdnr. 4 zu § 35). Wesentlich kommt jedoch hinzu, daß eine Durchführung des hier zugrundeliegenden Rechtsstreits vor dem Arbeitsgericht Celle insgesamt keine geringeren Kosten verursacht haben würde, da wegen der dann erforderlichen Reise des Klägers zum Gerichtsort Celle bzw. zur Information eines dortigen Prozeßbevollmächtigten Reisekosten in gleichem Umfang angefallen wären. Ob eine andere Beurteilung geboten wäre, wenn eine Partei die Erstattung von Mehrkosten verlangt, die durch die von ihr getroffene Wahl eines "teureren" Gerichtsstands entstanden sind oder wenn die Erstattung von Mehrkosten verlangt werden, die durch die Wahl eines insgesamt "teureren" Gerichtsstandes verlangt werden, bedarf hier keiner Entscheidung.
Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben, § 78 ArbGG.