Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 21.06.1989, Az.: 5 Sa 16/89
Annahmeverzug des Arbeitgebers im Falle der Zumutbarkeit einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist; Anspruchsumfang bei Annahmeverzug des Arbeitgebers
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 21.06.1989
- Aktenzeichen
- 5 Sa 16/89
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1989, 10554
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:1989:0621.5SA16.89.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Lüneburg - 23.11.1988 - AZ: 1 Ca 1157/88
Rechtsgrundlagen
- § 611 BGB
- § 293 BGB
- § 5 Abs. 1 BUrlG
Verfahrensgegenstand
Forderung
Prozessführer
...
Prozessgegner
...
In dem Rechtsstreit
hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Landesarbeitsgericht Dr. Rose und
der ehrenamtlichen Richter Müller und Plathner
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. Juni 1989
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lüneburg vom 23. November 1988 - 1 Ca 1157/88 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.487,48 DM festgesetzt.
s. Berichtigungsbeschluß vom 1.12.89
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz darüber, ob die Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 8.-30. September 1988 restliches Gehalt in Höhe von 1.487,48 DM schuldet.
Die Beklagte hatte das Arbeitsverhältnis der Parteien am 15. August 1988 zunächst fristlos gekündigt. In dem daraufhin von der Klägerin angestrengten Feststellungsrechtsstreit haben sich die Parteien dahin geeinigt, daß die Beklagte mit Zustimmung der Klägerin die fristlose Kündigung vom 15. August 1988 zurücknahm und daß das Arbeitsverhältnis aufgrund einer fristgerechten Kündigung der Beklagten vom 12. August am 30. September 1988 enden sollte. Während die Beklagte meint, die Klägerin habe nach Abschluß des Vergleichs ihre Arbeitsleistung anbieten müssen, ist die Klägerin der Auffassung, die Beklagte habe sich ohnehin im Annahmeverzug befunden.
Zur Darstellung des Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug sowie der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung, die dieses Vorbringen dort erfahren hat, wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Lüneburg vom 23. November 1988 (Bl. 26-31 d.A.) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 3.108,64 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 19. Oktober 1988 zu zahlen. Es hat der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt und den Streitwert auf 3.108,64 DM festgesetzt. Das Arbeitsgericht hat die Auffassung vertreten, daß sich die Beklagte auch nach Abschluß des Vergleichs in Annahmeverzug befunden habe.
Gegen dieses Urteil, daß ihr am 6. Dezember 1988 zugestellt worden ist, hat die Beklagte mit einem am 3. Januar 1989 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz ihrer Prozeßbevollmächtigten Berufung eingelegt, die sie zugleich begründet hat.
Die Beklagte meint, nachdem die fristlose Kündigung durch den Vergleich vom 7. September 1988 aus der Welt gewesen sei, habe es keiner ausdrücklichen Aufforderung der Beklagten an die Klägerin bedurft, die Arbeit wieder aufzunehmen. Dies sei selbstverständlicher Inhalt des geschlossenen Vergleichs gewesen. Die Klägerin habe keinesfalls mehr davon ausgehen können, daß die Beklagte sie weiterhin habe freistellen wollen. Es habe daher zumindest eines wörtlichen Angebots gemäß § 295 BGB seitens der Klägerin bedurft, um für die Zeit ab 8. September 1988 auf Seiten der Beklagten einen Annahmeverzug zu begründen.
Zur Darstellung der Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten wird auf die Berufungsbegründung vom 3. Januar 1989 nebst Anlage (Bl. 36-40 d.A.) und auf den Schriftsatz vom 22. März 1989 (Bl. 51 f. d.A.) Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Lüneburg vom 23. November 1988 zu ändern und die Klage insoweit abzuweisen, als die Beklagte zur Zahlung von mehr als 1.621,16 DM brutto verurteilt worden ist.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil als der Rechtslage entsprechend. Zur Darstellung der Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf die Berufungserwiderung vom 2. Februar 1989 (Bl. 43 f. d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die aufgrund der Höhe des wertes des Beschwerdegegenstandes statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist damit zulässig.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit der Parteien zutreffend entschieden. Zutreffend ist zunächst die von der Beklagten auch nicht angegriffene Auffassung des Arbeitsgerichts, die Klägerin habe sich bis zum Abschluß des Vergleichs am 7. September 1988 in Annahmeverzug befunden. An diesem Rechtszustand hat sich durch den Abschluß des Vergleichs nichts geändert. Die Beklagte hatte durch den Ausspruch einer fristlosen Kündigung zum Ausdruck gebracht, daß sie eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist für nicht zumutbar hielt. Da sich im Laufe des Arbeitsrechtsstreits nicht etwa ergeben hatte, daß der von der Beklagten angenommene Grund zur außerordentlichen Kündigung nicht vorhanden war, hätte sie zum Ausdruck bringen müssen, daß sie nach Abschluß des Vergleichs auf eine weitere Tätigkeit der Klägerin wert legte. Aus dem Abschluß des Vergleichs, der im Wortsinne insoweit nichtssagend ist, läßt sich nämlich nicht entnehmen, daß sich die Einstellung der Beklagten zu der Arbeitsleistung der Klägerin geändert hätte.
Da sich die Beklagte auch nach Abschluß des Vergleichs in Annahmeverzug befand, schuldet sie der Klägerin das Gehalt für den gesamten Monat September 1988 unabhängig von der Frage, in welchem Umfang die Klägerin bereits Urlaub erhalten hatte. Da die Klägerin Anspruch auf den gesamten Jahresurlaub hatte (§ 5 Abs. 1 BUrlG), schuldet die Beklagte die der Höhe nach unstreitige Klagesumme auch dann, wenn in den Klagezeitraum ein bereits zuvor bewilligter Teilurlaub gefallen ist. Insoweit handelt es sich um Urlaubsentgelt, das die Klägerin in gleicher Höhe wie Arbeitsentgelt zu beanspruchen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren ist gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG festgesetzt worden.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht vorhanden.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen dieses Urteil findet die Revision nur statt, wenn das Bundesarbeitsgericht sie auf eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht zuläßt (§ 72 a ArbGG).
Streitwertbeschluss:
Landesarbeitsgericht Niedersachsen
5 Sa 16/89
1 Ca 1157/88 (Lüneburg)
Beschluß
Beklagte und Berufungsklägerin,
Prozeßbevollmächtigte:
gegen
Klägerin und Berufungsbeklagte,
Prozeßbevollmächtigte:
2110 Buchholz i.d. Nordheide,
hat die 5. Kammer unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Landesarbeitsgericht Niedersachsen Dr. Rose und der ehrenamtlichen Richter Müller und Plathner nach Anhörung der Parteien beschlossen:
Der Tenor des Urteils vom 21. Juni 1989 - 5 Sa 16/89 - wird gemäß § 319 ZPO wegen offenbarer Unrichtigkeit (Verwechslung der Parteirollen) dahin berichtigt, daß es in Satz 1 anstelle des Wortes "Klägerin""Berufungsklägerin" heißt.