Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 29.11.2006, Az.: L 9 U 77/05
Anerkennung und Entschädigung eines Schulunfalls als Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung; Erstrecken des Versicherungsschutzes auf unter schulischer Aufsicht durchgeführte Klassenfahrten ; Umfang des organisatorischen Verantwortungsbereiches der Schule; Baden als schulische Gemeinschaftsveranstaltung; Querschnittslähmung infolge eines Kopfsprungs in ein flaches Gewässer; Berücksichtigung der auf natürlichem Spieltrieb sowie auf typischem Gruppenverhalten beruhenden Verhaltensweisen von Kindern und Jugendlichen bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung; Verschuldensunabhängiger Begriff des Arbeitsunfalles; Verbotswidriges Handeln als Ausschlussgrund für den Eintritt eines Arbeitsunfalles
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 29.11.2006
- Aktenzeichen
- L 9 U 77/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 30017
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2006:1129.L9U77.05.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Lüneburg - AZ: S 2 U 16/01
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs. 1 Nr. 8b SGB VII
- § 8 Abs. 1 SGB VII
Fundstellen
- SchuR 2008, 82-83
- ZAP EN-Nr. 88/2008
Redaktioneller Leitsatz
Wird der Unfall eines Schülers auf einer Klassenfahrt durch seinen eigenen unvernünftigen Sprung ins Wasser verursacht, beseitigt dies nicht den Versicherungsschutz, wenn der Sprung im Rahmen eines gruppendynamischen Prozesses noch als schülertypisch zu bewerten ist und daher in einem rechtlich wesentlichen inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit der Klassenfahrt steht.
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung und Entschädigung eines Schulunfalls als Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung.
Der 1982 in der Türkei geborene Kläger und Berufungsbeklagte hat im Rahmen seiner in Deutschland absolvierten Dachdeckerlehre die Berufsbildenden Schulen D. besucht. In der Zeit vom 21. bis 26. Mai 2000 führte die Schule wie schon häufiger eine genehmigte Schulveranstaltung in Form einer Fahrt nach E. in Holland am F. durch. Laut Aktenvermerk des Beklagten und Berufungsklägers vom 25. Mai 2000 (Bl. 3 Verwaltungsakte) teilte der Schulleiter G. u.a. mit, dass neben Berührungspunkten die im bautechnischen Interesse gelegen hätten, die Schulfahrten insbesondere zum Ziel hätten, Einfluss auf das Sozialverhalten der Schüler zu nehmen. Es wurde eine Fahrt auf dem F. mit 2 Plattbooten durchgeführt, auf denen jeweils 2 Lehrer anwesend waren. Laut Unfallanzeige der Schule gegenüber dem Berufungskläger vom 29. Mai 2000 zog sich der Berufungsbeklagte am 24. Mai 2000 bei einem Sprung ins flache Wasser eine Fraktur des 5. Halswirbelkörpers zu und ist seitdem querschnittsgelähmt. Zum Unfallhergang führte der Klassenlehrer H. am 27. Mai 2000 aus, dass das Schiff gegen 16.00 Uhr vor der Ostseite der Insel I. auf Grund gelaufen sei, um sich trockenfallen zu lassen. Nachdem die üblichen Decksarbeiten erledigt gewesen seien, hätten sich die Schüler mit unterschiedlichen Aktivitäten beschäftigt. Der Berufungsbeklagte habe zunächst geangelt und sei dann zusammen mit J. in das Klüvernetz gestiegen. Hier habe der Berufungsbeklagte im Gespräch nebenbei die Möglichkeit geäußert, vom Klüverbaum ins Wasser zu springen. K. habe dann mit einer Stange die Wassertiefe gemessen und festgestellt, dass eine Tiefe von etwa 70 cm zu wenig sei, um hineinzuspringen. Der Berufungsbeklagte habe dabeigestanden. K. sei daraufhin an der Seite des Schiffes ins Wasser gestiegen und L. unter Deck gegangen, um sich umzuziehen. Nur mit einer Badehose bekleidet sei er dann wieder an Deck gekommen und zum Klüverbaum gegangen, auf dem er rasch bis zur Spitze balanciert sei. M. habe den Berufungsbeklagten gesehen und gerufen: "L. nicht springen!". Als der Berufungsbeklagte an der Spitze des Klüverbaums angekommen sei, sei er ohne Zögern mit einem Kopfsprung unter flachem Winkel in das Wasser gesprungen. Er sei mit dem Kopf auf den Grund geschlagen und habe sich dadurch die Wirbelsäule im Bereich des 4. und 5. Wirbels gebrochen. Hierdurch sei eine Lähmung von den Schultern abwärts an eingetreten. J. habe L. bewegungslos im Wasser treiben sehen und ihn zum Schiff gezogen. An Bord seien Erste-Hilfe-Maßnahmen durchgeführt worden. Der Berufungsbeklagte sei bei Bewusstsein gewesen und habe über Halsschmerzen, Atemnot und Gefühllosigkeit in den Armen und Beinen geklagt. Die sofort alarmierte Küstenwache habe den Berufungsbeklagten mit einem Hubschrauber in das Akademische Krankenhaus N. geflogen, von wo aus er am 25. Mai gegen 12.00 Uhr auf eigenen Wunsch mit einem Hubschrauber zur Medizinischen Hochschule O. (P.) geflogen worden sei. Dort diagnostizierte Prof. Dr. Q. mit Befundbericht vom 25. Mai 2000 eine Fraktur des Halswirbelkörpers 5 mit Tetralegie sowie eine BWK 12 Kompressionsfraktur. Nach operativer Versorgung der HWK 5/6-Luxationsfraktur vom 25. Mai 2000 wurde der Kläger und Berufungsbeklagte in das Berufsgenossenschaftliche Unfallkrankenhaus (BUK) R. verlegt. Mit Befundbericht vom 05. Juni 2000 führte der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dipl.-Psychologe S. u.a ...aus, dass sich der Kläger und Berufungsbeklagte selbst an den Unfall nicht mehr erinnern könne. Vom Befund her sei von einer Querschnittsläsion unterhalb C 4 mit motorischer und sensibler Restfunktion in C 5 und kompletter Querschnittslähmung unterhalb C 5 zu sprechen.
Anlässlich eines Besuchs des Berufungsbeklagten im BUK R. durch Mitarbeiter des Berufungsklägers gab der Kläger laut Aktenvermerk vom 04. Juli 2000 u.a. an, dass zum Unfallzeitpunkt ca. 6 - 7 Schüler auf dem Deck gewesen seien. K., sein Freund, und er seien vorn gewesen, die anderen zum Messen der Wassertiefe am Heck. Die übrigen Schüler seien unter Deck gewesen. Der Kläger und Berufungsbeklagte sei dann mit den nassen Füßen vom Balken (Klüverbalken) abgerutscht und mit dem Rücken ins Wasser gefallen. Er habe viel Wasser geschluckt. K. habe ihn dann gerettet. Dabei habe K. bis zum Bauch im Wasser gestanden, welches farbig/trüb gewesen sei. Zum Unfallzeitpunkt habe der Kläger ein Hemd und eine kurze Hose getragen. Auf weitere Ermittlungen des Beklagten und Berufungsklägers führte der Zeuge M. mit Schreiben vom 10. Juli 2000 aus, dass er in der Nähe des Klüverbaums gesessen und geangelt habe. Dabei habe er gesehen, wie der Kläger ohne Probleme den Klüverbaum hochgeklettert sei. Er habe zum Kläger gesagt, "springe nicht in das Wasser", aber da sei es schon zu spät gewesen. Er habe noch gesehen, wie er mit einem Köpper vom Klüverbaum in das Wasser gesprungen sei. Der Zeuge J. teilte schriftlich mit, dass er mit dem Kläger und T. zusammen schon vor dem Unfall im Klüvernetz gewesen sei, wo der Kläger bereits eine Andeutung gemacht habe, von dort aus ins Wasser zu springen. Nachdem sie wieder an Bord gewesen seien, habe er die Wassertiefe gemessen, wobei er nicht bestätigen könne, dass der Kläger davon Kenntnis genommen habe. Nachdem sie sich umgezogen hätten, seien der Kläger und er wieder an Bord gegangen, wobei der Kläger etwas zurückgeblieben sei, weil er noch seine Badehose, die aus einer Jeans bis zu den Knien bestanden habe, gesucht habe. Dann habe sich U. als Erster ins Wasser fallen lassen, er sei diesem nachgefolgt, wobei er sich gewundert habe, wie viel Wasser während der Zeit seines Messens schon abgeflossen gewesen sei. Während er noch auf den Kläger gewartet und sich umgedreht habe, habe er nur noch gesehen, wie dieser ins Wasser eingetaucht sei. Mit Stellungnahme vom 10. Juli 2000 hat der Lehrer H. angegeben, dass der Kläger in der Schule im Theorie- und Fachpraxisunterricht nicht das Verhalten eines Volljährigen gezeigt habe. Er sei stets unaufmerksam und motorisch überaktiv gewesen. Seine kognitiven Fähigkeiten erschienen eingeschränkt. Mit weiterem schriftlichen Bericht führte der Zeuge H. aus, dass die Schüler vor der Klassenfahrt über die Verhaltensregeln insbesondere an Bord u.a. anhand eines Videofilms informiert worden seien. Dabei sei auch das beim Trockenfallen übliche Reinigen des Schiffsrumpfes mit Schrubbern besprochen worden. Dazu stiegen die Schüler an der Seite des Schiffes auf einer Leiter in das etwas mehr als knietiefe Wasser. Es sei auf die starke Strömung in den Prielen hingewiesen und das Schwimmen darin untersagt worden. Am Sonntagabend, dem 21. Mai und Montagmorgen, dem 22. Mai 2000 habe der Schiffsführer die Anweisungen und Regeln zum Verhalten an Bord in einer Gruppenbesprechung vorgetragen. Dabei habe er u.a. darauf hingewiesen, dass auf den Schiffen nicht gesprungen werde. Der Zeuge H. erinnerte sich jedoch nicht, ob er in der Klasse des Klägers explizit auf die Gefahren beim Springen in flaches/unbekanntes Wasser eingegangen sei. In der Vorbereitung sei jedoch verschiedentlich auf das Verbot des Springens auf und von den Schiffen hingewiesen worden. Zum Unfallzeitpunkt habe das Schiff bereits 15 bis 20 Minuten festgelegen. Ob der Kläger dies realisiert habe, könne er nicht beantworten. Wenn der Kläger dem Mitschüler J. beim Messen der Wassertiefe mit einer Holzlatte zugesehen habe, dann müsse diesem klar gewesen sein, dass die Tiefe nur etwa 70 cm betragen habe. Den Strand habe man in etwa 1 km Entfernung sehen können. Das Schiff selbst sei zum ersten Mal auf Grund gesetzt worden. In der Nacht zuvor hätten alle Schiffe im Hafen von V. gelegen und seien dort aufgrund der geringen Wassertiefe des Hafenbeckens trockengefallen. Der Abstand vom Klüverbaum zur Wasseroberfläche habe etwa 3 m betragen. Augenzeuge des Sprunges seien M. und W. gewesen.
Der Beklagte und Berufungskläger hat dann mit Bescheid vom 02. August 2000 die Anerkennung und Entschädigung eines Schulunfalls als Arbeitsunfall abgelehnt, weil der Kläger und Berufungsbeklagte in Kenntnis der nur 70 cm betragenden Wassertiefe entgegen den Warnungen der Mitschüler vom Klüverbaum mit einem Kopfsprung ins Wasser gesprungen sei, wobei er sich die schweren Verletzungen zugezogen habe. Der Versicherungsschutz sei unter dem Gesichtspunkt der selbst geschaffenen Gefahr zu verneinen, weil das Verhalten des Klägers (Absprung von einem etwa 3 m hohen Klüverbaum - Abstand zur Wasseroberfläche - in ein nur ca. 70 cm tiefes Gewässer) als in hohem Maße gefährlich und vernunftwidrig zu bezeichnen sei. In der Vorbereitung und während der Klassenfahrt sei ausdrücklich auf das Verbot des Springens von den Schiffen hingewiesen worden. Auch der Schiffsführer habe Anweisungen und Regeln zum Verhalten an Bord in einer Gruppenbesprechung vorgetragen. Dabei habe er u.a. darauf hingewiesen, dass auf den Schiffen nicht gesprungen werden dürfe. Der Mitschüler J. habe im Beisein des Klägers die Wassertiefe (ca. 70 cm) gemessen und habe bestätigt, dass der Kläger von der Messung Kenntnis genommen habe. Ein anderer Mitschüler, M. habe den Kläger ausdrücklich vor dem Sprung vom Klüverbaum gewarnt. Trotz Auferlegung von Verboten durch Lehrkräfte, Schiffsführer, Warnungen von Mitschülern, eigener Kenntnis der geringen Wassertiefe, sei der Kläger vom Klüverbaum gesprungen und habe sich dadurch die schweren Verletzungen zugezogen. Dieser Sprung sei in so hohem Grade unvernünftig gewesen und habe zu einer solchen Gefährdung geführt, dass die versicherte Tätigkeit nicht mehr als wesentliche Bedingung für den Unfall anzusehen sei. Von einer zur Erkennung von Gefahren erforderlichen Einsichtsfähigkeit sei bei einem Lebensalter von 18 Jahren auszugehen. Die von einem Kopfsprung ins flache Wasser aus ca. 3 m Höhe drohenden Gefahren hätten dem Kläger bewusst sein müssen. Außerdem sei das Zuwiderhandeln gegen das ausdrücklich erteilte Verbot des Lehrers bzw. des Schiffsführers auch angesichts des Alters des Klägers nicht mehr einem "Spieltrieb" oder sonstigem typischen Gruppenverhalten zuzurechnen. Den hiergegen gerichteten Widerspruch vom 08. August 2000 hat der Kläger dahingehend begründet, dass er nicht absichtlich vom Klüverbaum ins Wasser gesprungen sei und das Springen gegenüber seinen Mitschülern auch nicht angekündigt habe. Er habe weder mitbekommen, dass das Schiff auf Grund gelaufen sei, noch dass sein Mitschüler J. die Wassertiefe gemessen habe. Zu diesem Zeitpunkt sei er noch unten im Schiff gewesen und habe hiervon deshalb nichts mitbekommen. Er sei dann nach oben gekommen, um wie schon des Öfteren vorher auf den Klüverbaum zu klettern und nach Seehunden Ausschau zu halten. Er habe nicht vorgehabt, von dort herunter zu springen und habe dies auch zuvor noch nicht getan. Er habe auch nicht gehört, dass jemand ihm zugerufen haben soll, er solle nicht springen oder ähnliches. Als er am zweiten Seil des Klüverbaums angekommen sei, sei er mit dem rechten Fuß abgerutscht und mit einer Drehung auf die rechte Seite hinunter gefallen. Er wäre auch nicht gesprungen, wenn es tiefer gewesen wäre und schon gar nicht, wenn er gewusst hätte, dass die Wassertiefe nur 70 cm betragen habe. Wenn er vorgehabt hätte, vom Klüverbaum zu springen, hätte er sich sein T-Shirt ausgezogen. Dass er dies beim Unfall noch angehabt habe, belege, dass er unabsichtlich ausgerutscht und nicht absichtlich gesprungen sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 2000 hat der Beklagte und Berufungskläger den Widerspruch zurückgewiesen, weil der Vortrag des Klägers und Berufungsbeklagten ausgerutscht zu sein, durch die Aussagen der Zeugen X. und Y. widerlegt sei. Der Sprung sei angekündigt gewesen. Außerdem wäre der Kläger in das Klüvernetz gefallen, wenn er ausgerutscht wäre.
Mit seiner am 18. Januar 2001 vor dem Sozialgericht (SG) Lüneburg erhobenen Klage hat der Kläger und Berufungsbeklagte seinen bisherigen Vortrag aufrecht erhalten. Der Unfall sei allenfalls durch einfache Fahrlässigkeit verursacht worden. Es sei nicht so wie von dem Beklagten behauptet, dass der Kläger gegen ein Verbot der aufsichtsführenden Lehrer verstoßen habe. Von diesen sei wiederholt das Springen an und von Deck verboten worden. Der Kläger sei jedoch nicht gesprungen, sondern ausgerutscht. Das SG hat Beweis erhoben in der öffentlichen Sitzung vom 25. Januar 2005 durch Vernehmung der Zeugen Z., H., Y., X. und a.A. ... Hinsichtlich des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Sodann hat das SG mit Urteil vom 25. Januar 2005 den Bescheid des Beklagten und Berufungsklägers vom 02. August 2000 und den Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 2000 aufgehoben und festgestellt, dass es sich bei dem Ereignis vom 24. Mai 2000 um einen Schulunfall gehandelt hat. Ferner wurde der Beklagte verurteilt, dem Kläger Entschädigungsleistungen zu gewähren sowie die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Es habe sich bei dem angeschuldigten Ereignis um einen Schulunfall gehandelt, weil sich der Kläger zum Unfallzeitpunkt an Bord des Schiffes aufgehalten habe und den Schülern Freizeitaktivitäten unterschiedlichster Art, wie Schwimmen, Angeln und Wattbeobachtungen ausdrücklich gestattet gewesen seien. Somit habe sich der Kläger nicht außerhalb der Gemeinschaftsveranstaltung aufgehalten. Nach der Aussage des Zeugen Z. sei insbesondere auch der Aufenthalt im Klüverbaum erlaubt gewesen, wenn die See - wie zum Unfallzeitpunkt - nicht gefährlich gewesen sei. Das SG konnte sich nicht davon überzeugen, dass der Kläger vom Klüverbaum gesprungen ist, weil dieser selbst einen Sprung niemals behauptet habe und auch die Zeugen einen solchen nicht hätten bestätigen können. Der einzige Augenzeuge des vollständigen Vorganges sei der Zeuge X. gewesen. Dieser habe seine frühere schriftliche Aussage, nach welcher der Kläger "mit einem Köpper in das Wasser gesprungen sei", dahingehend präzisiert, dass er nur bestätigen könne, dass der Kläger "kopfüber" in das Wasser gefallen sei. Er habe jedoch nicht angegeben, ob dies Folge eines Sprungs oder eines Ausrutschens gewesen sei. Alle anderen Zeugen hätten den Vorgang unmittelbar vor dem Ereignis nicht mitbekommen. Schließlich sei der Kläger auch von der Spitze des Klüverbaums in das Wasser gestürzt, so dass er durch das Netz, welches kegelförmig auf die Spitze zulaufe und an dieser Stelle bereits sehr schmal sei, nicht habe aufgefangen werden können. Selbst wenn man aber davon ausgehe, dass der Kläger gesprungen sei, so könne dies im vorliegenden Fall nicht dazu führen, den Versicherungsschutz zu verneinen, weil nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des § 7 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) auch verbotswidriges Handeln einen Versicherungsfall nicht ausschließe. Selbst wenn man davon ausgehe, dass der Kläger ins Wasser habe springen wollen, so sei ihm ebenso wie den anderen Schülern zu diesem Zeitpunkt ausdrücklich gestattet gewesen, von Bord zu gehen und im Wasser zu schwimmen. Die Handlungstendenz sei daher grundsätzlich auf eine von der schulischen Gemeinschaftsveranstaltung umfassten Tätigkeit gerichtet gewesen. Bei dieser Sachlage habe das Bundessozialgericht (BSG) sogar beim Auf- bzw. Abspringen von einem fahrenden Verkehrsmittel (BSG SozR 2200, § 548 Nr. 35, m.w.N.) den Versicherungsschutz nicht unter dem Aspekt einer selbst geschaffenen Gefahr verneint. Ebenso wenig könne festgestellt werden, dass das Verhalten des Klägers völlig sinnwidrig gewesen sei. Selbstverständlich sei der Sprung in ein unbekanntes Gewässer stets gefährlich, so dass auch im vorliegenden Fall ein fahrlässiges Verhalten des Klägers anzunehmen sei. Andererseits habe die Kammer nicht feststellen können, dass dem Kläger - insbesondere auch in Anbetracht der vom Klassenlehrer bestätigten motorischen und kognitiven Defizite sowie der Unaufmerksamkeit - die Bedeutung und Auswirkungen der Gezeiten sowie die geringe Höhe des Wasserstandes bewusst gewesen sei bzw. hätte bewusst sein können. Die Zeugen Y. und X. hätten übereinstimmend bekundet, dass das Wasser trüb gewesen sei. Schließlich könne der Versicherungsschutz auch nicht aufgrund eines ausdrücklichen Verbots, vom Boot in das Wasser zu springen, versagt werden. Zwar sei in Einzelfällen von der Rechtsprechung eine unversicherte Tätigkeit angenommen worden, wenn ein Schüler eine vom aufsichtsführenden Lehrer ausdrücklich verbotene Tätigkeit ausgeübt habe. Diese Fällen seien jedoch mit der hier bestehenden Situation nicht zu vergleichen. Zum Einen habe keiner der Zeugen angeben können, dass der Kläger bei den jeweiligen Belehrungen anwesend gewesen sei. Es habe sich insbesondere keiner der gehörten Lehrer daran erinnern können, gerade auch dem Kläger einen Sprung von Bord des Schiffes ausdrücklich verboten zu haben. Darüber hinaus hätten sich die Schüler in den genannten Einzelfällen zuvor verbotswidrig aus dem Rahmen, der durch die schulische Gemeinschaftsveranstaltung gegeben gewesen sei, entfernt und "auf eigene Faust" eine Unternehmung gestartet, in deren Verlauf es dann zu einem Unfall gekommen sei. Auch dies sei hier nicht der Fall, da - wie bereits ausgeführt - der Kläger den Klassenverband nicht verlassen habe. Vielmehr habe das BSG in der im Widerspruchsbescheid des Beklagten zitierten Entscheidung ausdrücklich klargestellt, dass die Schüler versichert gewesen wären, wenn die "Sprungschanze" gemeinsam von der Klasse aufgesucht worden wäre und der Unfall sich infolge einer plötzlichen Spielerei oder Neckerei oder altersbedingten Unterschätzung der Gefährlichkeit des Sprunges oder durch andere dem typischen Gruppenverhalten der Schulklasse entsprungenen Umstände ereignet hätte (BSG, Urteil vom 25. Januar 1977, Az.: 2 RU 50/76).
Gegen das am 09. Februar 2005 zugestellte Urteil richtet sich der Beklagte und Berufungskläger mit seiner am 23. Februar 2005 eingelegten Berufung. Auch die Situation auf einer Klassenfahrt schließe einzelne Vorgänge bzw. Handhabungen nicht aus, die den Versicherungsschutz entfallen ließen. Die in diesem Zusammenhang vom SG getroffene Beweiswürdigung der Zeugenaussagen und der Angaben des Klägers vermögen nicht zu überzeugen. Der Zeuge M. habe nämlich ausgesagt, dass er zu dem Kläger noch gesagt habe "L., spring nicht". Er habe dann gesehen, wie der Kläger kopfüber in das Wasser gefallen sei. In der Aussage - zeitnah zum Unfallgeschehen im Jahr 2000 - habe er angegeben, dass der Kläger mit einem Köpper vom Klüverbaum in das Wasser gesprungen sei. Auch in der Zeugeneinvernahme im Januar 2005 habe er angegeben, dass der Fall des Klägers nicht in gerader Linie zum Schiff, sondern schräg erfolgt sei. Dies sei die typische Haltung, wie sie bei einem Sprung mittels Köpper eingenommen werde. Der Zeuge J. habe auf Bl. 49 der Verwaltungsakte angegeben, dass der Kläger bereits eine Andeutung gemacht habe, vom Klüvernetz aus ins Wasser zu springen. In der Zeugenvernehmung im Jahr 2005 habe sich der Zeuge an derartige Ausführungen nicht mehr erinnern können. Nach der Aussage des Klassenlehrers, Herrn H., habe der Kläger hinter dem Zeugen Y. gestanden und beobachtet, wie dieser die Wassertiefe gemessen habe. Der Zeuge AA. bestätige, dass sowohl der Kapitän als auch einer der Lehrer gesagt habe, dass nicht von Bord gesprungen werden dürfe. Von entsprechenden Belehrungen über die Gefährlichkeit von Sprüngen von den Booten in das flache Wasser sei daher auszugehen. Letztlich sei für den Beklagten aber die Aussage des Klägers selbst von entscheidender Bedeutung. Dieser habe in der mündlichen Verhandlung im Januar 2005 angegeben, dass er auf den Klüverbaum gelaufen sei, sich umgedreht und dabei an einem Seil mit der Hand festgehalten habe. Es werde hierzu auf Bl. 57 der Akte verwiesen. Hier sei der Standort des Klägers angegeben. Ebenfalls sei das Seil dort eingezeichnet, an dem der Kläger sich festgehalten habe. Wenn der Kläger sich nunmehr an dem Seil festgehalten haben will und er sodann ausgerutscht sei, hätte er sich an dem Seil festhalten können. Darüber hinaus wäre bei einem Abrutschen und dem gleichzeitigen Festhalten an dem Seil ein Fallen des Körpers in senkrechter Form in das seichte Wasser erfolgt. Der Kläger wäre sodann aber nicht kopfüber in das Wasser gefallen. Vielmehr wäre bei einer derartigen Haltesituation durch das Seil und das Abrutschen ein Aufkommen mit den Füßen im Wasser erfolgt. Somit habe der Kläger bei einem Abrutschen nicht kopfüber ins Wasser fallen können. Es sei daher davon auszugehen, dass der Kläger ohne Zögern mit einem Kopfsprung vom Klüverbaum in das seichte Wasser gesprungen sei. Dadurch, dass die Zeugeneinvernahme seitens des SG fast 4 3/4 Jahre nach dem Unfall erfolgt sei, sei es verständlich, dass sich die Zeugenaussagen nicht konkret in den Angaben, wie sie sich in den zeitnahen Aussagen in der Akte ergäben, widerspiegelten. Der Sprung des Klägers sei aber in so hohem Maße unvernünftig gewesen und habe zu einer solchen Gefährdung geführt, dass die versicherte Tätigkeit nicht mehr als wesentliche Bedingung für den Unfall anzusehen sei. Es erscheine sinnvoll, nochmals die Zeugen M., J. und AB. persönlich zu hören. Dies werde daher entsprechend beantragt.
Der Beklagte und Berufungskläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 25. Januar 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Hilfsweise wird beantragt,
die Revision zuzulassen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er bezieht sich auf die Ausführungen in dem angegriffenen Urteil des SG, die er für rechtmäßig hält. Der bloße Umstand, dass der Zeuge M. gesehen habe, wie der Kläger kopfüber ins Wasser falle, stelle nicht den entscheidenden Augenblick des Abrutschens dar. Diese Haltung sage nichts darüber aus, ob jemand absichtlich ins Wasser springen wolle oder versehentlich ausgerutscht sei. Die von dem Zeugen X. bemerkte Art des Fallens könne vielmehr sehr wohl auch infolge eines Ausrutschens zustande kommen. Eine erneute Anhörung der Zeugen sei nicht erforderlich. Kein Zeuge habe ein vorsätzliches Springen des Klägers bestätigen können und es sei nicht zu erwarten, dass bei einer erneuten Anhörung etwas anderes herauskommen würde.
In der Nichtöffentlichen Sitzung vom 29. November 2006 haben sich die Beteiligten übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil des Berichterstatters als Einzelrichter einverstanden erklärt und nach Herstellung der Öffentlichkeit nochmals zur Sache verhandelt (s. Sitzungsniederschrift vom 29. November 2006).
Der Erörterung und Entscheidung haben die Verwaltungsakte des Berufungsklägers sowie die Gerichtsakte zugrunde gelegen.
Entscheidungsgründe
Die gem. §§ 143 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden und somit zulässig. Der Senat konnte gem. § 155 Abs. 3 i.V.m. § 155 Abs. 4 SGG durch Urteil des Berichterstatters als Einzelrichter entscheiden, weil die Beteiligten dieser Vorgehensweise übereinstimmend zugestimmt haben.
Die Berufung des Berufungsklägers ist nicht begründet. Entsprechend der Auffassung des SG und des Klägers und Berufungsbeklagten hat dieser am 24. Mai 2000 einen Arbeitsunfall erlitten, wegen dessen Folgen er einen Anspruch auf Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung hat.
Nach § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 b SGB VII sind Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahme kraft Gesetzes versichert. Dem Versicherungsschutz unterliegen insoweit nicht nur Betätigungen während des Unterrichts, sondern auch im Rahmen so genannter Schulveranstaltungen. Er richtet sich entsprechend dem Wortlaut der Vorschrift und auch ihrer Entstehungsgeschichte (vgl. BSGE 35, 207, 210 = SozR Nr. 37 zu § 539 RVO) nach dem organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule. Hierzu gehört auch eine unter schulischer Aufsicht durchgeführte Klassenfahrt (vgl. BSG, SozR Nr. 3 zu § 548 RVO; Urteil vom 31. März 1976, Az.: 2 RU 287/73, in: USK 7629; BSG SozR 3-2200, § 539 Nr. 34 m.w.N.), auch im Ausland (vgl. Behrend/Bigge, Unfallversicherung für Schüler und Studierende sowie für Kinder in Tageseinrichtungen, 6. Aufl., S. 75 "Schullandheime"). Das Ziel einer solchen Klassenfahrt besteht nicht allein darin, "den Schülern neue im nachfolgenden Unterricht verwertbare Eindrücke durch den Besuch einer Stadt oder einer Landschaft zu vermitteln, sondern auch in der Förderung des sozialen Verhaltens in der Gruppe und in Beherrschung und Bewältigung der auf solchen Reisen besonders zum Ausdruck kommenden Gruppendynamik (vgl. BSG, Urteil vom 07. November 2000, Az.: B 2 U 40/99 R). Zwar besteht Versicherungsschutz nicht schlechthin während der gesamten Dauer der Klassenfahrt für jedwede Betätigung der Reiseteilnehmer (vgl. BSG, Urteil vom 25. Januar 1977, Az.: 2 RU 50/76, in USK 7711). Jedoch können auch Umstände bei der Befriedigung persönlicher Bedürfnisse, die sonst grundsätzlich vom Versicherungsschutz ausgenommen sind, in einem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen, wenn diese Umstände durch die Klassenfahrt bedingt sind (vgl. BSG SozR 3-2200, § 539 Nr. 34). So verhält es sich auch im vorliegenden Fall, wie das SG zu Recht entschieden hat.
Das BSG hat mit dem oben genannten Urteil vom 07. November 2000 (Az.: B 2 U 40/99 R) darauf hingewiesen, dass die Rechtsprechung für den Versicherungsschutz von jugendlichen Arbeitnehmern nicht ohne weiteres die für erwachsene Beschäftigte geltenden Maßstäbe bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung für anwendbar gehalten hat. Dabei hat es insbesondere berücksichtigt, ob durch unzureichende Beaufsichtigung oder sonstige Versäumnisse der Betriebsleitung die Jugendlichen in die Lage versetzt wurden, sich bei leichtsinnigen Spielereien besonderen Gefahren auszusetzen (vgl. z.B. BSG, SozR Nr. 68 zu § 542 RVO aF; BSG, Urteil vom 25. Januar 1977, Az.: 2 RU 50/86 in: USK 7711). Dem liegt - so das BSG - die allgemeine Erfahrung zugrunde, dass junge Menschen einem natürlichen Spieltrieb unterliegen. Zu den besonderen Verhältnissen, die für Schüler insbesondere bei Klassenfahrten zu Gefährdungen führen können und deshalb bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung zu berücksichtigen sind, gehören neben den auf natürlichem Spieltrieb ebenso die auf typischem Gruppenverhalten beruhenden Verhaltensweisen von Kindern und Jugendlichen (vgl. BSG, Urteil vom 07. November 2000 - Az.: B 2 U 40/99 R; BSGE 43, 113, 116 = SozR 2200, § 550 Nr. 14; BGHZE 67, 279, 282 [BGH 12.10.1976 - VI ZR 271/75] f.). Vor allem auf Klassenfahrten wirkt sich der natürliche und bei jüngeren Schülern noch ungehemmte Spieltrieb besonders aus. Und vor allem bei Schülern im Pubertätsalter sind Raufereien und Rangeleien Ausfluss typischer gruppendynamischer Verhaltensweisen (BSG, SozR 3-2200, § 539 Nr. 34). Das Gruppenerlebnis auf Klassenfahrten führt erfahrungsgemäß vor allem dann, wenn sich die Disziplin während der Abwesenheit der Aufsichtspersonen lockert, häufig zuübermütigen und bedenkenlosen Verhaltensweisen (vgl. BGH VersR 1987, 781, 782) [BGH 10.03.1987 - VI ZR 123/86]. So hat es das BSG in dem mit Urteil vom 07. November 2000 (Az.: B 2 U 40/99 R) entschiedenen Fall noch als schülertypisch bewertet, dass der dortige 17-jährige Schüler während einer Klassenfahrt von seinem im 3. Stock gelegenen Zimmer versucht hat, vom Fenster seines Zimmers in das 1.20 m entfernte Fenster eines anderen Zimmers, in dem sich Mitschüler befanden, zu gelangen, wobei er abstürzte und sich schwer verletzte. Auch dieses Verhalten hat das BSG noch in einem rechtlich wesentlichen inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit bewertet. Weil eines der Ziele auch dieser Klassenfahrt die Förderung des sozialen Verhaltens in der Gruppe und die Beherrschung und Bewältigung der auf solchen Reisen besonders zum Ausdruck kommenden Gruppendynamik gewesen sei und hierzu die gemeinsame Unterbringung in der Pension und die dadurch ermöglichten Kontakte zwischen den Schülern und Schülerinnen dienten, sei deren Aufenthalt in den Pensionszimmern vom organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule noch erfasst gewesen und habe unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden. Dieser Schutz sei nicht dadurch aufgehoben gewesen, dass der dortige Kläger mit seinem Fensterklettern sich - objektiv betrachtet - in hohem Maße vernunftwidrig und gefahrbringend verhalten habe. Denn infolge seiner altersbedingten Unreife und eines für Jugendliche seines Alters typischen gruppendynamischen Prozesses sei er in die Situation gebracht worden, deren Folge der Sturz aus dem Fenster gewesen sei. Für den vorliegenden Fall kann nichts anderes gelten.
Der Kläger und Berufungsbeklagte hat sich während der Klassenfahrt mit den Booten im F. auf einer Schulveranstaltung befunden, die in den organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule fiel. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Kläger und Berufungsbeklagte tatsächlich ausgerutscht ist als er sich auf dem Klüverbaum befand oder mit Hilfe eines Kopfsprunges zum Baden ins Wasser gelangen wollte, weil entsprechend den Feststellungen des SG im Rahmen der Freizeitgestaltung von den Lehrern sowohl das Betreten des Klüverbaumes als auch das Baden ausdrücklich genehmigt worden war und die Handlungstendenz des Klägers und Berufungsbeklagten somit grundsätzlich auf eine von der schulischen Gemeinschaftsveranstaltung umfassten Tätigkeit ausgerichtet gewesen ist. Vor diesem Hintergrund war eine weitere bzw. neuerliche Vernehmung der Zeugen entbehrlich, da auch der Umstand eines eventuell gewollten Sprunges mit dem Kopf zuerst ins Wasser den Versicherungsschutz nicht aufhebt. Die bisherigen Angaben der Zeugen während des Verwaltungsverfahrens und laut Protokoll des SG vom 25. Januar 2005 sind dabei auch im Berufungsverfahren als Urkundsbeweis gem. § 118 Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) zu verwerten. Im Übrigen hat der Beklagte und Berufungskläger entgegen seinem späteren Begehren, die Zeugen M., J. und H. nochmals persönlich zu hören, selbst während des Berufungsverfahrens darauf hingewiesen, dass es bereits während der Vernehmung der Zeugen in der I. Instanz 4 3/4 Jahre nach dem angeschuldigten Ereignis verständlich sei, dass die Zeugenaussagen nicht konkret die Angaben, wie sie sich in den zeitnahen Aussagen in der Akte ergeben hätten, widerspiegelten. Insoweit dürfte eine weitere Vernehmung der Zeugen im Berufungsverfahren, über 6 Jahre nach dem angeschuldigten Ereignis, keine konkreteren Angaben mehr erwarten lassen. Da eine derartige Vernehmung nur durch die Anwendung der Technik des Vorhaltens bisher getätigter Aussagen ergiebige Angaben erwarten ließe, ist es ausreichend, die bisherigen Angaben im Rahmen des Urkundsbeweises auszuwerten. Hiernach sieht es das Gericht als bewiesen an, dass es den Schülern nach dem Auflaufen des Bootes grundsätzlich erlaubt war, sich auf dem Klüverbaum aufzuhalten oder Baden zu gehen. Dies bestätigen die Zeugen AA., Y. und X., wobei den Lehrern, hier insbesondere den Zeugen H. und Z. bewusst war, dass zum Unfallzeitpunkt bereits einige Schüler badeten bzw. auf dem Wege dorthin waren.
Die Zeugen J., M. und T. haben übereinstimmend angegeben, dass sie von den Lehrern die Erlaubnis erhalten haben, sich bei ruhiger See auf dem Klüverbaum aufzuhalten bzw. zum Unfallzeitpunkt schwimmen zu gehen. Zwar hat der Zeuge Z. bekundet, dass der Kläger nach Erledigung der Arbeiten auf ihn zugekommen sei und gefragt habe, ob er von Bord dürfe. Es könnten auch mehrere Schüler gewesen sein. Er haben ihm (dem Kläger) gesagt, dass dies im Augenblick nicht möglich sei und sie sich an den Kapitän wenden sollten. Nach seiner Erinnerung habe der Kapitän zu diesem Zeitpunkt gesagt, dass man im Augenblick das Schiff nicht verlassen könne. Diese Angaben widersprechen jedoch nicht den Aussagen der Zeugen Y., X. und AA., dass generell das Baden von einem Lehrer oder dem Kapitän an Bord erlaubt worden ist, was dann zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt ist. Denn der Zeuge Z. hat weiter angegeben, dass er den weiteren Verlauf bis zum Unglück nicht mitbekommen habe. Zudem hat auch der Zeuge AB. ausgesagt, dass er zum Unfallzeitpunkt das Geschehen im Wasser beobachtet habe. Es hätten sich schon einige Mitschüler im Wasser befunden. Damit steht fest, dass jedenfalls zum Unfallzeitpunkt den Schülern das Baden erlaubt und dies den Lehrkräften auch bewusst war. Gleiches gilt für den bloßen Aufenthalt auf dem Klüverbaum, der ohnehin im Rahmen der schulischen Gemeinschaftsveranstaltung stattgefunden hätte.
Die insoweit auf eine schulische Gemeinschaftsveranstaltung des Badens und somit auf eine versicherte Tätigkeit ausgerichtete Handlungstendenz des Klägers und Berufungsbeklagten im Falle eines Kopfsprunges ist auch nicht etwa deshalb dem unversicherten Bereich zuzurechnen, weil das Springen von Bord allgemein verboten war. Hierzu hat das SG in der angefochtenen Entscheidung bereits zu Recht darauf hingewiesen, dass zwar in Einzelfällen eine unversicherte Tätigkeit angenommen worden ist, wenn ein Schüler eine vom aufsichtsführenden Lehrer ausdrücklich verbotene Tätigkeit ausgeübt hat. Diese Fälle sind jedoch dadurch gekennzeichnet, dass sich ein Schüler während der Schulveranstaltung unerlaubt und gegen ausdrückliches Verbot aus dem Aufsichtsbereich der Lehrkräfte entfernt hat, quasi "auf eigene Faust", und es hierbei zu einem Unglück gekommen ist. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, da sich der Kläger und Berufungsbeklagte weiterhin im Klassenverband und unter der generellen Aufsichtsmöglichkeit durch den Lehrkörper befunden hat. Darüber hinaus ist vorliegend nicht nachgewiesen, dass dem Kläger und Berufungsbeklagten gegenüber ausdrücklich ein Verbot des Springens vom Boot ausgesprochen worden ist. Unabhängig von dem Umstand, dass sich der Berufungsbeklagte und Kläger selbst an eine derartige Belehrung auch vor Antritt der Klassenfahrt nicht erinnern kann und dies auch der Zeuge Y. nicht bestätigt hat, belegen die Angaben der Zeugen X., AA., H., Z. und AB. nicht, dass dem Kläger und Berufungsbeklagten gegenüber ein konkretes Verbot des Springens von Bord ausgesprochen worden oder dass dieser entsprechend belehrt worden ist. Insbesondere der Zeuge H. hat auch als Lehrkraft angegeben, dass er keine genaue Erinnerung habe, wie die Vorbereitungen im Unfalljahr konkret gewesen seien. Er könne auch nicht sagen, ob der Kläger und Berufungsbeklagte an diesen Vorbereitungen teilgenommen habe, zumal dieser bisweilen auch Fehlzeiten habe. Der Zeuge Y. hat in Übereinstimmung mit den Angaben des Klägers und Berufungsbeklagten ausgesagt, dass er sich nicht daran erinnern könne, dass vor der Reise ein Video gezeigt worden sei und dass bei diesem Anlass die Verhaltensmaßregeln an Bord im Einzelnen dargestellt worden seien. Er könne sich auch nicht daran erinnern, dass es ein ausdrückliches Verbot gegeben habe, von Bord zu springen. Er könne sich auch nicht daran erinnern, dass dies der Schiffsführer gesagt habe. Zwar haben der Zeugen X. und der Zeuge AA. angegeben, dass sowohl der Kapitän als auch ein Lehrer gesagt hätten, dass sie nicht einfach von Bord bzw. ins Wasser springen sollten. Beide Zeugen konnten sich jedoch nicht daran erinnern, dass im Vorfeld der Fahrt im Rahmen einer Vorbereitungsveranstaltung ein Video gezeigt oder in diesem Zusammenhang darüber gesprochen worden ist, nicht von Bord zu springen. Insbesondere konnten beide Zeugen keine Angaben dazu machen, ob der Kläger bzw. Berufungsbeklagte persönlich ein derartiges Verbot wahrgenommen hat. Eine Lösung von der versicherten Tätigkeit kann somit nicht festgestellt werden.
Des Weiteren entfällt der Versicherungsschutz im vorliegenden Fall auch nicht unter dem Gesichtspunkt der so genannten selbst geschaffenen Gefahr. Das BSG hat den Begriff der selbst geschaffenen Gefahr immer eng ausgelegt und ihn nur mit größter Vorsicht gehandhabt. Es hat in seinem Urteil vom 29. April 1982 (SozR 2200, § 548 Nr. 60) ausgeführt, dass selbst ein in hohem Maße unvernünftiges Verhalten den Kausalzusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall nicht ausschließt, wenn der Versicherte ausschließlich betriebsbedingte Zwecke verfolgt; denn der Gesetzgeber hat den Begriff des Arbeitsunfalls unabhängig vom Verschulden des Versicherten festgelegt und selbst verbotswidriges Handeln nicht als Ausschlussgrund für den Eintritt eines Arbeitsunfalles bewertet (§ 7 Abs. 2 SGB VII). Hier ist erst recht zu berücksichtigen, dass für den Versicherungsschutz von Jugendlichen nicht ohne weiteres die für erwachsene Beschäftigte geltenden Maßstäbe bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung anwendbar sind. Somit gewinnt die selbst geschaffene Gefahr dann Bedeutung, wenn der Versicherte bei seiner Tätigkeit neben betrieblichen auch private Interessen verfolgt, wie dies bei gemischten Tätigkeiten der Fall ist. Liegen in einem so gelagerten Fall der selbst geschaffenen Gefahr betriebsfremde Motive zugrunde, so ist entsprechend der für die gesetzliche Unfallversicherung maßgebenden Kausalitätslehre entscheidend, ob die versicherte Tätigkeit gleichwohl eine wesentliche Bedingung des Unfalls gebildet hat oder ob die selbst geschaffene Gefahr in so hohem Grad unvernünftig war und zu einer solchen besonderen Gefährdung geführt hat, dass die versicherte Tätigkeit nicht mehr als wesentliche Bedingung für den Unfall anzusehen ist (vgl. BSG, SozR 2200, § 548 Nr. 60). Bei dieser rechtlichen Wertung gelangt das Gericht im hier zu entscheidenden Fall zu dem Ergebnis, dass die betriebsbedingten Umstände, nämlich das gemeinsame Baden im Rahmen der Freizeitgestaltung bei der Klassenfahrt, der alleinige Grund für einen Sprung ins Wasser gewesen sind, sofern man einen solchen zugrunde legt und damit die selbst geschaffene Gefahr keine Bedeutung für den Versicherungsschutz hat. Das Verhalten des Klägers und Berufungsbeklagten, durch einen an sich unvernünftigen Kopfsprung zum Baden ins Wasser zu gelangen, selbst wenn man diesen annehmen wollte, wäre noch als schülertypisch zu bewerten und steht daher in einem rechtlich wesentlichen inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit der Klassenfahrt. Insoweit ist zum Einen hinsichtlich der festzustellenden, erkennbaren Gefahr anzumerken, dass das Wasser trüb und daher nicht bis zum Grund einsehbar war. So hat auch der Zeuge Y. bekundet, dass ihm erst in dem Moment, als der Zeuge AA. im Wasser wieder aufgestanden sei, zu Bewusstsein gekommen sei, dass die Wassertiefe zum Schwimmen möglicherweise nicht ausreichend sei. Vorher sei er davon ausgegangen, dass man sich ins Wasser begeben und einfach losschwimmen könne. Der Zeuge H. hat zum Anderen gegenüber dem Beklagten und Berufungskläger mit Schreiben vom 10. Juli 2000 angegeben, dass der Kläger in der Schule im Theorie- und Fachpraxisunterricht nicht das Verhalten eines Volljährigen gezeigt habe und stets unaufmerksam und motorisch überaktiv sei. Seine kognitiven Fähigkeiten erschienen eingeschränkt. Vor dem Hintergrund dieser noch gering ausgebildeten Reife des Klägers und Berufungsbeklagten zum Unfallzeitpunkt hat er den Schutz der Unfallversicherung nicht dadurch verloren, sofern er sich mit seinem Kopfsprung zum Baden ins Wasser - objektiv betrachtet - in hohem Maße vernunftwidrig und gefahrbringend verhalten hat, denn gerade infolge seiner altersbedingten Unreife und eines für Jugendliche seines Alters typischen gruppendynamischen Prozesses ist er in die Situation gebracht worden, deren Folge die Querschnittslähmung nach dem Kopfsprung in das zu flache Wasser war. Dieses unüberlegte Verhalten selbst bei einem Kopfsprung ist eher als " Imponiergehabe" gegenüber denübrigen Schülern und wohl auch Mädchen zu werten, die sich bereits im Wasser befunden haben, um sich deren Bewunderung zu sichern. So hat auch der Zeuge Y. angegeben, unter Bestätigung durch den Zeugen AA., dass letzterer bereits im Wasser und auf dem Weg zum benachbarten Schiff gewesen sei, weil sich dort seine Freundin befunden habe, die ihm bereits im Wasser entgegen gekommen sei. So ist das Verhalten sämtlicher Schüler und Schülerinnen beim und auf dem Weg zum Baden als Teil des gruppendynamischen Prozesses zu werten, weil diese im Falle eines Kopfsprunges die Empfänger des imponierenden und waghalsigen Verhaltens des Klägers und Berufungsbeklagten gewesen sind. Dabei dürfte das Tragen eines T-Shirts mit kurzer Jeans von den Jugendlichen eher als "cool" bewertet werden. Zu derartigen Verhaltensweisen hat das BSG bereits ausgeführt, dass einerseits jeder Schüler unabhängig von seinen Charaktereigenschaften in der gesetzlichen Schülerunfallversicherung versichert ist und dass zum Anderen gerade ein überdurchschnittlich spontan und waghalsig handelnder Schüler durch Gruppenzwänge besonders beeinflussbar ist, weil bei ihm das rationale Abwägen eine geringere Rolle spielt als bei einem durchschnittlich veranlagten Schüler (Urteil vom 07. November 2000, Az.: B 2 U 40/99 R). Demgemäß musste sich auch im vorliegenden Fall - die Waghalsigkeit und Spontanität unterstellt - beim Kläger und Berufungsbeklagten der sich steigernde gruppendynamische Prozess ohne ins Gewicht fallende innere Hemmnisse in der dann tragisch endenden Weise auswirken. Es liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger und Berufungsbeklagte vorsätzlich mit einem Kopfsprung ins zu flache Wasser springen wollte, um sich die eingetretenen Verletzungen zuzuziehen. Vielmehr wollte er lediglich gegenüber den anderen im Falle eines Kopfsprunges imponieren. Dies hat jedoch, wie gesagt, den Versicherungsschutz nicht beseitigt, so dass der Berufung des Beklagten und Berufungsklägers der Erfolg versagt bleiben musste.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Es liegt kein gesetzlicher Grund vor, die Revision zuzulassen ( § 160 Abs. 2 SGG).