Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 17.12.2013, Az.: 12 C 5701/13

Humanmedizin; Kapazität; Modellstudiengang

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
17.12.2013
Aktenzeichen
12 C 5701/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 64427
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Trotz legislativer Festsetzung richtet sich die Kapazitätsberechnung nach der KapVO.
2. Normative Festsetzung einer Berechnungsmethode auch im zweiten Jahr der Einführung des Modellstudiengangs nicht erforderlich.
3. Zur Ermittlung der Kapazität im Entwicklungsprozess eines Modellstudiengangs.

Gründe

Die Antragstellerinnen und Antragsteller (im Folgenden: Antragsteller) begehren im Wege der einstweiligen Anordnung ihre vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg (Antragsgegnerin) zum Wintersemester 2013/2014.

Der mit Bescheid des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst (MWK) vom 26. Januar 2012 zugelassene Modellstudiengang Humanmedizin an der Antragsgegnerin wurde zum Wintersemester 2012/2013 eingerichtet. Der Studiengang ist nicht aus einem bereits bestehenden medizinischen Regelstudiengang hervorgegangen, sondern neu eingerichtet worden in Kooperation mit der Rijksuniversiteit Groningen (Niederlande). Diese führt die Ausbildung der Studierenden in den Kursen und Praktika der Anatomie vor Ort in Groningen durch. Nach der Studienordnung sind die Oldenburger Studierenden verpflichtet, zwei Semester an der Rijksuniversiteit Groningen zu studieren. Den Groninger Studierenden wird umgekehrt die Möglichkeit eingeräumt, für ein Austauschjahr an der Universität Oldenburg zu studieren. Dabei handelt es sich nach den Vereinbarungen im Kooperationsvertrag (Agreement) mit der Universität Groningen (Anlage AG 6 der von der Antragsgegnerin überreichten Datensammlung) um jeweils 40 Studierende. Der Modellstudiengang unterscheidet sich vom Regelstudiengang zudem wegen der Verknüpfung von vorklinischen und klinischen Studieninhalten sowie der modularisierten und fachübergreifenden Ausbildung. Oldenburger Krankenhäuser und medizinische Praxen sind von Beginn des Studiums an in die patientenbezogene Ausbildung einbezogen.

Eine Rechtsgrundlage für die nach der Konzeption des Modellstudiengangs erforderliche Kooperation der medizinischen Fakultät an der Antragsgegnerin mit einbezogenen Krankenhäusern und insbesondere der Universität Groningen wurde durch die Änderung des Niedersächsischen Hochschulgesetzes vom 20. Juni 2012 - NHG - (Nds. GVBl. S. 186 f) geschaffen. In § 72 Abs. 15 NHG heißt es:

„Für den Studiengang Humanmedizin an der Universität Oldenburg wird die jährliche Zulassungszahl ab dem Wintersemester 2012/2013 auf 40 festgesetzt. Forschung und Lehre der Medizinischen Fakultät der Universität Oldenburg werden auf Veranlassung des Fachministeriums zum 1. Oktober 2019 extern durch den Wissenschaftsrat evaluiert. Die Landesregierung legt das Ergebnis der Evaluation dem Landtag mit einer Stellungnahme zur weiteren Entwicklung des Studiengangs Humanmedizin an der Universität Oldenburg unter Berücksichtigung der Ausbildungskapazität bis zum 30. Juni 2020 vor.“

In der Begründung zum Gesetzentwurf ist ausgeführt:

„Die gesetzliche Festlegung der jährlichen Zulassungszahl im Studiengang Humanmedizin auf 40 in dem neuen Absatz 15 Satz 1 beruht auf den nachvollziehbaren Ausführungen der Hochschule in dem Antrag auf Zulassung des Modellstudiengangs. Hierdurch wird den begrenzten Möglichkeiten der Universität Oldenburg, der kooperierenden Krankenhäuser und der Universität Groningen Rechnung getragen, wie sie im Konzept für die EMS zugrunde gelegt sind, dem der Wissenschaftsrat grundsätzlich zugestimmt hat. Insbesondere auf eine weitergehende Bereitstellung von Kapazitäten für patientenbezogene Forschung und Lehre in den kooperierenden Krankenhäusern sowie an der Universität Groningen hat das Land keinen Einfluss.

Die in Absatz 15 Sätze 2 und 3 vorgesehene Evaluierung dient der Umsetzung der Empfehlung des Wissenschaftsrats, der für die EMS eine Erprobungsphase vorgeschlagen hat. Unter Berücksichtigung der regelmäßigen Dauer des mit dem Staatsexamen abschließenden Medizinstudiengangs, der eine Regelstudienzeit von 12 Semestern vorsieht, soll die Evaluation zum 1. Oktober 2019 erfolgen, mithin zu einem Zeitpunkt, zu dem die ersten Studierenden ihr Medizinstudium an der Universität Oldenburg abgeschlossen haben. Im Zusammenhang mit der Evaluation soll auf der Basis des Lehrangebots aus Stellen, der Patientenverfügbarkeit in den kooperierenden Krankenhäusern und den Möglichkeiten des Kooperationspartners Universität Groningen ein Kapazitätsberechnungsmodell etabliert werden.“ (LT-Drucksache 16/4680, S. 9 bis 10).

Das MWK hatte die Zahl der bei der Antragsgegnerin im Studiengang Humanmedizin zu vergebenden Studienplätze in der Zulassungsverlassungszahlenverordnung 2012/2013 für das erste Studienjahr auf 40 Studienplätze festgesetzt. Tatsächlich haben 40 Studierende zum Wintersemester 2012/2013 das Medizinstudium an der Antragsgegnerin aufgenommen. Das Verwaltungsgericht Oldenburg hat durch Beschluss vom 4. Dezember 2012 (12 C 4164/12 u.a., juris) alle Anträge von Bewerbern auf Zulassung zum Studium außerhalb der festgesetzten Kapazität abgelehnt. Die gegen den Beschluss erhobenen Beschwerden einiger Antragsteller wies das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht durch Beschluss vom 21. Februar 2013 (2 NB 20/13 u.a., juris) zurück. In der Zulassungszahlenverordnung 2013/2014 wird die Zulassungszahl für den Modelstudiengang Humanmedizin (in Kooperation mit der Rijksuniversiteit Groningen) für das Studienjahr 2013/2014 wiederum mit 40 angegeben. In der Fußnote 3 zu dieser Zulassungszahlenverordnung wird angemerkt, dass die Zulassungszahl auf § 72 Abs. 15 S. 1 NHG beruht.

Die Antragsteller begehren ihre Zulassung zum Medizinstudiengang außerhalb der durch die festgesetzte Zulassungszahl bestimmten Ausbildungskapazität. Zum Teil beschränken sie den verfolgten Anordnungsanspruch (hilfsweise) auf eine (Teil)Zulassung zum Studium im vorklinischen Ausbildungsabschnitt. Die Antragsteller zu 2) und 3) begehren offenbar zusätzlich die Zulassung innerhalb der festgesetzten Kapazität.

Die Antragsteller haben – bis auf die Antragsteller zu 2) und 3) – ihre Hochschulzugangsberechtigung nachgewiesen. Sie bewarben sich – nach ihren Angaben – zum Wintersemester 2013/2014 erfolglos über die Stiftung für Hochschulzulassung bei der Antragsgegnerin um eine Zulassung zum Studium im ersten Fachsemester.

Die Antragsteller bewarben sich fristgerecht bis zum 15. Oktober 2013 bei der Antragsgegnerin um eine Studienzulassung außerhalb der festgesetzten Kapazität. Über diese Anträge ist bislang nicht entschieden worden.

Zur Begründung ihrer gerichtlichen Anträge führen die Antragsteller aus: Die Antragsgegnerin habe nicht alle verfügbaren Studienplätze vergeben. Die dem Studiengang zur Verfügung stehende Kapazität gehe über die festgesetzten 40 Studienplätze hinaus. Die Regelung des § 72 Abs. 15 NHG sei nachrangiges Recht, so dass die Kapazität weiterhin nach Art. 6 des Staatsvertrages 2008 zu überprüfen sei. Insbesondere ergebe sich aus § 72 Abs. 15 NHG keine Einschränkung der gerichtlichen Überprüfbarkeit der Kapazität. Aus Art. 6 Abs. 2 S. 2 Staatsvertrag 2008 ergebe sich zwar, dass bei der Erprobung neuer Studiengänge die Zulassungszahlen abweichend von Satz 1 festgesetzt werden könnten. Die für diese Festsetzung erforderliche Ermessensentscheidung sei allerdings fehlerhaft. Es müsse zunächst einmal die jährliche Kapazität gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 1 Staatsvertrag 2008 ermittelt werden. Hiervon dürfe dann unter den Voraussetzungen des Satzes 2 dieser Regelung abgewichen werden. Es sei nicht zulässig, bei der Einführung von Modellstudiengängen überhaupt keine Kapazitätsüberprüfung vorzunehmen. Eine solche Kapazitätsberechnung sei nicht einmal ansatzweise vorgenommen worden. Die Festsetzung der Zulassungszahl lasse sich auch nicht rechtfertigen durch den Kooperationsvertrag mit der Universität Groningen. Damit würde letztlich Art. 12 Abs. 1 GG im Hochschulkapazitätsrecht abgeschafft. Schließlich sei eine Schwundberechnung durchzuführen.

Auch die Einführung eines Modellstudienganges gebiete es, die Studienplatzkapazität zu ermitteln. Von einer normativen Festsetzung der Kapazitätsermittlung dürfe nicht gänzlich abgewichen werden. Aus der Kooperation der Antragsgegnerin mit den Oldenburger Krankenhäusern, die über eine umfassende Erfahrung in der universitären Ausbildung an Patienten verfügten, ergebe sich eine patientenbezogene Ausstattung, die eine Ausbildung von weit mehr als 40 Studierenden im Studienjahr ermöglichten. Jedenfalls sei bei der Zulassung von mehr als 40 Studierenden pro Studienjahr die Funktionsfähigkeit der Antragsgegnerin bzw. des Studiengangs nicht gefährdet. Die Festlegung auf 40 Studienanfängerplätze sei letztlich willkürlich. Es habe eine Festlegung auf diese Zahl bereits vor Abschluss der Vereinbarung mit der Universität Groningen bestanden. Die Antragsgegnerin sei verpflichtet, die personelle und patientenbezogene Kapazität im Einzelnen anzugeben, damit diese im Kapazitätsrechtsstreit überprüft werden könne.

Die Antragsteller beantragen,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sie nach Maßgabe eines gerichtlich angeordneten Vergabeverfahrens im Wintersemester 2013/2014 vorläufig zum Studium der Humanmedizin, 1. Fachsemester, zuzulassen,

die Antragstellerin zu 14) beantragt,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sie zum 3. Fachsemester, hilfsweise zu einem niedrigeren Fachsemester zum Studium der Humanmedizin zuzulassen.

Einige der Antragsteller beantragen hilfsweise,

die Antragsgegnerin zu verpflichten, den/die jeweilige/n Antragsteller/Antragstellerin an einem vom Gericht anzuordnenden Vergabevergabeverfahren bzw. Losverfahren  zu beteiligen und ihn/sie zu den genannten Fachsemestern zuzulassen, falls auf ihn/sie ein ermittelter Rangplatz entfällt,

andere Antragsteller beantragen weiter hilfsweise,

den Antrag auf Zulassung zum Studium der Humanmedizin auf den vorklinischen Studienabschnitt zu beschränken.

Die Antragsteller zu 2) und 3) beschränken ihre Anträge nicht ausdrücklich auf die außerkapazitäre Zulassung.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Anträge abzuweisen.

Sie tritt den Ausführungen der Antragsteller im Einzelnen entgegen und führt aus, dass die gesetzlich festgelegte Aufnahmekapazität durch die 40 zugelassenen und eingeschriebenen Studenten und Studentinnen ausgeschöpft sei. Den Antragstellern stehe aus Art. 12 Abs. 1 GG kein Anspruch auf die Schaffung neuer bzw. weiterer Kapazitäten zu. Eine absolute Kapazitätsgrenze ergebe sich aus dem Kooperationsvertrag mit der Universität Groningen, in dem diese Raum- und Zeitkapazitäten für die Anatomie und Austauschstudienplätze allein für 40 Studienplätze zur Verfügung stelle. Eine Schwundprognose sei auch im zweiten Jahr des Modellstudiengangs nicht möglich. Es werde im Übrigen keinen Schwund geben, da der Studiengang jeweils auf 40 Studierende aufgefüllt werde.

Hinsichtlich des weiteren Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und den Inhalt der Generalakte des Verwaltungsgerichts Oldenburg zum Medizinstudiengang an der Antragsgegnerin zum Wintersemester 2013/2014 verwiesen; sie sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung haben keinen Erfolg.

Gemäß § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes treffen, wenn sowohl die besondere Dringlichkeit (Anordnungsgrund) als auch ein Anspruch auf Zulassung zum Studium wegen nicht vollständig ausgenutzter Aufnahmekapazität (Anordnungsanspruch) glaubhaft gemacht worden sind (§ 123 Abs. 3 VwGO, §§ 920 Abs. 2, 293 ZPO). Die Anträge scheitern an der Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs.

A) Innerkapazitärer Hochschulzulassungsanspruch

Die Antragsteller zu 2) und 3) beschränken ihr Begehren nicht auf die Zulassung zum Studium außerhalb der festgesetzten Kapazität, so dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie auch innerkapazitär ihre Zulassung begehren. Auf die entsprechende gerichtliche Anfrage haben sie ebenso wenig geantwortet wie sie auch den Nachweis ihrer Hochschulzugangsberechtigung nicht geführt haben. Der – unterstellte – Antrag dieser Antragsteller auf Zulassung innerhalb der festgesetzten Kapazität scheitert bereits an diesem fehlenden Nachweis. Im Übrigen hat die Antragsgegnerin die festgesetzten Studienplätze nach ihren Angaben, denen die Antragsteller nicht widersprochen haben, vergeben. Dabei reicht es aus, dass die Antragsgegnerin bloße Immatrikulationslisten ohne Nennung der Namen vorgelegt hat (vgl. Nds. Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 22. Oktober 2013 – 2 NB 47/13 -, juris). Mangels qualifizierten Bestreitens ist eine individualisierte Nachprüfung der vorgelegten Immatrikulationsliste nicht erforderlich. Wegen der tatsächlich erschöpften Kapazität ist für einen Anspruch auf Zulassung innerhalb der Kapazität kein Raum mehr. Schließlich kann mangels Angaben der Antragsteller zu 2) und 3) zu ihren innerkapazitären Hochschulzulassungsanträgen für den Studiengang Humanmedizin bei der Stiftung für Hochschulzulassung eine weitere Prüfung nicht erfolgen.

B) Außerkapazitärer Hochschulzulassungsanspruch

I.

Der Anspruch auf Zulassung zum Studium der Humanmedizin richtet sich nach Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip. Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet das Recht, eine Ausbildungsstätte frei zu wählen. Schafft der Staat mit öffentlichen Mitteln Ausbildungseinrichtungen, muss er jedem Bürger, der die subjektiven Zugangsvoraussetzungen erfüllt, den freien und gleichen Zugang zu ihnen gewährleisten (vgl. hierzu und zum Folgenden grundlegend: BVerfG, Urteil vom 18. Juli 1972 - 1 BvL 32/70 u.a. -, BVerfGE 33, 303, 331 f). Der Zugang zu den vorhandenen Ausbildungsstätten darf nur unter strengen formellen und materiellen Voraussetzungen beschränkt werden (BVerfG, Beschluss vom 22. Oktober 1991 – 1 BvR 393/85 – u.a., BVerfGE 85, 36 ff.). Die Einschränkungen sind nur durch ein Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes verfassungsrechtlich statthaft. Materiellrechtlich ist die Grundrechtseinschränkung nur verfassungsgemäß, wenn ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut, hier die Funktionsfähigkeit der Hochschule in Wahrnehmung ihrer Aufgaben in Forschung, Lehre und Studium, geschützt werden soll. Die Zulassungsbeschränkung darf somit nur in den Grenzen des unbedingt Erforderlichen unter erschöpfender Nutzung der vorhandenen, mit öffentlichen Mitteln geschaffenen Ausbildungsstätten angeordnet werden. Dabei gehört die Art und Weise der Kapazitätsermittlung zum Kern des Zulassungswesens. Um allen Hochschulbewerbern gleiche Zulassungschancen zu gewährleisten, sind somit objektivierte und nachprüfbare Kriterien für die Kapazitätsermittlung in normativer Form (durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes) zu entwickeln.

Dem sich hieraus ergebenden Erfordernis einer bundeseinheitlichen Regelung der Kapazitätsermittlung und Kapazitätsfestlegung hat der Gesetzgeber Rechnung getragen und für die Auswahl der Bewerber und für den Bereich der Ermittlung der Ausbildungskapazität im Hochschulrahmengesetz - HRG - eine gesetzliche Regelung geschaffen. Die entsprechenden landesrechtlichen Regelungen haben die Länder durch den Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen in Verbindung mit den jeweiligen Zustimmungsgesetzen der Landesgesetzgeber (für Niedersachsen durch das Zustimmungsgesetz vom 17. Februar 2010, Nds. GVBl. 2010, 47) – Staatsvertrag 2008 - umgesetzt. In § 29 Abs. 1 HRG ist die Entwicklung von einheitlichen Maßstäben zur Ermittlung der Kapazität festgeschrieben. Der Staatsvertrag 2008 enthält in Art. 6 Abs. 3, 4 und 5 Grundsätze der Kapazitätsermittlung, die in den Ländern durch Kapazitätsverordnungen (in Niedersachsen durch Verordnung über die Kapazitätsermittlung zur Vergabe von Studienplätzen (Kapazitätsverordnung - KapVO -) vom 23. Juni 2003, zuletzt geändert durch Verordnung vom 4. Juli 2012 (Nds. GVBl., S. 220) konkretisiert worden sind. Das Gebot der Erschöpfung der Ausbildungskapazität ist ausdrücklich in § 29 Abs. 2 HRG und Art. 6 Abs. 2 S. 1 Staatsvertrag (wie auch in § 1 Abs. 1 KapVO) wiedergegeben. Abweichungen erlaubt § 6 Abs. 2 S. 2 Staatsvertrag 2008 für die Erprobung neuer Studiengänge und - methoden (§§ 1 Abs. 2, 20 KapVO). Für zulassungsbeschränkte Studiengänge regelt das Nds. Hochschulzulassungsgesetz (NHZG) vom 29. Januar 1998, zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 29. Juni 2011 (Nds. GVBl., S. 202) die Studienplatzvergabe. Danach obliegt die Studienplatzvergabe der Hochschule, soweit nicht die Stiftung für Hochschulzulassung zuständig ist. § 9 Abs. 1 NHZG ermächtigt das Fachministerium, durch Verordnung die Festsetzung der Zulassungszahlen zu regeln.

II.

Nach Auffassung der Kammer ist die Ermittlung der Aufnahmekapazität nach den Regelungen des Staatsvertrages, dem Nds. Hochschulzulassungsgesetz und der KapVO  durch § 72 Abs. 15 Niedersächsisches Hochschulgesetz in der Fassung vom 26. Februar 2007, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Juni 2012 (Nds. GVBl. S. 186), - NHG - nicht ausgeschlossen. In § 72 Abs. 15 NHG heißt es, dass die jährliche Zulassungszahl für den Studiengang Humanmedizin an der Antragsgegnerin ab dem Wintersemester 2012/2013 auf 40 festgesetzt wird, dass die Evaluation zum 1. Oktober 2019 erfolgt und dass die Landesregierung das Ergebnis der Evaluation dem Landtag mit einer Stellungnahme zur weiteren Entwicklung des Studiengangs Humanmedizin an der Universität Oldenburg unter Berücksichtigung der Ausbildungskapazität bis zum 30. Juni 2020 vorlegen soll. Die Festsetzung der jährlichen Zulassungszahl auf 40 durch diese Regelung des Nds. Hochschulgesetzes ersetzt die in Niedersachsen durchzuführende Kapazitätsermittlung nach dem Staatsvertrag, der Zulassungszahlenverordnung und der KapVO nicht.

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat in der Beschwerdeentscheidung zum Beschluss der Kammer vom 4. Dezember 2012 (12 C 4164/12 u.a., a.a.O.) die Frage, ob § 72 Abs. 15 NHG eine jährliche Zulassungszahl im Sinne des Studienplatzzulassungsrechts festlegen wollte, zwar offen gelassen (Beschluss vom 21. Februar 2013 – 2 NB 20/13 u.a. –, juris). Dem folgt die Kammer aber nicht. Zur Begründung wird zunächst auf die Ausführungen im Beschluss vom 4. Dezember 2012 Bezug genommen. Dort heißt es:

„a) Der Wortlaut des § 72 Abs. 15 NHG spricht zwar für eine gesetzlich festgelegte Kapazitätsbeschränkung. Die Festsetzung auf 40 Studienplätze ist nach dem Wortlaut insoweit eindeutig, dass eine bloße Richt- oder Zielzahl, die in den kommenden Jahren angestrebt werden soll, nicht angenommen werden kann. Auch wenn die Festsetzung der Zulassungszahl eindeutig eine bestimmte Zahl erfasst, ist dem bloßen Wortlaut der Festsetzung der konkreten Zulassungszahl gleichwohl nicht zu entnehmen, dass diese das Ergebnis einer Kapazitätsermittlung ist. Die Festsetzung einer konkreten Zahl und auch die weiteren Sätze sind nicht als Ergebnis einer Kapazitätsermittlung formuliert und damit im Hinblick auf den Adressaten und seine Zielrichtung offen.

b) Maßgebend ist deshalb zunächst die Gesetzesbegründung zur Auslegung des § 72 Abs. 15 NHG heranzuziehen.

In der Begründung zum Gesetzentwurf heißt es, wie oben angegeben, dass die gesetzliche Festlegung der jährlichen Zulassungszahl auf den nachvollziehbaren Ausführungen der Hochschule in dem Antrag auf Zulassung des Modellstudienganges beruhe. Die Beschränkung der Zahl ergebe sich aus den von der Antragsgegnerin angegebenen Möglichkeiten, das Konzept für den Studiengang umzusetzen. Diese seien begrenzt durch die Kapazitäten, die von den kooperierenden Krankenhäusern sowie der Universität Groningen zur Verfügung gestellt würden. Letztlich solle die Evaluation zum 1. Oktober 2019 vorgenommen werden. Nach dem schriftlichen Bericht zum Gesetzentwurf ist in den Ausschüssen auf die verfassungsrechtliche Problematik, die jährliche Aufnahmekapazität unabhängig von der Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse auf unbestimmte Zeit im Voraus festzusetzen, hingewiesen worden. Die Ausschussmehrheit verwies auf die Stellungnahme der Landesregierung, dass sich die im Gesetzesentwurf vorgesehene Evaluation auch auf die Kapazitätsberechnung beziehen solle, gegenwärtig wegen der Vorgaben der Universität Groningen eine konkrete Kapazitätsberechnung aber nicht möglich sei (LT-Drucksache 16/4856, S. 5 bis 6). Dem Änderungsantrag einer Landtagsfraktion, die jährliche Zulassungszahl für bestimmte Semester festzusetzen (LT-Drucksache 16/4909), folgte der Landesgesetzgeber nicht, ohne die geforderte jährliche Kapazitätsermittlung zu problematisieren.

Damit weist der Gesetzgeber zwar auf eine konkrete jährliche Zulassungszahl hin. Diese soll aber nach der Gesetzesfassung in § 72 Abs. 15 NHG nicht, wie es § 29 Abs. 2 HRG vorgibt, jährlich an Hand der vorhandenen Kapazitäten ermittelt werden. Angeknüpft wird vielmehr an die Überlegungen des Wissenschaftsrates, bei der Gründung einer Universitätsmedizin zunächst in eine Erprobungsphase zu treten und mit lediglich 40 Studierenden pro Jahr zu beginnen. Darauf aufbauend haben die Antragsgegnerin und die Universität Groningen ein Konzept entwickelt, an der Antragsgegnerin in Kooperation mit drei Oldenburger Kliniken den Studiengang Humanmedizin mit 40 Studierenden pro Jahr einzurichten. Die Absicherung des Konzepts der European Medical School Oldenburg-Groningen (EMS) erfolgte durch eine entsprechende Kooperationsvereinbarung zwischen beiden Universitäten. Die Festlegung auf eine kleine Jahrgangsstärke erfolgte, um einen erfolgreichen Aufbau und eine Sicherung der Strukturen zu gewährleisten (Antwort der Landesregierung auf eine Große Anfrage im Landtag, LT-Drucksache 16/3307, S. 9). „Die Errichtung einer Universitätsmedizin (sei) ein Entwicklungsprozess, der sich über mehrere Jahre (erstrecke) und stets begleitender Arbeiten und Abstimmungsprozesse (bedürfe)“ (a.a.O., S. 9). Auf die Frage nach der verfassungsrechtlich gebotenen Kapazitätsauslastung heißt es dann, dass die genaue Aufnahmekapazität in der Phase des Aufbaus des Studiengangs jährlich neu an Hand der zugrundeliegenden patientenbezogenen und personalbezogenen Parameter sowie der Ausbildungsanforderungen zu ermitteln sei. Die Studienanfängerzahl werde nach Auslaufen der Errichtungs- und Erprobungsphase auf der Basis patientenbezogener und personalbezogener Parameter jeweils jährlich auf Grundlage der Nds. KapVO zu berechnen sein, so dass die Studienanfängerzahl von der personellen Ausstattung sowie in der medizinischen Fakultät der Antragsgegnerin auch von der personellen und patientenbezogenen Ausstattung in Bezug auf die assoziierten Kliniken abhinge (LT-Drucksache 16/3698, S. 11).

In der Gesetzesbegründung wird somit allein auf die angesprochene Kooperation zwischen den beiden Universitäten abgestellt, ohne dass die jährlich erforderliche Kapazitätsermittlung, wie sie im Vorfeld der Gesetzesfassung – wie dargestellt – erörtert wurde, abgelehnt wurde. Wenn die Festsetzung der konkreten Zulassungszahl in § 72 Abs. 15 NHG das Ergebnis einer Kapazitätsermittlung hätte sein sollen und diese Festsetzung auch für die kommenden Jahre bis zum Jahr 2019 die nach der Verfassung und dem Hochschulrahmengesetz erforderliche Kapazitätsermittlung ersetzen sollte, wäre es naheliegend gewesen, dass der Gesetzgeber sich zu dieser Kapazitätsermittlungspflicht geäußert hätte. Wegen der fehlenden Äußerung ist eher anzunehmen, dass der Gesetzgeber mit der Feststellung der konkreten Zulassungszahl nicht das Ergebnis der jährlichen Kapazitätsermittlung festlegen wollte.

Der Landesgesetzgeber hat auch eine Ablösung von den im Staatsvertrag vereinbarten Anforderungen für den Medizinstudiengang bei der Antragsgegnerin nicht angesprochen. Deshalb ist der Schluss naheliegend, dass eine solche Ablösung durch § 72 Abs. 15 NHG auch nicht erfolgen sollte.

c) Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der Festsetzung der konkreten Zulassungszahl im Nds. Hochschulgesetz. In der Gesetzesbegründung heißt es zu Anlass, Ziel und den Schwerpunkten des Gesetzes, dass die neue medizinische Fakultät der Universität Oldenburg ihre Aufgaben nach einem Kooperationsmodell erfüllen soll mit einer rechtlichen Trennung des Trägers von Forschung und Lehre einerseits und der Krankenversorgung andererseits. Die Einzelheiten in der Zusammenarbeit zwischen der Universität Oldenburg und den an Forschung und Lehre beteiligten Krankenhäusern sowie der Universität Groningen würden in den jeweiligen Kooperationsvereinbarungen geregelt. Das neue Niedersächsische Hochschulgesetz schaffe die rechtlichen Rahmenbedingungen, „damit die Universität Oldenburg ab dem Wintersemester 2012/2013 jährlich 40 Studienanfängerinnen und –anfänger im Studiengang Humanmedizin aufnehmen kann“ (LT-Drucksache 16/4680, S. 5).

Damit verweist der Gesetzgeber wiederholt auf die für das Konzept der EMS maßgeblichen Kooperationsverträge, die die Antragsgegnerin abschließen müsse. Die Verträge müssten gewährleisten, dass die in den Krankenhäusern tätigen Mitglieder und Angehörigen der Hochschule die ihnen durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG eingeräumte Freiheit von Forschung und Lehre und die nach dem NHG verbürgten Rechte wahrnehmen können. Um die Einhaltung dieser Voraussetzungen zu überprüfen, muss das Fachministerium gem. § 63 i Abs. 1 S. 3 NHG den Vereinbarungen zustimmen.

Damit wird die Umsetzung des Konzeptes der EMS in erster Linie der Antragsgegnerin übertragen, die Medizinerausbildung bleibt aber in staatlicher Verantwortung. Diese Konzeption liegt auch der Kapazitätsermittlung zugrunde. Mit der Festsetzung der Zulassungszahl auf 40 durch den Gesetzgeber in § 72 Abs. 15 NHG will nicht dieser die Kapazitätsermittlung vornehmen. Eine – wie dargelegt – jährlich vorzunehmende Kapazitätsermittlung sollte durch den Gesetzgeber nicht erfolgen. Die Festsetzung in § 72 Abs. 15 NHG stützt sich letztlich nur auf die vom MWK als dem zuständigen Fachministerium gebilligten Kooperationsverträge der Antragsgegnerin insbesondere mit der Universität Groningen. Es liegt auf der Hand, dass sich die Vereinbarungen und Inhalte der Kooperationsverträge je nach Entwicklung des Studiengangs, der Ausstattung bei der Antragsgegnerin ändern bzw. fortentwickeln können und sich dann die für die Frage der Zulassung zum Studium maßgebliche Kapazitätsauslastung in den kommenden Jahren ändern kann. Der Zielsetzung des Gesetzes entspricht es nicht, dass der Gesetzgeber diese hiermit zusammenhängenden Fragen Jahr für Jahr selbst klären will. Selbst dem Änderungsvorschlag einer Landtagsfraktion, die jährliche Zulassungszahl nur eingeschränkt für das Wintersemester 2012/2013 und das Wintersemester 2013/2014 fortzusetzen, hat der Niedersächsische Gesetzgeber abgelehnt und damit erneut betont, dass er die jährliche Kapazitätsermittlung nicht vornehmen wird. Eine andere Interpretation der Gesetzesfassung liefe darauf hinaus, dass die Gesetzesregelung jedenfalls in den Jahren, in denen sich eine über 40 Plätze hinausgehende Kapazität errechnet, verfassungswidrig wäre. Dass der Gesetzgeber dies in Kauf genommen hat, liegt nicht nahe und entspricht nicht den übrigen Gesetzesregelungen. Dem Gesetzeszweck entspricht es somit, dass § 72 Abs. 15 NHG mit der jährlichen Zulassungszahl nicht die Ermittlung oder den Einsatz der vorhandenen Lehrkapazität regeln sollte. Die Festsetzung der Zulassungszahl ist vielmehr - quasi als Vorstufe der Ermittlung - als Verpflichtung des Landes mit seinen zur Finanzierung des Lehrangebots zuständigen Stellen und insbesondere der Antragsgegnerin zu verstehen, die festgesetzte Zahl der Studienplätze bei der Realisierung des Lehrangebots zu beachten. Die Festsetzung der jährlichen Zulassungszahl in diesem Gesetz stellt sich damit nicht als Ergebnis eines Abwägungsprozess der in der Hochschule und bei den Hochschulbewerbern zu berücksichtigenden Interessen dar. In § 72 Abs. 15 NHG ist (letztlich nur) der gesetzliche Auftrag zu sehen, die für 40 Studienplätze erforderliche Kapazität zu schaffen. Die konkrete Zulassungszahl dient dazu, den Studiengang landeshaushaltsrechtlich abzusichern und ihn in die vorhandene Hochschule einzugliedern.“

Zu ergänzen ist:

Im Beschluss vom 21. Februar 2013 weist das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht zunächst ebenfalls auf den eindeutigen Wortlaut des § 72 Abs. 15 NHG und dann auf für den Gesetzgeber nachvollziehbare Gründe der Festsetzung hin. Diese Gründe ergäben sich aus der Absprache der Antragsgegnerin mit der Rijksuniversiteit Groningen, dass dort nur 40 Laborplätze zur Verfügung gestellt werden könnten. Die Kammer folgt den Ausführungen des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts im genannten Beschluss, dass sich der damit verbundene Kapazitätsengpass innerhalb des gewählten Studienmodells nicht durch eigene Anstrengungen der Antragsgegnerin beheben ließ und der Gesetzgeber „die Festsetzung ohne weiteres selbst treffen (konnte), ohne auf die sonst gebotenen Vorarbeiten für eine Kapazitätsermittlung angewiesen zu sein“. Diese Erwägungen betreffen aber die materiellen Voraussetzungen einer Kapazitätsfestsetzung; sie belegen nicht den entsprechenden Regelungswillen des Gesetzgebers. Das gilt auch für die weiteren Erwägungen im Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts, dass eine Begründung für eine konkret festgesetzte Zulassungszahl und Kapazitätskriterien durch den Gesetzgeber nicht geregelt werden müsste, dass eine im Übrigen fortbestehende Rechtsverordnung (sachlich und zeitlich beschränkt) vorübergehend verdrängt werden dürfte und dass kein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot eines Gesetzes oder ein Einzelfallgesetz vorliege. Auch diese im Rahmen der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes zu prüfenden Anforderungen belege den Regelungswillen des Gesetzgebers nicht. Nach Auffassung der Kammer kann allein oder jedenfalls maßgeblich nicht aus der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes auf den Regelungswillen des Gesetzgebers geschlossen werden. Dieser Wille muss sich - jedenfalls ergänzend - aus der Entstehungsgeschichte, der Systematik und dem Sinn und Zweck der Regelung ableiten. Insoweit wird auf die bereits angeführten Ausführungen der Kammer verwiesen.

Die Kammer hat im Beschluss vom 4. Dezember 2012 (a.a.O.) betont, dass der Gesetzgeber sich zu der nach den genannten normativen Regelungen erforderlichen Kapazitätsermittlungspflicht nicht geäußert hat und daraus abgeleitet, dass er mit der Feststellung der konkreten Zulassungszahl nicht das Ergebnis der jährlichen Kapazitätsermittlung festlegen wollte. Aus der Tatsache, dass er keine Kapazitätskriterien genannt hat und auf im Gesetz und in Verordnungen vorhandene nicht Bezug nimmt, ist dann eher zu schließen, dass er im Gesetz keine Kapazitätsregelung vornehmen wollte und nicht vorgenommen hat.

Der fehlende gesetzgeberische Wille, mit der Feststellung der konkreten Zulassungszahl in § 72 Abs. 15 NHG nicht nur im ersten Studienjahr mit der Errichtung des Studiengangs, sondern auch für weitere Jahre das Ergebnis der jährlichen Kapazitätsermittlung festlegen zu wollen, wird bestärkt durch die Systematik der Regelungen und ihrem Sinn und Zweck. Das Land Niedersachsen hat sich mit Zustimmungsgesetz vom 17. Februar 2010 den Regelungen des Staatsvertrages 2008 unterworfen. Dass der Gesetzgeber mit der später gefassten Regelung in § 72 Abs. 15 NHG seine Zustimmung teilweise einschränken wollte, liegt insbesondere deshalb fern, weil eine solche Maßnahme im Gesetzgebungsverfahren nicht erörtert, nicht einmal angesprochen wurde. Bereits oben ist ausgeführt, dass die Stellungnahmen im Gesetzgebungsverfahren eher das Gegenteil belegen. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang zusätzlich auf die Regelung in Art. 18 Abs. 2 Staatsvertrag 2008. Danach kann der Staatsvertrag von jedem Land durch schriftliche Erklärung gegenüber den übrigen vertragsschließenden Ländern zum Schluss eines Kalenderjahres mit einer Frist von einem Jahr gekündigt werden. Eine solche Kündigung sollte nicht erfolgen, sie ist auch nicht für einen einzelnen Studiengang ausgesprochen worden. Unabhängig von der Frage, ob eine Teilkündigung erforderlich oder zulässig ist, wenn für einen bestimmten Studiengang an einer Hochschule die Regelungen des Staatsvertrages nicht mehr zur Anwendung kommen sollen und durch eine neue gesetzliche Regelung ersetzt werden, ist im Hinblick auf den hier zu klärenden Willen des Gesetzgebers naheliegend, dass eine Ersetzung nicht stattfinden sollte, wenn die Teilkündigung im Gesetzgebungsverfahren nicht einmal angesprochen worden ist.

Überdies könnte aus dem Grundsatz, dass eine spätere Rechtsnorm die frühere verdrängt („lex-posterior-Grundsatz“) allenfalls abgeleitet werden, dass die Regelung des § 72 Abs. 15 NHG die Regelungen des Niedersächsischen Zustimmungsgesetzes zum Staatsvertrag 2008 verdrängt. Auch steht das Landesgesetz in der Normenhierarchie über der Zulassungszahlenverordnung. Dies gilt – umgekehrt – aber auch hinsichtlich der Fortgeltung des Bundesgesetzes gegenüber einer landesrechtlichen Regelung. Als Rahmenregelung lässt § 29 Abs. 2 HRG den Ländern für begründete Ausnahmefälle – wie etwa für die Einführung von Modellstudiengängen – von der Kapazitätsermittlung abweichende Modelle zu. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht betont im Beschluss vom 21. Dezember 2006 (2 NB 347/06, juris) ausdrücklich, dass dies ausnahmsweise dann zulässig sei, wenn – bei in das zentrale Verfahren einbezogenen Studiengängen – dadurch das Ziel der zentralen Vergabe im Sinne des § 31 HRG nicht berührt werde. Die in § 30 HRG vorgesehene Festsetzung von Zulassungszahlen war in der genannten Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts nicht anzusprechen, weil für den Modellstudiengang der MHH eine Zulassungszahl – wie für alle weiteren Studiengänge in Niedersachsen – durch die jeweilige Zulassungszahlenverordnung festgelegt wurde. Nach § 30 HRG werden die Zulassungszahlen durch Landesrecht, jeweils nur für einzelne Studiengänge und für einen bestimmten Zeitraum, höchstens für die Dauer eines Jahres, festgesetzt. Wegen dieser Anforderungen hat die jeweilige Hochschule der zuständigen Landesbehörde ihre Vorstellungen über die Zahl der aufzunehmenden Studierenden in einem Bericht mitzuteilen. Der Umsetzung dieser Anforderungen im Staatsvertrag 2008 hat das Land Niedersachsen zugestimmt. In Art. 15 Staatsvertrag 2008 heißt es, dass die Länder durch Rechtsverordnungen die Zulassungszahlen festsetzen, soweit das Landesrecht dafür keine andere Rechtsform vorsieht. Eine solche andere Rechtsform, wie etwa eine Festsetzung der Zulassungszahl durch Satzungen, sieht Niedersachsen nicht vor (vgl. § 9 Abs. 1 NHZG). Dass § 72 Abs. 15 NHG auch von dieser Regelung bei der Festsetzung der Zulassungszahl abweichen wollte, lässt sich wiederum nicht mit der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer entsprechenden gesetzlichen Regelung belegen. Der entsprechende gesetzgeberische Wille kann jedenfalls dann nicht angenommen werden, wenn die normativen Regelungen in den Landesgesetzen und den Verordnungen nicht nur nicht geändert – insoweit mag der „lex-posterior-Grundsatz“ und die Normenhierarchie greifen -, sondern im Gesetzgebungsverfahren nicht einmal erörtert wurden.

Wie bereits im letzten Studienjahr wird auch für das Studienjahr 2013/2014 auf die tatsächliche Handhabung und Bewertung durch den MWK und die Antragsgegnerin hingewiesen, ohne dass diesen Äußerungen allein entscheidungserhebliche Bedeutung zukommt. Gleichwohl sollen diese (Rechts-)Meinungen angeführt werden. Hierzu hat die erkennende Kammer im Beschluss vom 4. Dezember 2012 (a.a.O.) ausgeführt:

„Die Antragsgegnerin hat im Antragsschreiben zur Genehmigung des Modellstudiengangs Humanmedizin vom 11. Januar 2012 (Anlage 3 der Antragserwiderung vom 5. Oktober 2012) nicht nur die vorgesehene abschließende Evaluation durch den Wissenschaftsrat zum 1. Oktober 2019 angesprochen, sondern auf die von ihr vorgesehene begleitende Evaluation hingewiesen, die jährlich erfolgen solle. Auch das Präsidium der Antragsgegnerin beschloss, beim MWK die Festsetzung einer Zulassungszahl von 40 zu beantragen (Anlage 5 der Antragserwiderung vom 5. Oktober 2012). Dem entsprach das MWK und setzte die Kapazität für den Studiengang in der Zulassungszahlenverordnung 2012/2013 vom 8. Juli 2012 auf 40 Studienplätze fest (GVBl. 2012, 221). Auch das Fachministerium ging somit nach Inkrafttreten der Änderung des NHG weiterhin davon aus, dass die Einschränkung des Hochschulzugangs nicht durch Gesetz, hier § 72 Abs. 15 NHG, sondern aufgrund eines Gesetzes durch die Regelungen im Staatsvertrag, dem Hochschulzulassungsgesetz und der Zulassungszahlenverordnung erfolgen sollte.“

Auch im vorliegenden Verfahren betont die Antragsgegnerin, dass sie „von jeher erklärt (habe), dass sie in jedem Stadium des Verfahrens Lehrangebot und Lehrnachfrage ebenso wie patientenbezogene Ressourcen im Blick halten (werde), um bei festgestellten Kapazitätsreserven das Land um eine Erhöhung der Zulassungszahl zu bitten“ (Schriftsatz vom 28. November 2013, S. 2). Der Hinweis des MWK in der Zulassungszahlenverordnung auf die gesetzliche Regelung in § 72 Abs. 15 NHG ist als Reaktion auf die Ausführungen des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts im Beschluss vom 21. Februar 2013 (a.a.O.) zu verstehen. Dass die (erneute) Festsetzung der Zulassungszahl nur erfolgte, um in der Verordnung „einen vollständigen Überblick über alle Zulassungsbeschränkungen zu geben, was aber durch eine Verweisung auf § 72 Abs. 15 NHG hätte geschehen können“ (so im Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 21. Februar 2013, a.a.O.), ist bloße Spekulation und durch Anhaltspunkte im Verordnungsverfahren nicht belegt. Die dargelegten Erwägungen zur Gesetzesfassung belegen das Gegenteil.

Damit richtet sich die Frage der Einschränkung des Zulassungsanspruchs (wie bei allen anderen zulassungsbeschränkten Studiengängen in Niedersachsen) weiterhin nach Art. 6 Staatsvertrag 2008 i.V.m. den Regelungen der Nds. KapVO.

III.

Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Staatsvertrag 2008 erlaubt bei der Erprobung neuer Studiengänge und –methoden sowie bei der Neuordnung von Studiengängen und Fachbereichen eine abweichende Festsetzung der Zulassungszahlen. Dem entsprechen die §§ 1 Abs. 2 und 20 KapVO, wonach bei Modellvorhaben und Hochschulstrukturveränderungen Zulassungszahlen abweichend von dem in § 1 Abs. 1 KapVO normierten und näher umschriebenen Gebot der erschöpfenden Auslastung der Ausbildungskapazität und von den Vorgaben des Zweiten und Dritten Abschnitts der KapVO festgesetzt werden können. Bei der Erprobung neuer Studiengänge soll die Regelung von dem Erfordernis freistellen, die jährliche Aufnahmekapazität nach den genannten und in Art. 6 Abs. 3 Staatsvertrag näher konkretisierten Kriterien exakt zu errechnen.

1. Diese Regelung der Innovationsklausel des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Staatsvertrag 2008 ist verfassungsgemäß. Insoweit wird auf die Ausführungen der Kammer im Beschluss vom 4. Dezember 2012 (a.a.O) und den hierzu ergangenen Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 21. Februar 2013 (a.a.O.) verwiesen. Die Kammer hat ausgeführt, dass bei einem Regelstudiengang im „Normalfall“ auf relativ gesicherte Daten des Lehrangebots und der Lehrnachfrage, auf Erfahrungswerte des Lehrbetriebs in früheren Semestern zurückgegriffen werden könne, um so vor Beginn des jeweiligen Semesterbetriebs das erwartete Veranstaltungsangebot, den Einsatz des Lehrpersonals und die erwartete Nachfrage der Studenten im Berechnungsjahr hinreichend vorherzusagen und so die Zulassungszahl festzusetzen. Im medizinischen Regelstudiengang kämen als weiterer bestimmender Parameter die Anforderungen des § 17 KapVO (patientenbezogene Kapazität) hinzu. Bei neu eingerichteten Modellstudiengängen nach § 41 Ärzteapprobationsordnung – ÄAppO – fehlten diese kapazitätsrelevanten Umstände, so dass sich das aus den Verfassungsbestimmungen abgeleitete Kapazitätserschöpfungsgebot hierauf nicht beziehen könne (Beschluss vom 4. Dezember 2012, a.a.O.). An dieser Rechtsprechung hält die Kammer weiterhin fest. Entgegen der Auffassung einiger Antragsteller liegt damit kein rechtsfreier Raum vor, in welchem die Hochschulen bei der Einführung von Modellstudiengängen willkürlich handeln dürften. Auch hierzu hat die Kammer im Beschluss vom 4. Dezember 2012 (a.a.O.) angemerkt:

„Die Ausnahmeregelungen sind allerdings verfassungskonform so auszulegen, dass die Kapazitätsermittlung nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 Staatsvertrag und § 1 Abs. 1 KapVO weiterhin zu erfolgen hat, soweit der Modell- bzw. Erprobungscharakter des neuen Studiengangs nicht beeinträchtigt wird. Zudem stehen die Ausnahmeregelungen unter einem Willkürverbot (OVG Hamburg, Beschluss vom 10. Oktober 2001 - 3 Nc 152/00 -, NVwZ-RR 2002, 747, 748; OVG NW, Beschluss vom 28. Mai 2004 - 13 C 20/04 -, juris).“

Die sich aus Art. 6 Abs. 2 S. 2 Staatsvertrag 2008 ergebene Innovationsklausel ermöglicht eine von den Berechnungen der medizinischen Regelstudiengänge abweichende Kapazitätsberechnung (vgl. für die MHH zuletzt Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 21. Oktober 2013 – 2 NB 47/13 - u.a., juris). Das bedeutet gerade nicht, dass überhaupt keine Kapazitätsberechnung durchzuführen ist. Eine Verletzung des Zulassungsanspruchs von Studienbewerbern liegt aber nur dann vor, wenn die vorhandene Kapazität nicht ausgeschöpft wird. Hinsichtlich der Anforderungen ist gerade bei Modellstudiengängen auf die Entwicklung und die bei der Erprobung zunehmenden Erfahrungswerte abzustellen. Mit dieser verfassungsgemäßen Auslegung sind die Regelungen des § 6 Abs. 2 S. 2 Staatsvertrag 2008 wie auch die der §§ 1 Abs. 2 und 20 KapVO nicht zu beanstanden.

2. Die Antragsteller haben nicht glaubhaft gemacht, dass die tatsächliche Aufnahmekapazität höher ist als die in der Zulassungszahlenverordnung  für den Medizinstudiengang bei der Antragsgegnerin festgesetzte Zulassungszahl von 40 Studienplätzen. Es liegt ein Modellstudiengang i.S. des Art. 6 Abs. 2 S. 2 Staatsvertrag 2008 vor (a), einer normativen Festsetzung einer Berechnungsmethode bedurfte es auch im zweiten Jahr der Einführung des neuen Studienganges nicht (b), auch liegen keine Anhaltspunkte vor, dass die festgesetzte Zulassungszahl 40 unterhalb der Aufnahmekapazität bleibt (c).

a) Mit Bescheid vom 26. Januar 2013 hat das MWK in enger Abstimmung und unter Mitzeichnung des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Frauen, Familien, Gesundheit und Integration (MS) mit Wirkung zum Wintersemester 2012/2013 für die Antragsgegnerin den Modellstudiengang (EMS) für die Jahre 2012 bis 2021 gem. § 41 Abs. 2 ÄAppO zugelassen. Es wurde ein neuer Studiengang geschaffen, der weder aus einem Regelstudiengang hervorgegangen ist noch auf sonst an der Antragsgegnerin vorhandene Selbstverwaltung der Lehr- und Forschungstätigkeit aufbauen konnte. Die Besonderheiten des neuen Studiengangs liegen nicht nur in der Erprobung innovativer Konzepte und der Verknüpfung von vorklinischen und klinischen Studieninhalten mit einer Zentrierung der Ausbildung auf Patienten, sondern zusätzlich auch in der Kooperation mit der Universität Groningen, an deren Lehrkonzept der neu errichtete Modellstudiengang der Antragsgegnerin sich orientiert. Wegen der Anforderungen der Ärzteapprobationsordnung besteht erheblicher Anpassungsbedarf,

„weil in Oldenburg einige Fächer aufgrund der Anforderungen der ÄAppO gelehrt und geprüft werden müssen, die im Groninger Curriculum gar nicht oder fast gar nicht vorhanden sind (z. B. Palliativmedizin, Schmerzmedizin, Naturheilverfahren, Rechtsmedizin). An anderer Stelle sind für die Vermittlung von Inhalten im Groninger Curriculum andere Zeiträume vorgesehen als dies nach ÄAppO für ein Medizinstudium in Deutschland vorgeschrieben ist. Aufgrund dieser Diskrepanzen muss das Groninger Curriculum im Detail mit den Anforderungen der ÄAppO abgeglichen und an die Anforderungen einer Medizinerausbildung in Deutschland adaptiert werden. Einige Inhalte werden in Oldenburg aufgrund der Schwerpunktsetzung in Forschung und Lehre intensiver behandelt als in Groningen. So wird z. B. in Oldenburg die Allgemeinmedizin von Beginn an auch praktisch integriert, ebenso wie Untersuchungskurse, die in Groningen erst viel später angeboten werden. Daneben gibt es länderspezifische Fachinhalte, z. B. in den Bereichen der Sozialmedizin oder der Allgemeinmedizin, die auf den Unterschieden in den Gesundheitssystemen beider Länder begründet sind.“ (Anlage AG 8 des Sammelordners)

Zweifel am Vorliegen der materiellen Voraussetzungen des § 41 ÄAppO bestehen nicht (vgl. Beschluss der Kammer vom 4. Dezember 2012, a.a.O.). Zudem ist erneut darauf hinzuweisen, dass der Modellstudiengang der Antragsgegnerin sich nicht aus einem bereits vorhandenen Regelstudiengang entwickelt hat. Da das angestrebte Verfahrensziel der Antragsteller auf Zulassung zum Studium an der Antragsgegnerin gerichtet ist, das die Einrichtung des Studiengangs voraussetzt, gehen auch fast alle Antragsteller – zutreffend – von der rechtmäßigen Einrichtung des Modellstudiengangs bei der Antragsgegnerin aus.

b) Demnach konnte gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 2 Staatsvertrag 2008 die Zulassungszahl bei der Erprobung des neuen Studiengangs abweichend von Satz 1 und gem. §§ 1 Abs. 2 und 20 KapVO abweichend von dem in § 1 Abs. 1 KapVO normierten und näher umschriebenen Gebot der erschöpfenden Auslastung der Ausbildungskapazität und von den Vorgaben des Zweiten und Dritten Abschnitts der KapVO festgesetzt werden. Eine § 17 Abs. 2 KapVO - geltend für den Medizinmodellstudiengang Hannibal an der Medizinischen Hochschule Hannover - entsprechende Regelung fehlt in der KapVO für den Modellstudiengang an der Antragsgegnerin. Auch eine anderweitige normative Regelung der Kapazitätsberechnung fehlt. Dies ist bei der Einführung von neu eingeführten Modellstudiengängen rechtlich aber nicht zu beanstanden (vgl. für das Einführungsjahr Beschluss der Kammer vom 4. Dezember 2012 und den Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 21. Februar 2013, jeweils a.a.O.). Bei einem völlig neu konzipierten Studiengang, der sich im Aufbau und in der Erprobung befindet, kann eine Aufnahmekapazität nach den in der KapVO angesprochenen Parametern, wie etwa dem Sollstellen-Prinzip und dem Curricularnormwert, naturgemäß nicht ermittelt werden. Dies gilt auch im zweiten Jahr nach der Errichtung des Modellstudiengangs. Der Antragsgegnerin dürfte vielmehr - im Hinblick auf die kommenden Jahre - eine angemessene Übergangszeit einzuräumen sein, die mindestens den vollständigen Durchlauf der zum Studienjahr 2012/2013 erstmals begonnenen Kohorte (12 Semester mit anschließenden Staatsexamina) umfasst (vgl. Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 26. März 2010 - 2 NB 20/09 -, juris, für die MHH). Jedenfalls im - in dem hier vorliegenden Verfahren maßgeblichen - zweiten Jahr der Einführung des Modellstudiengangs sind die für die Ermittlung einer vorhandenen Kapazität maßgeblichen Parameter schon der personellen Ausstattung, des Lehrangebots sowie der Lehrnachfrage nicht ermittelbar. Die Antragsgegnerin führt nachvollziehbar aus, dass wie beim Neuaufbau des Studiengangs etablierte Personalstrukturen weiterhin nicht vorhanden sind. Auch müssten die für eine patientenbezogene Ausbildung maßgeblichen Parameter mangels einer Ausbildung an einer Universitätsklinik wegen der Kooperation mit Oldenburger Krankenhäusern erst nach und nach im Laufe der Erprobungszeit erarbeitet werden. Schon deshalb ist weiterhin eine Berechnung der personellen Ausstattung wie auch der Nachfrage, die sich auf das gesamte Studium vom ersten Semester bis zum Examenssemester bezieht, nicht möglich.

Da somit verbindliche Berechnungsgrundlagen nicht ermittelt werden können, können diese auch nicht normiert werden. Dies dürfte erst nach dem Durchlauf der Kohorte und der Ablegung der Staatsexamina und – wie in § 72 Abs. 15 NHG vorgesehen – der Evaluierung des Studiengangs und der sich anschließenden Auswertung erfolgen können. Denn normative Regelungen der Kapazitätsberechnung können nicht allein wegen der tatsächlichen Errichtung des Modellstudiengangs, der Planungsvorgaben und –vorstellungen und des Zeitablaufs der ersten Jahre gefordert werden. Sie setzen vielmehr eine Auswertung der Evaluation voraus, die – auch darauf weist die Antragsgegnerin zutreffend hin – neben dem „Wie“ des Modellstudiengangs zusätzlich das „Ob“ der Weiterführung des Studiengangs umfasst. Normative und deshalb starre Kapazitätsberechnungen widersprechen der der Hochschule für die Erprobung eines Modellstudiengangs einzuräumenden notwendigen Flexibilität (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. März 2010, a.a.O.).

Somit kann für den Modellstudiengang der Antragsgegnerin eine normative Festsetzung der Kapazitätsberechnung derzeit nicht verlangt werden.

c) Dass die mit 40 Studienplätzen festgelegte Zulassungszahl für das Studienjahr 2013/2014 zu gering bemessen ist, ist nicht zu erkennen.

Auch wenn eine normative Kapazitätsberechnung nicht stattfinden kann, ist – wie festgestellt – gleichwohl grundsätzlich eine Kapazitätsberechnung durchzuführen. Das bedeutet für einen im Aufbau befindlichen Modellstudiengang, dass zumindest die Hochschule selbst die sich in einem Entwicklungsprozess befindliche Kapazität ermittelt und sie eine erschöpfende Nutzung dieser Kapazität sicherstellt (Nds. OVG, Beschluss vom 21. Dezember 2006 – 2 NB 347/06 u.a. -, juris). Um das Ziel des Modellstudienganges zu erreichen, werden im Entwicklungsprozess die gewonnenen Erkenntnisse jeweils ausgewertet werden und es werden die dann jeweils gebotenen und konkreten Maßnahmen flexibel getroffen. Dieser Entwicklungsprozess ist in den kommenden Jahren jeweils darzustellen. Davon geht im Übrigen – wie festgestellt – auch die Antragsgegnerin aus. Sie verweist darauf, dass sie entschlossen sei, sukzessive mit der Konkretisierung des Studienplans, der begleitenden Evaluation und den gewonnenen Erfahrungen sicherzustellen, dass die vorhandenen Ressourcen optimal und erschöpfend genutzt werden. Es werde die Nutzung, die Überlastung bzw. Erweiterbarkeit von Kapazitäten beobachtet und dokumentiert. Nähere Angaben hierzu finden sich im angeführten Präsidiumsprotokoll mit Sachstandsbericht vom 2. Juli 2013 (Anlage AG 8 zur Sammelakte).

Auf die Angaben in diesem Bericht wie auch auf die Ausstattung des Studiengangs im Einzelnen ist nicht weiter einzugehen, da die Kapazität weiterhin durch die Kooperationsvereinbarung mit der Universität Groningen begrenzt ist. Hierzu hat die Kammer im Beschluss vom 4. Dezember 2012 (a.a.O.) ausgeführt:

„Nach der Studienordnung der Antragsgegnerin und den hierauf für das 1. Studienjahr entwickelten Studienplänen wird auch schon im ersten Jahr ein Teil des Studiums, die Anatomiepraktika, in Groningen absolviert. Die Aufnahmekapazität ist insoweit durch die 40 Laborplätze, die die Universität Groningen zur Verfügung stellt, begrenzt. Selbst wenn die Kapazität im Übrigen über die festgesetzte Zahl von 40 hinausginge, wie die Antragsteller vortragen, ist dieser sich aus der tatsächlichen Begrenzung der Laborplätze ergebende Engpass zu berücksichtigen. Das inländische Kapazitätsermittlungsrecht führt nämlich nicht dazu, dass die kooperierende Hochschule Groningen an dieses Ergebnis gebunden wäre (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. April 1991 - 9 S 2515/90 -, juris). Die Universität Groningen kann weder von der Antragsgegnerin noch vom Gericht zu einer Änderung der Kooperationsvereinbarung gezwungen werden, selbst wenn dort eine höhere Kapazität als die in den Verträgen aufgeführte festgestellt wird. Eine solche Kapazitätsermittlungspflicht für die Verhältnisse an der Universität Groningen verbietet sich daher. Die Antragsgegnerin hat im Übrigen hinreichend deutlich gemacht, dass eine tatsächliche Ausweitung der Laborplätze an der Hochschule Oldenburg selbst zurzeit nicht in Betracht kommt. Bei der Neuerrichtung eines Studiengangs kommt eine Verpflichtung, diese Laborplätze im innerstaatlichen Umfeld bei anderen Hochschulen oder Krankenhäusern zu suchen, nicht in Betracht. Die Annahme, einen unzulässigen Kapazitätsengpass künstlich geschaffen zu haben, liegt fern.“

Dieser tatsächliche sich aus der Begrenzung der Laborplätze ergebende Engpass ist zu berücksichtigen. Die Antragsgegnerin kann sich über diesen absoluten kapazitätsbeschränkenden Umstand nicht hinwegsetzen. Alle anderen Kapazitätserwägungen bleiben damit - jedenfalls in Richtung auf eine höhere Kapazität – notwendig folgenlos (Nds. OVG, Beschluss vom 21. Februar 2013, a.a.O.).

Dagegen lässt sich nicht einwenden, dass die Antragsgegnerin durch Herrichtung eigener Laborplätze oder andere zusätzliche Vereinbarungen mit Krankenhäusern weitere Ausbildungsmöglichkeiten schaffen könne. Auf solche fiktiven Laborplätze kommt es - wie festgestellt - nicht an. Maßgeblich sind allein die tatsächlich nutzbaren Plätze in Groningen. Das Kapazitätserschöpfungsgebot fordert lediglich, vorhandene Kapazitäten auszuschöpfen, vermittelt aber keinen Anspruch auf Schaffung neuer Kapazitäten. Würde die Antragsgegnerin verpflichtet, zusätzliche Vereinbarungen zu schließen, um auf diese Weise zusätzliche Laborplätze zu schaffen, liefe dies auf einen Anspruch auf Schaffung neuer Ausbildungskapazität hinaus. Auch hierzu hat die Kammer im Beschluss vom 4. Dezember 2012 (a.a.O.) bereits ausgeführt, dass die Universität Groningen weder von der Antragsgegnerin noch vom Gericht zu einer Änderung der Kooperationsvereinbarung gezwungen werden kann, selbst wenn dort eine höhere Kapazität als die in den Verträgen aufgeführt festgestellt wird. Eine solche Kapazitätsermittlungspflicht für die Verhältnisse an der Universität Groningen verbietet sich. Es bestehen weiterhin keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Antragsgegnerin einen unzulässigen Kapazitätsengpass künstlich geschaffen hat.

Aus diesen Gründen kommt entgegen der Auffassung einiger Antragsteller auch die Berücksichtigung einer vermuteten Schwundquote nicht in Betracht. Auch hierzu hat die Kammer im Beschluss vom 4. Dezember 2012  (a.a.O.)ausgeführt, dass die für Regelstudiengänge maßgeblichen Kriterien des § 16 KapVO nicht herangezogen werden können. Maßgebliche empirische Prognosegrundlagen fehlten. Im Übrigen hat die Antragsgegnerin vorgetragen, dass etwaige Abgänge höherer Semester unverzüglich wieder aufgefüllt worden seien und auch künftig aufgefüllt werden. Anhaltspunkte für eine dahinterstehende Missbrauchsabsicht sind nicht ersichtlich. Dass die Antragsgegnerin freiwerdende Studienplätze unverzüglich wieder auffüllt, ist ein letztlich sogar kapazitätsfreundliches Verhalten und rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 26. März 2010 (a.a.O.).

IV.

Damit bleiben auch die Teilanträge auf Zuweisung von Teilstudienplätzen (Zuweisung eines auf den vorklinischen Studienabschnitt beschränkten Studienplatzes) wie auch die von einigen Antragstellern erhobenen Hilfsanträge ohne Erfolg.

Soweit die Antragstellerin zu 14) einen Zulassungsanspruch als Studienbewerberin für ein höheres Fachsemester verfolgt, scheitert der Antrag daran, dass die Antragsgegnerin durch Zulassung und Immatrikulation von 40 Studierenden im ersten und zweiten Studienjahr die vorhandenen Kapazitäten ausgeschöpft hat.

C. Kostenentscheidung

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der von einigen Antragstellern gleichzeitig geltend gemachte innerkapazitäre Hochschulzulassungsanspruch sowie die teilweise begehrte Teilnahme an einer Verlosung wirken sich kostenrechtlich nicht aus, da der Hochschulzulassungsanspruch als solcher unabhängig von der jeweiligen Rechtsgrundlage im Streit steht.

D. Streitwertfestsetzung

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Ziffer 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327). Der Wert von 5.000 € war im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach Satz 2 der Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (a.a.O.) nicht zu halbieren, da die begehrte Regelungsanordnung der Vorwegnahme der Hauptsache gleichkäme. Der entsprechenden ständigen Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichts (vgl. zuletzt etwa Beschluss vom 10. Mai 2012 - 2 OA 187/12 -, juris) schließt sich die Kammer an.