Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 14.02.2012, Az.: L 11 SF 4/12 B RG (AS)
Anfechtbarkeit der Entscheidung über eine Gegenvorstellung im sozialgerichtlichen Verfahren; Festsetzung der Gerichtskosten bei Verwerfung einer Anhörungsrüge
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 14.02.2012
- Aktenzeichen
- L 11 SF 4/12 B RG (AS)
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 14910
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2012:0214.L11SF4.12B.RG.AS.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - AZ: S 34 SF 107/11 E
Rechtsgrundlagen
- § 55 RVG
- § 178a SGG
- § 183 SGG
- § 197a SGG
Fundstelle
- Breith. 2012, 785-787
Redaktioneller Leitsatz
1. Der Beschluss, mit dem über eine Gegenvorstellung entschieden worden ist, ist unanfechtbar. Dies schließt auch eine Anhörungsrüge aus.
2. Wird eine gegen eine Entscheidung im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 55 RVG erhobene Anhörungsrüge in vollem Umfang verworfen oder zurückgewiesen, fallen hierfür Gerichtskosten an (§ 197a SGG i.V.m. § 3 Abs. 2 GKG, Nr. 7400 Anlage 1 zum GKG). [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Tenor:
Die Anhörungsrüge vom 20. Januar 2012 wird als unzulässig verworfen.
Die Rügeführerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I. Die Beschwerde- und Rügeführerin, die in dem vor dem Sozialgericht (SG) Hannover geführten Klageverfahren S 21 AS 2810/09 als Prozessbevollmächtigte tätig geworden war, beantragte mit Schreiben vom 9. Mai 2011 die Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung gemäß § 55 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Dieser Antrag wurde vom Urkundsbeamten mit der Begründung abgelehnt, dass das Verfahren S 21 AS 2810/09 durch Verbindung zum Verfahren S 21 AS 2751/09 (Verbindungsbeschluss vom 28. Oktober 2010) erledigt worden sei, bevor Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt worden sei (Beschluss vom 9. Juni 2011).
Die von der Rügeführerin eingelegte Erinnerung hat das SG Hannover durch Beschluss vom 22. September 2011 zurückgewiesen, die dagegen am 27. September 2011 eingelegte Beschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 2. Dezember 2011 als unzulässig verworfen (L 11 SF 99/11 B (AS)). Auch die von der Rügeführerin gegen den Beschluss des Senats vom 2. Dezember 2011 erhobene Gegenvorstellung ist erfolglos geblieben (Beschluss vom 12. Januar 2012).
Gegen den Beschluss vom 12. Januar 2012 richtet sich die von der Rügeführerin am 20. Januar 2012 erhobene Anhörungsrüge.
II. Die gegen den Beschluss vom 12. Januar 2012 (Entscheidung über die Gegenvorstellung) erhobene Anhörungsrüge ist unzulässig.
Der Beschluss vom 12. Januar 2012, mit dem der Senat über die von der Rügeführerin erhobene Gegenvorstellung entschieden hat, ist unanfechtbar. Schließlich handelt es sich bei der Gegenvorstellung um einen außerordentlichen und gesetzlich nicht geregelten Rechtsbehelf, der allenfalls dann zum Erfolg führen kann, wenn die getroffene Entscheidung in offensichtlichem Widerspruch zum Gesetz steht und insbesondere unter Verletzung von Grundrechten ergangen ist, so dass sie sonst nur im Wege der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden könnte, oder wenn die Entscheidung zu einem groben prozessualen oder sozialen Unrecht führen würde (BSG, Beschluss vom 28. Juli 2005 - B 13 RJ 178/05 B, SozR 4-1500 § 178a Nr. 3 m.w.N.). Selbst wenn über die Gegenvorstellung im Wege des Beschlusses entschieden worden ist (hier: Beschluss des Senats vom 2. Dezember 2011; vgl. dagegen zur Möglichkeit der Bescheidung einer Gegenvorstellung durch schlichte Mitteilung des Gerichts an die Beteiligten: Kummer in: Festschrift für Krasney, 1977, S. 277, 295), existiert aufgrund des Ausnahmecharakters der Gegenvorstellung kein weiterer Rechtsbehelf, mit dem eine Überprüfung der Entscheidung über die Gegenvorstellung erreicht werden könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 17. März 1982 - IVa ZB 5/82, VersR 1982, 598; Bayrischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 27. Dezember 1976, BayVBl 1977, 157; OLG Rostock, Beschluss vom 4. März 2009 - 3 W 16/09, NJW-RR 2010, 215; vgl. SG Lüneburg, Beschluss vom 19. März 2010 - S 12 SF 112/09 E; SG Lübeck, Beschluss vom 11. November 2010 - S 1 SK 56/08; Eyermann/Happ, VwGO, 13. Auflage 2010, vor § 124 Rn 9; Guckelberger in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Auflage 2010, § 150 Rn 12; Heßler in: Zöller, ZPO, 29. Auflage 2012, § 567 Rn 29; Hartmann in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 70. Auflage 2012, § 567 Rn 10).
Die Unanfechtbarkeit einer Entscheidung über eine Gegenvorstellung steht auch der Statthaftigkeit einer Anhörungsrüge nach § 178a Sozialgerichtsgesetz (SGG) entgegen. Schließlich erfolgte durch die aufgrund des Gesetzes über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Anhörungsrügengesetz) vom 19. Dezember 2004 (BGBl I, S. 3220) mit Wirkung ab 1. Januar 2005 in Kraft getretene Anhörungsrüge eine gesetzliche Normierung einzelner Fallgestaltungen, die bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes im Rahmen einer Gegenvorstellung geltend gemacht werden konnten. Auch bei der Anhörungsrüge handelt es sich um einen subsidiären (so: Gesetzesbegründung zum Anhörungsrügengesetz, BT-Drs 15/3706, S. 14) bzw. einen außerordentlichen Rechtsbehelf (so etwa: BSG, Beschluss vom 14. Dezember 2011 - B 6 KA 7/11 C, Rn 8; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2009, § 178a Rn 2 und 1b; Guckelberger, NVwZ 2005, 11). So wie der Rechtsmittelausschluss in § 178a Abs. 4 S. 3 SGG außer einer weiteren Beschwerde auch eine weitere Anhörungsrüge ausschließt (BSG, Beschluss vom 1. August 2007 - B 13 R 7/07 C; BVerwG, Beschluss vom 8. Dezember 2006 - 7 B 89/07), schließt die Unanfechtbarkeit einer Entscheidung über eine Gegenvorstellung auch eine hiergegen gerichtete Anhörungsrüge aus. Andernfalls würde durch nacheinander einzulegende Gegenvorstellungen und Anhörungsrügen ein letztlich endloser Rechtsweg eröffnet (vgl. zu diesem Begriff: BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02, NJW 2003, 1924, 1927). Auch aus verfassungsrechtlicher Sicht reicht jedoch die Möglichkeit aus, eine behauptete Rechtsverletzung bei einer gerichtlichen Verfahrenshandlung einmalig einer gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen (BVerfG, aaO. - Hervorhebung durch den Senat). Selbst wenn im Rahmen der Entscheidung über einen solchen außerordentlichen Rechtsbehelf (wie z.B. über eine Anhörungsrüge) dem Gericht ein Verfahrensfehler unterlaufen sollte, darf nach Erlass dieser Entscheidung das Gebot der Rechtssicherheit Vorrang beanspruchen (BVerfG, aaO.).
Sollte sich die Anhörungsrüge - entgegen dem Wortlaut des Schriftsatzes vom 20. Januar 2012 - auch gegen den Beschluss des Senats vom 2. Dezember 2011 richten, würde sich die Unzulässigkeit der Rüge aus ihrer Verfristung ergeben (vgl. zu der insoweit maßgeblichen 2-Wochen-Frist: § 178a Abs. 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. Die Rügeführerin unterfällt als Rechtsanwältin, die ihren eigenen Vergütungsanspruch geltend macht, nicht dem Kostenprivileg nach § 183 SGG. Die in § 56 Abs. 2 Satz 3 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) vorgesehene Kostenfreiheit erstreckt sich nicht auf eine Anhörungsrüge nach § 178a SGG.
Eine Festsetzung des Streitwerts für das Anhörungsrügenverfahren ist nicht erforderlich, da die Gerichtsgebühr aufgrund der Verwerfung der Anhörungsrüge pauschal 50,- Euro beträgt (§ 3 Abs. 2 Gerichtskostengesetz - GKG - i.V.m. Nr. 7400 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zum GKG)).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 178a Abs. 4 S. 3 SGG). Ebenso wenig kann gegen diesen Beschluss zulässigerweise eine weitere Anhörungsrüge erhoben werden (BSG, Beschluss vom 1. August 2007 - B 13 R 7/07 C).