Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.02.1993, Az.: 10 L 46/90

Punktabzug; Juristisches Examen; Juraprüfung; Prüfungsergebnis; Verschlechterung des Prüfungsergebnises; Hausarbeit; Notenabweichung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
16.02.1993
Aktenzeichen
10 L 46/90
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1993, 13656
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1993:0216.10L46.90.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Stade 27.06.1990 - 3 A 195/88
nachfolgend
BVerwG - 12.07.1995 - AZ: BVerwG 6 C 12/93

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 3. Kammer Stade - vom 27. Juni 1990 geändert.

Der Beklagte wird unter Aufhebung der in der Prüfungsentscheidung vom 15. September 1988 festgesetzten und im Zeugnis vom 19. September 1988 bestätigten Prüfungsgesamtnote "ausreichend" (6,23 Punkte) verpflichtet, dem Kläger ein Zeugnis über das Bestehen der Zweiten juristischen Staatsprüfung mit der Prüfungsgesamtnote "befriedigend" (6,73 Punkte) auszustellen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

1

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Verschlechterung der von ihm in der zweiten juristischen Staatsprüfung erreichten Punktzahl durch einen Punktabzug.

2

Der am ... 19... geborene Kläger studierte ab Oktober 1978 in ... Rechtswissenschaften und bestand am 30. August 1984 die Erste juristische Staatsprüfung mit der Gesamtnote "befriedigend" (6,80 Punkte). Mit Wirkung vom 1. November 1984 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Referendar ernannt und leistete seinen Vorbereitungsdienst sowie - nachdem er die Zweite juristische Staatsprüfung im Juli 1987 nicht bestanden hatte - den Ergänzungsvorbereitungsdienst im Bezirk des Oberlandesgerichts Celle ab. Er beendete den (Ergänzungs-)Vorbereitungsdienst mit der Ausbildungsnote "vollbefriedigend" (9,22 Punkte). Am 15. September 1988 bestand der Kläger die Zweite juristische Staatsprüfung mit der Gesamtnote "ausreichend" (6,23 Punkte). Bei der Ermittlung des Prüfungsergebnisses hatte der Prüfungsausschuß, dem der Leitende Oberstaatsanwalt ... als Vorsitzender, Ministerialdirigent ..., Richter am Landgericht ... und Rechtsanwalt ... angehörten, folgende Einzelnoten berücksichtigt:

Häusliche Arbeit: gut (13 Punkte) 30 %
Aufsichtsarbeit Zivilrecht: mangelhaft (2 Punkte) 10 %
Aufsichtsarbeit Strafrecht: ausreichend (5 Punkte) 10 %
Aufsichtsarbeit Öffentliches Recht: mangelhaft (2 Punkte) 10 %
Vortrag: ausreichend (5 Punkte) 12 %
Prüfungsgespräch Zivilrecht: befriedigend (7 Punkte) 7 %
Prüfungsgespräch Strafrecht: mangelhaft (3 Punkte) 7 %
Prüfungsgespräch Öffentliches Recht: ausreichend (4 Punkte) 7 %
Prüfungsgespräch Anwalt: ausreichend (5 Punkte) 7 %
3

Von dem rechnerisch ermittelten Gesamtergebnis von 6,73 Punkten zog der Prüfungsausschuß unter Anwendung des § 72 Abs. 3 der Niedersächsischen Ausbildungsordnung für Juristen vom 21. Januar 1982 0,5 Punkte ab. Nach dieser Vorschrift kann der Prüfungsausschuß von der errechneten Punktzahl abweichen, wenn dies aufgrund des Gesamteindrucks unter Berücksichtigung der Leistungen im Vorbereitungsdienst den Leistungsstand des Kandidaten besser kennzeichnet.

4

Gegen die Prüfungsentscheidung hat der Kläger am 13. Oktober 1988 Klage erhoben.

5

In der daraufhin von dem Beklagten eingeholten Stellungnahme des Prüfungsausschusses hat dessen Vorsitzender unter dem 30. November 1988 mit Zustimmung der übrigen Mitglieder folgendes erklärt:

6

"Der Prüfungsausschuß hat sich in seiner Beratung am 15. September 1988 über die Prüfungsgesamtnote des Referendars ... sehr eingehend mit der Frage eines negativen Abweichens nach § 72 Abs. 3 NJAO befaßt.

7

Er hat sämtliche Leistungen des Kandidaten in der Prüfung und im Vorbereitungsdienst diskutiert und berücksichtigt. Erster Anlaß dazu war die atypische Leistungskonstellation mit der Hausarbeit von 13 Punkten, den im Gesamtbild allenfalls ausreichenden Leistungen in der mündlichen Prüfung mit vor allem dem nur ausreichenden, schwachen Vortrag und dem Vollbefriedigend (9,22 Punkte) im Vorbereitungsdienst.

8

Der Prüfungsausschuß hat dann zur Aufhellung der Leistungen im Vorbereitungsdienst das Zeugnisheft durchgesehen. Die Leistungen und ihr Ergebnis von 9,22 Punkten liegen nach den Erfahrungen des Prüfungsausschusses und auch der Statistik des Prüfungsamtes unter dem Durchschnitt der üblicherweise von Referendaren erzielten Leistungen und Noten. Bei der Prüfung ist aufgefallen, daß jeweils in den Arbeitsgemeinschaften die ohne fremde Hilfe und ohne Prüfungsdruck anzufertigenden Leistungen - nämlich die Klausuren (Bl. 7, 15, 21, 33, 45 d.ZH) - unter der vom Prüfungsausschuß zunächst ohne die Abweichung nach § 72 Abs. 3 NJAO und auch endgültig errechneten und festgesetzten Prüfungsgesamtnote lagen, lediglich mit Ausnahme des letzten Arbeitsgemeinschaftszeugnisses (Bl. 45 d.ZH). Schriftliche Arbeiten aber sind ein wichtiger und wesentlicher Teil der Arbeit eines Juristen, an denen er nicht nur in der Prüfung gemessen wird. Insofern war das Hausarbeitsergebnis auch atypisch im Hinblick auf diesen Teil der Ausbildungsnoten, die sämtlich berücksichtigt wurden.

9

Auch die Leistung im Vortrag im vorletzten Zeugnis der Arbeitsgemeinschaft (Bl. 33 d.ZH) entsprach dem Eindruck in der mündlichen Prüfung und dem dort gehaltenen Vortrag, der nur mit einem mittleren Ausreichend bewertet werden konnte.

10

Die Arbeitsgemeinschaftsergebnisse stehen in einem gewissen Widerspruch zu den übrigen, in engem sozialen Kontakt mit dem Ausbilder (nach Bl. 41 der ZH sogar aufgrund einer "Einigung") zustandegekommenen Beurteilungen in den einzelnen Stationen. Diese haben deshalb ein differenzierter zu sehendes Gewicht als die Leistungen in Arbeitsgemeinschaften, sind vom Prüfungsausschuß jedoch nicht unterbewertet worden.

11

Der Prüfungsausschuß war der Auffassung, daß eine plausible Erklärung für die atypische Leistung in der Hausarbeit nicht zu finden war und daß der Gesamteindruck durch eine noch befriedigende Prüfungsgesamtnote nicht zutreffend wiedergegeben werden würde, sondern daß es sich vielmehr insgesamt um eine Leistung handelt, die nicht in jeder Hinsicht durchschnittlichen Anforderungen, sondern trotz ihrer Mängel solchen Anforderungen nur noch in ausreichendem Maße entspricht."

12

Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger ausgeführt, daß der Abzug von 0,5 Punkten rechtswidrig sei. Eine atypische Leistungskonstellation sei in seinem Falle nicht gegeben. Er habe überdurchschnittliche Leistungen in der Hausarbeit (13 Punkte), im Vorbereitungsdienst (9,22 Punkte) und in der mündlichen Prüfung (Zivilrecht: 7 Punkte) erzielt. Insbesondere die Bewertung seiner Leistungen in den Einzelnoten und im Zeugnis in der Station bei dem Oberlandesgericht in Celle seien eindrucksvoll. Die Gesamtleistung sei mit 10 Punkten, die im Baurecht geschriebene Relation mit 11 Punkten bewertet worden. Der Prüfungsausschuß habe sich bei der am 15. September 1988 getroffenen Entscheidung an die bisherige Praxis des Prüfungsamtes gehalten und die Vorschrift des § 72 Abs. 3 NJAO 1982 nicht als eine Ausnahmevorschrift angesehen, sondern als eine dem Beurteilungsspielraum des Ausschusses uneingeschränkt zugängliche Rechtsvorschrift. Der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg habe aber überzeugend am selben Tage dieses Verständnis und die darauf beruhende Praxis als rechtswidrig bezeichnet.

13

Der Kläger hat beantragt,

14

den Beklagten unter Aufhebung der in der Prüfungsentscheidung vom 15. September 1988 festgesetzten und im Zeugnis vom 19. September 1988 bestätigten Prüfungsgesamtnote "ausreichend" (6,23 Punkte) zu verpflichten, ihm ein Zeugnis über das Bestehen der Zweiten juristischen Staatsprüfung mit der Prüfungsgesamtnote "befriedigend" (6,73 Punkte) auszustellen.

15

Der Beklagte hat beantragt,

16

die Klage abzuweisen.

17

Er hat erwidert, daß die Entscheidung, von der Abweichensklausel Gebrauch zu machen, in den Beurteilungsspielraum des Prüfungsausschusses falle und deshalb nach allgemeinen prüfungsrechtlichen Grundsätzen nur begrenzt gerichtlich zu überprüfen sei. Der Prüfungsausschuß habe bei seiner Entscheidung sämtliche Leistungen des Klägers in der Prüfung und im Vorbereitungsdienst berücksichtigt, wie auch seiner Stellungnahme im einzelnen zu entnehmen sei. Er habe zudem einen besonderen Grund gesehen, der es im Falle des Klägers gerechtfertigt habe, von dem errechneten Mittelwert abzuweichen. Die atypische Leistungskonstellation sei darin zu sehen, daß die Note der Hausarbeit aus dem gesamten übrigen Leistungsbild deutlich herausfalle. Im übrigen habe das Bundesverwaltungsgericht am 7. Oktober 1988 ein Urteil zum Abweichen von der rechnerisch ermittelten Gesamtnote erlassen, das grundlegend von dem hier in Rede stehenden Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 15. September 1988 abweiche. Nach diesem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sei dem Prüfungsausschuß kraft Bundesrecht die umfassende Beurteilungsermächtigung hinsichtlich der Entscheidung zugewiesen worden, ob ein Abweichen von der Durchschnittspunktzahl gerechtfertigt sei. Auch die Voraussetzung dafür, ob von der Möglichkeit des Abweichens Gebrauch gemacht werde, sei daher vom Gericht nur in dem im Prüfungsrecht üblichen Rahmen, der durch den Beurteilungsspielraum gezogen werde, überprüfbar, weil sonst das Gericht das Leistungsbild des Kandidaten selbst würdigen müsse.

18

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 27. Juni 1990 als unbegründet abgewiesen. Es hat ausgeführt, daß der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses über das Bestehen der Zweiten juristischen Statsprüfung mit der Gesamtnote "befriedigend" (6,73 Punkte) habe. Nach § 5 d Abs. 3 Sätze 1 und 2 Deutsches Richtergesetz in Verbindung mit § 72 Abs. 3 NJAO 1982 dürfe von der errechneten Punktzahl nur ausnahmsweise, dann aber auch zu Lasten des Kandidaten abgewichen werden. Voraussetzung dafür sei, daß eine Leistung in offenkundigem Mißverhältnis zu einem im übrigen einheitlichen Leistungsbild stehe. Die Feststellung dieser Voraussetzung erfordere einen umfassenden Leistungsvergleich, in den auch die Leistungsbewertungen aus dem Vorbereitungsdienst einzubeziehen seien. Ob § 72 Abs. 3 NJAO 1982 greife, entscheide der Prüfungsausschuß im Rahmen seiner Beurteilungsermächtigung, die nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Oktober 1988 nur beschränkt überprüfbar sei. Danach sei der Punktabzug gerechtfertigt. Der Prüfungsausschuß habe sich im Rahmen der Beurteilungsermächtigung gehalten und nicht mißbräuchlich gehandelt. Die Note "gut" der Hausarbeit stehe in einem offensichtlichen Mißverhältnis zu den übrigen Prüfungsleistungen. Angesichts des erheblichen Gewichtes, mit dem die Note der Hausarbeit in den Mittelwert eingehe, sei ein hinreichender Ausgleich durch die in § 72 Abs. 2 NJAO 1982 vorgenommene Gewichtung der einzelnen Prüfungsleistungen nicht mehr gewährleistet. Bei dieser atypischen Leistungskonstellation im Sinne eines Zufallsergebnisses sei der Punktabzug nicht mißbräuchlich oder willkürlich. Der Prüfungsausschuß habe sich auch nicht von sachfremden Erwägungen leiten lassen, da er auch die Leistungen des Klägers im Vorbereitungsdienst berücksichtigt habe, wie sich zur Überzeugung des Verwaltungsgerichts aus der Stellungnahme des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses vom 30. November 1988 ergebe. Soweit der Kläger rüge, daß der Prüfungsausschuß seine, insgesamt mit "vollbefriedigend" (9,22 Punkte) bewerteten Leistungen im Vorbereitungsdienst nicht berücksichtigt, insbesondere seine Stationsnoten unterbewertet habe, könne dies wegen des eingeschränkten Umfangs der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle in Prüfungssachen vor allem nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Oktober 1988 nicht berücksichtigt werden.

19

Gegen das am 6. August 1990 zugestellte Urteil hat der Kläger am 5. September 1990 Berufung eingelegt. Er beruft sich auf das Urteil des erkennenden Senats vom 15. September 1988 - 10 OVG A 31/88 -, wonach der Beurteilungsspielraum des Prüfungsausschusses bei der Anwendung der Abweichensregel, insbesondere der Feststellung einer atypischen Leistungskonstellation, eingeschränkt und gerichtlich überprüfbar sei. Eine stärkere gerichtliche Kontrolle von Prüfungsentscheidungen ergebe sich entgegen der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts auch aus den prüfungsrechtlichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 17. April 1991.

20

Der Kläger beantragt,

21

das angefochtene Urteil zu ändern und nach seinem Klagantrag zu erkennen.

22

Der Beklagte beantragt,

23

die Berufung zurückzuweisen.

24

Er führt unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Oktober 1988 aus, daß das Beurteilungsvorrecht des Prüfungsausschusses es ausschließe, daß ein Gericht bei der Überprüfung der Entscheidung des Prüfungsausschusses über ein Abweichen von der Durchschnittspunktzahl seinen eigenen Gesamteindruck vom Leistungsstand des Kandidaten zum Maßstab nehme. Die Abweichensklausel selbst sei verfassungsmäßig.

25

Wegen des Sach- und Streitstandes im einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der vorgelegten Prüfungsakten und des Zeugnisheftes Bezug genommen.

26

II.

Die Berufung ist zulässig und begründet.

27

Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 7. November 1991 - 10 L 165/89 - entgegen dem Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 7. 10. 1988 - 7 C 2.88 -, DVBl 1989, 99) und mit der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Prüfungsrecht (Beschlüsse v. 17. 4. 1991, NJW 1991, 2055 ff., 2008 ff.) seine Rechtsprechung zur Anwendung der Bonus-Malus-Regelung des § 72 Abs. 3 NJAO 1982 in der Zweiten juristischen Staatsprüfung (Urt. v. 15. 9. 1988 - 10 A 31/88 -, DVBl 1989, 112) aufrechterhalten. Dabei hat er entgegen der Auffassung des Beklagten den Begriff des Gesamteindrucks im Sinne des § 72 Abs. 3 NJAO 1982 als unbestimmten Rechtsbegriff eingeordnet und nicht als prüfungsspezifische Wertung der Mitglieder des Prüfungsausschusses angesehen.

28

An seiner Rechtsprechung hält der Senat nach erneuter Prüfung auch für den vorliegenden Fall fest. Er teilt nicht die Befürchtung des Beklagten, daß die gerichtliche Überprüfbarkeit des Gesamteindrucks, den der Kandidat vermittelt, dazu führen könnte, daß sich die Beurteilung dieses Gesamteindrucks unter Außerachtlassung der subjektiven Wertungen und Erfahrungen der Prüfer auf eine bloße mathematische Operation reduzieren würde. Er ist vielmehr der Auffassung, daß die Kernfrage des Gesamteindrucks, ob ein atypisches Leistungsbild vorliegt, auch von Richtern beurteilt werden kann.

29

Mithin darf der Prüfungsausschuß aufgrund des § 72 Abs. 3 NJAO 1982 von der errechneten Punktzahl nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen abweichen. Das Aussprechen der Rechtsfolge "Abweichung" fällt in seinen Beurteilungsspielraum, der nur beschränkt gerichtlich überprüft werden kann. Allerdings kann der Prüfungsausschuß von seiner Beurteilungsermächtigung erst dann Gebrauch machen, wenn auf der Tatbestandsseite der Rechtsnorm als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des unbestimmten Rechtsbegriffs "Gesamteindruck" eine atypische Leistungskonstellation vorliegt, was gerichtlich voll überprüft werden kann (Urt. v. 15. 9. 1988, aaO, S. 113; Kröpil, Einige wichtige Anforderungen der Rechtsprechung an die Prüfertätigkeit in den juristischen Staatsprüfungen und Rechtsschutzgewährung, JuS 1989, 243, 247 f.).

30

Nach diesen Grundsätzen war der für den Kläger zuständige Prüfungsausschuß nicht berechtigt, die errechnete Punktzahl zu verringern. Eine atypische Leistungskonstellation liegt nicht vor. Der vorliegende Fall ist nahezu identisch mit dem, den der Senat mit Urteil vom 15. September 1988 entschieden und bei dem er diese Voraussetzung nicht als erfüllt angesehen hatte. Während im damals entschiedenen Fall der Vortrag mit "befriedigend", dafür aber ein Prüfungsgespräch mit "ausreichend" bewertet worden waren, ist beim Kläger der Vortrag mit "ausreichend" bewertet worden, dafür ein Prüfungsgespräch jedoch mit "befriedigend". Auch hier hat der Kläger weit überdurchschnittliche Leistungen nicht nur in der Hausarbeit (gut, 13 Punkte), sondern auch im Vorbereitungsdienst (vollbefriedigend, 9,22 Punkte) erzielt. Hinzu kommt das mit "befriedigend" (7 Punkte) bewertete Prüfungsgespräch im Zivilrecht. Diese Leistungen können schon wegen ihrer Zahl nicht als atypische Einzelleistungen angesehen werden. Außerdem gibt es für sie eine plausible Erklärung, die es ausschließt, sie als Zufallsergebnisse zu werten. Offenbar erbringt der Kläger bessere Leistungen, wenn er bei seiner Vorbereitung nicht unter unmittelbarem Prüfungsdruck steht (vgl. Urt. v. 15. 9. 1988, aaO, S. 114; Kröpil, aaO, S. 248).

31

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO iVm § 708 Nr. 10 ZPO.

32

Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 VwGO zuzulassen, weil die Rechtssache insbesondere nach den erwähnten prüfungsrechtlichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts grundsätzliche Bedeutung hat und das Urteil von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Oktober 1988 (- 7 C 2.88 -, DVBl 1989, 99) abweicht.

33

Dr. Jank

34

Winzer

35

Munk