Landgericht Stade
Urt. v. 26.06.2007, Az.: 3 O 152/06

Bibliographie

Gericht
LG Stade
Datum
26.06.2007
Aktenzeichen
3 O 152/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 61097
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGSTADE:2007:0626.3O152.06.0A

Fundstelle

  • FamRZ 2008, 2232 (red. Leitsatz)

Tenor:

  1. 1.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Der Kläger kann die Vollstreckung seitens des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt den beklagten Verein auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch. Er behauptet, dass die mit Beschlussdes Amtsgerichts Cuxhaven vom 05.09.2000 für seinen am 26.11.2002 verstorbenen Vater ... bestellte Betreuerin, ... vom Girokonto des Betreuten sowie von drei Sparkonten Geldbeträge abgehoben und für sich vereinnahmt habe.

2

Der Kläger ist der Ansicht, dass der Beklagte bei ausreichender Erfüllung der ihm insoweit über ... als Vereinsbetreuerin obliegenden Kontrolle die entsprechenden Abhebungen hätte verhindern können und müssen.

3

Der Kläger behauptet, dass die Vereinsbetreuerin von dem bei der ... Cuxhaven geführten Girokonto Nr. ... des Betreuten Beträge in Höhe von insgesamt 7 141,74 € für sich vereinnahmt habe. Von dem bei der ... geführten Sparkonto Nr. ... des Betreuten habe die Vereinsbetreuerin 4 000,00 €, von dem weiteren bei dieser Bank geführten Sparkonto Nr. ... weitere 9 714,56 € und von dem bei der ... Cuxhaven geführten Sparkonto Nr. ... weitere 8 963,07 € für eigene Zwecke vereinnahmt. Hierdurch sei dem Nachlass ein Schaden in Höhe von insgesamt 28 610,33 € entstanden.

4

Der Kläger beantragt,

  1. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger insgesamt 28 610,33 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.03.2007 zu zahlen.

5

Der Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

6

Er ist der Ansicht, für etwaige von der von ihm bestellten Betreuerin ... begangene Unterschlagungen nicht haften zu müssen. Der Kläger könne insoweit nicht auf die Vorschrift des § 1908i BGB i.V.m. § 1791a Abs. 3 S. 2 BGB verweisen, weil die Betreuerin nicht "Verein" im Sinne dieser Vorschriften gewesen sei. Eine analoge Anwendung dieser Vorschriften komme auch nicht in Betracht, weil eine entsprechende Lücke vom Gesetzgeber gerade gewollt gewesen sei. Abgesehen davon sei Frau ... auch nur als Honorarkraft für ihn - den Beklagten - tätig gewesen. Schließlich habe er auch seine Aufsichtspflicht über Frau ... nicht verletzt. Auch bei Vereinsbetreuern liege gem. § 1908i BGB i.V.m. § 1837 BGB die Aufsichtspflicht allein bei dem zuständigen Vormundschaftsgericht. Er - der Beklagte - sei im Übrigen der ihm obliegenden Aufsichtspflicht nachgekommen. Frau ... habe sich immer als verlässlich und geeignet erwiesen. Unregelmäßigkeiten seien dem zuständigen Vormundschaftsgericht erstmals im Sommer 2003 aufgefallen. Bis zu diesem Zeitpunkt seien die von Frau ... beim Vormundschaftsgericht eingereichten Schlussrechnungen seitens des Gerichts nicht beanstandet worden. Eine erste Rückfrage des Vormundschaftsgerichts sei erstmals im Juni 2003 erfolgt. Daraufhin sei der Honorarvertrag mit Frau ... bereits am 17.07.2003 gekündigt worden. Der Beklagte bestreitet schließlich, dass Frau ... die vom Kläger in Bezug genommenen Konten abgehobenen Beträge nicht an den Betreuten ausgehändigt habe.

7

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der ehemaligen Betreuerin ... sowie durch Beiziehung der Betreuungsakten 3 XVII 2515 AG Cuxhaven.

8

Auf das Sitzungsprotokoll vom 05.06.2007 (Bl. 154 ff.d.A.) wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Klage ist begründet.

10

Der Kläger kann den beklagten Verein nicht auf Schadensersatz wegen einer behaupteten Aufsichtspflichtverletzung des Beklagten über die ehemals als Vereinsbetreuerin bezüglich des am 26.11.2002 verstorbenen Vaters des Klägers in Anspruch nehmen.

11

Zwar ist davon auszugehen, dass dem beklagten Verein grundsätzlich eine Aufsichtspflicht hinsichtlich der Zeugin ... als ehemalige Vereinsbetreuerin bezüglich des verstorbenen Vaters des Klägers oblag. Diesbezüglich wird Bezug genommen auf die Ausführungen der Kammer in ihrem Beschluss vom 30.01.2007.

12

Die Zeugin ... hat bei ihrer Vernehmung durch die Kammer bestätigt, dass sie die von ihr monatlich erstellten Buchungsprotokolle bezüglich des Girokontos des Betreuten bei der Stadtsparkasse Cuxhaven dem Beklagten jeweils monatlich zur Verfügung gestellt hat. Der Beklagte hätte deshalb bei jedenfalls stichpunktartigen Kontrollen dieser Buchungsblätter im Rahmen der ihm obliegenden Aufsichtspflicht von aus dem Rahmen fallenden Buchungsvorgängen Kenntnis nehmen können. Dies waren bezüglich des Giroskontos ausweislich des Buchungsprotokolls vom 22.01.2002 (Bl. 118 ff.d. Betreuungsakten 3 XVII 2515 AG Cuxhaven) jedenfalls erstmals die Buchungen vom 18.07.2001 über 5 000,00 DM und vom 23.08.2001 über 3 000,00 DM zum Zwecke der Bargeldauffüllung. Derart umfangreiche Abhebungen innerhalb relativ kurzer Zeit hätten Anlass zu Rückfragen bei der Vereinsbetreuerin geben müssen. Indem der Beklagte derartige Maßnahmen unterlassen hat, ist deshalb grundsätzlich von einer Aufsichtspflichtverletzung auszugehen.

13

Gleichwohl lässt sich ein hierauf zurückzuführender Schaden des Klägers nicht hinreichend sicher feststellen. Geht man nämlich davon aus, dass der Beklagte vor den genannten Abhebungen keinen Anlass für entsprechende Nachforschungen bei der Zeugin ... hatte, so wären die zuvor von der Zeugin ... vom Girokonto getätigten Abhebungen in Höhe von 2 000,00 DM am 08.11.2000, über 468,00 DM am 23.11.2000 und in Höhe von 2 900,00 DM am 01.12.2000, die der Kläger seiner Schadensaufstellung zugrundelegt, nicht ursächlich auf diese Pflichtverletzung des Beklagten zurückzuführen. Gleiches gilt bezüglich derAbhebungen vom 18.07. und 23.08.2001 über 5 000,00 bzw. 3 000,00 DM, die nach Ansicht der Kammer (erst) Anlass für entsprechende Überprüfungen des Beklagten hätten sein müssen. Schließlich kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Beklagte insoweit bereits am 29.08.2001, als die Zeugin ... die letzte vom Kläger beanstandete Abhebung in Höhe von 600,00 DM tätigte, ein zuverlässiges Bild über ein etwaiges Fehlverhalten der Betreuerin gemacht haben konnte. Nach allem kann deshalb nicht angenommen werden, dass Abhebungen vom Girokonto bis zum 29.08.2001 in Höhe von insgesamt 7 141,73 € vom Beklagten bei Ausübung der erforderlichen Aufsicht hätten verhindert werden können. Abgesehen davon ist nach den Angaben der Zeugin ... davon auszugehen, dass alle Abhebungen tatsächlich auch dem Betreuten zugeflossen sind.

14

Auch bezüglich der Abhebungen vom Sparkonto kann für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch eine ursächliche Pflichtverletzung des Beklagten bzw. ein Schaden nicht festgestellt werden.

15

Soweit der Kläger dem geltend gemachten Anspruch Abhebungen von dem bei der Stadtsparkasse Cuxhaven geführten Sparkonto Nr. ... des Betreuten durch die Zeugin ... in der Zeit vom 07.09.2000 bis zum 01.03.2001 in Höhe von insgesamt 8 963,07 € zugrundelegt, bestand im Hinblick auf die Höhe der jeweils abgehobenen Beträge kein Anlass, die entsprechenden Abhebungen bei der Betreuerin zu hinterfragen. Zwar hat der Kläger im Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 26.01.2007 auf S. 2 insoweit auch eine Abhebung am 01.03.2001 über 12 207,00 DM vorgetragen. Diese Darstellung entspricht indes nicht der mit weiterem Schriftsatz des Klägervertreters vom 23.05.2007 überreichten Auskunft der ... vom 23.02.2007 (Bl. 152 d.A.), die die Abhebung eines Betrages in dieser Höhe nicht ausweist.

16

Die vom Kläger bezüglich des ebenfalls bei der ... geführten Sparkontos Nr. ... des Betreuten getätigten Abhebungen der Betreuerin über 10 000,00 DM sowie dreimal 3 000,00 DM in der Zeit zwischen dem 10.01.2001 und 14.06.2001 sind dem Vermögen des Betreuten offenbar wieder zugeflossen, wie sich aus dem Buchungsprotokoll Bl. 118, 119 in der Betreuungsakte 3 XVII 2515 Bd. I AG Cuxhaven ergibt. Dort sind am 10.01.2001 10 000,00 DM, am 24.04.2001 3 000,00 DM, am 11.05.2001 3 000,00 DM und am 14.06.2001 3 000,00 DM jeweils mit dem Hinweis "Umbuchung/Kontoauffüllung" als Einnahme für den Betreuten verbucht worden.

17

Schließlich lässt sich auch bezüglich der beiden vom Kläger bezüglich des Sparbuches Nr. ... bei der ... am 04.01.2002 und 02.05.2002 beanstandeten Abhebungen über jeweils 2 000,00 € jedenfalls ein Schaden des Klägers nicht feststellen.

18

Die Zeugin ... hat bekundet, die entsprechenden Abhebungen entweder auf das Girokonto oder an den Betreuten persönlich ausgezahlt zu haben. Dass diese Angaben nicht zutreffend sind, vermag die Kammer nicht hinreichend sicher festzustellen. Eine solch Feststellung folgt auch nicht aus der Tatsache, dass die Zeugin aufgrund des Strafbefehlsdes Amtsgerichts Otterndorf vom 04.06.2004 rechtskräftig wegen Untreue in 202 Fällen verurteilt worden ist. Die Betreuungssache ... war nicht Gegenstand der fraglichen Verurteilung. Es kann deshalb letztlich nicht ausgeschlossen werden, dass die fraglichen 4 000,00 € tatsächlich dem Betreuten ... zugeflossen sind.

19

Bei dieser Sachlage war die Klage mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO abzuweisen.

20

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziff. 11, 711 ZPO.

Levermann