Landgericht Stade
Urt. v. 04.01.2007, Az.: 4 O 434/04
Schadensersatz und Schmerzensgeld aufgrund eines tötlichen Verkehrsunfalls bei Unvermeidbarkeit eines Zusammenstoßes; Kollision mit einem entgegenkommenden Fahrzeug während der Vornahme eines Abbiegevorgangs; Anscheinsbeweis für die Verletzung von Sorgfaltspflichten; Schmerzensgeldanspruch wegen eines Schock- bzw. Fernwirkungsschadens; Erstattung der Grabpflegekosten als Teil der Beerdigungskosten
Bibliographie
- Gericht
- LG Stade
- Datum
- 04.01.2007
- Aktenzeichen
- 4 O 434/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 55190
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGSTADE:2007:0104.4O434.04.0A
Rechtsgrundlagen
- § 7 Abs. 2 StVG
- § 3 PflVersG
- § 9 Abs. 5 StVO
- § 253 Abs. 2 BGB
- § 844 Abs. 1 BGB
- § 847 Abs. 1 S. 2 BGB a.F
In dem Rechtsstreit
...
hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Stade
auf die mündliche Verhandlung vom 21. Dezember 2006
durch
die Vorsitzende Richterin am Landgericht Schulz,
den Richter am Landgericht Kaufert und
die Richterin Dr. Hillebrenner
fürRecht erkannt:
Tenor:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger Schadensersatz in Höhe von 6.026,91 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hierauf seit dem 09. August 2004.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 500,00 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Kläger tragen die Kläger als Gesamtschuldner 58 %, die Klägerin zu 1) 5 %, der Kläger zu 2) 5 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 32 %. Von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) tragen die Kläger als Gesamtschuldner 49 %, die Klägerin zu 1) 6 %, der Kläger zu 2) 6 % und der Beklagte zu 1) 39 %. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) tragen die Kläger als Gesamtschuldner 58 %, die Klägerin zu 1) 5 %, der Kläger zu 2) 5 % und die Beklagte zu 2) 32 %.
Das Urteil ist für die Kläger vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags. Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des insgesamt vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.
Der Streitwert wird auf 20.605,92 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Kläger begehren die Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld aufgrund eines Verkehrsunfalls, der sich am 13. Juli 2002 in der Ortschaft ... ereignete.
Am Unfalltag befuhr der Sohn der Kläger, ... gegen 16.00 Uhr mit seinem Motorrad Marke Suzuki die Bahnhofstraße in Richtung .... Die zulässige Höchstgeschwindigkeit war auf 30 km/h reduziert. In Höhe der ... bog der ... entgegen kommende Beklagte zu 1) mit dem von ihm geführten und bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw Marke Audi nebst Anhänger nach links auf ein dort belegenes Tankstellengelände ab. Dabei kreuzte der Beklagte zu 1) die Fahrbahn. Der Sohn der Kläger kollidierte mit dem Pkw bzw. Anhänger und verletzte sich dabei so schwer, dass er noch an der Unfallstelle verstarb. Die Kläger sind die alleinigen Erben ihres Sohnes.
Die Kläger behaupten, dass sich ... noch ca. 50 Meter von der Unfallstelle entfernt befunden habe, als der Beklagte zu 1) abgebogen sei. Aufgrund dessen habe ... den Unfall nicht mehr vermeiden können. Mit Schreiben vom 21. Juli 2004 wurde die Beklagte zu 2) vergeblich zur Zahlung eines materiellen Schadens in Höhe von 7.697,34 € bis zum 09. August 2004 aufgefordert.
Die Kläger behaupten, ihnen bzw. ... sei ein materieller Schaden in Höhe von 25.376,07 € entstanden. Dieser schlüsselt sich wie folgt auf:
- 1.
Motorradschaden (Neuwert) 9.240,00 € - 2.
Sterbeurkunde gemäß Anlage K 2 (Bl. 19 d.A.) 24,50 € - 3.
Abschrift aus dem Familienbuch gemäß Anlage K 3 8,00 € - 4.
Bestattungskosten gemäß Anlage K 4 (Bl. 21 d.A.) 226,20 € - 5.
Kappellennutzung gemäß Anlage K 5 (Bl. 22 d.A.) 380,00 € - 6.
Bestattung gemäß Anlage K 7 (Bl. 23 d.A.) 914,25 € - 7.
Auslagen gemäß Anlage K 7 (Bl. 23 d.A.) 1.844,95 € - 8.
Danksagung gemäß Anlage K 8 (Bl. 24 d.A.) 372,01 € - 9.
Grabpflege gemäß Anlage K 9 (Bl. 25 d.A.) 202,76 € - 10.
Kränze gemäß Anläge K 10 (Bl. 26 d.A.) 210,00 € - 11.
Abschleppkosten gemäß Rechnung Bl. 27 d.A. 986,10 € - 12.
Diverse anwaltliche Vertretung gemäß Auflistung Bl. 28, 29 d.A. 2.243,90 € - 13.
Beschwerdeverfahren gemäß Rechnung Bl. 30 d.A. 423,40 € - 14.
Grabpflege für 40 Jahre 8.300,00 €
Gesamt | 25.376,07 € |
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Darüber hinaus begehren die Kläger Ausgleich der auf sie übergegangenen Schmerzensgeldansprüche in Höhe von 2.500,00€. Aufgrund eines möglichen Mitverschuldens des Verstorbenen seien von den vorstehenden Forderung 50 % in Abzug zu bringen.
Weiter machen beide Kläger einen eigenen Schmerzensgeldanspruch in Höhe von jeweils 1.000,00 € geltend. Hierzu behaupten sie, seit dem Tod ihres Sohnes unter Depressionen zu leiden.
Die Kläger sind schließlich der Auffassung, dass die Beklagte zu 2) ihnen auch die Kosten für die im Strafverfahren gegen den Beklagten zu 1) erhobene Nebenklage zu ersetzen habe. Deren Höhe stünde noch nicht fest, sodass insoweit Feststellung beansprucht werden könne.
Die Kläger haben ursprünglich Ausgleich ihres materiellen Schadens in Höhe von 12.688,04 geltend gemacht. In der mündlichen Verhandlung am 07. Juli 2005 haben sie die Klage in Höhe von 582,12 € zurückgenommen.
Die Kläger beantragen nunmehr,
- 1.
die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, 12.105,92 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 09. August 2004 an die Kläger zu zahlen,
- 2.
die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen,
- 3.
die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen,
- 4.
festzustellen, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, den Klägern sämtlichen materiellen Schaden, den sie als Erben des am 13. Juli 2002 bei einem Verkehrsunfall in ... tödlich verletzten Motorradfahrers ... haben werden, zu bezahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie sind der Auffassung, dass ... den Unfall allein verschuldet habe. Wie sich aus dem im Strafverfahren eingeholten Gutachten des Sachverständigen ... ergebe, sei ... mit einer Geschwindigkeit von 90 bis 96 km/h gefahren. Damit aber sei ... mit dreifach überhöhter Geschwindigkeit gefahren.
Auch der Höhe nach bestehe der Schaden nicht in dem geltend gemachten Umfang. Beim Motorrad müsse der Restwert in Abzug gebracht werden. Die Kosten für die Sterbeurkunde seien unter Ziff. 7 nochmals berücksichtigt worden. Gleiches gelte für das Stammbuch. Schließlich sei unter Ziff. 7 ein Betrag von 914,25 € zweimal aufgeführt.
Bei den Kosten der Rechtsvertretung handele es sich nicht um einen mittelbaren oder unmittelbaren Schaden. Ein Feststellungsanspruch bestehe gleichfalls nicht, weil die Kläger im Nebenklageverfahren bereits einen Titel erlangt hätten. Ein Schmerzensgeldanspruch des Getöteten komme nicht in Betracht, weil dieser noch an der Unfallstelle verstorben sei, ohne das Bewusstsein wiederzuerlangen. Dass die Kläger unter Depressionen leiden, wird mit Nichtwissen bestritten.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens gemäß Beweisbeschluss vom 28. Juli 2005 (Bl. 104-106 d.A.) und gemäß Beschluss vom 04. Juli 2006 (Bl. 163-164 d.A.). Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Gutachten des Sachverständigen ... vom 08. Juni 2006 und dessen Ergänzungsgutachten vom 27. September 2006.
Das Gericht hat darüber hinaus die unter dem Az. 153 Js 15721/02 geführte Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Stade beigezogen und zum Gegenstand der Verhandlung gemacht.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet. Die Kläger können von den Beklagten dem Grunde nach gemäß §§ 7 StVO, 3 PflVersG Ersatz der im Zusammenhang mit dem Unfall am 13. Juli 2002 stehenden Schäden nach einer Quote von 50 % zulasten der Beklagten verlangen.
Der Unfall war weder für ... noch für den Beklagten zu 1) unvermeidbar i.S.d. § 7 Abs. 2 StVG. Dies ergibt sich im Hinblick auf den verstorbenen ... aus dem eingeholten Sachverständigengutachten. Danach befuhr ... die Bahnhofstraße mit einer Geschwindigkeit von mindestens 61 km/h bei einer erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h. Hätte ... die zulässige Höchstgeschwindigkeit hingegen beachtet, wäre er unter Zugrundelegung einer Bremsverzögerung von 2 m/s2 und einem vom Beklagtenfahrzeug noch gegebenen Abstand von 28,3 bis 30 Metern zum Reaktionszeitpunkt problemlos in der Lage gewesen, den Unfall räumlich zu vermeiden. Dies gilt erst recht, wenn man die Behauptungen der Beklagten zu der von ... gefahrenen Geschwindigkeit zugrunde legt.
Aber auch für den Beklagten zu 1) war der Unfall vermeidbar. Der Sachverständige hat in diesem Zusammenhang festgestellt, dass sich ... bereits in Sichtweite befand, als sich der Beklagte zu 1) zum Abbiegen entschloss. Dass ... sich mit überhöhter Geschwindigkeit näherte, steht der Unvermeidbarkeit nicht entgegen. Vielmehr wird der Idealfahrer i.S.d. § 7 Abs. 2 StVG a.F., der die Geschwindigkeit eines entgegenkommenden Fahrzeugs nicht mit der gebotenen Sicherheit einschätzen kann, von dem geplanten Manöver Abstand nehmen, bis ihm dies möglich ist oder eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer nicht mehr besteht. Anders wäre es nur dann, wenn ... für den Beklagten zu 1) zu Beginn des Abbiegemanövers noch nicht erkennbar gewesen wäre. Das wird aber auch von den Beklagten nicht behauptet.
Der Beklagte zu 1) verstieß im Zusammenhang mit dem von ihm durchgeführten Abbiegemanöver gegen die ihm obliegenden Sorgfaltspflichten i.S.d. § 9 Abs. 5 StVO.
Unstreitig kam es zur Kollision zwischen dem klägerischen Fahrzeug und dem entgegen kommenden Krad des ... im Rahmen eines Abbiegemanövers des Beklagten zu 1) nach links auf ein Tankstellengelände und damit ein Privatgrundstück.
Eine solche Konstellation begründet einen Anscheinsbeweis dahingehend, dass der Beklagte zu 1) gegen die ihm aus § 9 Abs. 5 StVO obliegenden Sorgfaltspflichten verstieß. Danach hat ein Fahrzeugführer eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen, wenn er nach links in ein Grundstück abzubiegen beabsichtigt. Kommt es gleichwohl während des. Abbiegevorganges zu einer Kollision mit einem entgegenkommenden Fahrzeug, spricht regelmäßig der Beweis des ersten Anscheins für die Annahme, dass der Abbiegende den ihm obliegenden Pflichten unter Verletzung des § 9 Abs. 5 StVO und den darin begründeten höchsten der StVO bekannten Sorgfaltsanforderungen nicht ausreichend Beachtung schenkte und eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer gerade nicht ausschloss (vgl. KG Berlin, Schaden-Praxis 2003, 3-5; KG Berlin, VerkMitt 1998, Nr. 43; LG Berlin, DAR 2000, 409 [LG Berlin 16.12.1999 - 58 S 300/99]-41).
Als Folge dieses Anscheinsbeweises hat der Abbiegende nicht nur eine Sorgfaltspflichtverletzung der Gegenseite substanziiert zu behaupten und ggf. unter Beweis zu stellen. Vielmehr obliegt ihm in Abweichung von der sonst üblichen Beweislastverteilung auch der Nachweis, dass ihm selbst keine Sorgfaltspflichtverletzung angelastet werden kann. Gelingt beides nicht, kommt einem Verstoß gegen § 9 Abs. 5 StVO bei Abbiegevorgängen in ein Grundstück nach ständiger Rechtsprechung der Kammer ein derart hohes Gewicht zu, dass die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Unfallgegners demgegenüber vollständig in den Hintergrund zu treten hat.
Die Beklagten haben den gegen den Beklagten zu 1) sprechenden Anscheinsbeweis im vorliegenden Fall nicht entkräftet. Das wäre nur dann der Fall gewesen, wenn der Beklagte zu 1) zu Beginn des Abbiegemanövers ... noch nicht hätte erkennen können. Hierfür ergeben sich keine Anhaltspunkte. Vielmehr hat der Beklagte zu 1) im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegenüber den unfallaufnehmenden Polizeibeamten angegeben, den entgegen kommenden Kradfahrer zwar gesehen, seine Geschwindigkeit aber falsch eingeschätzt zu haben. Das genügt aber nicht, um den Vorwurf einer Pflichtverletzung in Frage zu stellen. Ein Gefährdungsausschluss i.S.d. § 9 Abs. 5 StVO liegt nur bei einem unerwarteten oder unvorhersehbaren Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer vor, mit dem üblicherweise nicht gerechnet werden muss. Die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit fällt nicht hierunter.
Aber auch ... ist eine erhebliche Sorgfaltspflichtverletzung in Form einer Geschwindigkeitsüberschreitung zur Last zu legen. Wie dargelegt, ist der gerichtliche Sachverständige zu dem Ergebnis einer Annäherungsgeschwindigkeit von mindestens 61 km/h gelangt. Damitüberschritt ... die zulässige Höchstgeschwindigkeit knapp um mehr als 100 %. Dies ergibt sich aus den Berechnungen des Sachverständigen ... unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse und der dokumentierten Unfallspuren. Die Berechnungen des Sachverständigen sind in sich nachvollziehbar und schlüssig. Sie werden auch nicht erschüttert durch das im Ermittlungsverfahren eingeholte Gutachten des Sachverständigen .... Zwar ist dieser zum Ergebnis einer Annäherungsgeschwindigkeit von mindestens 90 km/h gelangt. Mit dem gerichtlichen Sachverständigen ist aber davon auszugehen, dass dem Gutachter ... bei der Ermittlung dieses Wertes Fehler unterliefen. So hat der Sachverständige ... darauf hingewiesen, dass die Feststellungen des Gutachters ... nicht mit den Schadensbildern übereinstimmen würden, da das Krad von ... nicht allein mit dem Vorderrad gegen die Fondtür des Beklagtenfahrzeugs gestoßen sei. Vielmehr müsse die Kollision in einer Winkelstellung erfolgt sei. Auch die vom Gutachter ... einberechnete Rutschverzögerung von 4 m/s2 sei unzutreffend, weil sich ein solcher Wert lediglich bei unverkleideten Motorrädern ergebe. Die Suzuki des ... sei hingegen verkleidet gewesen, sodass eine Rutschverzögerung von lediglich 2,5 bis 3 m/s2 angenommen werden dürfe.
Auch diese Ausführungen des Sachverständigen begegnen keinen Bedenken. Sie werden gestützt durch den Umstand, dass der Gutachter ... von einer Geschwindigkeit des Beklagtenfahrzeugs von 25 km/h ausging. Eine solche Geschwindigkeit unmittelbar nach dem Anfahren ist zwar nicht unmöglich. Angesichts der unmittelbar links von der Fahrbahn gelegenen Tankstelle und des vom Beklagtenfahrzeugs gezogenen Anhängers ist allerdings die vom gerichtlichen Sachverständigen ermittelte Geschwindigkeit von 15 km/h weit eher plausibel.
Die Kammer bewertet das beiderseitige Verschulden ungefähr gleich hoch, sodass die von den Klägern in Ansatz gebrachte Haftungsquote von 50 % nicht zu beanstanden ist.
Zum Anspruch der Höhe nach gelten die folgenden Erwägungen:
Im Hinblick auf den Motorradschaden kann lediglich der Zeitwert abzüglich Restwert geltend gemacht werden. Der Zeitwert belief sich ausweislich des vorprozessual von den Klägern eingeholten Sachverständigengutachtens auf 9.200,00. Der Restwert betrug 250,00€. Der Schaden beläuft sich damit auf 8.950,00 €.
Die unter Position 7) zusammengefassten Auslagen (vgl. Bl. 23 d.A.) umfassen nahezu sämtliche mit der Beisetzung verbundenen Kosten. Es bestehen keine Bedenken, diese den Klägern zuzusprechen. Allerdings sind unter Position 7) auch die nochmals unter Position 2) geltend gemacht Sterbeurkunde, die unter Pos. 3) erfasste Abschrift aus dem Familienbuch, die unter Pos. 4) erfassten Bestattungskosten, die unter Pos. 5) erfasste Kapellennutzung, die unter Pos. 6) erfassten Bestattungskosten und die unter Pos. 8) erfassten Danksagungen inbegriffen. Die vorbenannten Positionen 2), 3), 4), 5), 6) und 8) fallen damit weg.
Die unter Pos. 9) geltend gemachten Grabpflegekosten sind adäquat kausal auf den Unfall zurückzuführen, sodass ein Anspruch gemäß § 844 BGB besteht. Von den unter Pos. 10) geltend gemachten Kranzkosten können lediglich 70,00 € zugesprochen werden, da zwei der insgesamt drei Kränze nicht im Namen der Kläger, sondern im Namen des Bruders des Verstorbenen und für sonstige Personen hergestellt wurden.
Die Abschleppkosten gemäß Pos. 11) sind erstattungsfähig und durch Vorlage der entsprechenden Rechnung (Bl. 27 d.A.) auch nachgewiesen.
Die Kosten für diverse anwaltliche Vertretungen (Position 12) sind nicht erstattungsfähig. Den Angehörigen stehen aufgrund der Tötung eines Familienmitglieds Ansprüche lediglich im Rahmen des§ 844 BGB zu. Hierunter fallen die eigentlichen Beerdigungskosten und gg. der Unterhaltsschaden. Kosten eines Rechtsanwalts im Zusammenhang mit der Durchsetzung von Versicherungsansprüchen fallen hingegen nicht hierunter (vgl. Wagner in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl., 2004, § 844, Rn. 18).
Auch Ansprüche auf Kostenerstattung im Zusammenhang mit einem Beschwerdeverfahren (Position 13) bestehen nicht. Auch insoweit kommen wieder die vorstehenden Ausführungen zum Tragen. Im Übrigen ist der anwaltlichen Rechnung vom 03. September 2004 lediglich zu entnehmen, dass es sich hierbei um ein Beschwerdeverfahren handelt, das sich gegen eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft Stade richtete. Um welches Beschwerdeverfahren es sich handeln könnte, ist allerdings nicht ersichtlich. Zwar hat haben die Kläger gegen den Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft vom 01. April 2003 Beschwerde eingelegt. Dies ist aber nicht durch den Klägervertreter geschehen, sondern durch Herrn Rechtsanwalt .... Die Rechnung des Klägervertreters vom 03. September 2004 kann sich dementsprechend nicht auf dieses Beschwerdeverfahren beziehen. Der jetzige Klägervertreter hat allerdings im Anschluss gegen den Nichteröffnungsbeschluss des Amtsgerichts Langen vom 29. August 2003 Beschwerde eingelegt. Soweit die Kläger in diesem Zusammenhang in ihrer Eigenschaft als Nebenkläger gehandelt haben, verfügen sie aber bereits über einen Titel, denn mit Beschluss vom 15. März 2004 hat das Amtsgericht Langen die Auslagen der Nebenkläger dem Beklagten zu 1) auferlegt.
Die Grabpflegekosten können gleichfalls nicht verlangt werden. Die Verpflichtung zum Kostenersatz nach § 844 Abs. 1 BGB beschränkt sich auf die Beerdigungskosten (vgl. Wagner in: Münchener Kommentar zum BGB, a.a.O.). Dabei umfasst der Begriff der Beerdigung nur das, was - einschließlich der Beerdigungsfeierlichkeiten - zum eigentlichen Bestattungsakt gehört. Dieser allerdings endet mit dem Abschluss einer zur Dauereinrichtung bestimmten und geeigneten Grabstätte (vgl. BGH, MDR 1974, 29; OLG Oldenburg, FamRZ 1992, 987; LG Koblenz, Schaden-Praxis 1994, 412).
Damit können die Kläger Erstattung folgender Schadenspositionen verlangen:
- 1.
Motorradschaden 8.950,00 € - 2.
Sterbeurkunde 0,00 € - 3.
Abschrift aus dem Familienbuch 0,00 € - 4.
Bestattungskosten 0,00 € - 5.
Kappellennutzung 0,00 € - 6.
Bestattung 0,00 € - 7.
Auslagen 1.844,95 € - 8.
Danksagung 0,00 € - 9.
Grabpflege 202,76 € - 10.
Kranz 70,00 € - 11.
Abschleppkosten 986,10 € - 12.
Diverse anwaltliche Vertretung 0,00 € - 13.
Beschwerdeverfahren 0,00 € - 14.
Grabpflege für 40 Jahre 0,00 €
Gesamt | 12.053,81 € |
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Da die Beklagten im Umfang von 50 % haften, besteht ein Anspruch in Höhe von 6.026,91 €.
Darüber hinaus können die Kläger Ersatz der auf sie übergegangenen Schmerzensgeldansprüche des ... verlangen, da nach der Streichung von § 847 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. auch die Schmerzensgeldansprüche in den Nachlass fallen. Der Schmerzensgeldanspruch ist auch der Höhe nach begründet. Zwar wird die Verletzung des Lebens von § 847 BGB a.F. ebenso wenig wie von der Neuregelung des § 253 Abs. 2 BGB erfasst. Dies gilt aber nicht für eine der Verletzung des Lebens unmittelbar vorausgegangene Körperverletzung. Mit dem Oberlandesgericht Hamm (vgl. NZV 1997, 233-234) ist auch die Kammer der Auffassung, dass für die Bemessung des Schmerzensgeldes bei einer Verletzung mit anschließender Todesfolge die Dauer der jeweiligen Verletzungsphase heranzuziehen ist (vgl. OLG Jena, OLGR Jena 2003, 495-496). Im vorliegenden Fall dürfte die auf dem Unfall beruhende Ohnmacht gleichzeitig oder unmittelbar nach dem Schadensereignis eingetreten sein. Die Verletzungsphase selbst dürfte sich deshalb auf wenige Sekunden beschränken. Angesichts dessen hält die Kammer unter Berücksichtigung des festgestellten Mitverschuldens ein Schmerzensgeld von 500,00 € für angemessen. Die Leistungsverweigerung der Beklagten zu 2) kommt insoweit nicht zum Tragen, da ... diese nicht mehr erlebt hat.
Der Klageantrag zu 3) ist hingegen unbegründet. Eine durch einen Unfallschock aufgrund Verlustes eines Familienangehörigen hervorgerufene schwere Depressionen stellen keine schwere psychopathologische Gesundheitsbeschädigung dar, die einen Schmerzensgeldanspruch wegen eines Schock- bzw. Fernwirkungsschadens begründen. Mit diesen Beeinträchtigungen ist bei einem dem Unfallopfer Nahestehenden als Folge des Unfallschocks erfahrungsgemäß und üblicherweise zu rechnen. Auch ein erhebliches Maß an Beeinträchtigungen ist grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmen. Ein Unfallereignis oder eine Unfallnachricht begründen erst dann einen solchen Anspruch, wenn sie zu psycho-pathologischen Auswirkungen im Sinne einer Neurose oder in schweren Fällen einer Psychose führen (vgl. OLG Jena, a.a.O.; KG Berlin, NZV 2002, 38-39; OLG Rostock, OLGR Rostock 2000, 67-69; OLG Celle, OLGR Celle 1998, 125-126; LG Lüneburg, Urteil vom 04.12.2001, Az. 9 O 139/01; LG Wuppertal, Schaden-Praxis 1998, 353-354). Dies wird aber von den Klägern weder vorgetragen noch durch die vorgelegten Atteste belegt.
Der Klageantrag zu 4) ist unbegründet. Insoweit besteht kein Anspruch, weil die allein erstattungsfähigen Beerdigungskosten nicht die Aufwendungen der Angehörigen in einem Nebenklageverfahren erfassen. Wenn aber kein Anspruch gegen den Beklagten zu 1) in Betracht kommt, scheitert auch der Direktanspruch gemäß § 3 PflVersG. Im Übrigen werden solche Schäden aber auch nicht vom Versicherungsvertrag erfasst. Gemäß § 2 KfzPflVV hat der Versicherungsvertrag die Befriedigung der Schadensersatzansprüche zu erfassen, die auf einem vom versicherten Fahrzeug verursachten Unfallereignis beruhen. Der Gebrauch des Fahrzeugs muss für den späteren Schaden adäquat kausal sein (vgl. Knappmann in: Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Aufl., § 10 AKB,§ 6). An dieser Adäquanz fehlt es im vorliegenden Fall, da die Durchführung der Nebenklage und die hiermit verbundenen Kosten nicht mehr in einem ausreichenden Näheverhältnis zum eigentlichen Schadensereignis stehen. Hinzu kommt, dass die Durchführung der Nebenklage nicht der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche dient, sondern auf der freien - und wirtschaftlich im Übrigen nicht gebotenen - Entscheidung des durch einen Unfall Verletzten.
Der Zinsanspruch beruht auf den §§ 288, 286 BGB. Zwar besteht Pflicht zur Verzinsung aufgrund der Bestimmung des § 187 Abs. 1 BGB grundsätzlich erst ab dem 10. August 2004, da die Kläger den Beklagten eine Frist bis zum 09. August 2004 gesetzt hatten. Unstreitig hat die Beklagte zu 2) allerdings bereits mit Schreiben vom 10. Mai 2004 jegliche Ansprüche der Kläger aufgrund eines ganz überwiegenden Verschuldens des ... zurückgewiesen. Aufgrund dieser endgültigen Erfüllungsverweigerung bedurfte es keiner weiteren Zahlungsaufforderung, sodass jedenfalls ab dem 09. August 2004 eine Verzinsung des geschuldeten Betrags verlangt werden kann.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 100, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
Kaufert
Dr. Hillebrenner