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  • ab 01.01.2021 (aktuelle Fassung)

Abschnitt 5 KVRVVFRdErl - Versicherungsfreiheit bei einer Zweit- oder einer anderweitigen Beschäftigung

Bibliographie

Titel
Versicherungsfreiheit und Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, Beitragsfreiheit zur Bundesagentur für Arbeit und Nachversicherung in der Rentenversicherung für die Bediensteten des öffentlichen Dienstes
Redaktionelle Abkürzung
KVRVVFRdErl,NI
Normtyp
Verwaltungsvorschrift
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
20443

5.1 Rentenversicherung

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist die Versicherungsfreiheit wegen gewährleisteter Anwartschaft auf lebenslängliche Versorgung und Hinterbliebenenversorgung auf Tätigkeiten innerhalb des eigentlichen Beschäftigungsverhältnisses beschränkt. Sie erstreckt sich nicht auf eine daneben oder unabhängig davon bestehende andere Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber. Demzufolge unterliegen z. B. die kraft Gewährleistung für ihre eigentliche Tätigkeit versicherungsfreien Beschäftigten im öffentlichen Dienst

  • in einer neben dem eigentlichen Beschäftigungsverhältnis ausgeübten Zweitbeschäftigung (Nebenbeschäftigung) bei einem anderen Arbeitgeber oder

  • in einer während der Beurlaubung ohne Bezüge innerhalb oder außerhalb des öffentlichen Dienstes im Beschäftigungsverhältnis ausgeübten anderweitigen Beschäftigung

grundsätzlich der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung nach Maßgabe der sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen, es sei denn, dass Versicherungsfreiheit aus anderen Gründen, z. B. wegen einer Beschäftigung i. S. des § 5 Abs. 2 SGB VI i. V. m. § 8 SGB IV besteht.

§ 5 Abs. 1 Satz 1 SGB VI bestimmt, dass die in der Rentenversicherung auf der Gewährleistung einer Versorgungsanwartschaft beruhende Versicherungsfreiheit durch die Erstreckung der Gewährleistung auf eine andere Beschäftigung erweitert werden kann - generell durch eine allgemeine Gewährleistungsentscheidung (Nummer 8) oder durch einen besonderen einzelfallbezogenen Gewährleistungsbescheid (Nummer 9). Eine bloße Erklärung des Dienstherrn, die anderweitige Beschäftigungszeit auf die ruhegehaltfähige Dienstzeit anzurechnen, oder eine Bestätigung des Dienstherrn, dass die Zeit der anderweitigen Beschäftigung nach den Vorschriften des NBeamtVG ruhegehaltfähig sei, reicht für die Versicherungsfreiheit nicht aus (vgl. Urteil des BSG vom 31. 1. 1973 - 12/3 RK 4/71). Bei einer Beschäftigung im Inland ist eine Gewährleistungsentscheidung allerdings nur erforderlich, wenn ohne sie Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bestünde.

Im Fall einer Zuweisung nach § 20 BeamtStG bedarf es keiner Erstreckung der Gewährleistungsentscheidung auf die andere Tätigkeit. Auf Nummer 12.11 wird hingewiesen.

Die Ermächtigungsgrundlage, einen förmlichen Gewährleistungsbescheid gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 SGB VI bei Beurlaubungen unter Wegfall der Bezüge zur Ausübung einer Beschäftigung in einem anderen Rechtsverhältnis bei einem anderen Dienstherrn oder Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes oder einem privaten Arbeitgeber zu erteilen, ist in Anlage 2 Nr. 3 Abs. 6 des jeweils geltenden Haushaltsgesetzes (Allgemeine Bestimmungen zu den Personalausgaben für das jeweilige Haushaltsjahr) verortet. Diese Ermächtigung umfasst auch allgemeine Gewährleistungsentscheidungen für bestimmte Fallgruppen und Gewährleistungsentscheidungen für eine Zweitbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 3 SGB VI gelten Personen, denen für die Zeit des Dienstes oder der Beschäftigung im Ausland Versorgungsanwartschaften gewährleistet sind, im Rahmen der Nachversicherung auch ohne Antrag als versicherungspflichtig. Eine Gewährleistung für die anderweitige Beschäftigung im Ausland kommt allerdings nur in Betracht, wenn hierfür die in Nummer 8.2 Abs. 1 Buchst. b oder Nummer 9 genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

Bei im Ausland beschäftigten Deutschen ist als beitragspflichtige Einnahme zugrunde zu legen das Arbeitsentgelt oder, wenn dies günstiger ist, der Betrag, der sich ergibt, wenn die Beitragsbemessungsgrenze mit dem Verhältnis vervielfältigt wird, in dem die Summe der Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen für die letzten drei vor Aufnahme der nach § 4 Abs. 1 SGB VI versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit voll mit Pflichtbeiträgen belegten Kalendermonate zur Summe der Beträge der Beitragsbemessungsgrenzen für dessen Zeitraum steht; der Verhältniswert beträgt mindestens 0,6667 (§ 166 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI). Die Regelung stellt sicher, dass das im Ausland tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt der Beitragsberechnung zugrunde gelegt wird, wenn es höher ist als der fiktiv ermittelte Wert.

Bei Antragsversicherten ist auf den Beginn der Versicherungspflicht zu achten. Vor diesem Tag liegende Beurlaubungszeiten sind grundsätzlich nicht versicherungsfähig und können daher auch nicht in die Aufschubbescheinigung aufgenommen werden (siehe § 230 Abs. 2 Satz 4 SGB VI). Anträge sind daher möglichst zu Beginn des Urlaubs zu stellen.

Weitere Auskünfte zu zwischen- und überstaatlichen Vereinbarungen im Hinblick auf die Anwendung des Sozialversicherungsrechts der Bundesrepublik Deutschland oder ausländischen Rechts sind auf der Internetseite www.deutscherentenversicherung.de zu finden.

Bei einer Beurlaubung ohne Bezüge für eine Tätigkeit bei zwischen- oder überstaatlichen Einrichtungen im Rahmen der Entsendungsrichtlinien kommt eine Gewährleistung im Regelfall nicht in Betracht, solange die Erstattung etwaiger Nachversicherungsbeiträge noch ungelöst ist. Dies gilt nicht, wenn ein deutscher öffentlicher Arbeitgeber (z. B. das Auswärtige Amt) oder eine andere Einrichtung der deutschen öffentlichen Hand allgemein oder im Einzelfall die Erstattungsverpflichtung übernommen hat.

Bei Personen, denen für die Zeit des Dienstes oder der Beschäftigung im Ausland keine Versorgungsanwartschaften gewährleistet werden, ist - erforderlichenfalls unter Beteiligung des Rentenversicherungsträgers - zu prüfen, ob die Beschäftigung nach deutschem Rentenversicherungsrecht versicherungspflichtig ist, z. B. nach § 4 SGB IV (Ausstrahlung). Gegebenenfalls ist bei in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI genannten Personen auf deren Wunsch zu prüfen, ob eine Antragsversicherung nach Satz 2 der Vorschrift gerechtfertigt und möglich ist. Vor der Beantragung einer solchen Versicherung ist mit der zu versichernden Person gemäß § 179 Abs. 2 SGB VI zu vereinbaren, dass sie im Hinblick auf § 170 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI der Antrag stellenden Stelle die Beiträge - je nach Interessenlage an der Beurlaubung - ganz oder teilweise zu erstatten hat.

Auch nicht erwerbswirtschaftlich orientierte Stellen außerhalb der Entwicklungshilfe (z. B. Umweltschutzorganisationen, Friedensdienste oder sonstige mit humanitären Aufgaben befasste Einrichtungen) sind nach § 4 Abs. 1 Satz 1 SGB VI im Rahmen der Versicherungspflicht auf Antrag antragsberechtigt. Da Friedenseinsätze als wichtiges Instrument ziviler Krisenprävention zunehmend an Bedeutung gewinnen, ist seit dem 5. 7. 2017 die Neufassung des SekG vom 27. 6. 2017 (BGBl. I S. 2070), geändert durch Artikel 148 der Verordnung vom 19. 6. 2020 (BGBl. I S. 1328), für Personen, die im Rahmen von internationalen Einsätzen zur zivilen Krisenprävention bei internationalen, supranationalen oder ausländischen staatlichen Einrichtungen tätig werden, zu beachten. Deren soziale Absicherung bestimmt sich nach diesem Gesetz, soweit keine anderweitige Absicherung, insbesondere keine solche durch die aufnehmende Einrichtung, besteht.

5.2 Gesetzliche Krankenversicherung

Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 SGB V bleiben Personen, die nach § 6 Abs. 1 SGB V oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften mit Ausnahme von § 6 Abs. 2 und § 7 SGB V krankenversicherungsfrei oder von der Krankenversicherungspflicht befreit sind, auch dann kraft Gesetzes krankenversicherungsfrei, wenn sie anderweitig eine der Voraussetzungen für die Krankenversicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 oder 5 bis 13 SGB V erfüllen. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang auf Nummer 2. Das heißt, die krankenversicherungsfreien Beamtinnen und Beamten oder rechtlich vergleichbaren Personen sind bei Zweitbeschäftigungen außerhalb des die Krankenversicherungsfreiheit begründenden Dienstverhältnisses grundsätzlich krankenversicherungsfrei.

Die Voraussetzungen für die Krankenversicherungsfreiheit sind nicht erfüllt, wenn die an sich krankenversicherungsfreien Beamtinnen und Beamten oder rechtlich vergleichbaren Personen während einer Beurlaubung ohne Bezüge eine anderweitige versicherungspflichtige Beschäftigung ausüben, es sei denn, die Beihilfe- oder Heilfürsorgeberechtigung und der Anspruch auf unbegrenzte Bezügefortzahlung im Krankheitsfall sind durch den privaten oder ggf. anderen öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber außerhalb der Landesverwaltung weiterhin gewährleistet.

Vorgenannte beurlaubte Beamtinnen und Beamte sind in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungsfrei, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

  1. a)

    Der private oder andere öffentlich-rechtliche Arbeitgeber verpflichtet sich, die oder den Beurlaubten im Krankheitsfall für die gesamte Zeit der Beurlaubung das vereinbarte Arbeitsentgelt und Beihilfe oder Heilfürsorge nach den jeweils geltenden rechtlichen Regelungen zu gewähren.

  2. b)

    Der beurlaubende Dienstherr erklärt, dass er die Rückkehr der beurlaubten Person ab dem Zeitpunkt gewährleistet, zu dem der private oder andere öffentlich-rechtliche Arbeitgeber diese Leistungen im Krankheitsfall nicht mehr erbringt.

Danach ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, die beurlaubten Personen im Krankheitsfall wie eine Beamtin oder einen Beamten zu schützen, insbesondere die Leistungen im Krankheitsfall zeitlich unbegrenzt zu erbringen. Ergibt sich aus der Erklärung des privaten oder anderen öffentlich-rechtlichen Arbeitgebers kein nahtloser Schutz im Krankheitsfall, ist die beurlaubte Person nicht nach § 6 Abs. 3 Satz 1 SGB V versicherungsfrei.

Ruhegehaltempfängerinnen und Ruhegehaltempfänger, die eine dem Grunde nach krankenversicherungspflichtige Beschäftigung aufnehmen, sind nach § 6 Abs. 3 Satz 1 SGB V kraft Gesetzes grundsätzlich krankenversicherungsfrei.

Entgeltlich beschäftigte Praktikantinnen und Praktikanten sind als solche in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V versicherungspflichtig (BSG-Urteil vom 3. 2. 1994 - 12 RK 78/92). Dem steht nicht entgegen, dass diese Personen aufgrund einer Beschäftigung zur Ausbildung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI in der Rentenversicherung der Versicherungspflicht bzw. in der Arbeitslosenversicherung der Beitragspflicht unterliegen.

5.3 Arbeitslosenversicherung

Eine § 6 Abs. 3 Satz 1 SGB V entsprechende Vorschrift besteht für den Bereich der Arbeitslosenversicherung zwar nicht, jedoch sind Beamtinnen und Beamte oder rechtlich vergleichbare Personen bei Ausübung einer anderweitigen Beschäftigung während einer Beurlaubung ohne Bezüge nach § 27 SGB III beitragsfrei, wenn im Krankheitsfall der Anspruch auf unbegrenzte Fortzahlung der Bezüge und auf Beihilfe oder Heilfürsorge weiterhin gewährleistet ist (Nummer 5.2).

Sind beurlaubte Beamtinnen und Beamte sowie Richterinnen und Richter wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V versicherungsfrei, so ist Beitragsfreiheit in der Arbeitslosenversicherung nach § 27 SGB III nur gegeben, wenn zugleich die Voraussetzungen für die Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB V erfüllt sind.

In der Arbeitslosenversicherung unterliegen Ruhegehaltempfängerinnen und Ruhegehaltempfänger, die eine Beschäftigung ausüben, der Versicherungspflicht, es sei denn, dass Versicherungsfreiheit aus anderen Gründen gegeben ist (z. B. bei geringfügiger oder unständiger Beschäftigung - § 27 Abs. 2 und 3 SGB III).

5.4 Zusammenfassung

Bei einer Zweit- oder einer anderweitigen Beschäftigung sind die Voraussetzungen einer Versicherungsfreiheit/Beitragsfreiheit gegeben

  • in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der Arbeitslosenversicherung ohne Gewährleistungsentscheidung kraft Gesetzes (§ 6 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 SGB V; § 27 Abs. 2 SGB III), wenn die Voraussetzungen hierfür - Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge und Beihilfe oder Heilfürsorge im Krankheitsfall - weiterhin vorliegen. Die beurlaubte Person hat das Vorliegen dieser Voraussetzungen ggf. durch eine Bescheinigung des beurlaubenden Dienstherrn und des aufnehmenden Arbeitgebers nachzuweisen;

  • in der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund der allgemeinen Gewährleistungsentscheidung (Nummer 8) oder aufgrund eines besonderen Gewährleistungsbescheides (Nummer 9) nach § 5 Abs. 1 Satz 1 SGB VI.

Außer Kraft am 1. Januar 2027 durch Nummer 14 Satz 1 des Runderlasses vom 10. November 2020 (Nds. MBl. S. 1424)