Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 28.01.2009, Az.: L 3 KA 99/07

Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs wegen unzulässiger Arzneimittelverordnung; Verordnung eines nur aufgrund der gegen die Ablehnung der Zulassung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte erhobenen Klage verkehrsfähigen Medikaments; Konsequenzen der Verordnung bei Berücksichtigung der Interessen der Krankenkassen sowie der Patientin; Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Arzneimitteltherapie bei nicht erteilter Zulassung

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
28.01.2009
Aktenzeichen
L 3 KA 99/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 13635
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2009:0128.L3KA99.07.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - 10.10.2007 - AZ: S 16 KA 92/07
nachfolgend
BSG - 05.05.2010 - AZ: B 6 KA 5/09 R

Fundstelle

  • MedR 2009, 501-504

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 10. Oktober 2007 und der Bescheid des Beklagten vom 15. Januar 2007 aufgehoben. Der Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 133,07 EUR festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs wegen unzulässiger Arzneimittelverordnung wegen Zeitablaufs ausgeschlossen oder ob der Anspruch verjährt ist.

2

Der Beigeladene zu 1. ist Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Hebammenlehranstalt des Kreiskrankenhauses D. und war im hier fraglichen Zeitraum zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt. Auf vertragsärztlichem Rezeptformular verordnete er am 18. Dezember 2000 zu Gunsten einer bei der Beigeladenen zu 8. Versicherten "Wobe Mugos E"-Tabletten. Dabei handelte es sich um ein zur Metastasenprophylaxe bestimmtes Enzympräparat, das zum damaligen Zeitpunkt (nur) verkehrsfähig war, weil die Herstellerfirma gegen die Ablehnung der Zulassung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Klage erhoben hatte. Am 22. Oktober 2001 beantragte die Beigeladene zu 8. bei der klagenden Kassenärztlichen Vereinigung (KV) die Gutschrift eines Regresses in Höhe der hierauf entfallenen Kosten von 260,27 DM (umgerechnet: 133,07 EUR) und legte zur Begründung dar, ungeachtet des noch laufenden Verwaltungsgerichtsverfahrens sei die Verordnung von "Wobe Mugos E" im Rahmen vertragsärztlicher Versorgung zumindest unwirtschaftlich und damit in der Regel unzulässig. Mit Schreiben vom 27. Dezember 2001 setzte die Klägerin den Beigeladenen zu 1. über den Antrag in Kenntnis und teilte mit, da nur eine fiktive Zulassung vorliege und die Rechtslage hinsichtlich der Verordnungsfähigkeit des Präparats unsicher sei, werde sie bis zur Rechtsklärung den Antrag ruhen lassen.

3

Nachdem der 1. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) mit Urteil vom 27. September 2005 (SozR 4-2500 § 31 Nr. 3) entschieden hatte, dass "Wobe Mugos E" nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden könne, nahm der Prüfungsausschuss bei der Geschäftsstelle der Prüfungseinrichtungen Niedersachsen das Verfahren wieder auf und bat den Beigeladenen zu 1. mit Schreiben vom 21. April 2006 um fallbezogene Stellungnahme. Der Beigeladene zu 1. vertrat (im Schreiben vom 16. Mai 2006) die Auffassung, die Angelegenheit sei mittlerweile verjährt. Zum Zeitpunkt der Rezeptierung habe bei der behandelten Patientin eine lebensbedrohliche Erkrankung vorgelegen - an der sie inzwischen verstorben sei - , die durch die eingeleiteten schuldmedizinischen Maßnahmen nicht bzw. nur mit Einschränkungen zu beeinflussen gewesen sei; es habe in der zur Verfügung stehenden medizinischen Literatur genügend ernsthafte Hinweise auf einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg des rezeptierten Medikaments gegeben.

4

Mit Bescheid vom 10. August 2006 (Datum des Postausgangs) setzte der Prüfungsausschuss Niedersachsen einen Regress in Höhe von 133,07 EUR fest. Der entsprechende Anspruch der Krankenkasse sei nicht verjährt, weil der Ablauf der Verjährung durch die seinerzeitige Anordnung des Ruhens des Verfahrens gehemmt worden sei. Aus den Gründen des o. a. BSG-Urteils vom 27. September 2005 ergebe sich, dass eine zuverlässige wissenschaftlich nachprüfbare Aussage über den Behandlungserfolg des fraglichen Präparats in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Fällen nicht vorhanden sei und die bloße Verkehrsfähigkeit nicht ersetze.

5

Der hiergegen am 06. September 2006 eingelegte Widerspruch des Beigeladenen zu 1. blieb erfolglos. In seinem diesbezüglichen Bescheid vom 15. Januar 2007 vertrat der Beklagte die Auffassung, im vorliegenden Fall sei die von der BSG-Rechtsprechung entwickelte Ausschlussfrist nicht einschlägig, weil dem Interesse des betroffenen Arztes, nicht zeitlich unbegrenzt Ersatzansprüchen ausgesetzt zu sein, schon durch die Verjährungsfristen Rechnung getragen worden sei, wie das BSG mit Urteil vom 28. August 1996 - 6 RKa 88/95 - bereits entschieden habe. Der Ablauf der Verjährungsfrist sei vorliegend aber dadurch unterbrochen bzw. gehemmt worden, dass der betroffene Vertragsarzt von der Prüfungseinrichtung über die Antragstellung der Krankenkasse informiert und ihm rechtliches Gehör eingeräumt worden sei. Wie der 1. Senat des BSG mittlerweile entschieden habe, reiche die fiktive Zulassung des Präparats "Wobe Mugos E" für die Begründung eines Leistungsanspruchs der gesetzlichen Krankenversicherung nicht aus; vielmehr fehle es auch hier an der krankenversicherungsrechtlichen Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der entsprechenden Arzneimitteltherapie. Eine Verordnungsfähigkeit aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG - Beschluss vom 06. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 -) komme mangels Vorliegens der erforderlichen Voraussetzungen nicht in Betracht. Die Festsetzung des Regresses setze schließlich auch kein Verschulden und keine vorangegangene Beratung des Vertragsarztes voraus.

6

Hiergegen hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 05. Februar 2007 Klage erhoben, die am 06. Februar 2007 bei dem Sozialgericht (SG) Hannover eingegangen ist und mit der sie geltend gemacht hat, dass der Bescheid vom 15. Januar 2007 ohne Rechtsgrund ergangen sei. Dem Beklagten habe keine Prüfbefugnis zugestanden, weil die von Amts wegen zu beachtende vierjährige Ausschlussfrist verstrichen gewesen sei, die auch bei Prüfungen wegen unzulässiger Arzneimittelverordnungen eingreife. Die Frist hätte nur durch einen spätestens mit Ablauf des 31. Dezember 2005 erlassenen Prüfbescheid gewahrt werden können, den der Prüfungsausschuss aber nicht zeitgerecht erlassen habe. Der Lauf der Ausschlussfrist sei auch nicht dadurch gehemmt worden, dass der Beigeladene zu 1. über die Antragstellung der Krankenkasse informiert worden sei. Denn dieser Antrag könne von vornherein nur zu dem Zweck gestellt werden, eine drohende Verfristung zu verhindern, was die Gefahr eines willkürlichen Handelns begünstigen würde. Soweit das BSG in seiner vom Beklagten herangezogenen Entscheidung vom 28. August 1996 eine analoge Anwendung von (jetzt) § 204 Satz 1 Nr. 12 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erwogen habe, könne dies nur in Ausnahmefällen gelten, wobei der dort entschiedene erheblich von dem vorliegenden Fall abweiche. Am 06. September 2006 habe das BSG - im Verfahren B 6 KA 40/05 R - im Übrigen entschieden, dass die Hemmung der Ausschlussfrist den Erlass eines Verwaltungsaktes gegenüber dem Betroffenen voraussetze. Vorsorglich hat die Klägerin außerdem die Einrede der Verjährung erhoben.

7

Der Beklagte hat erstinstanzlich an der in seinem Bescheid dargelegten Auffassung festgehalten und u.a. die Auffassung vertreten, er habe lediglich über die Festsetzung eines Regresses zu entscheiden; ob der Regressanspruch wegen Eintritts der Verjährung durchzusetzen sei, sei dagegen von der Klägerin zu klären.

8

Das SG hat u.a. den ermächtigten Arzt beigeladen (Zustellung des Beiladungsbeschlusses vom 18. April 2007 an ihn: 30. Mai 2007) und mit Urteil vom 10. Oktober 2007 die Klage abgewiesen. Die Prüfgremien seien zur Festsetzung von Arzneikostenregressen berechtigt gewesen; sie seien nicht wegen Zeitablaufs gehindert gewesen, gegen den Beigeladenen zu 1. einen Regress wegen der Verordnung unzulässiger Arzneimittel festzusetzen. Die vierjährige Ausschlussfrist sei im Rahmen der richterlichen Rechtsfortbildung für Honorarkürzungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise, nach sachlich-rechnerischer Richtigstellung und aufgrund degressionsbedingter Honorarminderung entwickelt worden. Durch den hier festgesetzten Regress werde jedoch (unmittelbar) keine Honorarkürzung bewirkt; vielmehr entstehe ein eigenständiger Anspruch der Kasse auf Ausgleich des durch die Verordnung entstandenen Schadens. Die Übertragung der vierjährigen Ausschlussfrist auf die Festsetzung von Regressen wegen unwirtschaftlicher Verordnung sei auch nicht zur Wahrung des rechtsstaatlichen Gebots der Rechtssicherheit erforderlich, weil § 24 Abs. 5 der zum Zeitpunkt der hier streitigen Verordnung geltenden Prüfvereinbarung bereits vorsehe, dass die Krankenkassen ihren Antrag auf Festsetzung eines sonstigen Schadens innerhalb von vier Jahren nach der Pflichtverletzung stellen müssten. Der Arzt sei von der Antragstellung unverzüglich zu unterrichten und wisse dann, dass er möglicherweise zu einem Schadensausgleich verpflichtet werden könne; ein weitergehender Schutzbedarf des Arztes bestehe nicht. Im Übrigen könne die vierjährige Ausschlussfrist mit der ebenso langen Antragsfrist des § 24 Abs. 5 kollidieren, weil ein unter Ausnutzen der Antragsfrist gestellter Antrag wegen des Eingreifens der Ausschlussfrist faktisch ins Leere ginge. Der Arzt werde schließlich unmittelbar erst durch die Geltendmachung der KV mit dem gegen ihn festgesetzten Schadensersatzanspruch konfrontiert. Dieser gegenüber könne er gegebenenfalls die Einrede der Verjährung und sonstige Einwendungen oder Einreden geltend machen; dieses Verhältnis sei jedoch nicht Gegenstand des Rechtsstreits. Die von der Klägerin erhobene Einrede der Verjährung sei im vorliegenden Verfahren ohne Rechtswirkung, weil das hier fragliche verfahrensrechtliche Gestaltungsrecht grundsätzlich nicht der Verjährung unterliegen könne.

9

Gegen das ihr am 09. November 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz von 26. November 2007 die vom SG zugelassene Berufung eingelegt, die am 28. November 2007 bei dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingegangen ist. Zu Unrecht sei das SG zum Ergebnis gekommen, in Hinblick auf § 24 Abs. 5 der Prüfvereinbarung stünden dem betroffenen Arzt weder die vierjährige Ausschlussfrist noch die Verjährungsvorschriften des BSG zur Seite. Insbesondere seien die Antrags- und die Ausschlussfrist nicht deckungsgleich. Zu Unrecht nehme das SG auch an, Verjährungs- bzw. sonstige Einreden und Einwände könnten erst bei Umsetzung des Regressbescheides geltend gemacht werden. Denn bei dem Prüfanspruch handele es sich nicht um ein der Verjährung unterliegendes Gestaltungsrecht, so dass die vierjährige Ausschlussfrist einschlägig sei. Im Übrigen missachte diese Auffassung das Recht des Schuldners, jederzeit frei darüber entscheiden zu können, ob und vor allem wann er die Verjährungseinrede erheben wolle; es mache auch Sinn, die Verjährungseinrede bereits im Verfahren vor den Prüfgremien zu erheben, weil andernfalls erst ein langwieriges Verwaltungs- und Gerichtsverfahren durchlaufen werden müsse. Auch das BSG hätte sich schließlich nicht mit der Frage der Verjährung im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung auseinander setzten müssen, wenn es von der Auffassung des SG Hannover ausgegangen wäre. Im Übrigen wiederholt die Klägerin ihre Auffassung, dass die Hemmung von Ausschlussfristen zwingend den Erlass eines Verwaltungsakts gegenüber dem Betroffenen erfordere.

10

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 10. Oktober 2007 und den Bescheid des Beklagten vom 15. Januar 2007 aufzuheben,

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hilfsweise:

das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 10. Oktober 2007, den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 10. August 2006 und den Bescheid des Beklagten vom 15. Januar 2007 aufzuheben.

12

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

13

Sie ist weiterhin der Auffassung, dass für Schadensersatzansprüche wegen unzulässiger Arzneimittelverordnungen nicht die vierjährige Ausschlussfrist, sondern eine entsprechende Verjährungsfrist gelte. Prüfgremien könnten auch verjährte Schadensersatzansprüche feststellen, um z.B. Klarheit über die Verordnungsfähigkeit eines bestimmten Präparates herzustellen; für die Umsetzung des Anspruchs sei allerdings die Klägerin zuständig. Zu Recht habe das SG auch ausgeführt, dass der Vertragsarzt bereits durch die vierjährige Antragspflicht nach § 24 Abs. 5 der entsprechenden Prüfvereinbarung ausreichend vor einer überraschenden Regressentscheidung nach einem unverhältnismäßig langen Zeitraum geschützt werde. Im Übrigen wiederholt der Beklagte seine bereits im angefochtenen Bescheid dargelegte Rechtsauffassung.

14

Die übrigen Beteiligten stellen keinen Antrag und haben sich zur Rechtslage nicht geäußert.

15

In Hinblick auf den weiteren Sach- und Streitstand wird ergänzend auf die Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

16

Die kraft Zulassung durch das SG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen.

17

Klagegegenstand ( § 95 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) in Verfahren, in denen - wie vorliegend - Bescheide des Prüfungsausschusses und des Beschwerdeausschusses erlassen worden sind, ist nach ständiger BSG-Rechtsprechung (vgl. z.B. SozR 2200 § 368 n Nr. 48) allein der Bescheid des beklagten Beschwerdeausschusses, hier also der Verwaltungsakt vom 15. Januar 2007. Das BSG hat in früheren Urteilen zwar dargelegt, dass ausnahmsweise auch der vorangegangene Bescheid des Prüfungsausschusses aufzuheben ist, wenn der Beschwerdeausschuss rechtlich gehalten gewesen ist, diesen zu kassieren (SozR 3-1300 § 35 Nr. 5; SozR 3-2500 § 106 Nr. 22). Dies könnte insbesondere bei Verfahrenshindernissen der Fall sein, die schon im Grundsatz der Durchführung eines Prüfverfahrens entgegenstehen, etwa beim Eingreifen der - auch vorliegend umstrittenen - vierjährigen Ausschlussfrist. In späteren Entscheidungen (z.B. SozR 3-2500 § 106 Nr. 35) hat das BSG dies allerdings wieder in Frage gestellt. Nachdem das BSG in dieser Entscheidung ausgeführt hat, dass der Bescheid des Beschwerdeausschusses den ursprünglichen Verwaltungsakt des Prüfungsausschusses ersetze (a.a.O. Seite 194), geht der erkennende Senat davon aus, dass auch in Fällen der genannten Art ausschließlich der Bescheid des Beschwerdeausschusses Klagegegenstand ist. Denn wenn der Bescheid des Prüfungsausschusses durch den Verwaltungsakt des Beschwerdeausschusses ersetzt worden ist, ist ersterer nicht mehr existent und kann deshalb nicht Gegenstand der - hier gemäß § 54 Abs. 1 SGG statthaften - Anfechtungsklage sein.

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Die Klägerin ist auch zur Erhebung der Klage gegen den unmittelbar nur den Beigeladenen zu 1. belastenden Bescheid des Beklagten befugt (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die hierfür erforderliche Betroffenheit in eigenen Rechten folgt nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (BSG SozR 3-5545 § 23 Nr. 1; SozR 4-2500 § 106 Nr. 5) aus ihrer Gesamtverantwortung für eine den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entsprechende Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 75 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V).

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Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid vom 15. Januar 2007 ist rechtswidrig.

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Rechtsgrundlage des vom Prüfungsausschuss festgesetzten und vom Beklagten bestätigten Regresses ist § 24 Abs. 1 der im hier fraglichen Zeitraum geltenden Vereinbarung zur Wirtschaftlichkeitsüberwachung nach § 106 SGB V ( PrüfV) vom 24. Juni 1996 (Nds. ÄBl. 9/1996, 106 ff.; ersetzt mit Wirkung vom 01. Januar 2004 durch die PrüfV vom 28. Juni 2005 (Nds. ÄBl. 10/2005, 68 ff)), deren gesetzliche Grundlage § 106 Abs. 3 SGB V (in der hier anwendbaren Fassung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 vom 22. Dezember 1999) ist. Danach haben die Prüfungseinrichtungen auf Antrag der Krankenkassen den "sonstigen Schaden" nach § 48 Abs. 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 44 Abs. 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen (EKV-Ä) festzustellen. Als "sonstigen Schaden" nennen die in Bezug genommenen bundesmantelvertraglichen Vorschriften in erster Linie den Schaden, der den Kassen aus der unzulässigen Verordnung von Leistungen entstanden ist, die aus der gesetzlichen Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sind. Wie das BSG näher ausgeführt hat (SozR 3-2500 § 106 Nr. 52), handelt es sich hierbei aber nicht um "sonstige Schäden" im Sinne der bisherigen BSG-Rechtsprechung, die dadurch gekennzeichnet sind, dass ein bestimmtes ärztliches Verhalten Folgekosten der Kasse ausgelöst hat und bei denen eine schuldhafte Pflichtverletzung des Vertragsarztes erforderlich ist. Vielmehr liegt insoweit eine eigenständige Regressform vor (im Folgenden: Arzneiverordnungsregress), bei der der auszugleichende Schaden demjenigen entspricht, der durch eine unwirtschaftliche Verordnungsweise im Sinne von § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V entstanden ist. Da auch die rechtlich nicht zulässige Verordnung unwirtschaftlich im Sinne des § 106 SGB V ist, hat das BSG a.a.O. die Übertragung der entsprechenden Prüfungskompetenz an die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung als rechtmäßig angesehen.

21

Bedenken hinsichtlich der formellen Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen nicht. Der Beklagte konnte insbesondere entscheiden, ohne eine vorherige Entscheidung der Klägerin über den an diese gerichteten Antrag der Beigeladenen zu 8. abzuwarten. § 12 Abs. 10 der PrüfV vom 24. Juni 1996 hat zwar eine derartige Entscheidung der KV bei Verstößen "gegen die Arzneimittel-Richtlinien" vorgesehen, bevor die Prüfgremien hiermit befasst werden. Für Fragen der Zuständigkeitszuordnung im Zusammenhang mit Wirtschaftlichkeitsprüfungen kommt es jedoch auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an (vgl. BSG-Urteil vom 16. Juli 2008 - B 6 KA 36/07 R - [...] - m.w.N.). In der dementsprechend maßgeblichen heute geltenden PrüfV vom 28. Juni 2005 ist eine derartige Vorprüfung der KV nicht mehr vorgesehen (vgl. dort § 29 Abs. 2). Die Beigeladene zu 8. hat weiterhin auch die gemäß § 24 Abs. 5 Satz 1 PrüfV zu beachtende Antragsfrist - ein Jahr seit Kenntnis der Tatsachen, welche Veranlassung für den Antrag gegeben haben - eingehalten; denn der Antrag ist am 22. Oktober 2001 bei der Klägerin und damit bereits etwa zehn Monate nach Ausstellung der problematischen Verordnung gestellt worden.

22

Zu Recht ist zwischen den Hauptbeteiligten unstrittig, das der Beigeladene zu 1. das Präparat "Wobe Mugos E" nicht zu Lasten der Beigeladenen zu 8. verordnen durfte. Die Versicherte hatte keinen Anspruch darauf, dass ihr dieses Arzneimittel als Leistung der Krankenkasse gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V zur Verfügung gestellt wird.

23

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG fehlt es an der hierfür erforderlichen Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Arzneimitteltherapie ( §§ 2 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 1 SGB V), wenn das verwendete Mittel nach den Regelungen des Arzneimittelrechts einer Zulassung bedarf und diese nicht erteilt worden ist (SozR 3-2200 § 182 Nr. 17; SozR 3-2500 § 31 Nr. 8). So verhielt es sich hier, weil das insoweit zuständige BfArM es mit Bescheid vom 09. Juni 1998 abgelehnt hat, die frühere Zulassung für Vorgängerpräparate des hier umstrittenen Arzneimittels für "Wobe Mugos E" zu verlängern. Der Hersteller hat hiergegen zwar Klage vor dem Verwaltungsgericht (VG) Berlin erhoben, die aufschiebende Wirkung hatte, weil das BfArM nicht die sofortige Vollziehung nach § 105 Abs. 5 b Satz 2 des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln - Arzneimittelgesetz - (AMG) angeordnet hat. Diese vorübergehende, allein prozessrechtlich begründete Berechtigung des Herstellers, "Wobe Mugos E" in Verkehr zu bringen, steht der o. a. Zulassung aber nicht gleich, weil hiermit über die Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit des Präparats nichts ausgesagt wird. Der 1. Senat des BSG hat deshalb eine Leistungspflicht der Krankenkassen verneint (Urteil vom 27. September 2005 - B 1 KR 6/04 R - SozR 4-2500 § 31 Nr. 3).

24

Hieraus folgt, dass ein Arzt, der - wie vorliegend der Beigeladene zu 1. - dieses Präparat vertragsärztlich verordnet hat, verpflichtet ist, der betroffenen Krankenkasse den Schaden zu ersetzen, der ihr daraus erwachsen ist, dass sie auf Grund der Vorlage der Verordnung und der Auslieferung des Arzneimittels durch die Apotheken zur Zahlung entsprechender Beträge verpflichtet worden ist. Dies hat das LSG Nordrhein-Westfalen mit zutreffender Begründung in seinem Urteil vom 14. November 2007 (L 11 KA 36/07) dargelegt. Die hiergegen eingelegte Revision ist von dem für das Vertragsarztrecht zuständigen 6. Senat des BSG zurückgewiesen worden (Urteil vom 05. November 2008 - B 6 KA 63/07 R - vgl. Pressemitteilung Nr. 52/08). Das LSG hat a.a.O. dabei auch zutreffend dargelegt, dass ein Verschulden des Vertragsarztes hierfür nicht erforderlich ist und sich dieser auch nicht auf ein Vertrauen darauf berufen könnte, dass "Wobe Mugos E" weiterhin zu Lasten der Krankenkassen verordnet werden kann.

25

Eine Leistungspflicht der Beigeladenen zu 8. ergibt sich auch nicht unter Zugrundelegung einer verfassungskonformen Auslegung der §§ 12, 27, 31, 135 SGB V nach Maßgabe des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06. Dezember 2005 (SozR 4-2500 § 27 Nr. 5). Nach diesem Beschluss verstößt es gegen das Grundgesetz, wenn eine neue ärztliche Behandlungsmethode unter Hinweis auf die fehlende Anerkennung gemäß § 135 Abs. 1 SGB V nicht als Kassenleistung gewährt wird, obwohl eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Krankheit vorliegt, bezüglich derer eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, und wenn hinsichtlich der Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Es kann vorliegend schon nicht festgestellt werden, dass eine medizinischem Standard entsprechende Therapie nicht zur Verfügung stand. Der Beigeladene zu 1. hat hierzu lediglich vorgetragen, bei der Patientin habe eine lebensbedrohliche Erkrankung vorgelegten, die "durch die eingeleiteten schulmedizinischen Maßnahmen nicht bzw. nur mit Einschränkungen zu beeinflussen" gewesen sei (Schreiben vom 16. Mai 2006). Warum eine Linderung der Beschwerden oder eine Lebensverlängerung, wie sie möglicherweise mit der Verabreichung von "Wobe Mugos E" beabsichtigt gewesen ist, nicht mehr mit allgemein anerkannten medizinischen Standardmaßnahmen möglich oder zumutbar gewesen ist, ist damit jedoch nicht mit ausreichender Deutlichkeit dargelegt worden.

26

Wird - wie hier - ein Arzneiverordnungsregress nach Einzelfallprüfung geltend gemacht, steht dem Prüfgremium schließlich auch kein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum zu. Dies hat der Senat mit Urteil vom 27. August 2008 (L 3 KA 484/03 - [...]; Revision anhängig unter dem AZ.: B 6 KA 37/08 R) eingehend dargelegt (im Ergebnis ebenso: LSG Nordrhein-Westfalen a.a.O.)

27

Der Beklagte war aber durch Fristablauf an der Festsetzung eines Regresses gehindert.

28

Entgegen der Auffassung der Klägerin greift vorliegend allerdings nicht die von der BSG-Rechtsprechung entwickelte vierjährige Ausschlussfrist ein. Das BSG hat bereits mit Urteil vom 28. August 1996 (6 RKa 88/95 - SozR 3-5545 § 23 Nr. 1) näher dargelegt, dass diese nicht gilt, wenn ein im Einzelfall festzusetzender Schadensersatzanspruch einer Krankenkasse geltend gemacht wird, weil dieser nach der allgemeinen Regelung des § 194 Abs. 1 BGB verjähren kann. An einem derartigen der Verjährung fähigen Anspruch fehlt es dagegen in Fällen, in denen sich Honorarkürzungen erst aus der Wahrnehmung von Gestaltungsrechten ergeben, wie dies bei der Honorarkürzung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise (vgl. hierzu grundlegend: BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 19) oder nach sachlich-rechnerischer Berichtigung (vgl. z.B. BSG SozR 3-5535 Nr. 119) der Fall ist. Nur in diesen Fällen erfordert die Verhinderung einer zeitlich unbegrenzten Prüfmöglichkeit aus Gründen der Rechtssicherheit die Einführung einer richterrechtlich begründeten Ausschlussfrist. Für diese ist dagegen von vornherein kein Raum, wenn sich die Regressforderung aus einem Schadensersatzanspruch ergibt, bei dem die zeitliche Begrenzung bereits aus der Möglichkeit der Verjährung erfolgt.

29

Wie das BSG in seiner Entscheidung vom 28. August 1996 (a.a.O.) ausgeführt hat, ist dies bei Regressansprüchen zum Ausgleich eines "sonstigen Schadens" oder wegen unzulässiger bzw. unwirtschaftlicher Arzneiverordnungen (vgl. hierzu auch BSG SozR 2200 § 368 e Nr. 10) der Fall. In späteren Entscheidungen (SozR 3-2500 § 106 Nr. 52; SozR 4-2500 § 106 Nr. 7) hat das BSG den "sonstigen Schaden" gegen den Arzneiverordnungsregress zwar abgegrenzt, allerdings nur in Hinblick auf die Struktur des zu ersetzenden Schadens (Mangelfolgeschaden bzw. Schaden im Zusammenhang des § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V) und die sich hieraus ergebende Folge, dass für den Arzneiverordnungsregress ein Verschulden nicht erforderlich ist. Auf den im vorliegenden Fall entscheidenden Umstand, dass ein verjährbarer individueller Schadensersatzanspruch einer Krankenkasse vorliegt, ist dies ohne Einfluss. Offen bleiben kann in diesem Zusammenhang, ob die Verjährung auch bei Regressen wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise nach Durchschnittsprüfung gilt; dies ist jedenfalls zweifelhaft (ablehnend auch: Clemens in: jurisPK-SGB V, Stand: 01. August 2007, § 106 Rdnr. 151; für Regresse nach Richtgrößen-Prüfungen: BSG SozR 4-2500 § 106 Nr. 11), weil in derartigen Fällen nicht einzelne, bestimmten Krankenkassen zuzuordnende Schadensersatzansprüche Gegenstand des Prüfverfahrens sind.

30

Der Schadensersatzanspruch der Beigeladenen zu 8. gegen den Beigeladenen zu 1. ist aber verjährt. Die insoweit erforderliche Verjährungseinrede ist vom Beigeladenen zu 1. als Schuldner des Anspruchs mit Schreiben vom 16. Mai 2006 gegenüber dem Prüfungsausschuss erhoben worden. Auf eine entsprechende "Einrede" der Klägerin - hier: in der Klageschrift vom 05. Februar 2007 erhoben - kommt es daher vorliegend nicht an. Welche Rechtslage gilt, wenn nicht der Vertragsarzt, sondern nur die KV die Verjährungseinrede erhoben hat - wie der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 28. Januar 2009 ausgeführt hat, ist dies in einem Teil der dort noch anhängigen Verfahren der Fall - ist deshalb hier nicht zu entscheiden.

31

Die Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche der vorliegenden Art beträgt vier Jahre (BSG SozR 2200 § 368 e Nr. 10; SozR 3-5545 § 23 Nr. 1). Nach der Rechtsprechung des BSG (SozR 3-5545 § 23 Nr. 1) beginnt die Verjährung spätestens mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem der fragliche Schadensersatzanspruch entstanden ist (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I)). Geht man im vorliegenden Fall davon aus, dass die umstrittene Verordnung im Jahr 2001 eingelöst und sodann von der Beigeladenen zu 8. bezahlt worden ist, hat der Lauf der Verjährungsfrist eines entsprechenden Schadensersatzanspruchs deshalb spätestens mit Ablauf des Jahres 2001 begonnen und war mit Ablauf des Jahres 2005 - und damit vor dem Erlass des Bescheides des Prüfungsausschusses vom 10. August 2006 - vollendet.

32

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Verjährung nicht dadurch gehemmt worden, dass die Beigeladene zu 8. die Festsetzung des Schadensersatzanspruchs am 22. Oktober 2001 bei der Klägerin beantragt und die Klägerin dies dem Beigeladenen zu 1. unter dem 27. Dezember 2001 mitgeteilt hat.

33

In seiner Entscheidung vom 28. August 1996 (a.a.O.) hat das BSG ausdrücklich offen gelassen, ob die Verjährung in einem derartigen Fall in entsprechender Anwendung der § 210 BGB (in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung (a.F.)) unterbrochen wird. Hiernach wird die Verjährung durch die Einreichung des Gesuchs an die Behörde in gleicher Weise wie durch Klageerhebung unterbrochen, wenn die Zulässigkeit des Rechtswegs (bzw. der Klage, vgl. BGH MDR 1981, 133 f.) von der Vorentscheidung der Behörde abhängt und die Klage binnen drei Monaten nach der Erledigung des Gesuchs erhoben wird. Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts am 01. Januar 2002 kommt dementsprechend im vorliegenden Fall die Anwendung des § 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB neuer Fassung (n.F.) in Betracht, der nunmehr unter den genannten Voraussetzungen die Hemmung der Verjährung vorsieht (zum Übergangsrecht vgl. Art. 229 § 6 Abs. 1 und 2 Einführungsgesetz zum BGB). Die dort genannten Voraussetzungen sind vorliegend jedoch nicht erfüllt.

34

Der am 22. Oktober 2001 gestellte Antrag der Beigeladenen zu 8. kann nicht als "Einreichung des Antrags" im Sinne des § 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB n.F. angesehen werden. Wie das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG; BVerwGE 57, 306, 308 ff.)[BVerwG 09.03.1979 - 6 C 11/78] schon zu § 210 BGB a.F. überzeugend ausgeführt hat, kann als Antrag in diesem Sinne nur die Einlegung des Widerspruchs angesehen werden, weil nur die Durchführung des Vorverfahrens unmittelbare Zulässigkeitsvoraussetzung der anschließenden Klage ist. Aus der Gleichstellung eines Gesuchs an die Behörde mit den Wirkungen einer Klageerhebung - die gemäß § 209 BGB a.F. bzw. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB n.F. die Verjährung unterbricht bzw. hemmt - ergibt sich darüber hinaus, dass nach Sinn und Zweck der Vorschrift nur solche Schritte als ausreichend anzusehen sind, die bereits den eindeutigen Willen zur gerichtlichen Durchsetzung des Anspruchs erkennen lassen. Auch dies kann frühestens mit der Einlegung des Widerspruchs angenommen werden, während die erstmalige Antragstellung dem Zweck dient, überhaupt ein Verwaltungsverfahren in Lauf zu setzen. An dieser Rechtslage hat sich unter Geltung des § 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB n.F. nichts geändert (Lakkis in: jurisPK-BGB Buch 1, 4. Auflage, § 204 Rdnr. 82.1). Für den vorliegenden Fall der Anrufung des Beschwerdeausschusses kann nichts anderes gelten (zur Gleichstellung des dortigen Verfahrens mit dem Vorverfahren vgl. § 106 Abs. 5 Satz 6 SGB V).

35

Darüber hinaus greift § 204 Abs. 1 Nr. 12 n.F. BGB nicht ein, weil nicht innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben worden ist, selbst wenn man als "Erledigung des Gesuchs" die Bekanntgabe des Bescheids des Beklagten vom 15. Januar 2007 ansehen würde. Denn die Verjährungsunterbrechung bzw. -hemmung durch gerichtliche Geltendmachung des Anspruch (vgl. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB n.F. bzw. § 209 BGB a.F.) tritt grundsätzlich nur ein, wenn die Klage gegen den Schuldner gerichtet wird (BSG SozR 3-5545 § 23 Nr. 1). In Fällen der vorliegenden Art kann dem unter bestimmten Voraussetzungen zwar gleichgestellt werden, dass der betroffene (Zahn-)arzt zu einem Verfahren über die Untätigkeitsklage gegen den Prüfungs- oder Beschwerdeausschuss beigeladen wird oder auf diese Weise von dem anhängigen Feststellungsverfahren förmlich Kenntnis erhält (BSG a.a.O.). Ungeachtet der Frage, ob der vorliegende Fall mit einer derartigen Konstellation verglichen werden kann, ist der hier betroffene ermächtigte Arzt erst mit Zustellung des Beiladungsbeschlusses (vom 18. April 2007) am 30. Mai 2007 vom SG beigeladen worden. Damit hat er erst nach mehr als drei Monaten nach Klageerhebung Kenntnis davon erhalten, dass der gegen ihn gerichtete Schadensersatzanspruch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahren geworden ist.

36

Der Antrag der Beigeladenen zu 8. hat die Verjährung auch nicht gemäß § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB I gehemmt. Danach tritt die Hemmung der Verjährung eines Anspruchs auf eine Sozialleistung bereits durch schriftlichen Antrag hierauf ein. Die darin liegende Privilegierung des Anspruchsinhabers ist jedoch auf Sozialleistungen beschränkt. Es ist kein Grund ersichtlich, warum sie auf Schadensersatzansprüche der Krankenkassen erweitert werden sollte (vgl. die ähnlich gelagerte Situation bei der Verzinsung von Geldleistungen nach § 44 Abs. 1 SGB I: SozR 1200 § 44 Nr. 10).

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Die Verjährung ist durch den Antrag der Beigeladenen zu 8. bzw. dessen Mitteilung an den Beigeladenen zu 1. weiterhin nicht gemäß § 203 BGB n.F. gehemmt worden, weil damit zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände schwebten. Verhandlungen im Sinne dieser Vorschrift liegen nur vor, wenn es zumindest zu einem Meinungsaustausch zwischen Gläubiger und Schuldner über den Anspruch oder seine tatsächlichen Grundlagen gekommen ist (Heinrichs in: Palandt, BGB, 68. Auflage, § 203 Rdnr. 2 m.w.N.). Meinungsäußerungen des Beigeladenen zu 1. als Antwort auf die Kenntnisgabe des Regressantrags sind vor Erhebung der Verjährungseinrede jedoch nicht erfolgt.

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Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass dem Eintritt der Verjährung nicht die Vorschrift des § 24 Abs. 5 Satz 2 PrüfV entgegensteht, wonach ein Antrag auf Schadensfestsetzung ausgeschlossen ist, wenn seit der Pflichtverletzung des Vertragsarztes mehr als vier Jahre vergangen sind. Einer derartigen durch öffentlich-rechtlichen Vertrag geschaffenen Ausschlussfrist gegenüber sind die auf Gesetz beruhenden Verjährungsregeln höherrangig. Gemäß § 106 Abs. 3 Satz 1 SGB V vereinbaren die Vertragspartner in den Prüfvereinbarungen zwar "die Verfahren zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit" gemeinsam und einheitlich. Wie das BSG (SozR 3-2500 § 106 Nr. 53) bereits entschieden hat, liegt hierin jedoch keine Ermächtigung, das Prüfverfahren abweichend von gesetzlichen Vorschriften zu regeln.

39

Entgegen der Auffassung des Beklagten und des - dem folgenden - SG ist der Eintritt der Verjährung schließlich auch schon im vorliegenden Verfahren zu berücksichtigen. Es trifft nicht zu, wenn der Beklagte meint, er habe nur über die Frage der Zulässigkeit der Verordnung zu entscheiden, während die Vollziehung eines Regressanspruchs allein in die Zuständigkeit der KV falle. Die KV hat festgestellte Schadensersatzansprüche gemäß § 52 BMV-Ä bzw. § 48 EKV-Ä zwar durchzusetzen. Dies setzt aber deren rechtliche Durchsetzbarkeit voraus. Die diesbezügliche Prüfung obliegt den Prüfgremien, weil diese nach § 106 Abs. 5 Satz 1 SGB V nicht nur darüber zu entscheiden haben, ob der Arzt gegen das Wirtschaftlichkeitsverbot verstoßen hat, sondern auch, "welche Maßnahmen zu treffen sind". Es wäre aber rechtswidrig, wenn die Prüfgremien Sanktionen festsetzen, obwohl Verjährung eingetreten ist und der Vertragsarzt sich hierauf auch im Verfahren vor diesen Gremien berufen hat, weil er damit berechtigt ist, die Leistung zu verweigern ( § 214 Abs. 1 BGB n.F.). Eine derartige Maßnahme ist vom Prüfungsausschuss vorliegend auch getroffen worden, nämlich die Festsetzung eines Schadensersatzanspruchs in Höhe von 133,07 EUR. Der Beklagte hat sich im angefochtenen Bescheid im Übrigen nicht nur mit der Entstehung dieses Anspruchs dem Grunde nach, sondern auch ausführlich mit dessen möglicher Verjährung und damit mit der Durchsetzbarkeit des Anspruchs befasst, wozu sein jetziges gerichtliches Vorbringen im Widerspruch steht.

40

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 i.V.m. 154 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.

41

Der Senat hat gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG die Revision zugelassen.

42

Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus der Anwendung des § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz. -