Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 22.01.2009, Az.: L 8 SO 32/07
Anwendbarkeit der Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe; Nichtbenötigung einer speziellen Kostform bei Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Hyperlipidämie, Hyperurikämie und Hypertonie
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 22.01.2009
- Aktenzeichen
- L 8 SO 32/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 17796
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2009:0122.L8SO32.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover, S 51 SO 331/06 vom 28.11.2006
Rechtsgrundlagen
- § 28 Abs. 3 S. 2 SGB XII
- § 30 Abs. 5 SGB XII
- § 42 S. 1 Nr. 3 SGB XII
Amtlicher Leitsatz
1. Für die Beurteilung, ob Erkrankungen einen Mehrkosten verursachenden erhöhten Ernährungsaufwand erfordern, sind die Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe in der 3. völlig neu bearbeiteten Auflage 2008 eine tragfähige Beurteilungsgrundlage auch für vor der Veröffentlichung liegende Zeiträume.
2. Nach aktuellem medizinisch-ernährungswissenschaftlichen Kenntnisstand genügt bei Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Hyperlipidämie, Hyperurikämie und Hypertonie eine in den Empfehlungen näher beschriebene Vollkost, die bei preisbewusster Einkaufsweise mit einem Aufwand zu finanzieren ist, der von dem Regelsatz gedeckt ist. Es bedarf keiner speziellen Kostform. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 28. November 2006 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob für den Zeitraum vom 1. August 2005 bis 31. Juli 2006 ein Mehrbedarf des Klägers für kostenaufwändige Ernährung gemäß § 30 Abs 5 SGB XII in Höhe von 38,54 EUR monatlich anzuerkennen ist.
Der am 10. August 1940 geborene Kläger bezog bis zum 9. August 2005 Leistungen nach dem SGB II, wobei ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung wegen eines Diabetes mellitus Typ I anerkannt wurde. Unter Geltendmachung dieses Mehrbedarfs beantragte der Kläger im Juni 2005 bei der für die Beklagten handelnden Landeshauptstadt F. Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII für die Zeit ab Vollendung seines 65. Lebensjahres. Er legte ua eine Bescheinigung des ihn hausärztlich behandelnden Allgemeinmediziners Dr. G. vom 13. Juli 2005 vor, wonach er an Diabetes mellitus Typ I erkrankt und deshalb eine kostenaufwändige Krankenkost erforderlich sei. Die Landeshauptstadt F. bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 21. Juli 2005 für den Zeitraum vom 1. August 2005 bis 31. Juli 2006 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII ohne Berücksichtigung des vom Kläger geltend gemachten Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung. Dagegen erhob der Kläger am 29. Juli 2005 Widerspruch, den er im Wesentlichen damit begründete, er leide bereits sei längerem anerkanntermaßen an Diabetes mellitus Typ I und habe deshalb seit 1992 zunächst vom Sozialamt und anschließend von der ARGE Region F. ununterbrochen einen Mehrbedarfszuschlag für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von zuletzt 51,13 EUR monatlich erhalten.
Der Kläger hat am 8. Januar 2006 bei dem Verwaltungsgericht F. Untätigkeitsklage erhoben, die nach Erlass des Widerspruchsbescheides des Beklagen vom 23. Januar 2006 an das zuständige Sozialgericht Hannover (SG) verwiesen worden ist. Die Beteiligten haben zunächst darüber gestritten, ob für den Kläger ein Mehrbedarf in Höhe von 51,13 EUR monatlich anzuerkennen ist, weil er wegen seiner Diabetes-mellitus-Erkrankung (wobei der Kläger vom Typ I ausgegangen ist) eine Mehrkosten verursachende Diabetes-Kost benötigt. Das SG hat Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt. Der den Kläger behandelnde Allgemeinmediziner Dr. G. hat in seinem Befundbericht vom 30. August 2006 als wesentliche Diagnosen Diabetes mellitus Typ II bei Übergewicht, diabetische Polyneuropathie, Adipositas, Arthrose, Fettleber, Hypertonie, Hyperurikämie sowie Hypercholesterinämie angegeben und wie auch ergänzend mit Stellungnahme vom 14. September 2006 eine kostenaufwändigere diätetische Ernährung für notwendig befunden. Der den Kläger am 5. Oktober 2004 behandelnde Internist Dr. H. hat mit Befundbericht aus dem September 2006 die Diagnosen arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus Typ II und Hypercholesterinämie mitgeteilt. Die erforderliche Diät zur Behandlung des Diabetes mellitus sowie der Hypercholesterinämie (cholesterinarm, ballaststoffreich, langkettige Kohlehydrate, Vollkornprodukte) verursache sicherlich zusätzliche Kosten. Der Kläger hat im Hinblick auf die eingeholten Befundberichte schließlich lediglich die Anerkennung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung aufgrund seiner Erkrankung an Hypercholesterinämie in Höhe von 38,54 EUR monatlich verlangt.
Mit Urteil vom 28. November 2006 hat das SG die Bescheide der Landeshauptstadt F. vom 21. Juli 2005 und 1. August 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 23. Januar 2006 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung gemäß § 30 Abs 5 SGB XII für die Zeit vom 1. August 2005 bis 31. Juli 2006 in Höhe von 38,54 EUR monatlich zu zahlen. Dabei hat es sich auf die vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge herausgegebenen Empfehlungen für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe (2. Aufl 1997) gestützt, in denen (vgl Seiten 36 und 56) für Hypercholesterinämie eine monatlich 38,54 EUR (auf den streitigen Zeitraum fortgeschriebener Betrag, vgl Hofmann in LPK-SGB XII, 7. Aufl 2005, § 30 Rdnr 31) Mehrkosten verursachende lipidsenkende Kost vorgesehen ist. Das SG hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 12. Januar 2007 zugestellte Urteil am 2. Februar 2007 Berufung eingelegt. Die Empfehlungen des Deutschen Vereins aus dem Jahre 1997, auf die das SG abgestellt habe, seien veraltet. Nach dem "Begutachtungsleitfaden für den Mehrbedarf bei krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung (Krankenkostzulagen) gemäß § 23 Abs 4 BSHG" (Verlag Landschaftsverband Westfalen-Lippe 2002), dem inzwischen auch die Landessozialgerichte Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen folgten, sei bei Hypercholesterinämie eine Mehrkosten verursachende spezielle Kostform nicht erforderlich. Auch nach den nunmehr aktualisierten Empfehlungen des Deutschen Vereins, 3. völlig neu überarbeitete Auflage 2008, sei hier ein krankheitsbedingt erhöhter Ernährungsaufwand zu verneinen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 28. November 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angegriffene Urteil und macht im Wesentlichen geltend, der von der Beklagten herangezogene Begutachtungsleitfaden sei wie bereits das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht festgestellt habe keine tragfähige Grundlage für die Beurteilung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs. Das gelte auch für die Empfehlungen des Deutschen Vereins aus dem Jahre 2008. Sie gäben nur die von den Kostenträgern gewünschten Resultate wieder. Denn an ihrer Erarbeitung seien Ärzte aus dem Bereich des öffentlichen Gesundheitswesens beteiligt gewesen. Es sei auch davon auszugehen, dass das den neuen Empfehlungen zugrunde liegende Gutachten der zur "Gutachtenmafia" gehörenden Deutschen Gesellschaft für Ernährung zu den Lebensmittelkosten für eine vollwertige Ernährung ein Gefälligkeitsgutachten sei. Entgegen dem Ergebnis dieses Gutachtens reiche der Regelsatz nicht aus, um eine Vollkost zu finanzieren. Die zugrunde gelegten Daten der Einkommens- und Verbraucherstichprobe (EVS) 2003 des Statistischen Bundesamtes sei keine ausreichende empirische Grundlage für die Berechnung der Kosten für eine vollwertige Ernährung, weil sie die unter anderem durch die Einführung des Euro bewirkte sehr hohe Teuerungsrate nicht berücksichtige. Die Aussage der Empfehlungen, mit einem Ansatz in Höhe von 4,52 EUR täglich für Nahrungsmittel und Getränke (einschließlich Tabakwaren) decke der Regelsatz den Mindestaufwand für eine Vollkost, beziehe sich auf den Eckregelsatz für einen Haushaltsvorstand und einen Alleinlebenden in Höhe von 351,00 EUR, nicht jedoch auf den für ihn als mit seiner Ehefrau zusammenlebenden maßgebenden Regelsatz in Höhe von 316,00 EUR (90 % des Eckregelsatzes für ihn und die Ehefrau).
Der Senat hat die 3. völlig neu überarbeitete Auflage 2008 der Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenzulagen in der Sozialhilfe vom 1. Oktober 2008 in das Verfahren eingeführt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist begründet.
Das SG hat die Beklagte zu Unrecht zur Zahlung des streitigen Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung verurteilt. Das Urteil war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der für die Beklagte handelnden Landeshauptstadt F. vom 21. Juli 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 23. Januar 2006, soweit damit die Gewährung der streitigen Krankenkostzulage abgelehnt worden ist. Gegen diese Ablehnung wehrt der Kläger sich mit seiner kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG iVm § 56 SGG). Die (Ablehnung der) Krankenkostzulage nach § 30 Abs 5 SGB XII ist ein eigenständiger Streitgegenstand, weil es sich dabei wie sich aus § 42 SGB XII ergibt um einen Einzelanspruch der "Leistungen" der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung handelt (vgl BSG, Urteil vom 26. August 2008 - B 8/9b SO 10/06 R -, juris).
Der Kläger hat den streitigen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung nicht (gehabt). Gemäß § 42 Satz 1 Nr 3 SGB XII umfassen die Grundsicherungsleistungen - wie sie hier dem Kläger von der Beklagten in Gestalt des Regelsatzes und der Leistungen für Unterkunft und Heizung für den streitigen Zeitraum vom 1. August 2005 bis 31. Juli 2006 bewilligt worden sind - die Mehrbedarfe entsprechend § 30 SGB XII. Nach § 30 Abs 5 SGB XII wird für Kranke, Genesende, behinderte Menschen oder von einer Krankheit oder von einer Behinderung bedrohte Menschen, die einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt. Der Kläger hat im streitigen Zeitraum einen krankheitsbedingt erhöhten Ernährungsaufwand nicht gehabt. Insbesondere hat die Hypercholesterinämie entgegen der Auffassung der SG nicht eine zu Mehrkosten führende spezielle Ernährung erfordert.
Für die Beurteilung, ob eine oder mehrere der Erkrankungen des Klägers einen Mehrkosten verursachenden erhöhten Ernährungsaufwand erfordern, greift der Senat auf die nunmehr vorliegenden aktualisierten Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe (3. völlig neu bearbeitete Auflage 2008) zurück. Diese Empfehlungen sind (wieder) eine tragfähige Beurteilungsgrundlage, und zwar auch für den hier streitigen Zeitraum vom 1. August 2005 bis 31. Juli 2006. Die Empfehlungen des Deutschen Vereins in der Vorauflage von 1997, auf die das SG sein zusprechendes Urteil gestützt hat, konnten schon für den streitigen Zeitraum nicht mehr als antizipiertes Sachverständigengutachten angesehen werden, weil sie auf Gutachten aus den Jahren 1991 bis 1996 im Wesentlichen auf dem sogenannten Rationalisierungsschema 1994 beruhten und jedenfalls schon in den Jahren 2005 und 2006 nicht mehr dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand entsprachen (vgl BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14/7b AS 64/06 R -, juris Rdnr 27). Bereits in dem Begutachtungsleitfaden des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe aus dem Jahre 2002, auf den die Beklagte sich bezogen hat, wird kritisiert, dass die Empfehlungen in der Auflage von 1997 in einigen Punkten nicht mehr dem Stand der Wissenschaft entsprächen und manche Erkenntnisse nicht folgerichtig umgesetzt seien. Das gilt auch für das "Rationalisierungsschema 2004" des Bundesverbandes Deutscher Ernährungsmediziner. Letzteres gab für den Deutschen Verein den Impuls, seine Empfehlungen vor dem Hintergrund neuer diätetischer Erkenntnisse auf ihre Aktualität hin zu überprüfen und die Empfehlungen aus dem Jahre 2008 zu erarbeiten.
Aus diesen Empfehlungen (vgl II.2.4.1) ergibt sich nunmehr, dass nach dem aktuellen Stand der Ernährungsmedizin (wie er auch schon 2004 im "Rationalisierungsschema 2004" wiedergegeben war) bei Hyperlipidämie (Erhöhung der Blutfettwerte, zu der auch die Hypercholesterinämie gehört) sowie auch bei den weiteren Erkrankungen des Klägers an Hyperurikämie, Hypertonie und Diabetes mellitus (wobei es irrelevant ist, ob es sich um Typ I oder Typ II handelt) regelmäßig eine "Vollkost" angezeigt ist (vgl hierzu näher III.1 der Empfehlungen 2008), die nicht zu einem erhöhten Ernährungsaufwand führt, weil der auf der Grundlage der Einkommens- und Verbraucherstichprobe (EVS) 2003 bemessene Regelsatz den für diese Ernährungsform notwendigen finanziellen Aufwand deckt (vgl hierzu näher III.2 der Empfehlungen 2008).
Die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung geäußerten Zweifel an der Tragfähigkeit der Empfehlungen des Deutschen Vereins aus dem Jahre 2008 teilt der Senat nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat die besondere Bedeutung der Empfehlungen des Deutschen Vereins (in der Vorauflage von 1997) bei der Beurteilung der schwierigen Fragen im Zusammenhang mit der Gewährung von Krankenkostzulagen betont (Beschluss vom 20. Juni 2006 - 1 BvR 2673/05 -, info also 2006, 279). Auf sie haben die Gesetzesbegründung (vgl BT-Drucks. 15/1516 S. 57 zur Parallelvorschrift des § 21 Abs 5 SGB II) als auch - solange sie aktuell waren - Literatur und Rechtsprechung - soweit ersichtlich - einhellig zurückgegriffen. Der Senat vermag Gründe, aus denen dies für die nunmehr vorliegende Neuauflage der Empfehlungen des Deutschen Vereins von 2008 nicht gelten sollte, nicht zu erkennen. Die Behauptung des Klägers, diese Empfehlungen gäben nur die von den (SGB XII- und SGB II-) Leistungsträgern im Kostensenkungsinteresse gewünschten Ergebnisse wieder, ist haltlos. Dass bei Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Hyperlipidämie, Hyperurikämie und Hypertonie spezielle Kostformen (Diabeteskost, lipidsenkende Kost, purinreduzierte Kost, natriumdefinierte Kost) - für die in den Empfehlungen des Deutschen Vereins von 1997 noch entsprechende Krankenkostzulagen vorgesehen waren - nicht mehr erforderlich sind, sondern eine in den Empfehlungen näher beschriebene Vollkost genügt, ist aktueller medizinisch-ernährungswissenschaftlicher Kenntnisstand (vgl die Darstellung in den Empfehlungen des Deutschen Vereins von 2008 sowie insbesondere das Rationalisierungsschema von 2004 des Bundesverbandes Deutscher Ernährungsmediziner und anderer, Aktuel Ernaehr med 2004; 29, 245 - 253).
Die Einwendungen des Klägers gegen die Feststellung des Deutschen Vereins von 2008, dass der auf der Grundlage der EVS 2003 berechnete Regelsatz den notwendigen Aufwand für eine Vollkost deckt, greifen nicht durch. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Daten der EVS eine vom Gesetzgeber vorgesehene und in der Rechtsprechung anerkannte (vgl nur BSG, Urteil vom 23. November 2006, B 11b AS 1/06 R -, juris Rdnr 46 ff, 50) Grundlage für die Regelsatzbemessung ist. Gemäß § 28 Abs 3 SGB XII sind die Regelsätze so zu bemessen, dass der gesamte Bedarf des notwendigen Lebensunterhalts mit Ausnahme der Leistungen für Unterkunft und Heizung dadurch gedeckt werden kann. Die Regelsatzbemessung berücksichtigt nach § 28 Abs 3 Satz 2 SGB XII den Stand und die Entwicklung von Netto-Einkommen, Verbraucherverhalten und Lebenshaltungskosten. Grundlage sind die tatsächlichen, statistisch ermittelten Verbrauchsausgaben von Haushalten in unteren Einkommensgruppen. Datengrundlage ist die Einkommens- und Verbraucherstichprobe. Die Bemessung wird überprüft und ggf weiterentwickelt, sobald die Ergebnisse einer neuen Einkommens- und Verbraucherstichprobe vorliegen (Sätze 4 bis 6 des § 28 Abs 3 SGB XII).
Auf der Grundlage der Ergebnisse der EVS 2003 sind sozialhilferechtlich anerkannte Ausgaben von Alleinlebenden in der untersten Einkommensgruppe (Empfänger von Sozialhilfe) für Nahrung, Getränke und Genussmittel in Höhe von 135,55 EUR (tagesdurchschnittlich 4,52 EUR) in die Bemessung des Eckregelsatzes eingeflossen (127,31 EUR für "Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren" zuzüglich 8,24 EUR "Verpflegungsdienstleistungen", vgl Unterrichtung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Ausschuss- Drucksache 16 (11) 286 vom 15. Juni 2006 S. 5 - 7). Bei "preisbewusster Einkaufsweise" ist eine Vollkost mit einem Aufwand von ca 4,00 EUR täglich zu finanzieren (III.2 der Empfehlungen des Deutschen Vereins von 2008 gestützt auf die wissenschaftliche Ausarbeitung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) "Lebensmittelkosten im Rahmen einer vollwertigen Ernährung" vom April 2008, Seiten 7 bis 10).
Die in der vorstehend zitierten Studie der Deutschen Gesellschaft für Ernährung vom April 2008 durchgeführten Berechnungen sind entgegen dem Vorbringen des Klägers nicht deshalb unzutreffend, weil sie auf den Daten der EVS 2003 beruhen. Zwar gelten die errechneten Lebensmittelpreise und die hieraus abgeleiteten Ausgaben für Lebensmittel bei vollwertiger Ernährung ebenfalls für das Jahr 2003 (Ernährungsstudie der DGE vom April 2008 S. 9). In der Studie selbst ist aber weiter plausibel ausgeführt, dass die Ergebnisse mit nur geringem Fehler auch für die Folgejahre übernommen werden können, weil die Lebensmittelpreise in der Vergangenheit ziemlich stabil gewesen seien. Da zwischenzeitlich die Preise für einige Lebensmittel angehoben worden seien, müsse davon ausgegangen werden, dass derzeit die tatsächlichen Lebensmittelkosten höher liegen. Eine erneute Berechnung sei aufgrund fehlender Daten gegenwärtig noch nicht möglich. Daraus folgt zur Überzeugung des Senats, dass die auf den Daten der EVS 2003 basierenden Berechnungen der Ernährungsstudie der DGE vom April 2008, wonach eine Vollkost mit dem im Regelsatz für Ernährung berücksichtigten Geldbetrag finanzierbar ist, jedenfalls für den hier streitigen Zeitraum vom 1. August 2005 bis 31. Juli 2006 - in dem sich die Lebensmittelpreise gegenüber dem Jahr 2003 noch nicht nennenswert erhöht hatten, gelten. Zwar basiert die Bemessung des im streitigen Zeitraum geltenden Eckregelsatzes (345,00 EUR) auf der noch weiter zurückliegenden EVS 1998. Die Ergebnisse der EVS 2003 lagen erst Ende 2005 vor und die Regelsatzverordnung wurde daraufhin erst im November 2006 entsprechend geändert. Dies ist aber unerheblich, weil die Ergebnisse der EVS 1998 einen fast gleich hohen regelsatzrelevanten Anteil für Ernährung ausweisen wie die Ergebnisse der EVS 2003 (123,76 EUR statt 127,31 EUR für "Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren" und 9,38 EUR statt 8,24 EUR "für Verpflegungsdienstleistungen") und der auf (von der EVS 1998) auf Januar 2005 fortgeschriebene Anteil für Ernährung im Regelsatz sogar noch höher lag (für "Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren" allein 132,71 EUR; vgl. Martens, Die Mangelhaftigkeit der Bedarfsbemessung des Existenzminimums im SGB II und SGB XII, Der Paritätische Wohlfahrtsverband - Gesamtverband Berlin - Januar 2006, S. 4, Tabelle 1).
Der Kläger hat zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass die Aussage des Deutschen Vereins in den Empfehlungen 2008 (sowie in der zugrunde liegenden Ernährungsstudie der DGE vom April 2008), Vollkost könne aus dem im Regelsatz enthaltenen Anteil für Ernährung finanziert werden, sich auf den Eckregelsatz bezieht. Eben diesen Eckregelsatz in Höhe von seinerzeit 345,00 EUR monatlich, den das BSG mit Urteil vom 23. November 2006 (aaO.) für verfassungsgemäß befunden hat, hat die Beklagte allerdings bei der Berechnung der Grundsicherungsleistungen des Klägers im streitigen Zeitraum auch zugrunde gelegt. Im Übrigen sind die gegenüber dem Regelsatz für einen Haushaltsvorstand (100 % des Eckregelsatzes) verringerten Regelsätze für (übrige) Haushaltsmitglieder darauf zurückzuführen, dass letztere anders als ein Haushaltsvorstand nicht die Generalkosten eines Haushalts tragen. Die in den unterschiedlich hohen Regelsätzen enthaltenen Anteile für Ernährung unterscheiden sich jedenfalls für Leistungsberechtigte, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nicht.
Einen ernährungsbedingten Mehrbedarf aufgrund einer nicht in den Empfehlungen 2008 erfassten Erkrankung macht der Kläger nicht geltend und ist auch sonst - insbesondere aus den erstinstanzlich eingeholten Befundberichten der behandelnden Ärzte - nicht ersichtlich.
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 193 SGG.
Gerichtskosten werden in Sozialhilfeverfahren dieser Art nicht erhoben.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs 2 SGG bestehen nicht.