Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 28.01.2009, Az.: L 1 KR 251/06
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 28.01.2009
- Aktenzeichen
- L 1 KR 251/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 43507
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2009:0128.L1KR251.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Oldenburg - AZ: S 6 KR 275/05
In dem Rechtsstreit
...
hat der 1. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen
auf die mündliche Verhandlung vom 28. Januar 2009 in Celle
durch den Richter am Landessozialgericht E. - Vorsitzender -,
die Richterin am Landessozialgericht F.,
den Richter am Landessozialgericht G. sowie
die ehrenamtlichen Richter H. und I.
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
TATBESTAND
Streitig ist die Sozialversicherungspflicht der Klägerin in der Künstlersozialversicherung für die Zeit vom 7. Januar 2005 bis 30. Juni 2005.
Die am 27. Juli 1955 geborene Klägerin ist Diplom-Sozialwissenschaftlerin mit Zusatzausbildung "Medien/Journalismus/Öffentlichkeitsarbeit". Sie war 1985 als Medienkoordinatorin beim Kulturamt der Stadt Unna und 1986 als freiberufliche Redakteurin beim Westdeutschen Rundfunk (WDR), Lokaldirektion Kabelprojekt J., tätig. Von 1986 bis 1988 plante sie als Mitarbeiterin der Bundesanstalt für Arbeitsschutz die Deutsche Arbeitsschutzausstellung. Von 1992 bis 1997 war die Klägerin auf der Nordseeinsel K. als Freizeittherapeutin, Gesundheitspädagogin, Dozentin in der Gesundheitsbildung und Cutterin für Werbevideos tätig. Von 1997 bis 1999 hatte sie eine sozialwissenschaftliche Projektleitung bei der Initiative "Donna e.V." inne. 2002 und 2003 qualifizierte sie sich als Mediatorin an der Fern-Universität L. und als Fachberaterin für E-learning und Wissensmanagement und arbeitete u.a. für den Nationalpark Wattenmeer K. und den Lokalsender "O Eins" M..
Im Jahre 2004 hatte die Klägerin die Geschäftsidee, eine Werbebroschüre für gastronomische Betriebe in touristischen Zentren zu entwerfen und nahm im Juli, September und November 2004 an Beratungsgesprächen der EFA-Existenzgründungsagentur für Frauen, M., teil. Sie meldete ihr Gewerbe zum 29. Dezember 2004 an. Die Bundesanstalt für Arbeit förderte die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit nach Einholung einer Stellungnahme zur Tragfähigkeit der Existenzgründung der N. Industrie- und Handelskammer vom 22. Dezember 2004 mit einem Überbrückungsgeld gemäß § 57 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in Höhe von 1 084,51 Euro für die Zeit vom 29. Dezember 2004 bis 28. Juni 2005 (Bewilligungsbescheid vom 1. Februar 2005).
Am 7. Januar 2005 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten als Werbetexterin an. Sie gab an, einen Prototyp einer Werbebroschüre entworfen zu haben und sich derzeit in der Akquiseplanung bzw. -ausführung zu befinden. Das von ihr erwartete Arbeitseinkommen für das Jahr 2005 aus selbstständiger künstlerischer/publizistischer Tätigkeit werde voraussichtlich 5 000,- € betragen.
Die Beklagte forderte unter dem 7. April 2005 weitere Unterlagen von der Klägerin an. Diese legte Schreiben an Gastronomiebetriebe auf K., in denen sie ihr Konzept vorstellte, Vertragsentwürfe sowie weitere Unterlagen vor, aus denen sich die Entwicklung eines Konzeptes für einen Gastronomieführer K. ersehen ließ.
Bis Ende Mai hatte die Klägerin noch keinen Vertragsabschluss mit einem Gastronomiebetrieb aushandeln können und es war zwischenzeitlich ein Konkurrenzunternehmen aufgetreten. Sie meldete sich arbeitslos und ihr Gewerbe Ende Februar 2006 wieder ab, nachdem im Herbst 2005 ein zweiter Versuch, ihre Geschäftsidee in die Tat umzusetzen, gescheitert war. Ab 1. April 2006 war sie bei "Alt und Jung" (Öffentlichkeitsarbeit, Fundraising) M. tätig.
Mit Bescheid vom 13. Juni 2005 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin nicht der Versicherungspflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) unterliege. Die Voraussetzungen des § 1 KSVG lägen nicht vor. Aus den vorgelegten Unterlagen lasse sich nicht ausreichend erkennen, dass die Klägerin eine selbstständige künstlerische oder publizistische Tätigkeit nachhaltig und erwerbsmäßig ausübe.
Den Widerspruch der Klägerin, in dem sie auf den Berufsanfängerschutz gemäß § 3 Abs. 2 KSVG und die unerwartete Konkurrenz hinwies, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. September 2005 zurück. Da die Klägerin keine ausreichenden aussagekräftigen Nachweise für das Vorliegen einer erwerbs- bzw. berufsmäßigen und nicht nur vorübergehenden selbstständigen künstlerischen/publizistischen Betätigung mit einer entsprechenden Einnahmeerzielung zur Bestreitung des Lebensunterhaltes eingereicht habe, komme eine Versicherungspflicht nach § 1 KSVG nicht in Betracht.
Hiergegen hat die Klägerin am 28. Oktober 2005 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Oldenburg erhoben. Sie hat zur Begründung vorgetragen, dass sie eine konkrete Erwerbsaussicht gehabt habe. Wegen der fehlenden Einnahmen könne eine Gewinnerzielungsabsicht nicht verneint werden. Die fehlenden Einnahmen seien durch marktabhängige Faktoren begründet. Sie habe eine lange Akquisephase gehabt. Die Industrie- und Handelskammer sowie die Existenzgründeragentur EFA hätten ihr ein tragfähiges professionelles Konzept bescheinigt. Die realistische Aussicht hätte sich auch daraus ergeben, dass das Arbeitsamt ihr ein Überbrückungsgeld gewährt habe.
Das SG Oldenburg hat mit Urteil vom 2. August 2006 den Bescheid der Beklagten vom 13. Juni 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2005 aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin in der Zeit vom 7. Januar bis 30. Juni 2005 als Publizistin künstlersozialversichert gewesen ist. Das SG hat zur Begründung ausgeführt, dass die Klägerin unter Beachtung des Berufsanfängerprivilegs im fraglichen Zeitraum künstlersozialversichert gewesen sei, Dass sie versucht habe, als Publizistin nachhaltig und erwerbsmäßig zum Erfolg zu kommen, ergebe sich ohne weiteres aus dem Sachverhalt, insbesondere aus den von ihr bis ins Detail entwickelten publizistischen Ideen. Die Geschäftsidee sei fachlich als erfolgversprechend beurteilt worden, anderenfalls hätte die Bundesanstalt für Arbeit kein entsprechendes Überbrückungsgeld zubilligen dürfen. Die Geschäftsidee hätte Grundlage eines Geschäfts werden können, von dem die Klägerin hätte leben können. Es habe sich erwiesen, dass eine entsprechende Marktlücke bestanden habe, in die nur andere, vermutlich bereits künstlersozialversicherte Publizisten vorgestoßen seien. Die Klägerin hätte auch mit dem für die Begründung der Künstlersozialversicherungspflicht erforderlichen Mindesteinkommen rechnen dürfen. Als Vertragspartner wären allein auf K. ca. 50 Betriebe in Betracht gekommen. Bei einer Zahlung von 199,- € pro Inserat hätte bei einer Beteiligung von nur der Hälfte der Betriebe mit dem Einkommen gerechnet werden dürfen, dass die Klägerin sich ausgerechnet hatte. Bei einer realistischen Einkommenserwartung in dieser Höhe wäre es für die Künstlersozialversicherungspflicht auch nicht schädlich gewesen, wenn der Klägerin das Berufsanfängerprivileg nicht zuzubilligen gewesen wäre, sie sei aber als Berufsanfängerin zu behandeln, weil sie sich in einen völlig neuen Medienbereich hineingewagt hätte.
Gegen das ihr am 8. September 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 23. September 2006 Berufung vor dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt. Die Klägerin sei weder erwerbsmäßig noch publizistisch tätig geworden. Sie habe aus ihrer Tätigkeit keinerlei Einnahmen erzielt. Eine erwerbsmäßige Tätigkeit i.S. des KSVG läge dann vor, wenn die aufgenommene Tätigkeit und deren wirtschaftlicher Erfolg prognostisch dazu geeignet seien, einen nicht unwesentlichen Beitrag zum Lebensunterhalt beizutragen. Dafür sei erforderlich, dass überhaupt Umsätze mit der publizistischen Tätigkeit erzielt würden. Unstreitig habe die Klägerin aber keinerlei Umsätze aus der nur geplanten publizistischen Tätigkeit erzielt. Sie sei über die Bestätigung von Akquisegesprächen nicht hinausgekommen. Wenn die Umsätze null Euro betrügen, könne keine plausible Prognose aufgestellt werden, dass die Tätigkeit überhaupt geeignet sei, zumindest teilweise eine wirtschaftliche Lebensgrundlage zu bilden. Die Klägerin sei bisher überhaupt nicht publizistisch tätig geworden. Bei Antragstellung hätte sie noch keinerlei publizistische Leistungen erbracht. Der von ihr benutzte "Prototyp" habe aus bereits bestehenden Informationen im Internet bestanden. Es seien Textmuster zusammengeführt worden. Die eigentliche publizistische Tätigkeit hätte erst bei entsprechenden Vertragsabschlüssen erfolgen sollen. Dies erfülle nicht den vom Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung definierten Begriff "Publizistik". Darüber hinaus sei die Klägerin keine Berufsanfängerin mehr gewesen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 2. August 2006 aufzuheben
und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Geschäftsidee der Klägerin habe das Erstellen und Gestalten einer kompletten Gesamtbroschüre mit Gastronomiewerbetexten beinhaltet. Sie hätte in Akquisegesprächen vor Ort den Gastronomen das Werbegesamtkonzept erläutert und die geplante Broschüre anhand eines von ihr entworfenen Prototyps beschrieben. Rechtsverbindliche Vertragsabschlüsse seien in diesem Zeitraum deshalb nicht erfolgt, weil die Klägerin aufgrund des Gesamtkonzeptes hätte warten müssen, bis mindestens 15 Kunden per Vorvertrag einer Teilnahme eindeutig zugestimmt hätten. Die Klägerin habe im maßgeblichen Zeitraum eine publizistische Tätigkeit erwerbsmäßig ausgeübt. Erwerbsmäßigkeit liege bei Selbstständigen bereits vor, wenn diese Arbeiten mit der Absicht erfolgten, einen Auftrag zu erhalten. Bei der Einschätzung der Frage, ob die Tätigkeit mit erwerbsmäßiger Absicht aufgenommen werde, müsse jeweils auf den Einzelfall abgestellt werden. Die Klägerin sei publizistisch tätig geworden. Sämtliche in der Klageschrift aufgeführten Tätigkeiten erfolgten ausschließlich im Hinblick darauf, mit Hilfe von Druckerzeugnissen eine an die Öffentlichkeit gerichtete Aussage zu erzeugen. Es sei auch unerheblich, ob der Klägerin das Berufsanfängerprivileg zuzubilligen sei. Nach § 3 Abs. 1 KSVG bestehe Versicherungsfreiheit, wenn das voraussichtliche Arbeitseinkommen weniger als 3 900,- € betrage. Die Klägerin habe jedoch ein Jahreseinkommen von 5 000,- € erwartet.
Der Senat hat von der Klägerin die Stellungnahme der "Fachkundigen Stelle zur Tragfähigkeit der Existenzgründung nach 57 Abs. 2 Nr. 2 SGB III" der N. Industrie- und Handelskammer vom 22. Dezember 2004, den "Businessplan für den Gastronomieführer mit Rabattsystem für touristische Zentren" vom Dezember 2004 sowie eine Bestätigung der Existenzgründungsagentur EFA vom 5. März 2008 angefordert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakte Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung geworden.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
Die gemäß §§ 143 ff. SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
Zur Recht hat das SG Oldenburg festgestellt, dass die Klägerin in dem streitigen Zeitraum vom 7. Januar bis 30. Juni 2005 künstlersozialversichert gewesen ist.
Gemäß § 1 KSVG werden selbstständige Künstler und Publizisten in der allgemeinen Rentenversicherung, in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung versichert, wenn sie
1. die künstlerische oder publizistische Tätigkeit erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend ausüben und
2. im Zusammenhang mit der künstlerischen oder publizistischen Tätigkeit nicht mehr als einen Arbeitnehmer beschäftigen, es sei denn, die Beschäftigung erfolgt zur Berufsausbildung oder ist geringfügig im Sinne des § 8 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV).
Die Klägerin erfüllte in dem streitigen Zeitraum die Voraussetzungen des § 1 Nr. 1 KSVG, denn sie übte eine publizistische Tätigkeit erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend aus.
Nach § 2 Satz 2 KSVG ist Publizist im Sinne dieses Gesetzes, wer als Schriftsteller, Journalist oder in anderer Weise publizistisch tätig ist oder Publizistik lehrt. Eine weitergehende Definition erhält das KSVG nicht. In der Begründung zum Gesetzesentwurf heißt es dazu: Es wird darauf verzichtet, im Wege der Aufzählung von Berufsbezeichnungen die künstlerische oder publizistische Tätigkeit im Einzelnen zu definieren. Einer solchen Aufstellung steht die Vielfalt, Komplexität und Dynamik der Erscheinungsformen künstlerischer Berufstätigkeit entgegen (vgl. BT-Drucksache 9/26 S. 18). Der Begriff des Publizisten ist gemäß der ständigen Rechtsprechung des BSG weit auszulegen, wie sich aus der in § 2 Abs. 2 KSVG enthaltenen Öffnungsklausel "oder in anderer Weise publizistisch tätig wird" ergibt (BSG SozR 3-5425 § 2 Nr. 7 S. 24). Er ist nicht auf die inhaltliche Gestaltung und Aufmachung von Büchern und Massenkommunikationsmitteln (Zeitungen, Zeitschriften) begrenzt, sondern erfasst alle im Kommunikationsprozess an einer öffentlichen Aussage schöpferisch Mitwirkenden ( BSG, Urteil vom 7. Dezember 2006 - B 3 KR 2/06 R, Rdnr. 17 mwN). Zu den Publizisten gehören z.B. auch Fachleute für Öffentlichkeitsarbeit oder Werbung, Werbetexter, Verfasser von Handbüchern oder Personen, die den Charakter eines Druckwerks durch ihre gestalterische Leistung mitbestimmen (vgl. Fincke/Brachmann/Nordhausen, Künstlersozialversicherungsgesetz, 4. Aufl., 2009, § 2 RdNrn. 20, 21). Dabei kommt es darauf an, dass ein sprachlicher und inhaltlicher Gestaltungsspielraum besteht (vgl. BSG, Urteil vom 7. Dezember 2006 - B 3 KR 2/06 R, Rdnr 20) und dass es sich um eine an die Öffentlichkeit gerichtete Aussage handelt (vgl BSG SozR 3-5425 § 2 Nr. 1 S. 24). Die Klägerin beabsichtigte die Erstellung und Gestaltung einer kompletten zur Veröffentlichung gedachten Gesamtbroschüre mit Gastronomie-Werbetexten, in der sie die Eigenschaften der einzelnen Betriebe sammelte, Texte darüber verfasste und die recherchierten Eigenschaften werbewirksam vermittelte. Die Broschüre sollte einen Mindestumfang von 15 bis 20 Lokalen haben und sich an die Öffentlichkeit richten. Die Klägerin hat in ihrer Klageschrift detailliert und glaubhaft aufgezählt, welche Vorbereitungsarbeiten zu Erstellung der entsprechenden Broschüre gehörten wie zum Beispiel Recherchen zum Rabattgesetz, Wettbewerbsgesetz, Kontakte zur DEHOGA, Recherche von Gästezahlen im Küstenbereich, Ausarbeitung und Festlegung von Druckdetails, Einholung von Kostenvoranschlägen regionaler und überregionaler Druckereien, Prüfung vertriebsrechtlicher Zusammenhänge, Entwurf von Vertriebskonzepten und Vertriebskostenplänen, Akquisegespräche, Entwurf des Prototyps des Gastronomieführers. Sie hat also eine vorbereitende und konzeptionelle Tätigkeit geleistet. Der Charakter des zur Veröffentlichung bestimmten Druckwerkes ist durch ihre gestalterische Leistung mitbestimmt werden. Dies fällt nach Auffassung des Senats unter den weiten Begriff des Publizisten. Dass es zu einer Veröffentlichung - wider Erwarten - nicht gekommen ist, auch keine Verlagsverträge abgeschlossen wurden, ist - wiederum nach Auffassung des Senats - unschädlich.
Diese Tätigkeit war auch nicht nur vorübergehend. In Anlehnung an die Geringfügigkeitsgrenze des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV ist die Voraussetzung dann zu bejahen, wenn die Tätigkeit mindestens 2 Monate dauert und nicht bereits innerhalb von 2 Monaten nach der Meldung beendet werden soll (vgl. Fincke/Brachmann/Nordhausen, a.a.O., § 1 Rdnr. 22 am Ende). Die Klägerin hat ihre Tätigkeit zur Realisierung ihrer Werbebroschüre spätestens im Januar 2005 aufgenommen. Die Gewerbeanmeldung erfolgte am 29. Dezember 2004. Nachdem ihre Geschäftsidee zunächst durch unerwartete Konkurrenz gescheitert war, hat sie sich zum 1. Juli 2005 arbeitslos gemeldet. Sie war also mehr als zwei Monate mit der Erstellung ihrer Werbebroschüre beschäftigt. Sie hat darüber hinaus nach dem von der Beklagten nicht bestrittenen Vortrag im Herbst 2005 einen weiteren Akquisedurchgang unternommen, die Marktsituation noch einmal geprüft und erst Ende Februar 2006 ihr Gewerbe wieder abgemeldet. Daraus ergibt sich, dass die Klägerin bezüglich der Erstellung der Werbebroschüre nicht nur vorübergehend tätig war.
Zu Recht hat das SG Oldenburg auch ausgeführt, dass die Klägerin erwerbsmäßig i.S. des § 1 Nr. 1 KSVG tätig war. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass der Begriff "erwerbsmäßig" nicht mit (bloßer) "Erwerbserzielungsabsicht" gleichzusetzen ist. Durch das Erfordernis der Erwerbsmäßigkeit wird vielmehr eine ernsthafte Beteiligung am Wirtschaftsleben gefordert und eine Abgrenzung zu Freizeit- und Hobbykünstlern oder Personen, die eine bloße Liebhaberei betreiben, vorgenommen ( BSG, Urteil vom 24. Juni 1998 - B 3 KR 10/97 SozR 3-5425 § 2 Nr. 1 S. 21; Finke/Brachmann/Nordhausen, a.a.O., § 1 Rdnr. 15). Der angegebene Beruf muss auch tatsächlich ausgeübt werden. Zu Erwerbszwecken wird die Tätigkeit dann ausgeübt, wenn sie dazu dient, dem Betreffenden den Weg zu ebnen, in naher Zukunft damit seinen Lebenserwerb nicht nur unwesentlich bestreiten zu können (vgl LSG Hamburg, Urteil vom 30. Mai 2007 - L 1 KR 2/07). Im vorliegenden Fall hat die Klägerin ihre Tätigkeit berufsmäßig ausgeübt. Sie hat einen Business-Plan aufgestellt mit der Gründungsidee: "Gastronomieführer mit Rabattsystem für touristische Zentren". Die Industrie- und Handelskammer M. hat am 22. Dezember 2004 eine Stellungnahme der fachkundigen Stelle zur Tragfähigkeit der Existenzgründung abgegeben und das Geschäftskonzept als erfolgversprechend gewertet. Ferner hat die Klägerin ausweislich der vorgelegten Bescheinigung vom 5. März 2008 insgesamt 5 Beratungsgespräche bei der Existenzgründungsagentur für Frauen in M. in Anspruch genommen und die Bundesagentur für Arbeit - Agentur für Arbeit M. hat der Klägerin mit Bescheid vom 1. Februar 2005 ein Überbrückungsgeld zur Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit ab 29. Dezember 2004 bewilligt. Die Klägerin wollte mit der Realisierung der Werbebroschüre ihren Lebenserwerb nicht nur unwesentlich bestreiten und hatte mit Einnahmen in Höhe von etwa 5 000 Euro gerechnet. Daraus ergibt sich, dass die Klägerin ihre publizistische Tätigkeit nicht als Freizeit oder Hobby angesehen hat. Sie ist auch tatsächlich tätig geworden, denn sie hat nach den vorliegenden Unterlagen tatsächlich einen Prototyp einer Werbebroschüre entwickelt, eine Akquisetätigkeit aufgenommen und Gespräche mit Vertragspartnern geführt.
Entgegen der Ansicht der Beklagten steht der Versicherungspflicht nicht entgegen, dass die Klägerin tatsächlich keine Einnahmen hatte. Grundsätzlich ist eine weitere Voraussetzung für die Versicherung nach dem KSVG, dass das Arbeitseinkommen aus selbstständiger künstlerischer/publizistischer Tätigkeit im Kalenderjahr die Mindestgrenze von 3 900,- € überschreitet (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 KSVG). Das Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze ist ein Indiz für die erforderliche Nachhaltigkeit des künstlerischen oder publizistischen Schaffens (Finke/Brachmann/Nordhausen, a.a.O. § 3 Rdnr. 3). Es ist das voraussichtliche Jahreseinkommen maßgeblich, das geschätzt werden muss. Ihr voraussichtliches Jahreseinkommen hat die Klägerin im Zeitpunkt der Anmeldung bei der Beklagten auf 5 000 Euro geschätzt. Zutreffend hat das SG Oldenburg darauf hingewiesen, dass dieser Betrag bei einem Preis von 199 Euro pro Inserat nicht unrealistisch gewesen ist.
Darüber hinaus gilt diese Vorschrift nach § 3 Abs. 2 Satz 1 KSVG nicht bis zum Ablauf von 3 Jahren nach erstmaliger Aufnahme der Tätigkeit. Personen, die ihre Tätigkeit erstmalig aufgenommen haben, sind unabhängig davon versichert, ob ihr Arbeitseinkommen das Mindesteinkommen von 3 900,- € erreicht oder nicht. Durch diese Regelung soll der oftmals schwierigen Anlaufphase und den regelmäßig auftretenden Anfangsschwierigkeiten dieser Personengruppe Rechnung getragen werden. Berufsanfänger sind daher selbst dann pflichtversichert, wenn sie überhaupt kein Arbeitseinkommen ("Null-Einkommen") erzielen (Fincke/Brachmann/Nordhausen, a.a.O., § 3 Rdnr. 17). So liegt es hier. Die Klägerin kann hier das Berufsanfängerprivileg in Anspruch nehmen. Sie hat ihre Tätigkeit als Werbetexterin erstmals Ende Dezember 2004 aufgenommen und bei ihr haben sich die Anlaufschwierigkeiten, die der Grund für das Berufsanfängerprivileg sind, realisiert.
Im Vergleich zu ihrer Tätigkeit als freiberuflich Redakteurin beim WDR, bei der die Klägerin - soweit feststellbar - nicht künstlersozialversichert war, handelt es sich bei der Tätigkeit der Werbetexterin nicht nur um einen Genrewechsel, sondern um eine völlig andere Tätigkeit. Die Klägerin hat unwiderlegt ausgeführt, dass es sich bei der unvergüteten Tätigkeit beim WDR um eine Art Praktikum gehandelt habe, bei der sie Einblicke den Sendeablauf und die Disposition erhalten und an Redaktionskonferenzen teilgenommen habe. Es habe sich nicht um eine auf Dauer angelegte selbstständige Tätigkeit gehandelt, zum Verfassen eigener Beiträge sei es nicht gekommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.